1867
.
Die Aufmerksamkeit, welche neuerdings der mechanischen Wärmetheorie
und ihren Consequenzen allgemein geschenkt wird, hat sich in einer mir sehr
erfreulichen Weise auch auf meine Arbeiten, welche diesen Gegenstand behandeln,
erstreckt. Da aber meine Schriften nachgerade durch den Buchhandel nur schwer,
theilweise auch gar nicht mehr zu beziehen sind, so hat mich dieses veranlasst,
diese kleineren Originalabhandlungen - und zwar im Wesentlichen in unveränderter
Form - gesammelt herauszugeben. Mit den ausgezeichneten Experimentalleistungen
eines Joule und den analytischen Untersuchungen eines Clausius concurriren zu
wollen, ist nicht meine Absicht, doch halte ich dafür, dass die Sammlung
meiner Schriften insbesondere denen, welche der geschichtlichen Entwicklung der
neuen Lehre Interesse schenken, eine willkommene Gabe sein wird, und da in
denselben in gedrängter Kürze und in leicht fasslicher Darstellung das
Wesentlichste zusammengestellt ist, so wird überhaupt jeder, der sich für
Naturwissenschaften interessirt, Belehrung und Anregung daraus schöpfen können.
Die erste Abhandlung vom Jahr 1842 beschäftigt sich, wie
schon ihr Titel angibt, ausschliesslich mit der anorganischen Welt und es sind
in derselben die Principien der mechanischen Wärmelehre in kurzen,
bestimmten Sätzen niedergelegt. In der zweiten Arbeit, "die
organische Bewegung," vom Jahr 1845 ist dieser Gegenstand zuerst auf eine
mehr eingehende Weise entwickelt und es sind sodann Consequenzen für die
Physiologie daraus gezogen, welche von Fachmännern wohl kaum mehr
beanstandet werden dürften. Dem aufmerksamen Leser wird es aber nicht
entgehen, dass in dieser Schrift und zwar im physikalischen Theile derselben
schon Andeutungen enthalten sind, nach welchen der Wärme-Effect kosmisch
bewegter Körper leicht und sicher bestimmt werden kann - ein Thema, welches
drei Jahre später in meiner Schrift über die "Dynamik des Himmels"
zur ausführlicheren Besprechung kam. Dass die planetarischen Massen,
welche um die Sonne kreisen, indem sie sich in einem widerstandleistenden
Medium, dem Aether, bewegen, fortwährend Wärme entwickeln, welche in
Summa dem Effecte der Sonnenstrahlung selbst quantitativ nahezu gleich kommt und
für die Temperatur des solaren Weltraumes von bedeutendem Einflusse sein
muss, ist dort noch nicht ausgeführt, lässt sich aber aus den Prämissen
leicht entwickeln, und es wird damit auch die Meteoritenlehre in den Stand
gesetzt, Rechenschaft davon zu geben, dass die Erde in verschiedenen Regionen
ihrer Bahn verschiedene Temperaturen antrifft.
Es enthält ferner "die organische Bewegung"
wiederholt Andeutungen über die Auffassung pathologischer Zustände und
in diesem Sinne reiht sich an diese Schrift eine kurze Abhandlung "über
das Fieber" als ein Versuch, Fragen aus der allgemeinen Pathologie von dem
gewonnenen Standpunkte aus in Angriff zu nehmen.
In der Schlussschrift "über das mechanische Wärme-Aequivalent"
ist das Augenmerk hauptsächlich auf die naturwissenschaftliche Methodik und
Terminologie gerichtet, und ich glaube diese kurze Abhandlung Jedermann, der
sich in den besprochenen Fächern klare Begriffe bilden oder unbestimmte
Vorstellungen berichtigen will, zum Studium empfehlen zu dürfen. Es ist
damit zugleich die metaphysische Seite des neuen Gegenstandes berührt,
welche den Principien und Consequenzen der materialistischen Anschauungsweise
geradezu entgegengesetzt ist. Eine ausführliche Bearbeitung dieses Themas
verdanken wir dem ausgezeichneten französischen Physiker A. Hirn in seiner "Esquisse
élémentaire de la théorie mécanique de la chaleur et
de ses conséquences philosophiques," Bulletin de la Société
d´histoire naturelle de Colmar, 1846.
Dem wiederholt an mich gestellten Ansinnen, ein Lehrbuch der
Physik mit Zugrundelegung meiner neuen Wärmelehre zu verfassen, konnte ich
nicht entsprechen; es ist aber diese Aufgabe in trefflicher Weise von dem
grossen englischen Physiker John Tyndall in seinem berühmten Werke "Heat
considered as a Mode of Motion, London 1863," gelöst worden.
Heilbronn, im Frühjahr 1867.
Der Verfasser.
Bemerkungen über die Kräfte der unbelebten Natur1
Die organische Bewegung in ihrem Zusammenhange mit dem
Stoffwechsel13
Ueber das Fieber127
Beiträge zur Dynamik des Himmels147
Bemerkungen über das mechanische Aequivalent der Wärme235
Der Zweck folgender Zeilen ist, die Beantwortung der Frage zu
versuchen, was wir unter "Kräften" zu verstehen haben, und wie
sich solche unter einander verhalten. Während mit der Benennung "Materie"
einem Objecte sehr bestimmte Eigenschaften, als die der Schwere, der Raumerfüllung
zugetheilt werden, knüpft sich an die Benennung Kraft vorzugsweise der
Begriff des unbekannten, unerforschlichen, hypothetischen. Ein Versuch, den
Begriff von Kraft ebenso präcis als den von Materie aufzufassen, und damit
nur Objecte wirklicher Forschung zu bezeichnen, dürfte mit den daraus
fliessenden Consequenzen, Freunden klarer hypothesenfreier Naturanschauung nicht
unwillkommen sein.
Kräfte sind Ursachen, mithin findet auf dieselben volle
Anwendung der Grundsatz:
causa aequat effectum
. Hat die Ursache c die Wirkung e, so ist c = e; ist e wieder
die Ursache einer anderen Wirkung f, so ist
e = f, u. s. f. c = e = f. . . = c. In einer Kette von Ursachen
und Wirkungen kann, wie aus der Natur einer Gleichung erhellt, nie ein Glied
oder ein Theil eines Gliedes zu Null werden. Diese erste Eigenschaft aller
Ursachen nennen wir ihre Unzerstörlichkeit.
Hat die gegebene Ursache c eine ihr gleiche Wirkung e
hervorgebracht, so hat eben damit c zu sein aufgehört; c ist zu e geworden;
wäre nach der Hervorbringung von e, c ganz oder einem Theile nach noch übrig,
so müsste dieser rückbleibenden Ursache noch weitere Wirkung
entsprechen, die Wirkung von c überhaupt also > e ausfallen, was gegen
die Voraussetzung c = e. Da mithin c in e, e in f u. s. w. übergeht, so müssen
wir diese Grössen als verschiedene Erscheinungsformen eines und desselben
Objectes betrachten. Die Fähigkeit, verschiedene Formen annehmen zu können,
ist die zweite wesentliche Eigenschaft aller Ursachen. Beide Eigenschaften
zusammengefasst sagen wir: Ursachen sind (quantitativ) unzerstörliche und
(qualitativ) wandelbare Objecte.
Zwei Abtheilungen von Ursachen finden sich in der Natur vor,
zwischen denen erfahrungsmässig keine Uebergänge stattfinden. Die
eine Abtheilung bilden die Ursachen, denen die Eigenschaft der Ponderabilität
und Impenetrabilität zukommt, - Materien; die andere die Ursachen, denen
letztere Eigenschaften fehlen, Kräfte, von der bezeichnenden negativen
Eigenschaft auch Imponderabilien genannt. Kräfte sind also: unzerstörliche,
wandelbare, imponderable Objecte.
Eine Ursache, welche die Hebung einer Last bewirkt, ist eine
Kraft; ihre Wirkung, die gehobene Last, ist also ebenfalls eine Kraft;
allgemeiner ausgedrückt heisst dies: räumliche Differenz ponderabler
Objecte ist eine Kraft; da diese Kraft den Fall der Körper bewirkt, so
nennen wir sie Fallkraft. Fallkraft und Fall, und allgemeiner noch Fallkraft
und Bewegung sind Kräfte, die sich verhalten wie Ursache und Wirkung, Kräfte,
die in einander übergehen, zwei verschiedene Erscheinungsformen eines und
desselben Objectes. Beispiel: eine auf dem Boden ruhende Last ist keine Kraft;
sie ist weder Ursache einer Bewegung, noch der Hebung einer andern Last, wird
diess aber in dem Masse, in welchem sie über den Boden gehoben wird; die
Ursache, der Abstand einer Last von der Erde und die Wirkung, das erzeugte
Bewegungsquantum, stehen, wie die Mechanik weiss, in einer beständigen
Gleichung.
Indem man die Schwere als Ursache des Falls betrachtet, spricht
man von einer Schwerkraft und verwirrt so die Begriffe von Kraft und
Eigenschaft; gerade das, was jeder Kraft wesentlich zukommen muss, die
Vereinigung von Unzerstörlichkeit und Wandelbarkeit, geht jedweder
Eigenschaft ab; zwischen einer Eigenschaft und einer Kraft, zwischen Schwere und
Bewegung lässt sich desshalb auch nicht die für ein richtig gedachtes
Causalverhältniss nothwendige Gleichung aufstellen. Heisst man die Schwere
eine Kraft, so denkt man sich damit eine Ursache, welche, ohne selbst
abzunehmen, Wirkung hervorbringt, hegt damit also unrichtige Vorstellungen über
den ursächlichen Zusammenhang der Dinge. Um dass ein Körper fallen könne,
dazu ist seine Erhebung nicht minder nothwendig, als seine Schwere, man darf
daher letzterer allein den Fall der Körper nicht zuschreiben.
Es ist der Gegenstand der Mechanik, die zwischen Fallkraft und
Bewegung, Bewegung und Fallkraft, und die zwischen den Bewegungen unter sich
bestehenden Gleichungen zu entwickeln; wir erinnern hier nur an einen Punkt.
Die Grösse der Fallkraft v steht - den Erdhalbmesser =
ì
gesetzt - mit der Grösse der Masse m und mit der ihrer
Erhebung d, in geradem Verhältnisse; v = m d. Geht die Erhebung d = 1 der
Masse m in Bewegung dieser Masse von der Endgeschwindigkeit v = 1 über, so
wird auch v = m c; aus den bekannten zwischen d und c stattfindenden Relationen
ergiebt sich aber für andere Werthe von d oder c, m c
2
als das Mass der Kraft v; also v = m d = m c
2
; das Gesetz der Erhaltung lebendiger Kräfte finden wir in
dem allgemeinen Gesetze der Unzerstörbarkeit der Ursachen begründet.
Wir sehen in unzähligen Fällen eine Bewegung aufhören,
ohne dass letztere eine andere Bewegung, oder eine Gewichtserhebung
hervorgebracht hätte; eine einmal vorhandene Kraft kann aber nicht zu Null
werden, sondern nur in eine andere Form übergehen und es fragt sich somit,
welche weitere Form die Kraft, welche wir als Fallkraft und Bewegung kennen
gelernt, anzunehmen fähig sei? Nur die Erfahrung kann uns hierüber
Aufschluss ertheilen. Um zweckmässig zu experimentiren, müssen wir
Werkzeuge wählen, welche neben dem, dass sie eine Bewegung wirklich zum
Aufhören bringen, von den zu untersuchenden Objekten möglichst wenig
verändert werden. Reiben wir z. B. zwei Metallplatten an einander, so
werden wir Bewegung verschwinden, Wärme dagegen auftreten sehen und es
fragt sich jetzt nur, ist die Bewegung die Ursache von Wärme? Um uns über
dieses Verhältniss zu vergewissern, müssen wir die Frage erörtern,
hat nicht in den zahllosen Fällen, in denen unter Aufwand von Bewegung Wärme
zum Vorschein kommt, die Bewegung eine andere Wirkung als die Wärmeproduction
und die Wärme eine andere Ursache als die Bewegung?
Ein Versuch, die Wirkungen der aufhörenden Bewegung
nachzuweisen, wurde noch nie ernstlich angestellt; ohne die möglicherweise
aufzustellenden Hypothesen zum Voraus widerlegen zu wollen, machen wir nur
darauf aufmerksam, dass diese Wirkung in eine Veränderung des
Aggregationszustandes der bewegten, sich reibenden etc. Körper in der
Regel nicht gesetzt werden könne. Nehmen wir an, es werde ein gewisses
Quantum von Bewegung v dazu verwendet, eine reibende Materie m in n zu
verwandeln, so müsste m + v = n, und n = m + v sein, und bei der Rückführung
von n in m müsste v in irgend einer Form wieder zu Tage kommen. Durch sehr
lange fortgesetztes Reiben zweier Metallplatten können wir nach und nach
ein ungeheures Quantum von Bewegung zum Aufhören bringen; kann uns aber
beifallen, in dem gesammelten Metallstaube auch nur eine Spur der entschwundenen
Kraft wiederfinden und daraus reduciren zu wollen ? Zu Nichts, wir wiederholen,
kann die Bewegung nicht geworden sein und entgegengesetzte, oder positive und
negative Bewegungen können nicht = 0 gesetzt werden, so wenig aus 0
entgegengesetzte Bewegungen entstehen können, oder eine Last sich von
selbsten hebt.
So wenig sich, ohne Anerkennung eines ursächlichen
Zusammenhanges zwischen Bewegung und Wärme von der entschwundenen Bewegung
irgend Rechenschaft geben lässt, so wenig lässt sich auch ohne jene
die Entstehung der Reibungswärme erklären. Aus der
Volumensverminderung der sich reibenden Körper kann dieselbe nicht
hergeleitet werden. Man kann bekanntlich durch Zusammenreiben zwei Eisstücke
im luftleeren Raume schmelzen; man versuche nun, ob man durch den unerhörtesten
Druck Eis in Wasser verwandeln könne? Wasser erfährt, wie der
Verfasser fand, durch starkes Schütteln eine Temperaturerhöhung. Das
erwärmte Wasser (von 12° und 13° C.) nimmt nach dem Schütteln
ein grösseres Volumen ein, als vor demselben; woher kommt nun die Wärmemenge,
welche sich durch wiederholtes Schütteln in demselben Apparate beliebig oft
hervorbringen lässt? Die thermische Vibrationshypothese inclinirt zu dem
Satze, dass Wärme die Wirkung von Bewegung sei, würdigt aber dieses
Causalverhältniss im vollen Umfange nicht, sondern legt das Hauptgewicht
auf unbehagliche Schwingungen.
Ist es nun ausgemacht, dass für die verschwindende Bewegung
in vielen Fällen
(exceptio confirmat
regulam)
keine andere Wirkung gefunden werden kann, als die Wärme,
für die entstandene Wärme keine andere Ursache als die Bewegung, so
ziehen wir die Annahme, Wärme entsteht aus Bewegung, der Annahme einer
Ursache ohne Wirkung und einer Wirkung ohne Ursache vor, wie der Chemiker statt
H und O ohne Nachfrage verschwinden, und Wasser auf unerklärte Weise
entstehen zu lassen, einen Zusammenhang zwischen H und O einer - und Wasser
anderseits statuirt.
Den natürlichen, zwischen Fallkraft, Bewegung und Wärme
bestehenden Zusammenhang können wir uns auf folgende Weise anschaulich
machen. Wir wissen, dass Wärme zum Vorschein kommt, wenn die einzelnen
Massentheile eines Körpers sich näher rücken; Verdichtung erzeugt
Wärme; was nun für die kleinsten Massentheile und ihre kleinsten
Zwischenräume gilt, muss wohl auch seine Anwendung auf grosse Massen und
messbare Räume finden. Das Herabsinken einer Last ist eine wirkliche
Volumensverminderung des Erdkörpers, muss also gewiss mit der dabei sich
zeigenden Wärme im Zusammenhange stehen; diese Wärme wird der Grösse
der Last und ihrem (ursprünglichen) Abstande genau proportional sein müssen.
Von dieser Betrachtung wird man ganz einfach zu der besprochenen Gleichung von
Fallkraft, Bewegung und Wärme geführt.
So wenig indessen aus dem zwischen Fallkraft und Bewegung
bestehenden Zusammenhange geschlossen werden kann: das Wesen der Fallkraft sei
Bewegung, so wenig gilt dieser Schluss für die Wärme. Wir möchten
vielmehr das Gegentheil folgern, dass um zu Wärme werden zu können,
die Bewegung, - sei sie eine einfache, oder eine vibrirende, wie das Licht, die
strahlende Wärme etc., - aufhören müsse, Bewegung zu sein.
Wenn Fallkraft und Bewegung gleich Wärme, so muss natürlich
auch Wärme gleich Bewegung und Fallkraft sein. Wie die Wärme als
Wirkung entsteht, bei Volumensverminderung und aufhörender Bewegung, so
verschwindet die Wärme als Ursache unter dem Auftreten ihrer Wirkungen, der
Bewegung, Volumsvermehrung, Lasterhebung.
In den Wasserwerken liefert die, auf Kosten der
Volumensverminderung, welche der Erdkörper durch den Fall des Wassers beständig
erleidet, entstehende und wieder verschwindende Bewegung fortwährend eine
bedeutende Menge von Wärme; umgekehrt dienen wieder die Dampfmaschinen zur
Zerlegung der Wärme in Bewegung oder Lasterhebung. Die Locomotive mit
ihrem Convoi ist einem Destillirapparate zu vergleichen; die unter dem Kessel
angebrachte Wärme geht in Bewegung über, und diese setzt sich wieder
an den Axen der Räder als Wärme in Menge ab.
Wir schliessen unsere Thesen, welche sich mit Nothwendigkeit aus
dem Grundsatze "
causa aequat effectum
" ergeben und mit allen Naturerscheinungen im vollkommenen
Einklang stehen, mit einer praktischen Folgerung. - Zur Auflösung der
zwischen Fallkraft und Bewegung statthabenden Gleichungen musste der Fallraum für
eine bestimmte Zeit, z. B. für die erste Sekunde durch das Experiment
bestimmt werden; gleichermassen ist zur Auflösung der zwischen Fallkraft
und Bewegung einer - und der Wärme anderseits bestehenden Gleichungen die
Frage zu beantworten, wie gross das einer bestimmten Menge von Fallkraft oder
Bewegung entsprechende Wärmequantum sei. Z. B. wir müssen ausfindig
machen, wie hoch ein bestimmtes Gewicht über den Erdboden erhoben werden müsse,
dass seine Fallkraft äquivalent sei der Erwärmung eines gleichen
Gewichtes Wasser von 0° auf 1° C. ? Dass eine solche Gleichung
wirklich in der Natur begründet sei, kann als das Resumé des
Bisherigen betrachtet werden.
Unter Anwendung der aufgestellten Sätze auf die Wärme-
und Volumensverhältnisse der Gasarten findet man die Senkung einer ein Gas
comprimirenden Quecksilbersäule gleich der durch die Compression
entbundenen Wärmemenge und es ergiebt sich hieraus, - den Verhältnissexponenten
der Capacitäten der atmosphärischen Luft unter gleichem Drucke und
unter gleichem Volumen = 1,421 gesetzt - dass dem Herabsinken eines
Gewichtstheiles von einer Höhe von circa 365
m
die Erwärmung eines gleichen Gewichtstheiles Wasser von 0°
auf 1° entspreche. Vergleicht man mit diesem Resultate die Leistungen
unserer besten Dampfmaschinen, so sieht man, wie nur ein geringer Theil der
unter dem Kessel angebrachten Wärme in Bewegung oder Lasterhebung wirklich
zersetzt wird und dies könnte zur Rechtfertigung dienen, für die
Versuche, Bewegung auf anderem Wege als durch Aufopferung der chemischen
Differenz von C und O, namentlich also durch Verwandlung der auf chemischem Wege
gewonnenen Electricität in Bewegung, auf erspriessliche Weise darstellen zu
wollen.
Die Naturlehre hat in neuerer Zeit durch die Auffindung des
Gesetzes "von der Unzerstörbarkeit der Kraft" eine wesentliche
Bereicherung erhalten. (Man vergl. hierüber u. a. Revue des deux mondes:
Sur l'esprit de la physique moderne. Août 1858.) Es sagt dieses Gesetz im
Wesentlichen: dass die Wärme, die Bewegung (d. h. die sog. lebendige Kraft
oder "Arbeit" der Mechaniker), sowie das Licht und die Elektricität,
verschiedene Erscheinungsformen eines und desselben unzerstörlichen,
messbaren Objectes sind, so dass z. B. Bewegung in Wärme und diese wieder
in jene sich verwandeln lässt, wobei in jedem Falle die ins Spiel gesetzte
quantitas vis constant bleibt. Hiernach ist die Wärme als Imponderabile
zugleich auch eine Kraft, die Bewegung als (lebendige) Kraft ein Imponderabile,
oder allgemein: Kräfte und Imponderabilien sind synonyme Begriffe.
Der Verfasser hat es versucht, mit Zugrundelegung dieses
physikalischen Princips physiologische Lehrsätze zu gewinnen und hat hierüber,
namentlich unter Benützung der Schrift Liebig's: Die organische Chemie in
ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie 1842, eine kleine Broschüre
veröffentlicht unter dein Titel: Die organische Bewegung in ihrem
Zusammenhange mit dem Stoffwechsel. Heilbronn 1845. Da aber bei dem Leser
dieser Zeilen eine Bekanntschaft mit diesem Schriftchen nicht vorausgesetzt
werden darf, so müssen die dort niedergelegten Grundlinien des
physiologischen Lebensprocesses, soweit sie zum Verständniss des Weiteren
erforderlich sind, hier kurz wiederholt werden.
Denken wir uns einen gesunden, kräftigen Mann von mittlerem
Alter, dessen leiblicher Organismus bei allem Wechsel der Lebenserscheinungen
Tage, Wochen, Monate, Jahre lang als eine im Ganzen unveränderliche Grösse
betrachtet werden kann. Der Körper dieses Mannes producirt fortwährend
Wärme, welche an die niedriger temperirte Umgebung wieder abgesetzt wird;
zugleich liefert derselbe aber auch Tag für Tag eine gewisse Quantität
von mechanischer Arbeit oder lebendiger Kraft der Bewegung, welche man beim
fleissigen Arbeiter dem siebenten Theil einer Pferdekraft gleichsetzt. Nun lässt
sich aber diese mechanische Leistung unseres Mannes durch Reibung, Stoss,
Luft-Compression in Wärme umsetzen, und es ist eben wiederum diese m i t t
e l b a r entwickelte Wärme das Aequivalent oder das Mass der gelieferten
Arbeit. Rechnen wir nun die vom Körper an die Umgebung abgesetzte
unmittelbare und diese letztere mittelbar producirte Wärme zusammen, so ist
diese Kraftsumme das Mass oder das Aequivalent eines c h e m i s c h e n
Effects, der gleichzeitig in dem lebenden Körper vor sich geht. Die Lungen
nehmen elektronegativen Sauerstoff, der Magen dagegen nimmt in Form von Speisen
und Getränken elektropositive Stoffe auf, und das Endresultat einer Reihe
von Lebenserscheinungen ist die Ausscheidung dieser zuvor chemisch getrennten
Stoffe, in verbundenem oder verbranntem Zustande.
Es ist hier mit der Kraft wie mit dem Stoffe. Wenn wir unsern
Mann in dem Zwischenraume von 8 Tagen zweimal abwägen und sein Körpergewicht
unverändert finden, so schliessen wir daraus, dass derselbe genau so viel
Materie von der Aussenwelt aufgenommen als wieder an dieselbe abgegeben hat.
Ebenso, wenn der Körper trotz der Kraftabgabe unverändert erhalten
werden soll, so muss die Grösse des in ihm vorgehenden Verbrauchs, oder der
thermische Effect des im Körper vor sich gehenden chemischen Processes das
Aequivalent sein für die Summe, der auf unmittelbare u n d mittelbare Weise
entwickelten Wärme.
Mit Berücksichtigung bekannter physiologischer Verhältnisse
stellt sich nach dem Bisherigen der Respirations- und Circulationsprocess auf
folgende Weise dar. In den Lungen nehmen die Blutkörperchen eingeathmeten
Sauerstoff in sich auf und führen denselben als Oxygeniphoren durch den Körper.
Unter dem Contacteinflusse der Capillargefässe und dem Einflusse des
Nervensystems aber tritt dieser Sauerstoff mit elektropositiven Bestandtheilen
des liquor sanguinis in chemische Verbindung, und durch diesen Oxydationsact
wird die animalische Wärme, beziehungsweise die organische Bewegung
producirt. "Das Blut, eine langsam brennende Flüssigkeit, ist das Oel
in der Flamme des Lebens" (a. a. O. S. 90). Während Wärme an und
für sich bei jedem Oxydationsprocesse entsteht, so ist der Thierkörper
mit specifischen Organen, der contractilen Muskelfaser ausgerüstet, welche
von arteriellem Blute durchsetzt wird , und diese Fähigkeit der Muskeln ,
chemischen Effect in mechanische Arbeit umzusetzen, heisst bekanntlich
Irritabilität.
In der praktischen Mechanik, in der Technologie, pflegt man die
Leistung der Bewegungsapparate, der Motore, als Nutzeffect in Procenten des
Gesammtverbrauchs zu berechnen und auszudrücken. Hat man z. B. eine
Wassergasse, in welcher das Product aus der einlaufenden Wassermasse in die
Fallhöhe fünfzig Pferdekräfte repräsentirt, und wird dadurch
ein Rad, das die Arbeit von 15 Pferden verrichtet, umgetrieben, so liefert
dieses Werk 30 % Nutzeffect. Auf gleiche Weise lässt sich die Leistung von
Dampfmaschinen, von Geschützen und von arbeitenden Thieren und Menschen in
Procenten des stattfindenden Verbrauchs ausdrücken. Berechnungen dieser
Art machen aber die Kenntniss des mechanischen Aequivalents der Wärme, das
die einer gewissen Menge von Wärme entsprechende mechanische Arbeitsgrösse
angibt, erforderlich. Mit Hilfe dieser constanten Zahl habe ich in meiner erwähnten
Schrift (S. 69 u. 70) den Nutzeffect des Pferdes und des Arbeiters zu etwa 16
bis 17 % berechnet und ebendaselbst (S. 68 u. 107 u. f.) auch auf den zwischen
der unmittelbaren Wärmebildung und der mechanischen Leistung nothwendig
stattfindenden Antagonismus hingewiesen. Je mehr nämlich bei gleichem
Verbrauche Arbeit geliefert wird, desto weniger wird unmittelbare Wärme
gebildet, wie auch umgekehrt wieder die Wärmebildung auf Kosten der Arbeit
erfolgt.
Wenn der Organismus erkrankt, so ist eine Verminderung des
mechanischen Nutzeffects das allgemeinste und am meisten in die Augen springende
Symptom, und es wird auch wohl im Allgemeinen der Grad dieser Verminderung als
Massstab für die Stärke der Erkrankung zu betrachten sein. In einer
grossen Klasse von Krankheiten treten zugleich augenfällige Veränderungen
in der Wärmeproduction, Circulation, Respiration und Digestion auf - ein
Symptomencomplex, den man mit dem Collectivnamen Fieber bezeichnet. Bei dem
dermaligen Stande der Hilfswissenschaften, der Chemie, Physik und Physiologie
ist aber die allgemeine Pathologie noch weit entfernt eine inductive
Wissenschaft zu sein, wo sich die Einzelerscheinungen und Symptome in
gesicherter Weise auf Principien zurückführen liessen. "Gewiss
ist noch für lange Zeit keine Aussicht vorhanden, dass es gelingen werde,
die richtige Erklärung der krankhaften Zustände aufzufinden. Leichter
wird man eine Quinterne treffen, als eine Reihe verwickelter Naturprocesse durch
Suppositionen errathen" (a. a. O. S. 83). Diess soll uns indessen von dem
Versuche nicht abhalten, hierauf wenigstens einige Streiflichter zu werfen.
Die Verminderung der Arbeitsproduction ist, wie wir soeben
gesehen, ein constantes Symptom der Erkrankung im Allgemeinen und der
fieberhaften Erkrankung insbesondere. Während ein gesunder fleissiger
Arbeiter Tag für Tag ungefähr den sechsten Theil des Gesammtaufwandes
von chemischem Effect in mechanische Arbeit umsetzt, wird bei schwerer
Erkrankung diese letztere Grösse, oder der Nutzeffect, bis auf Null
reducirt, und somit der ganze chemische Aufwand nur zur Wärmebildung
verwendet. Auch bei Convulsionen und furibunden Delirien producirt das
Muskelsystem weniger mechanische Arbeit, als bei gesunder Thätigkeit.
"In Beziehung auf die Quantität einer mechanischen
Leistung ist man leicht grosser Täuschung unterworfen. Diesen Umstand
wissen die Jongleurs zu benützen und sich durch Gewandtheit den Anschein
grosser Kraftentwicklung zu geben. Auch bei der Betrachtung krankhafter Zustände
kann man leicht durch das Schreckenerregende etc. irregeleitet, auf grosse
mechanische Leistung da schliessen, wo nur ein geringer oder gar kein Effect
producirt wird. Die Kraftentwicklung ist während furibunder Delirien
gewiss nie so bedeutend, als bei einer angestrengten physiologischen Thätigkeit.
Der Gesammteffect, den der Epileptische während des Anfalls producirt,
kann nur sehr gering sein. Die Leistung der Kaumuskeln im Trismus ist = Null;
ebenso die Leistung der Gesammtmusculatur in der Todtenstarre." (a. a. O.
S. 123 Anm.)
Anders als mit der Thätigkeit der willkürlichen
Muskeln verhält es sich aber mit der Herzleistung. Denn bei fieberhaften
Erkrankungen findet bei weitem in der Mehrzahl der Fälle eine anhaltende
Beschleunigung der Herzcontractionen statt, und dabei ist gar oft der Puls
zugleich voll und gespannt, woraus dann auch auf eine erhöhte Energie der
einzelnen Contractionen geschlossen werden muss. Da nun die Grösse der
mechanischen Leistung des Herzens für eine gewisse Zeit, z. B. für 1
Minute (vergl. m. organ. Bew. S. 73, und Archiv f. physiol. Heilk. 1851. S.
512) durch das Product aus der Zahl der Schläge in die Grösse der
Einzelleistung gemessen wird, so folgt daraus, dass das Herz bei fieberhaften
Erkrankungen oftmals weit mehr als im Normalzustande leistet. Es sei z. B. bei
einem Fieberkranken sowohl die Anzahl der Herzschläge, als auch die Stärke
der Einzelleistung (d. h. der Effect der Systole) je um 1/3 vermehrt, so verhält
sich in diesem Falle die Herzkraft im gesunden Zustande zu der im kranken = 9 :
16, und wenn also die Herzarbeit eines gesunden Mannes etwa auf 1/125
Pferdekraft anzuschlagen ist, so wäre sie in vorgedachten Krankheitsverhältnissen
auf 1/70 Pferdekraft gesteigert. In vielen andern Fällen ist aber zwar die
Frequenz erhöht, die Energie dagegen vermindert, woraus sich ergibt, dass
bei Fieberkranken (in sog. asthenischen Fiebern) die Totalleistung des Herzens
weit unter den Normalstand sinken kann. In der Agonie hat die Frequenz gewöhnlich
ihr Maximum erreicht, während die Energie auf ein Minimum herabgedrückt
ist. Hier ist aber auch die Totalleistung des Herzens gewiss im Verhältniss
zur gesunden Thätigkeit nur sehr gering, im Erlöschen begriffen,
woraus wir zu schliessen haben, dass der zweite Factor der Herzkraft, die
Energie, in viel grösserem Maasstabe vermindert, als der erste Factor, die
Frequenz, erhöht ist.
Was nun die Wärmeverhältnisse im fieberhaft erkrankten
Organismus im Gegensatz zum gesunden Zustande betrifft, so ist hier sowohl die
subjective Wärmeempfindung des Kranken, als auch die wirkliche Temperatur
des Fieberkörpers bald vermindert, bald vermehrt. Das erstere, die
subjective Wärmeperception des Kranken betreffend, so kann dieselbe
bekanntlich mit den objectiv oder thermometrisch wahrnehmbaren Warmeverhältnissen
im Widerspruch stehen und ist diese Wahrnehmung als eine specielle Erscheinung
des gestörten Gemeingefühls offenbar in einer Alteration des sensiblen
Nervensystems begründet. Die zweite Erscheinung, die objective
Temperaturveränderung des fieberkranken Organismus kann ihren Grund nur in
einer Veränderung des die Wärme erzeugenden Blutverbrennungsprocesses
und einem dadurch herbeigeführten Missverhältniss zwischen Wärmeerzeugung
und Wärmeabgabe haben. Im gesunden Zustande ist der Kraft liefernde
Oxydationsact bekanntlich so regulirt, dass sich die Wärmeerzeugung genau
nach dem durch die äussern Umstände bedingten Wärmeverlust
richtet, wodurch die constante Temperatur der warmblütigen Geschöpfe
ermöglicht und erzielt wird. (vergl. org. Bew. S. 95 u. f.) In der Kälte
und bei der Arbeit ist also der chemische Process im Organismus viel lebhafter,
als in warmer Luft und in der Ruhe. Diese Regulirung des chemischen Processes,
d. h. diese Accommodation der Wärmeerzeugung an die sich nach den äussern
Verhältnissen richtenden Bedürfnisse des Organismus ist nun im Fieber
wesentlich gestört. So geschieht es zum Theil, dass die Wärme beim
Fieberkranken trotz hoher Temperatur der umgebenden Luft, trotz warmer Getränke
und der dichtesten Umhüllungen sich vermindert zeigt, wobei die Herabdrückung
des durch die Lungen vermittelten chemischen Processes als Brustoppression sich
subjectiv bemerklich macht, während anderntheils wieder bei kühler
Luft und leichter Bedeckung Hitze eintritt, wo dann aber auch bei beschleunigtem
Athem die Brust wieder freier wird. Während hier die Wärmeentwickelung
des fieberkranken Körpers eine regelwidrige Selbständigkeit und Unabhängigkeit
von der durch die äusseren Umstände bedingten Wärmeabgabe zeigt,
so manifestirt sich hinwiederum in vielen anderen Fällen die gestörte
Regulation des Wärme erzeugenden chemischen Processes durch eine
gesteigerte Abhängigkeit des ersten der genannten Factoren vorn zweiten.
Deckt sich der Kranke warm zu, so geräth er in Hitze, wenn er sich's aber
leichter macht, so erkaltet er. Eine Gleichgewichtsstörung ersterer Art
beobachten wir bei Febris intermittens, die der zweiten Art bei Febris continua
und remittens.
Die Quantität der vom menschlichen Körper in einer
gewissen Zeit, z. B. in 24 Stunden entwickelten Wärme lässt sich nicht
wohl durch directe Versuche auch nur annäherungsweise bestimmen. Es ist
diese Grösse bei einem gegebenen Individuum eine Function von der
Temperatur und dem Feuchtigkeitsgrade der allgemeinen Bedeckungen, von der
Beschaffenheit der künstlichen Umhüllungen, von der Temperatur, der
Bewegung und dem Feuchtigkeitsgrade des umgebenden Mediums und von der Quantität
und Qualität der ein- und ausgeführten Stoffe. Da nun alle diese
Factoren auch unter völlig physiologischen Verhältnissen grossen Veränderungen
unterworfen sind, so ist natürlich auch die von einem Individuum an die
Umgebung abgesetzte Wärme eine sehr variable Grösse, auf welche wir
nur von der Grösse des stattfindenden chemischen Processes aus einen
Schluss ziehen können.
Versuche haben nun gezeigt, dass die Kohlensäureproduction,
welche wir als Massstab für den stattfindenden chemischen Effect annehmen,
in fieberhaften Zuständen bisweilen wirklich vorübergehend über
das mittlere Mass erhöht ist. Im Ganzen genommen und auf den Tag
berechnet, ist aber gewiss der chemische Effect beim Fieberkranken - wie in der
Krankheit überhaupt - stets merklich geringer, als bei dem unter normalen
Verhältnissen sich bewegenden Individuum. Grösser ist die Kohlensäure-
und Wärmeproduction bei activem, sthenisch-entzündlichem, als bei
passivem, asthenischem Fiebercharakter. In jedem Falle aber ist im
fieberkranken Organismus die R e g u l a t i o n des chemischen Processes gestört.
Während beim Gesunden die Kohlensäureproduction nach den Bedürfnissen
des Körpers sich richtet, muss der Kranke seine Ausgaben an Wärme und
mechanischer Arbeit dem stattfindenden chemischen Processe anpassen.
Man hat den Umstand der bei fieberkranken gefundenen, mit erhöhter
Hauttemperatur gleichzeitig stattfindenden Verminderung der Kohlensäureproduction
als Einwurf gegen die Theorie Lavoisier's geltend gemacht, welche die thierische
Wärme ausschliesslich als Product des chemischen Effects darstellt. Dabei
hat man aber nicht bedacht, dass die Temperatur der Hautoberfläche für
sich allein keineswegs ein Massstab für die vom Körper erzeugte und
abgegebene Wärme ist. Denn abgesehen von der mechanischen Leistung, oder
der auf indirectem Wege erzeugten Wärme, welche, wie wir oben gesehen
haben, ebenfalls auf Kosten der Blutverbrennung geht, und welche beim
Schwerkranken ganz fehlt, wo also der ganze chemische Process zur directen Wärmebildung
verwendet wird, so hat der Fieberkranke viel mehr das Bedürfniss seine Wärme
zusammenzuhalten, als im gesunden Zustande. Kann er dem nicht entsprechen, so
tritt statt Hitze Frost ein. Dass dieses nach Umständen zum Heil des
Kranken dienen kann, ist keine Einwendung gegen das Gesagte.
Noch verdient die aus der Herzthätigkeit resultirende Wärmeentwickelung
Erwähnung. Es ist klar, dass die vom Herzen gelieferte mechanische Arbeit,
welche zur Ueberwindung der Widerstände, welche das Blut auf seinem Wege
findet, verwendet wird, sich im Organismus in Wärme umsetzt, und es lässt
sich die Quantität dieser Reibungswärme, wenn man die Grösse der
Herzkraft kennt, mit Hilfe des mechanischen Aequivalents der Wärme leicht
bestimmen. Da aber die Herzaction lediglich aus dem chemischen Effect
entspringt, den das von den Kranzarterien dem Herzen zugeführte Blut
liefert, so ist auch die in physiologischen sowohl als pathologischen Verhältnissen
aus der Herzaction resultirende Wärme, wie die Körperwärme überhaupt,
auf Rechnung der Blutverbrennung zu bringen und stellt insofern keinen besondern
Posten im Budget des Lebensprocesses dar.
Nachdem wir gesehen haben, dass im Fieber die Regulation der Wärmeentwickelung
und der damit aufs engste verknüpften Kohlensäureproduction gestört
ist, so ist schon hieraus auf eine Veränderung der chemischen
Beschaffenheit der Säftemasse, also in erster Linie des Blutes, zu
schliessen. Bekanntlich haben diess auch Beobachtungen längst
nachgewiesen, und namentlich ist es der Faserstoff, der sich in fieberhaften
Krankheiten bald auffallend vermehrt, bald vermindert zeigt, -ein Umstand, der für
den Charakter und die Behandlung der Pyrexien von Wichtigkeit ist.
Die chemische Analyse vermag uns aber nach dem dermaligen Stande
der Naturwissenschaften über die vitalen Processe keineswegs den nöthigen
Aufschluss zu geben. Fassen wir einen mechanischen Process, z. B. das
Herabfallen eines Gewichts auf den Erdboden ins Auge, so lässt sich sowohl
der von dem Gewicht beschriebene Raum, als auch die von dem Gewicht auf jedem
Punkte seines Weges erlangte Geschwindigkeit mathematisch construiren. Die
Chemie dagegen, die Mechanik der Molecüle, hat es in jedem Falle mit einer
unendlich grossen Anzahl einzelner Massentheile, den sog. Atomen zu thun, die
von der unmittelbaren Berührung aus auf einander zu wirken beginnen und
sich dabei in unmessbar kleinen Räumen bewegen. Es vermag uns desshalb
diese Wissenschaft bis jetzt nur die Endpunkte solcher Aktionen vor die Augen zu
führen; das aber - worauf es eigentlich ankommt - was während der
Action zwischen den unendlich vielen und unendlich kleinen Massentheilen in
unendlich kleiner Zeit vorgeht, ist uns leider völlig verborgen, und dies
ist denn auch der Grund, warum uns bei den Lebensvorgängen die Chemie im
Stiche lässt. Bedenken wir, dass die Chemie als Wissenschaft von Lavoisier
an gerechnet noch kein volles Jahrhundert zählt, so werden wir wohl hoffen
dürfen, dass das "Nihil hominibus arduum est" auch hier in Erfüllung
gehen wird und dass mit der Zeit Schwierigkeiten überwunden werden, die uns
dermalen als ganz unübersteiglich erscheinen.
Uebrigens verweise ich, was die Rolle betrifft, welche das Blut
im Organismus spielt, auf meine mehrerwähnte Schrift: Die organische
Bewegung. Es ist nun auf keine Weise zu bezweifeln, dass dieser
Blutverbrennungsprocess, welcher, wie oben gezeigt worden, die Bedingung
jedweder organischen Kraftentwicklung ist, im Fieber auf eine vom Normalzustande
abweichende Weise vor sich geht, und wir können nicht umhin, eben diese Störung
des gesunden Blutumsetzungsprocesses als wesentlichen Factor derjenigen
Krankheitserscheinungen zu betrachten, die man mit dem Collectivnamen "Fieber"
zu bezeichnen pflegt. Sehen wir doch auch, dass die Verbrennungen in den Oefen,
in den Lampen u. s. w. die mannigfaltigsten Störungen erleiden können.
Zwischen dem, die Gesundheit bedingenden normalen Vorgange und zwischen dem
Verwesungsprocesse liegt eine grosse Breite und innerhalb derselben bewegen sich
die chemischen Processe in den krankhaften Zuständen, in specie in den
Fiebern. Ist uns aber der menschliche Mikrokosmus schon im gesunden Zustande
das Räthsel der Sphinx, so gerathen wir vollends bei der Betrachtung der
krankhaften Vorgänge in ein Meer von Fragen und Wundern.
In meiner Schrift "die organische Bewegung" habe ich
mich über die Veränderungen, welche die Säftemasse im gesunden
und auch im kranken Zustande erleidet, mehrfältig ausgesprochen.
S. 76. "Wenn wir ein gesundes Thier tödten und wenige
Tage nachher das Cadaver in rascher Selbstentmischung finden, so können wir
uns allerdings veranlasst sehen, naturphilosophische Reflexionen über die
Energie der Lebenskraft, die im Stande war, den mächtigen Process der Fäulniss
zu verhindern, anzustellen, in Wahrheit laufen wir aber bei solchen Meditationen
Gefahr, einen Spinnenfaden mit einem Kabeltau zu verwechseln. Ein anderes ist
es, der Entstehung einer Feuersbrunst zuvorzukommen, ein anderes, dem
entfesselten Elemente Schranken zu setzen. In den ersten Minuten oder Stunden
nach dem Tode ist die Neigung zur Selbstentmischung (und dieser Neigung
entspricht in dem mechanischen Processe des Fallens die Anziehung) eine sehr
geringe; sie wächst durch ihre eigene Wirkung, durch die Anwesenheit der
putreficirten Stoffe; in dem lebenden Organismus ist diese Neigung nach
mathematischen Gesetzen kleiner noch, als in der Minute nach dem Tode, im Leben
ist die Neigung zur Fäulniss ein verschwindend Kleines, die Kraft, welche
wir dieser Neigung entgegenzusetzen haben, ist deren Grösse proportional,
sie ist verschwindend klein, sie ist Null.
Ein Fass voll frisch ausgepressten Traubensaftes wird bei mässiger
Wärme und bei Anwesenheit von etwas Sauerstoff binnen kurzer Zeit in volle
Gährung gerathen; angenommen aber, es liesse sich die Einrichtung treffen,
dass die Gährungsproducte im Momente ihrer Bildung stets wieder entfernt würden
(wie dieses durch ein fortwährendes Filtriren der ganzen Masse theilweise
geschehen könnte), so wäre, mittelst eines geringen täglichen
Zusatzes von frischem Traubensaft, das Fass beständig voll von süsser,
gährungsfähiger Masse zu erhalten. Eine allgemeine Gährung würde,
so lange die Ab- und Zufuhr regelmässig fortdauert, nimmermehr zu Stande
kommen.
Zahlreiche Apparate sind nun im lebenden Thier unausgesetzt
beschäftigt, zu filtriren, zu aspiriren, die chemischen Processe, zum Theil
unter Aufwand von mechanischer Kraft, zu regeln, die Intensität dieser
Processe zu erhöhen, ihre Extensität zu vermindern, die
Zersetzungsproducte in abgesonderten Räumlichkeiten niederzulegen und sie
sofort zu entfernen, vor allem aber der Bildung und Ansammlung putrider Fermente
vorzubeugen."
Ferner S. 79. "Wenn stagnirende Flüssigkeiten in Berührung
mit lebendigen Gebilden sich lange Zeit unverändert erhalten, während
sie ohne solche Berührung unter sonst gleichen Umständen sich
entmischen würden, so müssen wir daraus schliessen, dass die festen
Theile durch Secretion und Absorption einen Einfluss ausüben, durch
welchen diese Flüssigkeiten nach rein chemischen Gesetzen in ihrer Mischung
erhalten werden. Man erinnere sich hier an das, was kurz zuvor von einem Süssbleiben
des gährungsfähigen Weinmostes beispielsweise erwähnt wurde.
Diese nothwendige Annahme einer absorbirenden und secernirenden Thätigkeit
der eine solche Flüssigkeit umgebenden Fläche steht mit bekannten
anatomischen, physiologischen und pathologischen Verhältnissen im
Einklange.
Die flüssigen Materien besitzen, ihrer verschiedenen
chemischen Beschaffenheit nach, eine sehr verschieden grosse Neigung zur
Selbstentmischung; die Milch, der Wein, ein fettes Oel, der absolute Alcohol
verhalten sich in dieser Beziehung höchst ungleich. Je reicher an
organischen Bestandtheilen die im Körper eingeschlossene Flüssigkeit
ist, um so grösser wird im Allgemeinen auch ihre Zersetzungsneigung sein.
Die Wechselwirkung zwischen den umschliessenden Festtheilen und der
eingeschlossenen Flüssigkeit, oder die absorbirende und secernirende Thätigkeit
der Höhlenwandung muss um so grösser sein, je grösser die
Zersetzbarkeit der eingeschlossenen Materie ist. Da nun diese Thätigkeit
wiederum mit dem Gefässreichthum der betreffenden Theile im Verhältniss
steht, so muss folglich die Zersetzbarkeit des Exsudats in Proportion stehen mit
der Vasculosität der umkleidenden Membran.
Die Zersetzbarkeit und Vasculosität ist im Minimum
vorhanden bei den normalen Flüssigkeiten des Auges, dem Humor aqueus et
vitreus, und den entsprechenden Umhüllungen. Gering sind ferner beide in
vielen hydropischen Ausschwitzungen, Sackwassersuchten, bei der Hydrocele. Wenn
nach wiederholter Paracentese der Bauch- oder Brusthöhle das Exsudat
reicher wird an organischen Stoffen, so verdickt sich auch gleichzeitig die seröse
Haut und wird blutreicher. Die Galle und die leicht zersetzbare Milch sind von
gefässreichen Schleimhäuten umgeben, sie können sich bei
fehlender Excretion lange unzersetzt erhalten. In ihrem anatomischen und
physiologischen Verhalten sind den Schleimhäuten die Abscesswandungen ähnlich.
Nach Oeffnung des Abscesses erhält der atmosphärische Sauerstoff
Zutritt zu der angesammelten eitrigen Flüssigkeit, wodurch die Tendenz zur
Entmischung ohne Zweifel gesteigert wird; zur Verhütung der fauligen
Zersetzung muss der Blutreichthum der Abscesswandungen und die Wechselwirkung
zwischen festen und flüssigen Theilen gesteigert werden. Man erinnere sich
an die Operation des Empyems, an die Eröffnung grosser lymphatischer
Abscesse, an die des Psoasabscesses.
Hat der örtliche pathologische Process eine gewisse Zeit
lang gedauert, hat er eine gewisse Ausdehnung erhalten, so theilt er, wie die
Erfahrung lehrt, der ganzen Säftemasse eine Zersetzungstendenz mit; die
normwidrige Veränderung, welche ein Theil des Blutes in den
Abscesswandungen fortwährend zu erleiden hat, um die faulige Zersetzung des
Eiters zu verhindern, wird nach erlangter allgemeiner Ausbreitung, zum C o n s
u m t i o n s - F i e b e r."
Während nun bei den hectischen Fiebern, wie bei vielen Entzündungen,
seien dieselben reiner oder specifischer Natur, die örtliche Säfteverderbniss,
dem System von Broussais gemäss, sich auf den Gesammtorganismus reflectirt,
so treten umgekehrt bei den exanthematischen, rheumatischen und typhösen
Fiebern örtliche Concentrationen in Folge einer schon zuvor entwickelten
allgemeinen Blutveränderung auf.
Aber auch noch eine dritte Klasse von Fiebern gibt es, bei
welchen weder eine ursprünglich locale Cacochymie allgemein wird, noch eine
allgemeine Cacochymie die locale nach sich zieht, nämlich die
Wechselfieber. Es sind dieses Pyrexien, bei denen wenigstens nicht
pathognomonisch nothwendig locale dyscrasiche Processe entweder veranlassend
oder consecutiv auftreten. Diese Gattung von Fiebern würde ich gerne
Nervenfieber nennen, wenn nicht, namentlich von der Laienwelt, dieser Ausdruck längst
schon in anderer Bedeutung verwendet wäre.
Durch die Auffindung des zwischen der Wärme und der
Bewegung bestehenden Zusammenhanges gewinnt die Lehre von den Imponderabilien,
welche bisher an zahlreichen Verwicklungen und Unklarheiten gelitten hat, eine
einfachere Gestaltung, und es wird desshalb auch vorliegende populäre
Abhandlung den Freunden einer exacten Naturanschauung willkommen sein. -
Warum ich mir bei meiner Stellung als praktischer Arzt in dieser
wichtigen Sache mitzureden erlaubt habe, davon ist der Grund in der Schrift
selbst angegeben. -
Mögen Sachverständige, welche die Schwierigkeiten
kennen, mit denen man beim Bebauen eines neuen Feldes zu kämpfen hat, den Mängeln
meiner Arbeiten eine nachsichtige Beurtheilung angedeihen lassen! Ars longa,
vita brevis. -
Heilbronn, im Christmonat 1850.
Der Verfasser.
Das grossartige und weitläufige Gebäude der
Erfahrungswissenschaften ist auf einer kleinen Anzahl von Pfeilern errichtet.
Wie die Geschichte lehrt, so hat es Jahrtausende bedurft, bis es
dem suchenden Geiste des Menschen gelungen ist, die Grundlagen der
Wissenschaften zu finden, auf denen dann in verhältnissmässig kurzer
Zeit der Hochbau aufgeführt wurde.
Und doch sind eben diese FundamentalSätze von solch'
einfacher Klarheit, dass ihre Entdeckung in mehr als einer Beziehung an das Ei
des Columbus erinnert.
Wenn wir aber jetzt, wo wir einmal im Besitze der Wahrheit sind,
von einer Methode sprechen wollen, durch deren Anwendung die nöthigsten
Grundgesetze ohne Zeitverlust hätten aufgefunden werden können, so
soll damit keineswegs an die Bestrebungen und Leistungen unserer Vorfahren der
Massstab einer leichten Kritik angelegt werden, sondern es wird damit nur
beabsichtigt, einen der neuesten Zeit angehörigen Zuwachs unseres Wissens
dem Leser auf heuristische Weise vorzuführen.
Die wichtigste, um nicht zu sagen einzige Regel für die ächte
Naturforschung ist die: eingedenk zu bleiben, dass es unsere Aufgabe ist, die
Erscheinungen k e n n e n zu lernen, bevor wir nach Erklärungen suchen
oder nach höheren Ursachen fragen mögen. Ist einmal eine Thatsache
nach allen ihren Seiten hin bekannt, so ist sie eben damit erklärt und die
Aufgabe der Wissenschaft ist beendigt.
Mag auch dieser Ausspruch von Einigen für trivial erklärt,
von Anderen mit noch so vielen Gründen bekämpft werden, so bleibt doch
gewiss, dass diese Grundregel bis auf die neueste Zeit herab nur allzuoft
vernachlässigt wird, dass aber alle speculative Operationen selbst der glänzendsten
geistigen Capacitäten, die statt von den Thatsachen als solchen Besitz zu
ergreifen, sich über dieselben erheben wollten, bis jetzt nur taube Früchte
getragen haben.
Von der neueren Naturphilosophie, die durch die ephemere
Existenz ihrer Geburten das Urtheil schon in der Gegenwart empfangen hat, soll
hier nicht weiter die Rede sein. Im Alterthume hat selbst der grösste und
verdienstvollste Naturforscher, um z. B. die Eigenschaften des Hebels zu erklären,
seine Zuflucht zu dem Ausspruche genommen: der Kreis sei ein so wunderbares
Ding, dass es wohl zu begreifen sei, wie die im Kreise erfolgenden Bewegungen
auch ihrerseits die wundervollsten Erscheinungen darbieten! Hätte
Aristoteles, statt sein ausserordentliches Talent zu Meditationen über den
feststehenden Punkt und die fortschreitende Linie - wie er den Kreis nennt
anzustrengen, die Zahlenverhältnisse untersucht, welche zwischen der Länge
der Hebelarme und dem ausgeübten. Drucke stattfinden, so hätte er
dadurch den Grundstein zu einem wichtigen Theile des menschlichen Wissens
gelegt.
Solche Missgriffe, wie sie dem Geiste der damaligen Zeit gemäss
auch von einem Manne begangen wurden, der sich durch viele wirkliche Verdienste
ein ewiges Denkmal gesetzt hat, können uns den entgegengesetzten Weg, der
sicher zum Ziele führt, zeigen. Wenn aber auch bei der richtigsten
ForschungsMethode ohne Mühe und Fleiss dennoch nichts erreicht werden
kann, so ist diess in der göttlichen Weltordnung begründet, nach
welcher der Mensch zum Arbeiten erschaffen ist. Gewiss aber ist schon unendlich
mehr Material und mehr Mühe dem Irrthume zum Opfer gebracht worden, als die
Wahrheit zu ihrer Auffindung bedarf.
Die Regel, nach welcher verfahren werden musste, um die
Fundamente der Naturkunde in der denkbar kürzesten Zeit zu legen, lässt
sich in wenige Worte fassen. Es müssen nemlich die nächstliegenden und
häufigsten Naturerscheinungen mittelst der Sinnwerkzeuge einer sorgfältigen
Untersuchung unterworfen werden, die so lange fortzuführen ist, bis aus ihr
Grössenbestimmungen, die sich durch Zahlen ausdrücken lassen,
hervorgegangen sind.
D i e s e Z a h l e n s i n d d i e g e s u c h t e n
F u n d a m e n t e e i n e r
e x a c t e n N a t u r f o r s c h u n g.
Unter allen NaturProcessen ist der freie Fall eines Gewichtes
der häufigste, der einfachste und - man denke an
Newton´s
Apfel! zugleich der wichtigste. Wenn man diesen Vorgang auf
die angegebene Weise analysirt, so wird man alsbald gewahr, dass das Gewicht um
so stärker auf den Boden aufschlägt, je höher es herabgefallen
ist, und die Aufgabe besteht nun darin, die zwischen der Fallhöhe, der
Fallzeit und der Endgeschwindigkeit stattfindenden Grössenbeziehungen
aufzufinden und in bestimmten Zahlen auszudrücken.
Bei Ausführung dieser Experimental-Untersuchung wird man
mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen haben; allein diese müssen
und können überwunden werden, und dann gelangt man zu der Wahrheit,
dass bei jedem Körper eine Fallhöhe von beiläufig 15', oder eine
Fallzeit von einer Sekunde einer Endgeschwindigkeit von 30' per Sekunde
entspricht.
Eine zweite, den Fallgesetzen scheinbar zuwiderlaufende, alltägliche
Erscheinung ist das Aufsteigen von Flüssigkeiten in Röhren beim
Saugen. Auch hier gilt es wieder, sich nicht durch das
velle rerum cognoscere causas
zu nutzlosen und also schädlichen Speculationen über
die Qualitäten des Vacuums u. d. gl. in die Irre führen zu lassen;
vielmehr müssen wir abermals die Erscheinung als solche mit Aufmerksamkeit
und offenen Sinnen untersuchen, und finden dann, sobald wir nur eine Röhre
an den Mund setzen, um eine Flüssigkeit zu heben, dass diese Operation von
Anfang ganz leicht, dann aber bei grösserer Höhe der Flüssigkeitssäule
mit rasch zunehmender Schwierigkeit auszuführen ist. Sollte etwa die
Saugwirkung eine messbare Grenze haben ? - Sobald wir einmal anfangen, in dieser
Richtung zu experimentiren, so kann es uns nicht mehr entgehen, dass es eine
Barometer Höhe gibt, und dass diese circa 28" beträgt. Diese
Zahl ist ein zweiter Hauptpfeiler im Gebäude des menschlichen Wissens.
Nun reiht sich Frage an Frage, und Antwort an Antwort. Wir haben
gelernt, dass der von einer Flüssigkeitssäule ausgeübte Druck
proportional ist der Säulenhöhe und dem specifischen Gewichte der Flüssigkeit;
hiernach haben wir das specifische Gewicht der Atmosphäre bestimmt und sind
durch diese Untersuchung veranlasst worden, unser Messwerkzeug, das Barometer,
von der Ebene auf Berge zu tragen, und den Einfluss, den die Erhebung über
den Meeresspiegel auf den Stand der Quecksilbersäule ausübt, in Zahlen
auszudrücken. Durch solche Arbeiten wird uns die Frage nahe gelegt, ob
nicht auch die Gesetze des freien Falles, die wir an der Erdoberfläche
kennen gelernt haben, in grösseren Entfernungen vom Boden eine Abänderung
erleiden? Und wenn, was wir von vorn herein nicht anders erwarten können,
dieses wirklich der Fall ist, so fragt es sich weiter, in welcher Weise die oben
gefundenen Zahlen durch die Entfernung von der Erde modificirt werden?
Hier sind wir bei einer Aufgabe angelangt, deren Auflösung
mit grossen Schwierigkeiten verknüpft ist. Denn es gilt jetzt, an Orten,
die kein menschlicher Fuss zu betreten vermag, Beobachtungen anzustellen und
Messungen vorzunehmen. Die Geschichte lehrt aber, dass derselbe Mann, der die
Frage gestellt hat, auch im Stande gewesen ist, die Antwort zu geben. Freilich
konnte er dazu nur durch einen reichen Schatz astronomischer Kenntnisse befähigt
werden. Wie aber sollen wir diese erlangen?
Die Astronomie ist ohne Frage schon in ihren Anfangsgründen
die schwierigste aller Wissenschaften. Wir haben es hier mit Gegenständen
und Räumen zu thun, die jeden Gedanken an ein Experiment verbieten, und
dabei sind die verschiedenartigen Bewegungen der zahllosen Himmelskörper so
verwickelter Natur, dass die Sternkunde in ihrer herrlichen Entfaltung als der höchste
Triumph, den der menschliche Geist hinieden zu feiern vermochte, mit Recht
betrachtet wird.
Der natürlichen Regel gemäss, dass der Mensch, wie im
Einzelnen so auch im Ganzen, mit dem Leichteren beginnend stufenweise zum
Schwereren fortzuschreiten hat, sollte man wohl erwarten, dass die Astronomie später
als alle anderen Zweige des menschlichen Wissens eine gedeihliche Entwicklung
gefunden habe. Bekanntlich verhält sich aber die Sache in der Wirklichkeit
umgekehrt, indem gerade in der Astronomie und nur in dieser, schon die frühesten
Völker sich wirklich gute Kenntnisse erworben haben. Ja es darf wohl
behauptet werden, dass die Sternkunde diejenige Stufe der Vollkommenheit im
Alterthume erreicht hat, die bei dem damaligen Fehlen aller Hilfswissenschaften
überhaupt zu erreichen war.
Diese früheintretende, lebenskräftige Entwicklung der
Astronomie,
die ihrerseits wieder den anderen Wissenschaften vorangehen
musste, da sie allein das zu Zeitmessungen nothwendige Material zu liefern
vermochte, nehmen wir bei den verschiedensten Völkerstämmen wahr, und
es ist dieselbe auch im Wesen der Dinge und in der Natur des menschlichen
Geistes begründet. Sie liefert einen merckwürdigen Beleg dafür,
dass eine richtige Methodik Hauptbedingung ist für eine gedeihliche
wissenschaftliche Forschung.
Der Grund der Erscheinung liegt aber darin, dass das schon sehr
frühe empfundene Bedürfniss einer bürgerlichen Zeitrechnung zur
Anstellung solcher Beobachtungen nöthigen musste, deren Resultate in
bestimmten Z a h l e n ihren Ausdruck finden. Das Bedürfniss war vorhanden,
die Zeit, in welcher die Sonne ihre Wanderung durch den Fixsternhimmel
vollbringt, sowie die Zeit, in welcher der Mond seine Phasen durchläuft u.
s. w. zu bestimmen. Um diesen Bedürfnissen zu entsprechen, war man nicht
der Versuchung ausgesetzt, nach Art der Exegeten und Recensenten das Buch der
Natur in die Hand zu nehmen, nur um es zu glossiren.
Z a h l e n waren es, die man suchte, und Z a h l e n,
die man fand. Durch die überwältigende Macht der Umstände wurde
der forschende Geist in die rechte Bahn gedrängt und auf dieser sofort von
Erfolg zu Erfolg geführt.
Nachdem nun durch lange fortgesetzte, gute und glückliche
Beobachtungen die nöthigen Kenntnisse über den Lauf und die Entfernung
der nächsten Himmelskörper, sowie über die Gestalt und Grösse
der Erde erworben worden sind, so sind wir in den Stand gesetzt, die Frage,
welchen numerischen Einfluss eine zunehmende Entfernung von der Erde auf die
bekannten Fallgesetze ausübt, zu behandeln, und so gelangen wir zu der
folgewichtigen Entdeckung, dass in der Höhe von einem Erdhalbmesser der
Fallraum und die Endgeschwindigkeit für die erste Sekunde viermal kleiner
ist, als am Erdboden.
Kehren wir Behufs der Fortsetzung unserer Untersuchungen zu
unserer unmittelbaren Umgebung zurück. - Von jeher mussten die
Verbrennungserscheinungen die Aufmerksamkeit der Menschen in besonderem Grade in
Anspruch nehmen. Um sie zu e r k l ä r e n, stellten die Alten ihrer
naturphilosophischen Methode gemäss ein besonderes, nach oben strebendes
Feuerelement auf, das im Bunde mit - und im Gegensatze zu der Luft, dem Wasser
und der Erde alles Vorhandene constituiren sollte. Die nothwendige Folge dieser
von ihnen mit dem grössten Scharfsinne behandelten Theorie war, dass sie über
die betreffenden Erscheinungen und über Alles, was damit zusammenhängt
- in vollkommener Unwissenheit geblieben sind.
Auch hier sind es Größenbestimmungen, Zahlen allein
sind es, die uns den AriadneFaden in die Hand geben. Wollen wir erfahren, was
bei den FeuerErscheinungen vorgeht, so müssen wir die Stoffe vor und nach
ihrer Verbrennung wägen, wobei uns die Kenntnisse zu statten kommen, die
wir uns oben von dem Gewichte luftförmiger Körper erworben haben. Wir
finden dann, dass bei jeder Verbrennung verschiedenartige, zuvor getrennt
bestehende Stoffe nach bestimmten Gewichtsverhältnissen in eine innige
Verbindung mit einander treten und dass das Gesammtgewicht der Stoffe vor und
nach der Vereinigung gleich geblieben ist. Wir lernen die Stoffe in ihren
getrennten und in ihren verbundenen Zuständen kennen, wir lernen sie von
einem dieser Zustände in den anderen überführen und erfahren,
dass z. B. das Wasser aus zwei Luftarten zusammengesetzt ist, die sich nach den
Verhältnisszahlen = 1: 8 mit einander verbinden. Dadurch ist uns der
Eingang in die Scheidekunst erschlossen, und die Stöchiometrie hängt
als eine reife Frucht vor uns.
Im weiteren Verlaufe unserer Untersuchung haben wir gelernt,
dass bei allen chemischen Processen - Verbindungen sowohl, als Trennungen -
Temperaturveränderungen statt finden, welche je nach den verschiedenen Umständen
von der heftigsten Hitze abwärts alle Grade durchlaufen. Wir haben die
entwickelte Wärme ihrer Quantität nach bestimmt oder nach Wärmeeinheiten
gezählt und sind so in den Besitz des Gesetzes der chemischen Wärmeentwicklung
gelangt. Wir wissen aber längst, dass in einer Unzahl von Fällen Wärme
auftritt, wo kein chemischer Process statt findet; so namentlich bei jeder
Reibung, beim unelastischen Stosse und beim Zusammendrücken luftförmiger
Körper.
W a s g e h t n u n b e i d i e s e r A r t v
o n W ä r m e e n t w i c k l u n g v o r ?
Die Geschichte lehrt, dass auch hier die scharfsinnigsten
Hypothesen von den Bestande und der Natur eines besonderen Wärme"stoffes",
von einem bald ruhenden, bald schwingenden "Wärme Aether", von "WärmeAtomen",
die in den zwischen den MassenAtomen befindlichen Räumen ihre Rolle
spielen sollten, u. s. w., die Aufgabe nicht zu lösen vermocht haben. Und
doch ist dieselbe ihrer Natur nach ebenso wunderbar einfach, als die Gesetze des
Hebels, über welche sich der Stifter der peripatetischen Philosophie den
Kopf vergebens zerbrochen hat.
Nach dem Vorangegangenen kann der Leser nicht im Zweifel darüber
sein, was hier zu geschehen hat. Es müssen wieder Grössenbestimmungen
vorgenommen, es muss gemessen und gezählt werden.
Wenn wir in dieser Richtung vorgehen und die auf mechanischem
Wege entwickelte Wärmemenge, sowie die dazu verbrauchte Arbeitskraft
messen, und diese Grössen mit einander vergleichen, so finden wir sofort,
dass dieselben in der denkbar einfachsten Beziehung, d. h. in einem unveränderlichen,
geraden Verhältnisse zu einander stehen, und dass das nemliche Verhältniss
auch statt hat, wenn umgekehrt mit Hilfe der Wärme wieder Arbeitskraft
erzeugt wird.
Diese Thatsachen in kurze, klare Worte gefasst, sagen wir: Wärme
und Bewegung verwandeln sich in einander.
Wir können und dürfen aber hier noch nicht stehen
bleiben. Wir müssen wissen, w i e v i e l Arbeitskraft zur Hervorbringung
eines vorgeschriebenen Masses von Wärme erforderlich ist, und umgekehrt.
Mit andern Worten: das Gesetz der unveränderlichen Grössenbeziehung
zwischen der Bewegung und der Wärme muss auch numerisch ausgedrückt
werden.
Indem wir die Erfahrung hierüber befragen, finden wir, dass
die Erwärmung von einem Gewichtstheile Wasser um einen Grad der
hunderttheiligen Scale der Erhebung von einem gleichen Gewichtstheile auf ungefähr
1200' Höhe entspricht.
Diese Zahl ist
das mechanische Aequivalent der Wärme.
Die Erzeugung der Wärme durch die Reibung und durch andere
mechanische Processe ist eine fundamentale Thatsache von so universaler
Verbreitung, dass ihre wissenschaftliche Feststellung auch ohne eine
vorausgeschickte Aufzählung von Nutzanwendungen dem Naturkundigen als
werthvoll erscheinen wird, und es werden daher auch einige geschichtliche
Bemerkungen über das Thatsächliche der Auffindung des vorliegenden
Grundgesetzes hier wohl am Platze sein.
Im Sommer 1840 machte ich bei Aderlässen, die ich auf Java
an neuangekommenen Europäern vornahm, die Beobachtung, dass das aus der
Armvene genommene Blut fast ohne Ausnahme eine überraschend hellrothe Färbung
zeigte.
Diese Erscheinung fesselte meine volle Aufmerksamkeit. Von der
Theorie
Lavoisier's
ausgehend, nach welcher die animalische Wärme das Resultat
eines Verbrennungs-Processes ist, betrachtete ich die doppelte Farbenveränderung,
welche das Blut in den Haargefässen des kleinen und grossen Kreislaufes
erleidet, als ein sinnlich wahrnehmbares Zeichen, als den sichtbaren Reflex
einer mit dem Blute vor sich gehenden Oxydation. Zur Erhaltung einer gleichförmigen
Temperatur des menschlichen Körpers muss die Wärmeentwicklung in
demselben mit seinem Wärmeverluste, also auch mit der Temperatur des
umgebenden Mediums nothwendig in einer Grössenbeziehung stehen, und es muss
daher sowohl die Wärme-Produktion und der Oxydations-Process, als auch der
Farbenunterschied beider Blutarten im Ganzen in der heissen Zone geringer sein,
als in kälteren Gegenden.
Dieser Theorie gemäss und unter Berücksichtigung der
hieher gehörigen, bekannten physiologischen Thatsachen hat man das Blut als
eine langsam brennende, gährende Flüssigkeit zu betrachten, deren
Hauptzweck die Unterhaltung eines Verbrennungs-Processes erreicht wird, ohne
dass die Blutbestandtheile als solche (d. h. mit Ausnahme der
Zersetzungs-Produkte) die Gefässhöhle verlassen und mit den Organen in
eine materielle Wechselbeziehung, einen Stoffaustausch, treten. Mit andern
Worten heisst dies: die assimilirten Speisen werden ihrem bei Weitem grösseren
Theile nach zur Erzielung eines physikalischen Effectes in der Gefässhöhle
selbst verbrannt, und nur eine vergleichungsweise geringe Quantität
derselben dient dem minderwichtigen Zwecke, mittelbar in die Substanz der Organe
selbst einzugehen und das Wachsthum und den Wiederersatz abgenützter
Festtheile zu bewirken.
1 Man vergleiche hierüber auch die interessante Schrift von
Bergmann
"Ueber die Verhältnisse der Wärme Oekonomie der
Thiere zu ihrer Grösse." Göttingen 1848.
Wenn nun hieraus folgt, dass überhaupt im Organismus
zwischen Einnahme und Ausgabe, oder zwischen Leistung und Verbrauch eine Bilanz
zu ziehen ist, so ist es unverkennbar eine Hauptaufgabe für den
Physiologen, das Budget seines Untersuchungs-Objectes so genau als immer möglich
kennen zu lernen. Der Verbrauch besteht in dem verbrannten Material, die
Leistung ist die Wärmeentwicklung. Diese letztere geht aber auf zweierlei
Weise vor sich, indem der Thierkörper theils Wärme direct in seinem
Inneren entwickelt und durch Mittheilung an seine unmittelbare Umgebung wieder
absetzt, theils aber auch vermöge seiner Bewegungs-Apparate die Fähigkeit
besitzt, Wärme auf mechanischem Wege, durch Reibung u. dgl., selbst an
entfernten Orten zu erzeugen. Nun ist zu wissen nöthig,
o b d i e d i r e c t e n t w i c k e l t e W ä r
m e
allein
, o d e r o b d i e
Summe
d e r a u f d i r e c t e m u n d i n d i r e c t e
m W e g e e n t w i c k e l t e n W ä r m e m e n g e n a u f
R e c h n u n g d e s V e r b r e n n u n g s - P r o c e s s e s z u b
r i n g e n i s t ?
Es ist dies eine in das Fundament der Wissenschaft eingreifende
Frage, ohne deren sichere Lösung eine gesunde Entwicklung der betreffenden
Doctrin unmöglich ist. Denn was es heisst, principielle Grössenbestimmungen
zu vernachlässigen, diess wurde oben schon an verschiedenen Beispielen
gezeigt. Kein Menschenwitz ist im Stande, für das, was die Natur bietet,
Ersatz zu geben.
Die physiologische Verbrennungs-Theorie geht von dem
Fundamental-Satze aus, dass die Wärmemenge, welche bei der Verbrennung
einer gegebenen Materie entsteht, eine unveränderliche, d. h. eine von den
die Verbrennung begleitenden Umständen unabhängige Grösse ist,
woraus
in specie
gefolgert wird, dass der chemische Effect der Brennstoffe auch
durch den Lebens - Process keine Grössen - Veränderung erleidet, oder
dass der lebendige Organismus mit all' seinen Räthseln und Wundern nicht Wärme
aus Nichts zu erzeugen vermag.
Hält man aber dieses physiologische Axiom fest, so ist
damit bereits auch die Antwort auf die gestellte Frage gegeben. Denn wenn man
nicht dem Organismus die Fähigkeit der Wärmeerschaffung, die ihm so
eben abgesprochen worden, gleich wieder zutheilen will, so kann auch nicht
angenommen werden, dass die Summe der von ihm producirten Wärme jemals grösser
als der stattfindende chemische Effect ausfallen könne. Es bleibt also der
Verbrennungs-Theorie, wenn sie sich nicht von vorn herein selbst aufgeben will,
nichts übrig, als anzunehmen: dass die gesammte theils unmittelbar, theils
auf mechanischem Wege vom Organismus entwickelte Wärme dem
Verbrennungs-Effecte quantitativ entspricht oder gleich ist.
Daraus folgt nun aber mit derselben Nothwendigkeit, d a s s d
i e v o m l e b e n d e n K ö r p e r e r z e u g t e m e c h a n
i s c h e W ä r m e m i t d e r d a z u v e r b r a u c h t e n
A r b e i t i n e i n e m u n v e r ä n d e r l i c h e n G r ö
s s e n v e r h ä l t n i s s e s t e h e n m u s s . Denn wenn, je
nach der verschiedenen Construction der zur Wärmegewinnung dienenden
mechanischen Vorrichtungen u. dgl., durch die nämliche Arbeit und bei
gleichbleibendem organischem Verbrennungs-Processe verschieden grosse Wärmemengen
erzielt werden könnten, so würde ja die producirte Wärme bei
einem und demselben Material - Verbrauche bald kleiner bald grösser
ausfallen können, was gegen die Annahme ist. Da aber ferner zwischen der
mechanischen Leistung des Thierkörpers und zwischen anderen, anorganischen
Arbeitsarten kein qualitativer Unterschied besteht,
so ist folglich eine unveränderliche Grössenbeziehung
zwischen der Wärme und der Arbeit ein Postulat der
physiologischen Verbrennungs-Theorie.
Indem ich im Allgemeinen die angegebene Richtung einhielt,
musste ich also nothwendig mein Hauptaugenmerk zuletzt auf den zwischen der
Bewegung und der Wärme bestehenden physikalischen Zusammenhang richten, wo
mir denn die Existenz des mechanischen Aequivalentes der Wärme nicht
verborgen bleiben konnte. Wenn ich aber auch diese Entdeckung nur einem Zufalle
verdanke, so ist sie doch mein Eigenthum, und ich stehe nicht an, das Recht des
Zuerstkommenden zu behaupten.
Um das Entdeckte gegen Eventualitäten sicher zu stellen,
fasste ich das Wesentlichste in einem kurzen Aufsatze zusammen, den ich im Frühjahr
1842 an
Liebig
mit der Bitte um Aufnahme in die Annalen der Chemie und
Pharmacie sendete, woselbst man ihn auch im XLII. Bd. S. 233, unter dem Titel
"Bemerkungen über die Kräfte der unbelebten Natur" findet.
Es war ein günstiger Umstand für mich, dass durch die
wohlwollende Aufnahme jenes, mit so tiefer Einsicht begabten Mannes die
unscheinbare Arbeit, gleich den Eingang in eines der ersten wissenschaftlichen
Organe gefunden hat, und ich ergreife die Gelegenheit, dem grossen Naturforscher
meinen Dank und meine Verehrung hiemit öffentlich zu bezeugen.
Liebig
hatte aber auch selbst schon um diese Zeit, wenn gleich in mehr
allgemeinen, so doch in ganz unzweideutigen Ausdrücken auf den zwischen der
Wärme und der Bewegung bestehenden Zusammenhang hingewiesen. Namentlich
spricht derselbe aus: die von einer Dampfmaschine gelieferte mechanische Wärme
sei lediglich auf Rechnung des Verbrennungs-Effectes zu setzen, und es könne
dieser letztere dadurch, dass mittelst desselben eine mechanische Leistung, und
durch diese wieder Wärme gewonnen werde, keine Vergrösserung erfahren!
Aus diesen, wie auch aus ähnlichen Aeusserungen anderer
Naturforscher mag man entnehmen, dass die Wissenschaft in neuester Zeit eine
Richtung einzuschlagen angefangen hatte, bei welcher jedenfalls die Existenz des
mechanischen Aequivalents der Wärme nicht länger mehr verborgen
bleiben konnte.
In dem erwähnten Aufsatze ist das hieher gehörige
Naturgesetz auf einige Grundvorstellungen des menschlichen Geistes zurückgeführt
worden. Der Satz, dass eine Grösse, die nicht aus Nichts entsteht, auch
nicht vernichtet werden kann, ist so einfach und klar, dass gegen seine
Richtigkeit wohl so wenig als gegen ein Axiom der Geometrie etwas Begründetes
wird eingewendet werden können, und dürfen wir ihn solange als wahr
annehmen, als nicht etwa durch eine unzweifelhaft festgestellte Thatsache das
Gegentheil erwiesen ist.
Es ist nun ein Erfahrungssatz, dass sowohl die Bewegung, als die
Wärme nur unter dem Aufwande eines messbaren Objectes entsteht, und dass in
unzähligen Fällen Bewegung verschwindet, ohne dass dabei etwas anderes
als Wärme zum Vorschein kommt. Das aufgestellte Axiom fordert also jetzt,
dass die verschwindende Bewegung zu Wärme wird, oder dass mit anderen
Worten diese beiden Objecte in einer unveränderlichen Grössenbeziehung
mit einander stehen. Die Prüfung dieses Satzes auf dem Erfahrungswege, die
Feststellung desselben in allen Einzelfällen, der Nachweis einer zwischen
den Denkgesetzen und der objectiven Welt bestehenden vollkommenen Harmonie, ist
die interessanteste, aber auch die umfassendste Aufgabe, die sich finden lässt.
Was ich mit schwachen Kräften und ohne jegliche Unterstützung und
Ermunterung von aussen in dieser Beziehung geleistet, ist freilich wenig, aber -
ultra posse nemo obligatus.
Ueber den genetischen Zusammenhang der Wärme und der
bewegenden Kraft habe ich mich a. a. O. S. 8 so ausgesprochen: "Ist es nun
ausgemacht, dass für die verschwindende Bewegung in vielen Fällen
(exceptio confirmat regulam)
keine andere Wirkung gefunden werden kann, als die Wärme,
für die entstandene Wärme keine andere Ursache, als die Bewegung, so
ziehen wir die Annahme, Wärme entsteht aus Bewegung, der Annahme einer
Ursache ohne Wirkung und einer Wirkung ohne Ursache vor, wie der Chemiker statt
Wasserstoff und Sauerstoff ohne Nachfrage verschwinden, und Wasser auf unerklärte
Weise entstehen zu lassen, einen Zusammenhang zwischen Wasserstoff und
Sauerstoff einer- und Wasser anderseits statuirt."
Von hier bis zum Ziele hat man nur noch e i n e n Schritt zu
thun. S. 10 heisst es: "Zur Auflösung der zwischen der Fallkraft (d.
i. Gewichtserhebung) und Bewegung statthabenden Gleichungen musste der Fallraum
für eine bestimmte Zeit, z. B. für die erste Sekunde durch das
Experiment bestimmt werden; gleichermassen ist zur Auflösung der zwischen
der Fallkraft und Bewegung einer- und der Wärme anderseits bestehenden
Gleichungen die Frage zu beantworten, wie gross das einer bestimmten Menge von
Fallkraft oder Bewegung entsprechende Wärmequantum sei. Z. B. wir müssen
ausfindig machen, wie hoch ein bestimmtes Gewicht über den Erdboden erhoben
werden müsse, dass seine Fallkraft äquivalent sei der Erwärmung
eines gleichen Gewichtes Wasser von 0° auf 1° C. ? Dass eine solche
Gleichung wirklich in der Natur begründet sei, kann als das
Resumé
des Bisherigen betrachtet werden.
Unter Anwendung der aufgestellten Sätze auf die Wärme-
und Volumensverhältnisse der Gasarten findet man die Senkung einer ein Gas
comprimirenden Quecksilbersäule gleich der durch die Compression
entbundenen Wärmemenge, und es ergiebt sich hieraus - den Verhältnissexponenten
der Capacitäten der atmosphärischen Luft unter gleichem Drucke und
unter gleichem Volumen = 1,421 gesetzt - dass dem Herabsinken eines
Gewichtstheiles von einer Höhe von circa 365 Meter die Erwärmung eines
gleichen Gewichtstheiles Wasser von 0° auf 1° entspreche."
Es ist klar, dass der Ausdruck "äquivalent" hier
in ganz anderer Bedeutung, als in der Chemie gebraucht ist. Ein Beispiel wird
den Unterschied am deutlichsten machen. Wenn eine gleiche Gewichtsmenge Kali
das einemal mit Schwefelsäure, das anderemal mit Salpetersäure
neutralisirt wird, so nennt man die Zahlen, welche das Verhältniss ausdrücken,
in welchem die absoluten Gewichte dieser drei Stoffe zu einander stehen, die
Aequivalente dieser letzteren, wobei aber weder an eine quantitative Gleichheit
noch an eine Umwandlung der resp. Stoffe zu denken ist.
Diese besondere Bedeutung, welche das Wort "Aequivalent"
in der Chemie hat, hängt wohl damit zusammen, dass es dem Chemiker vergönnt
ist, seine Untersuchungs-Objecte nach einem gemeinschaftlichen Masse, dem
absoluten Gewichte quantitativ zu bestimmen. Wir wollen aber annehmen, wir könnten
die eine Substanz, z. B. das Wasser, nur nach dem Gewichte, eine andere, das
wasserbildende oder Knallgas nur nach dem Volumen messen, und wir hätten
uns dahin verständigt, als Gewichts-Einheit 1
, als Volumens-Einheit 1 Kubikfuss zu wählen, so würden
wir nun zu untersuchen haben, wie viel Kubikfusse Knallgas aus einem Pfunde
Wasser erhalten werden, und umgekehrt, und diese Zahl, ohne welche sich weder
eine Wasserbildung, noch eine Wasserzersetzung berechnen liesse, würden wir
passend "das Knallgas-Aequivalent des Wassers" nennen können.
In diesem letzteren Sinne kann den bekannten Gesetzen der
Mechanik gemäss eine gehobene Last das "Aequivalent" von der
Bewegungsgrösse, welche durch das Herabfallen erzielt wird, genannt werden.
Um nun diese beiden Objecte, die gehobene und die bewegte Last, welche keine
gemeinschaftliche Massbestimmung gestatten, auf einander zu reduciren, dazu ist
jene constante Zahl nöthig, die man allgemein mit
g
bezeichnet; mit dieser Zahl ist aber das mechanische
Aequivalent der Wärme, durch welches das zwischen der Wärme und der
Bewegung bestehende Verhältniss bestimmt wird, in eine und dieselbe
Begriffs-Kategorie zu bringen.
Es ist ferner in der erwähnten Abhandlung der Weg zur
Gewinnung eines folgerichtig durchzuführenden und wissenschaftlich
haltbaren Begriffes von Kraft angegeben worden, und die Wichtigkeit dieses
Gegenstandes veranlasst mich, hier noch einmal auf denselben zurückzukommen.
Das Wort "Kraft" wird in der wissenschaftlichen oder höheren
Mechanik in zwei verschiedenen Bedeutungen gebraucht.
I.Man versteht darunter jeden Druck oder Zug, jedes Bestreben
eines trägen Körpers, seinen Zustand der Ruhe oder der Bewegung zu ändern,
und wird dieses Bestreben für sich und unabhängig vom Erfolge
betrachtet, "Druckkraft" "Zugkraft" "Kraft"
kurzweg, auch zur Unterscheidung von dem folgenden Begriffe, "todte Kraft"
genannt.
II.In einem anderen Sinne heisst "Kraft" das Product
des Druckes in den Wirkungsraum, oder auch das - ganze oder halbe, - Product der
Masse in das Quadrat der Geschwindigkeit. Es ist nämlich zur Entstehung
jeder wirklichen Bewegung nothwendig, dass die resp. Masse unter einem Drucke
und in der Richtung eines solchen einen gewissen Raum, "den Wirkungsraum",
durchläuft, und es wird nun die der "Druckkraft", und dem
Wirkungsraum proportionale Grösse ebenfalls "Kraft, " aber zur
Unterscheidung von der blossen "Druckkraft," die für sich allein
nie eine wirkliche Bewegung zu Stande bringt, "lebendige Kraft der Bewegung"
oder "bewegende Kraft" genannt.
Mit dem Gattungsbegriffe "Kraft" beschäftigt sich
die höhere Mechanik, als eine wesentlich analytische Wissenschaft, nicht.
Um denselben zu finden, müssen nach der allgemeinen Regel die den Arten
gemeinschaftlich zukommenden Merkmale zusammengefasst werden. Die Definition,
die man auf diese Weise erhält, lautet nun bekanntlich so: "Kraft ist:
Alles, was eine Bewegung hervorbringt, oder hervorzubringen
strebt, abändert, oder abzuändern strebt."
Diese Definition ist aber, wie man leicht sieht, eine schwülstige,
indem die letzten eilf Wörter derselben gestrichen werden können, ohne
dass dadurch der Sinn ein anderer wird.
Dieser Fehler in der Auflösung ist durch die Natur der
Aufgabe bedingt, die etwas Unmögliches verlangt. Der blosse Druck (todte
Kraft) und das Produkt des Druckes in den Wirkungsraum (lebendige Kraft) sind
allzu ungleichartige Grössen, um in einen Gattungsbegriff vereinigt werden
zu können. Der Druck, oder die Anziehung, ist in der Bewegungslehre was
die Affinität in der Chemie - ein Abstractum; die lebendige Kraft ist, wie
die Materie, ein Concretum, und diese beiden Arten der "Kraft", so
nahe sie im Reiche der Ideen-Association beisammen liegen, sind in der
Wirklichkeit so weit von einander entfernt, dass der Rahmen, der sie umfasst,
die ganze Welt aufzunehmen im Stande wäre.
Eine Abhilfe ist auf mehrfache Weise denkbar. Wie man z. B. von
einem absoluten, einem specifischen, einem Mischungs-Gewichte spricht, ohne dass
es darum Jemanden einfällt, aus diesen verschiedenen Begriffen einen
Gattungs-Begriff bilden zu wollen, ebenso kann auch das Wort Kraft"
geradezu als ein zwei- und mehrdeutiges gebraucht werden. Es geschieht dies
auch wirklich in der höheren Mechanik, und ist daher in dieser Wissenschaft
von einem Gattungsbegriffe "Kraft" nicht die Rede.
An Vorschlägen, die Begriffe der "todten" und der
"lebendigen Kraft" auf solche Art auch durch die übrige
Naturlehre getrennt durchzuführen, hat es nicht gefehlt; allein es haben
sich dieselben als unausführbar erwiesen. Denn wenn doppelsinnige Ausdrücke
überhaupt nie etwas zur Deutlichkeit beitragen können, so ist ihr
Gebrauch da, wo eine Verwechslung möglich ist, durchaus unstatthaft. Nun läuft
freilich der Mathematiker nicht Gefahr, in seinen Rechnungen das Product mit
einem seiner Factoren zu verwechseln; allein in anderen Gebieten des Wissens
findet in dieser Beziehung eine systematische Begriffsverwirrung statt, und es
muss, wenn geholfen werden soll, die Quelle des Irrthums verstopft werden; denn
ist das Wort "Kraft" einmal in doppelsinniger Bedeutung zugelassen, so
ist es eine Sisyphus-Arbeit, die Unterscheidung in allen Einzelfällen
durchführen zu wollen. Um also zu einem Ziele zu gelangen, müssen wir
uns entschliessen, auf eine gemeinschaftliche Benennung der sub I u. II aufgeführten
Grössen zu verzichten, und das Wort "Kraft" entweder ganz zu
vermeiden, oder dasselbe nur für eine dieser beiden Kategorieen zu
gebrauchen.
In diesem Sinne hat
Newton
den Begriff von Kraft durchgeführt. Er zerlegt bei Auflösung
seiner Probleme das Product der Anziehung in den Wirkungsraum in seine zwei
Factoren und nennt den ersten derselben "Kraft".
Dagegen ist aber zu bemerken, dass eine solche Zerlegung des
genannten Productes in vielen Fällen nicht ausführbar ist. Nehmen wir
z. B. den ganz einfachen Fall, eine anfänglich ruhende Masse
M
erhalte eine Bewegung mit der (gleichförmigen End-)
Geschwindigkeit
c
, so lässt sich aus den bekannten Grössen
M
u. c zwar auf die Grösse des Productes der Newton'schen
Kraft in den Wirkungsraum, nicht aber auf die Grösse dieser Kraft selbst
ein Schluss ziehen.
In der That hat sich auch bald das Bedürfniss
herausgestellt, dieses Product als ein Ganzes zu behandeln und zu b e n e n n
e n. Man hat demselben ebenfalls den Namen "Kraft" gegeben, und die in
diesem Sinne gebrauchten Ausdrücke "lebendige Kraft der Bewegung"
"bewegende Kraft" "Arbeitskraft" "Pferdekraft" "Muskelkraft"
u. s. w. sind in der Wissenschaft längst eingebürgert.
So glücklich hier die Wahl dieses Wortes in mancher
Hinsicht genannt werden darf, so ist doch zu tadeln, dass man einem bereits
bestehenden Kunstausdrucke eine neue Bedeutung zugelegt hat, ohne die frühere
zugleich ausser Kurs zu setzen, und es ist dieser Formfehler zur Büchse der
Pandora geworden, aus der eine babylonische Sprachverwirrung entsprungen ist.
Unter den obwaltenden Umständen ist nun nichts übrig,
als entweder der Newton'schen todten, oder der Leibnitz'schen lebendigen Kraft
die Benennung "Kraft" zu entziehen, wobei man aber in jedem Falle mit
dem herrschenden Sprachgebrauche in Conflict geräth.
Sind wir aber einmal entschlossen, in unsere Wissenschaft eine
logisch richtige Terminologie, auch auf Kosten des uns durch Angewöhnung
bequem und theuer gewordenen Bestehenden, einzuführen, so kann die Wahl,
die wir dann zwischen I u. II zu treffen haben, nicht lange zweifelhaft bleiben.
Betrachten wir den elementaren Fall, dass eine anfänglich
ruhende Masse Bewegung erhält, so geschieht dies, wie bereits gesagt, so,
dass diese Masse einen gewissen Druck oder Zug erleidet, und unter demselben
einen gewissen Raum, den Wirkungsraum, durchläuft. Nun ist aber allemal
nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Druckgrösse (Newton'sche
Kraft) in jedem Punkte des Wirkungsraumes eine andere, und es sind, um diese veränderliche
Grösse mit dem Wirkungsraume multipliciren, d. h. um aus der Druckgrösse
die Bewegungsgrösse finden zu können, die Hilfsmittel der höheren
Mathematik erforderlich.
Daraus folgt aber, dass der Newton'sche Kraftbegriff ausser der
Statik, wo der Wirkungsraum null und die Druckgrösse constant ist, nur für
die höhere Mechanik passt, und es wäre nun offenbar nicht zweckmässig,
den Begriff von "Kraft" so zu wählen, dass derselbe da, wo die
Grundbegriffe doch hauptsächlich hingehören, in der elementaren
Bewegungslehre, consequenterweise nicht zu gebrauchen ist.
Ganz verkehrt ist es aber, einen Newtonischen Kraftbegriff, nämlich
die Schwere, der elementaren Wissenschaft dadurch gerecht machen zu wollen, dass
man eine Haupteigenschaft derselben, ihre Abhängigkeit von der Entfernung,
auf die Seite setzt, und diese ungenaue und nach Umständen sehr unrichtige,
Galilei'sche Schwere zu einer "Kraft" macht. Eine solche ideelle, III
te
Kraft scheint der Mehrzahl Derjenigen, welche über
naturwissenschaftliche Gegenstände schreiben, als das Urbild einer "Naturkraft"
vorzuschweben.
Grössenbestimmungen, denen nur eine bedingte und annähernde
Gültigkeit zukommt, dürfen zur Aufstellung von Definitionen nicht benützt
werden. In der Rechnung wird man freilich ganz richtig einen Bogen, der im Verhältniss
zum Halbmesser hinlänglich klein ist, dem Sinus oder der Tangente gleich
setzen; wollte man aber auf ein solches Verhältniss Begriffsbestimmungen gründen,
so würde man dadurch den Grund zu Inconsequenzen und Irrthümern legen.
Der Newton'sche Kraftbegriff, nach der gebräuchlichen
Methode in das Gebiet der elementaren Wissenschaft verpflanzt, ist aber um
nichts besser, als der Begriff einer geradlinigen Curve. Die Newton'sche Kraft,
die Anziehung,
in specie
die Schwere
g
, ist gleich dem Differential-Quotienten aus der Zeit in die
Geschwindigkeit; es ist also
g
=
dc
.
dt
Dieser Ausdruck ist vollkommen genau, erfordert aber zu seiner
Verständniss und Behandlung die höhere Mathematik. Hingegen kann man
freilich, wo es sich um Fallräume handelt, die im Vergleiche zum
Erdhalbmesser als verschwindend klein betrachtet werden dürfen, ohne
erheblichen Rechnungsfehler der eben genannten Gleichung die abgekürzte und
höchst bequeme Form
g
=
c
t
geben; mathematisch genau ist aber dieser Ausdruck nie, solange
nur der Fallraum überhaupt noch eine berechenbare Grösse ist. Und auf
Grund solcher principiell unrichtiger Gleichung werden der empfänglichen
Jugend die fehlerhaften Begriffe eingepflanzt: von der Schwere, als einer
gleichförmig beschleunigenden (?), der Zeit proportional wirkenden (?),
bewegenden (?) Kraft; von einer, der erzeugten Geschwindigkeit einfach
proportionalen Kraft (?) u. d. gl. m.!
Gewiss wäre es sehr verdienstlich, wenn die Verfasser
physikalischer Lehrbücher diesem Uebelstande abhelfen und bei ihren
Definitionen nur von völlig exacten Grössenbestimmungen ausgehen
wollten; denn die elementare Physik in ihrer jetzigen Gestalt ist keine solide
Wissenschaft, sondern eine Halbwisserei, deren Grundbegriffe und Lehrsätze
man beim Eintreten in die eigentliche, höhere Wissenschaft so schnell als möglich
zu vergessen suchen muss.
Hat man einmal durch eine unbefangene Prüfung gefunden,
dass es ausser dem Herkommen nichts für - aber vieles gegen sich hat, den
sub I aufgeführten Kraftbegriff unter solchem Namen festzuhalten, so
ergiebt sich das Uebrige fast von selbst. Den Denkgesetzen, wie dem allgemeinen
Sprachgebrauche ist es angemessen, die Entstehung jeder Bewegung mit einem
Kraft-
Aufwande
in Verbindung zu bringen. Hienach ist "Kraft":
E t w a s , d a s b e i d e r E r z e u g u n g d e r
B e w e g u n g a u f g e w e n d e t w i r d , und dieses Aufgewendete
ist als Ursache der Wirkung, der hervorgebrachten Bewegung gleich.
Diese Definition entspricht nicht allein den Thatsachen
vollkommen, sondern sie schliesst sich auch möglichst dem Bestehenden an,
indem sie, wie ich zeigen will, den sub II aufgeführten Kraftbegriff der höheren
Mechanik in sich enthält.
Wenn eine anfänglich ruhende Masse,
M
, während sie unter dem Drucke
p
(und in der Richtung desselben) den Wirkungsraum
s
durchläuft, eine Bewegung mit der Geschwindigkeit
c
erhält, so ist
ps = Mc
2
. Da nun bei der Entstehung jeder Bewegung ein Druck (oder Zug)
und ein Wirkungsraum vorhanden ist, und dabei jedesmal wenigstens der eine
dieser Factoren, der Wirkungsraum, verausgabt wird, so folgt daraus, dass eine
Bewegung nie anders, als auf Kosten eines solchen Productes ins Leben treten
kann. Dieses Product
ps
=
Mc
2
nenne ich kurzweg eine "Kraft".
Der Zusammenhang zwischen Verbrauch und Leistung -
beziehungsweise die Erschöpfung der Kraft durch die Wirkung - stellt sich
am einfachsten bei den Gravitations-Erscheinungen heraus. Es ist die
nothwendige Bedingung jeder Fallbewegung, dass die Schwerpunkte der resp.
Massen, der Erde und des fallenden Gewichtes sich näher rücken. Die
Annäherung findet aber im Zusammenfallen ihre natürliche Grenze, und
es ist also die Erzeugung der Fallbewegung mit einem Verbrauche, beziehungsweise
mit der Erschöpfung des gegebenen Fallraumes und eben damit auch des
Productes von dem Fallraume und der Anziehung, verknüpft. Das Fallen eines
Gewichtes auf die Erde herab ist ein mechanischer Verbindungs-Process; gerade
wie nun bei der Verbrennung die Leistungsfähigkeit (d. h. die Bedingung der
Wärmeentwicklung) mit der erfolgten Verbindung zu Ende ist, so hört
auch mit dem Herabfallen des Gewichtes die Bewegungs-Production auf. Das auf
dem festen Erdboden liegende Gewicht ist, wie die gebildete Kohlensäure,
nichts weiter als ein
caput mortuum
. Die Affinität, die mechanische wie die chemische,
besteht zwar auch nach der Vereinigung fort und setzt der Reduction einen
bestimmten Widerstand entgegen; die Leistungsfähigkeit aber ist zu Ende,
wenn kein disponibler Fallraum mehr vorhanden ist.
Wo die Anziehung verschwindend klein oder null ist, da ist der
Raum kein Wirkungsraum mehr, und es folgt also aus der Abnahme, welche die
Schwere in der Entfernung erleidet, dass der Fallraum auch in centrifugaler
Richtung eine Grenze hat, und dass mithin die Bewegungsursache, oder die "Kraft"
unter allen Umständen eine endliche, durch ihre Wirkung zu erschöpfende
Grösse ist.
Diese physikalische Grundwahrheit wird sich an einem speciellen
Falle und durch Zahlen am deutlichsten nachweisen lassen. Wenn ein Pfundgewicht
1' hoch über den Erdboden erhoben ist, so ist die disponible Kraft
bekanntlich = 1 Fusspfund. Beträgt die Fallhöhe dieses Gewichtes
n
Fusse, so kann, wenn
n
keine grosse Zahl ist, die Kraft annähernd =
n
Fusspfunde gesetzt werden. Wird aber
n
oder die anfängliche Entfernung des Gewichtes von der
Erde, zu einer sehr bedeutenden, beziehungsweise zu einer unendlichen Grösse,
so wird dadurch keineswegs die Kraft, (d. h. die Anzahl der Fusspfunde) eine
unendliche, sondern sie wird dem Newton'schen Gravitations - Gesetze gemäss
höchstens =
r
Fusspfunde, wo
r
die Anzahl der Fusse, die der Erdhalbmesser hat, bedeutet. Wie
gross also auch der Fallraum und die Fallzeit sein mag, so kann ein Gewicht
durch Fallen gegen die Erde keine grössere Endgeschwindigkeit erlangen, als
die von 34450 par. Fuss per. Sek. Würde dagegen die Erde bei gleichem
Volumen 4mal mehr Masse enthalten, so wäre auch die Kraft die 4fache, und
die Maximal-Geschwindigkeit wäre = 68900 Fuss.
Durch eine gute Terminologie müssen fundamentale Thatsachen
solcher Art in's Licht gestellt werden; die gebräuchliche Nomenclatur thut
aber davon das Gegentheil. Zum Belege dafür mögen einige Aeusserungen
dienen, welche von einem sehr verdienten Naturforscher meiner Auffassungsweise
entgegengestellt worden sind.
"Wenn es vollkommen wahr ist" sagt derselbe "dass
in der Natur keine Bewegung vernichtet werden kann, oder dass, wie man sich
ausdrückt, das Quantum der einmal vorhandenen Bewegung unverkümmert
und unvermindert bleibt, und wenn in diesem Sinne auch jeder abgeleiteten
Ursache der Charakter der Unzerstörlichkeit zukömmt, so gehört zu
den Charakteren einer primitiven Ursache, d. h. einer wahren physischen Kraft,
noch das Merkmal der Unerschöpflichkeit. Am besten werden sich diese
Merkmale durch die nähere Betrachtung der Schwere entwickeln lassen, welche
die thätigste und am weitesten verbreitete Naturkraft (primitive Ursache)
ist, gleichsam die Weltseele, welche das Leben der grossen Massen, von deren
Bewegungen die Ordnung des Alls abhängt, unzerstörbar und unerschöpflich
unterhält, ohne dass sie von aussen irgend einer Nahrung bedarf, die ihre
Thätigkeit immer wieder anfacht."
Soll in diesen Worten ein materieller Widerspruch gegen meine
Aufstellung enthalten sein, so muss durch dieselben gesagt werden wollen, dass
die Erdanziehung vermöge ihrer Unerschöpflichkeit unter denkbaren Umständen
im Stande sei, einem Gewichte eine unendlich grosse Fallgeschwindigkeit zu
ertheilen. Gegen eine solche bestimmte Auffassung legt aber unser
Schriftsteller selbst wieder an mehreren Stellen ein (allerdings begründetes)
Misstrauen an den Tag, indem er u. a. sagt:
"Wenn wir die Verkettung der Ursachen und Wirkungen bis zu
ihren ersten Anfängen verfolgen, so gelangen wir erst zu den wahren Kräften
der Natur, zu den primitiven Ursachen, die zu ihrer Thätigkeit keine andere
erfordern, die ihnen vorangeht, die keine Nahrung erheischen, die gleichsam aus
einem unerschöpflichen Grunde Bewegungen immer wieder neu anfachen und
vorhandene unterhalten und beschleunigen können." Ferner:
"Wenn der Mond jeden Augenblick doch eine gewisse Strecke
wenigstens virtuell gegen die Erde fällt, welches ist die Kraft, die ihn in
jedem folgenden Augenblick gleichsam von derselben entfernt hat, um eine neue
Fallkraft hervorzurufen? Gerade die Unzerstörbarkeit und Unerschöpflichkeit,
das Vermögen zu allen Zeiten und unter allen Umständen wenigstens
virtuell dieselbe Wirkung unerschöpflich hervorzubringen, macht das Wesen
jeder wahren Kraft gleich primitiver Ursache aus."
Dieses im entscheidenden Augenblicke jedesmal dazwischentretende
"gleichsam" und "wenigstens virtuell" gibt der Auslegung
Raum, dass unser Schriftsteller seinen "wahren Naturkräften" die
Fähigkeit selbst nicht recht zutraut, eine unerschöpfliche Menge von
Bewegung, (von actueller Kraftäusserung) hervorbringen zu können, und
das Unbestimmte dieser Aeusserungen ist überhaupt bezeichnend für die
Proteus-Rolle, welche die Schwerkraft in den naturwissenschaftlichen Schriften
spielt. Man gibt diesem Worte die willkürlichsten Auslegungen, und sucht
sich, wo es die Thatsachen nicht mehr anders zulassen, wieder auf den
Newton'schen Begriff zurückzuziehen.
Indem man die Schwere eine Kraft nennt, und zugleich mit diesem
Ausdrucke dem allgemeinen Sprachgebrauche gemäss die Vorstellung von einem
Bewegung-erzeugenden Objecte verbindet, wird man zu der irrigen Annahme
geleitet, als ob eine mechanische Leistung - die Entstehung einer Bewegung -
ohne einen entsprechenden Aufwand eines messbaren Objectes stattfinden könne,
und hier liegt offenbar auch der Grund, warum unser Autor weder mit den
Thatsachen, noch mit sich selbst in's Reine kommen konnte. Hat man einmal die
Entstehung einer Bewegung aus Nichts statuirt, so muss man folgerichtig auch die
Vernichtung einer Bewegung zulassen, und die Grösse der Bewegung muss
dieser Annahme gemäss der Geschwindigkeit einfach proportional, oder =
Mc
, und das "Quantum der einmal vorhandenen Bewegung" =
+
Mc - Mc =
0 gesetzt werden. Der genannte Naturforscher erklärt aber
trotz seiner "unerschöpflichen Kräfte" die Bewegung ausdrücklich
für unzerstörlich; statt sich aber dann darüber auszusprechen,
was aus der Bewegung wird, die bei der Reibung verschwindet, sagt er an einer
anderen Stelle wieder, es bleibe "unentschieden", ob die Wirkung der
Kraft - die hervorgebrachte Bewegungsgrösse - durch die erste, oder ob sie
durch die zweite Potenz der Geschwindigkeit gemessen werde (d. h. ob dieselbe
zerstörlich sei oder nicht); ja er scheint wiederholten Aeusserungen nach
sogar für möglich zu halten, dass aus einer gegebenen Menge von Wärme
Bewegung
in infinitum
entwickelt werden könne! Wenn dem so wäre, dann dürfte
freilich an eine Umwandlung dieser Grössen in einander nicht gedacht
werden, und es wäre vielmehr für die Contact-Theorie der Boden
gewonnen.
Die Polemik meines verehrten Kritikers, den ich hier als den
Vertreter herrschender Ansichten redend eingeführt habe, und dem ich mich für
die aufmerksame Prüfung meiner ersten Arbeit zu wahrem Danke verpflichtet fühle,
scheint mir insofern von vornherein eine verfehlte, als die erste Aufgabe bei
Bekämpfung meiner Behauptungen, die sich alle um den einen Punkt einer
unveränderlichen Grössenbeziehung zwischen der Wärme und der
Bewegung drehen, die sein musste, nachzuweisen, dass und wo diese Grössenbeziehung
eine veränderliche ist. Formelle Controversen ohne materielle Basis
schweben in der Luft, und was insbesondere die Kräftefrage anbelangt, so
handelt es sich ja zunächst nicht darum, was eine "Kraft" für
ein Ding ist, sondern darum, welches Ding wir "Kraft" n e n n e n
wollen. Ein Hin- und Herreden über die Schwere ist, da alle Sachverständigen
über das Wesen derselben einig sind, unfruchtbar; denn die Schwere ist und
bleibt ein der anziehenden Masse direct und dem Quadrate der Entfernung
umgekehrt proportionaler Differential-Quotient aus der Zeit in die
Geschwindigkeit, und es sind über diesen Punkt die Acten längst
geschlossen. Ob es aber zweckmässig ist, diese Grösse eine Kraft zu
nennen, das ist eine andere Frage.
Da man, wo es sich um wesentliche Neuerungen handelt, so gerne
missverstanden wird, so will ich meine Behauptung, dass der Ausdruck "Schwerkraft"
ein unpassender ist, hier nochmals aufs deutlichste motiviren.
Es ist eine unumstössliche Wahrheit, dass die Entstehung
jeder Fallbewegung mit dem entsprechenden Aufwande einer messbaren Grösse
verbunden ist. Dieser Grösse, wenn sie anders ein Gegenstand
wissenschaftlicher Untersuchung sein soll - und warum sollte sie es nicht? -
muss ein Name werden, und es ist dem Genius der Sprache, dieser Manifestation
des logischen Instincts der Menschheit, angemessen, hier kein anderes, als das
Wort "Kraft" zu wählen. Da aber dieser Ausdruck bereits in einer
ganz anderen Bedeutung gebraucht wird, so könnte man versucht sein, dem -
in der fundamentalen Wissenschaft wenigstens - noch unbenannten Begriffe
geradezu einen neuen Namen zu schöpfen. Bevor wir jedoch zu diesem
extremen Mittel, das uns aus naheliegenden Gründen mit dem Bestehenden
ohnedies am meisten in Conflict bringen würde, greifen, ist es vernunftgemäss,
zu untersuchen, ob das, dem vorliegenden Bedürfnisse an und für sich
so gut entsprechende Wort "Kraft" dort, wo es die Schule zuerst
hingestellt hat, auch am rechten Platze ist.
Dem allgemeinen Sprachgebrauche zu Folge versteht man unter "Kraft"
etwas Bewegendes - eine Bewegungsursache - und wenn der Ausdruck "bewegende
Kraft" somit eigentlich ein Pleonasmus ist, so ist auf der andern Seite der
Begriff von einer nicht bewegenden oder "todten" Kraft eine
contradictio in adjecto.
Sagt man z. B.: eine Last, die mit ihrem Gewichte auf den Boden
drückt, übe dadurch eine Kraft aus - eine Kraft, die, mag sie so gross
sein, als sie will, für sich nicht im Stande ist, die mindeste Bewegung
hervorzubringen - so ist eine solche Auffassungs- und Ausdrucksweise zwar eine
schulgerechte; sie ist aber so gekünstelt, dass sie die Quelle von unzähligen
Missverständnissen wird.
Zwischen der Schwere und der Schwerkraft ist mir kein
Unterschied bekannt, und halte ich desshalb den letzteren Ausdruck, weil er schwülstig
ist, für unwissenschaftlich.
Man wende mir nicht ein, die Druck"kraft", Schwer"kraft",
Cohäsions"kraft" etc. sei die höhere Ursache des Drucks, der
Schwere u. s. w. In den exacten Wissenschaften hat man es mit den Erscheinungen
selbst, mit messbaren Grössen, zu thun; der Urgrund der Dinge aber ist ein
dem Menschenverstande ewig unerforschliches Wesen - die Gottheit, wohingegen "höhere
Ursachen" "übersinnliche Kräfte" u. dgl. mit all' ihren
Consequenzen in das illusorische Mittelreich der Naturphilosophie und des
Mysticismus gehören.
Vermöge eines überall gültigen Gesetzes geht die
Verschwendung Hand in Hand mit dem Mangel. Wenn wir in dem vorliegenden Falle,
bei welchem sich diese Regel ebenfalls bewahrheitet, eine Ausgleichung eintreten
lassen und das Wort "Kraft" von da, wo es überflüssig und
nachtheilig ist, weg - und dahin bringen, wo es uns fehlt, so räumen wir
dadurch zwei wichtige Hindernisse zugleich weg. Sofort ist der E i n g a n g
in die Bewegungslehre nicht erst von den Höhen der Mathematik aus zu
erreichen; die Natur stellt sich vielmehr in einfacher Schönheit dem überraschten
Auge dar, und selbst der Minderbefähigte vermag viele Gegenstände zu
erblicken, die bisher den grössten Gelehrten verborgen geblieben sind.
Kraft und Materie sind unzerstörliche Objecte. Dies
Gesetz, auf das sich die einzelnen Thatsachen am einfachsten zurückführen
lassen, und das ich desshalb bildlich den heliocentrischen Standpunkt nennen möchte,
ist eine naturgemässe Grundlage für die Physik, Chemie, Physiologie
und - Philosophie.
Unter die zwar bekannten, aber bis jetzt nur empirisch
constatirten und vereinzelt dastehenden Thatsachen, die sich auf dieses
Naturgesetz leicht zurückführen lassen, gehört die, dass die
elektrische und magnetische Anziehung so wenig als die Schwere isolirt werden
kann, oder dass die Stärke dieser Anziehungen bei gleich bleibender
Entfernung durch die Dazwischenkunft von indifferenten Stoffen (von
Nichtleitern) keine Veränderung erleidet.
Unter den bis auf die neueste Zeit unbekannt gebliebenen
Thatsachen will ich nur des Einflusses gedenken, den die Ebbe und Fluth den
bekannten Gesetzen der Mechanik gemäss auf die Axendrehung der Erde ausübt.
Dass dieser wichtige, mit dem eben genannten Grundgesetze enge zusammenhängende
Gegenstand der Aufmerksamkeit der Naturforscher hat entgehen können, ist
ein factischer Beweis gegen die ausschliessliche Berechtigung des herrschenden
Systems.
Uebrigens wird es denen, welche mit der neueren Literatur
vertraut sind, nicht entgangen sein, dass sich in der wissenschaftlichen Sprache
eine meiner Auffassungsweise günstige Veränderung dermalen
vorbereitet. Die Zeit muss aber bei solchen Dingen das Meiste thun. -
Nach dem Bisherigen haben wir die lebendige Kraft der Bewegung
eine Kraft zu nennen. Da man aber in der Mechanik unter diesem Ausdrucke
ebensowohl eine der Masse und dem Quadrate ihrer Geschwindigkeit, als eine der
Masse und der Fallhöhe proportionale Grösse versteht, so zerfällt
diese Kraft naturgemäss wieder in zwei sehr leicht von einander zu
unterscheidende Arten, wovon jede eines besonderen Kunstausdruckes bedarf, und
schienen mir die Worte
Bewegung
und
Fallkaft
hiezu die passendsten zu sein.
"Bewegung" ist also dieser Definition nach immer nur
eine durch das Product der bewegten Masse in das Quadrat der Geschwindigkeit,
nicht aber eine durch das Product der Masse in die Geschwindigkeit messbare Grösse.
Unter "Fallkraft" ist ein gehobenes Gewicht, oder
allgemeiner noch, der räumliche Abstand ponderabler Objecte zu verstehen.
In vielen Fällen wird die Grösse der Fallkraft hinreichend genau durch
das Product der gehobenen Last in ihre Höhe gemessen, und die Ausdrücke
"Fusspfund" "Kilogrammeter" "Pferdekraft" u. a.
m., sind conventionelle Masseinheiten dieser Kraft, welche insbesondere in der
praktischen Mechanik neuerdings allgemein gebraucht werden. Um aber den genauen
Massausdruck für die in Rede stehende Grösse zu finden, haben wir uns
(zum mindesten) zwei Massen zu denken, welche in einer bestimmten Entfernung von
einander sich befinden und durch Annäherung Bewegung erhalten, und es muss
nun die Beziehung aufgesucht werden, welche zwischen den Bedingungen der
Bewegung, nämlich der Quantität der Massen und ihrer anfänglichen
sowohl, als übrigbleibenden Entfernung, und der hervorgebrachten Bewegung
existirt.
Merkwürdiger Weise ist diese Beziehung die denkbar
einfachste, denn dem Newton'schen Gravitations-Gesetze gemäss ist die
entstandene Bewegungsgrösse den Massen und dem Fallraume direct, den beiden
Entfernungen der Schwerpunkte aber umgekehrt proportional. D. h. wenn
A
u.
B
die beiden Massen,
c
u.
c'
ihre erlangten Geschwindigkeiten,
h
und
h'
die erste und zweite Entfernung, so ist
Ac
2
+
Bc´
=
A . B (h - h´)
,
h . h´
mit Worten: D i e F a l l k r a f t i s t g l e i c h d
e m P r o d u c t e d e r M a s s e n i n d e n F a l l r a u m ,
d i v i d i r t d u r c h d i e b e i d e n E n t f e r n u n g e n .
Mit Hilfe dieses Satzes, der, wie man leicht sieht, nur ein
allgemeinerer und bequemerer Ausdruck des Newton'schen Gravitations-Gesetzes ist
1
, lassen sich die Gesetze des Falls aus kosmischen Höhen
und im allgemeinen auch die Central-Bewegungen entwickeln, ohne dass man dabei über
die Gleichungen des zweiten Grades hinauszugehen nöthig hat.
Nachdem wir jetzt zwei Kräftearten, die Bewegung und die
Fallkraft, kennen gelernt haben, so können wir der bekannten Regel gemäss
den Gattungsbegriff "Kraft" dadurch bilden, dass wir die
gemeinschaftlichen Merkmale der beiden Arten zusammenfassen, und haben wir zu
dem Ende die Eigenschaften dieser Objecte näher zu betrachten. Die
wichtigste derselben beruht auf ihrer gegenseitigen Beziehung. Wo eine gegebene
Menge von Fallkraft verschwindet, da entsteht Bewegung, und durch den Aufwand
dieser letzteren lässt sich die Fallkraft in ihrer ursprünglichen Grösse
wieder herstellen.
Diese, zwischen der Fallkraft und der Bewegung bestehende
constante Proportion, welche in der höheren Mechanik unter dem Namen "Princip
der Erhaltung lebendiger Kräfte" aufgeführt wird, kann kurz
1 Die Newton'sche Formel bezieht sich auf den speciellen Fall,
wo die beiden Entfernungen einander gleich sind und daher aus dem Producte
derselben ein Quadrat wird. Für diesen Fall wird aber sowohl der Fallraum,
als die Geschwindigkeit zu null, und es sind desshalb, wenn man von hier
ausgehend reelle Geschwindigkeiten zu berechnen hat , mathematische Kunstgriffe
nöthig, welche in der elementaren Wissenschaft nicht angewendet werden dürfen.
und passend mit dein Ausdrucke "Umwandlung" bezeichnet
werden. Wir können also z. B. sagen: ein Planet, der aus der Sonnenferne
in die Sonnennähe gelangt, verwandelt einen Theil seiner Fallkraft in
Bewegung, und setzt, während er sich von der Sonne wieder entfernt, einen
Theil seiner Bewegung in Fallkraft um. Etwas anderes, als eine constante
numerische Beziehung soll und kann hier das Wort "Umwandeln" nicht
ausdrücken.
Die Entstehung einer bestimmten Menge von Bewegung aus einer
gegebenen Menge von Fallkraft, und umgekehrt, setzt aber dem S. 254 erwähnten
Axiome zu Folge voraus, dass sowohl die Fallkraft, als die Bewegung weder im
Ganzen noch einem Theile nach zu Null werden kann. Wir erhalten also folgende
Definition:
K r ä f t e s i n d w a n d e l b a r e, u n z e r s t
ö r l i c h e u n d - zum Unterschiede von den Materien - i m p o n d e
r a b l e O b j e c t e. (Vergl. a. a. O. S. 4.)
Es schliesst diese Definition, wie man leicht sieht, u. a. die
Thatsache in sich ein, dass die bei verschiedenen mechanischen Processen
verschwindende Bewegung mit der dabei entstehenden Wärme in constanter
Proportion steht, oder dass sich die Bewegung, als eine unzerstörliche Grösse,
in Wärme verwandeln lässt. Die Wärme ist also wie die Bewegung
eine Kraft, die Bewegung wie die Wärme ein Imponderabile.
Die Beziehung, in welcher die Kräfte zu einander stehen,
habe ich dadurch charakterisirt, dass ich sie (a. a. O. S. 5) "verschiedene
Erscheinungsformen eines und desselben Objectes" genannt habe. Dabei habe
ich mich aber ausdrücklich gegen die zwar nahe gelegte, aber doch
unerwiesene und meiner Ansicht nach zu weit gehende Folgerung erklärt, als
ob die Wärmeerscheinungen schlechthin als Bewegungserscheinungen
aufzufassen seien. Es heisst hierüber S. 9:
"So wenig indessen aus dem zwischen Fallkraft und Bewegung
bestehenden Zusammenhange geschlossen werden kann: das Wesen der Fallkraft sei
Bewegung, so wenig gilt dieser Schluss für die Wärme. Wir möchten
vielmehr das Gegentheil folgern, dass um zu Wärme werden zu können,
die Bewegung sei sie eine einfache oder vibrirende, wie das Licht, die
strahlende Wärme etc. - aufhören müsse, Bewegung zu sein."
Der Zusammenhang, in welchem, wie wir gesehen haben die Wärme
mit der Bewegung steht, bezieht sich auf die Quantität, nicht auf die
Qualität, denn es sind - um mit Euklid zu reden - Gegenstände, die
einander gleich sind, sich desshalb noch nicht ähnlich. Hüte man
sich, den Boden des Objectiven zu verlassen, wenn man sich nicht in
selbstbereitete Schwierigkeiten verwickeln will!
Inzwischen geht wenigstens so viel aus dem Bisherigen hervor,
dass es keine specifische Fluida sind, denen die Erscheinungen der Wärme,
der Electricität und des Magnetismus ihr Dasein verdanken und es wird somit
die schon vor einem halben Jahrhunderte von Rumford behauptete Immaterialität
der Wärme, durch die Auffindung des mechanischen Aequivalents derselben zur
Gewissheit.
Die Kraftform, welche mit dem Namen "Wärme"
bezeichnet wird, ist offenbar keine einheitliche, vielmehr werden unter dieser
Benennung verschiedenartige, obwohl unter sich äquivalente Objecte
zusammengefasst, von denen dem Sprachgebrauche gemäss drei Hauptformen zu
unterscheiden sind: nämlich I. die strahlende, II. die freie, specifische,
und III. die latente Wärme.
Dass die strahlende Wärme als eine Bewegungserscheinung zu
betrachten ist, darüber kann kein Zweifel obwalten; sind doch die
Interferenz-Erscheinungen neuerdings auch bei der Wärmestrahlung
nachgewiesen worden. Ob es aber, wie man anzunehmen pflegt, wirklich eine
specifische Aetherflüssigkeit gibt, die durch ihre vibrirende Bewegung als
strahlende Wärme sich manifestirt, oder ob diese Bewegung den Massentheilen
der verschiedenen Körper selbst zukommt, dies ist noch nicht ausgemacht.
Noch mehr ist das Wesen der specifischen Wärme, oder das,
was im Innern eines erwärmten Körpers vorgeht, in Dunkel gehüllt.
Nicht nur dass die ungelöste Aetherfrage hier wiederum eine Rolle spielt,
sondern wir müssten auch, um über diesen Gegenstand in's Reine kommen
zu können, zuvor eine genaue Kenntniss von dem innersten Wesen der Materien
besitzen. Allein dazu fehlt noch viel; denn es ist uns insbesondere unbekannt,
ob es Atome gibt, d. h. ob die Materien aus solchen Bestandtheilen
zusammengesetzt sind, die bei den chemischen Processen an sich keine Formveränderung
mehr erfahren.
Dem Menschen, dem nur eine Spanne von der Zeit, die sich nach rück-
und vorwärts in die Ewigkeit fortsetzt, hienieden zugemessen ist, und
dessen Fuss nur einen nach oben und unten hin enge abgegrenzten Raum zu betreten
vermag, sind auch in seiner wissenschaftlichen Erkenntniss sowohl in der
Richtung nach dem unendlich Grossen als dein unendlich Kleinen hin natürliche
Schranken gezogen. Die Atomen-Frage aber führt uns wie mir scheint über
diese Schranke hinaus und halte ich sie desswegen für unpraktisch. Ein
Atom an sich wird, sowenig als ein Differential, Gegenstand unserer Untersuchung
sein können, obgleich das V e r h ä l t n i s s, in welchem solche
unmessbar kleine Hilfsgrössen unter sich stehen, durch concrete Zahlen
darstellbar ist. In jedem Falle aber ist der Begriff von einem Atome stets nur
relativ aufzufassen und in Beziehung zu einem bestimmten Processe zu denken;
denn bei der Bildung und Zersetzung eines Salzes z. B. können bekanntlich
die Massentheilchen der Säure und der Basis die Rolle von Atomen spielen, während
bei anderen Processen diese Atome selbst wieder der Zerlegung unterliegen.
Angenommen nun - was allerdings u. a. aus den Gesetzen der
Isomorphie mit Wahrscheinlichkeit hervorgeht - dass es wirklich in chemischer
Beziehung Atome gibt, so wäre die weitere Frage zu beantworten, ob man bei
fortgesetzter Theilung der Materie zuletzt auch auf Molecüle gelangt, die
in Beziehung auf die Wärmeerscheinungen Atome sind, in deren Inneres die Wärme
also nicht zu dringen im Stande wäre, und die bei der Erwärmung des
Ganzen eine Volumens-Vermehrung ihrerseits nicht erfahren würden? Da uns
die Anhaltspunkte zur Beantwortung solcher, nothwendigen Vorfragen fehlen, so
sind wir zu dem Ausspruche genöthigt, dass wir uns - ob mit oder ohne
Annahme von Aether und Atomen - was das Wesen der specifischen Wärme
betrifft, im Zustande des Nichtwissens befinden.
Der Ausdruck "latente Wärme" bezieht sich auf die
richtig erkannte Eigenschaft der Unzerstörlichkeit derselben. In allen Fällen,
wo die thermometrisch-wahrnehmbare, specifische Wärme verschwindet, muss
angenommen werden, dass dieselbe nur dadurch der Wahrnehmung sich entzieht, dass
sie eine andere Daseinsform annimmt, und dass durch einen geeigneten Rückführungs-Process
die freie Wärme in ihrer ursprünglichen Grösse wieder hergestellt
werden kann. Dies ist das Thatsächliche der Lehre von der latenten Wärme,
und es können also, soferne man sich nur an dieses hält, alle hieher
gehörigen Erscheinungen als Belege für das in Rede stehende Princip
der Umwandlung und der Erhaltung der Kraft in Anspruch genommen werden.
Der Begriff der latenten Wärme ist hiernach kein anderer,
als der eines der freien Wärme äquivalenten Gegenstandes, und es
umfasst also die Lehre von der freien und latenten Wärme so ziemlich das
ganze Gebiet der Physik. Einige aus der Fülle der Thatsachen gewählte
Beispiele mögen zeigen, auf welche Weise die Erscheinungen, bei welchen Wärme
latent wird, meiner Ansicht nach aufzufassen sind.
Wenn einem unter constantem Drucke befindlichen Gase Wärme
zugeführt wird, so wird die freie Wärme des Gases vermehrt, und es
wird zugleich eine berechenbare Quantität von Wärme l a t e n t ,
dabei dehnt sich das Gas aus, und dadurch wird eine, der Grösse des Druckes
und des zurückgelegten Raumes proportionale Menge von lebendiger Kraft
erzeugt. Sobald wir nun wissen, wie viel von der latent gewordenen Wärme
auf Rechnung der Ausdehnung des Gases kommt, so kennen wir auch den, der
hervorgebrachten lebendigen Kraft entsprechenden Rest der latenten Wärme.
Nun hat
Gay-Lussac
durch Versuche bewiesen, dass die specifische Wärme eines
Gases, das aus einem Behälter in einen luftleeren Raum einströmt,
keine merkliche Veränderung erfährt. Daraus geht hervor, dass ein
gasförmiger Körper dem Auseinanderreissen seiner Massentheile keinen
wahrnehmbaren Widerstand entgegensetzt, und dass bei der Verdünnung eines
Gases an und für sich, d. h. wenn dieselbe ohne Kraftentwicklung vor sich
geht, keine Wärme latent wird. Es ist also die ganze, bei der Ausdehnung
eines Gases latent werdende Wärmemenge das Aequivalent für die
erzeugte lebendige Kraft.
Aus dem von Niemanden in Zweifel gezogenen Principe der Unzerstörlichkeit
der Wärme folgt, dass die auf solche Weise latent gewordene Wärmemenge
wieder frei werden muss, wenn mittelst der gewonnenen lebendigen Kraft der
Bewegung auf irgend welche Weise Wärme erzeugt wird. Bewegung ist latente
Wärme, und Wärme ist latente Bewegung.
Eine specielle Anwendung dieses allgemeinen Satzes ist das berühmte
Gesetz von
Dulong
: dass die Wärmemenge, welche man durch das Zusammendrücken
von Luftarten erhält, nur von dem Kraftverbrauche und nicht von der
chemischen Beschaffenheit, der Spannung und der Temperatur dieser Gase abhängig
ist. Dass aber dieses Naturgesetz noch eine viel allgemeinere Giltigkeit hat,
und dass die bei der Ausdehnung eines Gases latent werdende Wärmemenge in
jedem Falle wieder zum Vorschein kommt, wenn man die gewonnene lebendige Kraft,
sei es nun durch Luft-Compression, durch Reibung oder durch unelastischen Stoss,
zur Wärmeerzeugung benützt, dies habe ich in dem mehrerwähnten
Aufsatze dargelegt, und dort das mechanische Aequivalent der Wärme nach
unbestreitbar richtigen Prämissen berechnet. Als Gegenprobe habe ich
damals die Wärme gemessen, die bei der Papierfabrikation in den Holländern
erzeugt wird, und dieselbe mit der verbrauchten Arbeitskraft verglichen, wobei
sich eine befriedigende Uebereinstimmung herausgestellt hat. Neuerdings ist es
mir auch gelungen, zur direkten Bestimmung des mechanischen Aequivalents der Wärme
einen sehr einfachen Wärmebewegungsmesser in kleinerem Massstabe zu
construiren, mit welchem sich die Richtigkeit des in Rede stehenden Princips
ad oculos
demonstriren lässt, und ich habe Grund zu glauben, dass
mittelst eines solchen calorimotorischen Apparates auch der Nutzeffect von
Wasserwerken und Dampfmaschinen leicht und vortheilhaft gemessen werden kann.
Doch muss es dem künftigen Urtheile der Techniker vorbehalten bleiben, darüber
zu entscheiden, ob und wie weit diese Methode vor der Prony'schen den Vorzug
verdient.
Ein Latent-werden von Wärme findet ferner bei gewissen
Aggregat-Veränderungen der Körper statt. Da es eine ausgemachte
Thatsache ist, dass feste sowohl als tropfbarflüssige Körper der
Trennung ihrer Theile einen gewissen Widerstand entgegensetzen, und da die
Beseitigung mechanischer Widerstände im Allgemeinen einen Verbrauch von
lebendiger Kraft bedingt, so lässt sich schon
a priori
vermuthen, dass da, wo die Cohäsion eines Körpers
vermindert, beziehungsweise aufgehoben wird, Kraft oder Wärme latent werden
muss, was bekanntlich mit der Erfahrung gut übereinstimmt.
Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, hat der französische
Physiker
Person
auf experimentalem Wege nachzuweisen gesucht, dass die latente
Schmelzwärme der Metalle, über welche er viele Beobachtungen
angestellt hat, mit der Cohäsion dieser Körper in einem directen Grössenverhältnisse
stehen. Es sind aber solche Bestimmungen dermalen mit kaum zu überwindenden
Schwierigkeiten verknüpft.
Auf ganz ähnliche Weise hat
Holtzmann
in seiner wichtigen Arbeit "Ueber die Wärme und
Elasticität der Gase und Dämpfe" die bei der Verdampfung des
Wassers latent werdende Wärme aufgefasst. Von dem Satze ausgehend, dass
das Aequivalent der Temperatur-Erhöhung eine Gewichts-Erhebung sei,
berechnet dieser Gelehrte das mechanische Aequivalent der Wärme ebenfalls
aus der bei der Ausdehnung eines Gases latent werdenden Wärme und denkt
sich die latente Wärme des Dampfes sehr richtig in zwei Theile zerlegt,
wovon der eine, kleinere, zur Ueberwindung des entgegenstehenden atmosphärischen
Druckes verwendet wird und hiernach mit Hilfe des mechanischen Aequivalents der
Wärme leicht bestimmt werden kann; den übrig bleibenden, nun ebenfalls
berechenbaren Theil nennt
Holtzmann
: die zur Aufhebung der Cohäsion des Wassers erforderliche
Wärme. Diese letztere geht bei allen Dampfmaschinen verloren und Holtzmann
berechnet aus diesen Prämissen, um wie viel vortheilhafter
Hochdruckmaschinen arbeiten, als Niederdruckmaschinen
1
.
Wenn die eben gegebene Auffassung von der latenten Schmelz- und
Verdampfungswärme richtig ist, so muss auch beim Pulverisiren harter Körper
ein Latentwerden von Wärme statt finden, und es müssen solche Körper,
wenn sie aus dem feinzertheilten in den tropfbarflüssigen Zustand übergehen,
eine kleinere Menge von Wärme binden, als wenn die Auflösung vom
unzertheilten Zustande aus erfolgt. Einige von mir hierüber angestellte
Versuche haben mir inzwischen noch kein bestimmtes Resultat gegeben.
1 Den grössten Nutzeffect müssen solche Maschinen
geben, bei welchen der Dampf während seiner Expansion eine Wärmezufuhr
erhält.
Bemerkenswerth ist auch, dass gewisse feste, einer
allotropischen Veränderung fähige Körper, z. B. die
Sauerstoffverbindungen des Eisens, beim Uebergange aus dem Zustande einer
geringeren in den einer grösseren Härte bedeutende Wärmemengen zu
entwickeln vermögen. Solche Thatsachen, deren man wohl mit der Zeit eine
immer grössere Zahl kennen lernen wird, stimmen mit dem obigen Satze gut überein,
dass die Cohäsions-Verminderung mit einem Kraft- oder Wärme-V e r b r
a u c h e, und die Cohäsionsvermehrung dagegen mit einer Wärme-E r z e
u g u n g verknüpft ist.
Der herrschende Sprachgebrauch, welcher die Schwere mit dem
Namen einer bewegenden Kraft, die Wärme mit der eines Stoffes bezeichnet,
macht, dass einerseits die Bedeutung eines wichtigen Naturgegenstandes, des
Fallraumes, dem Bewusstsein möglichst ferne gerückt wird, und
andererseits die Wärme eine von der lebendigen Kraft der Bewegung weit
entlegene Stelle erhält. Das wissenschaftliche System wird dadurch zu
einem künstlichen, auf dessen zerklüftetem Grunde man sich überall
nur mittelst des mächtigen Hilfsmittels der höheren Analysis sicher
fortbewegen kann.
Ohne Zweifel ist diesem Uebelstande auch zuzuschreiben, dass der
so einfache und nahe liegende Zusammenhang der Wärme und der Bewegung bis
auf die neueste Zeit hat verborgen bleiben können. Indessen mussten, wie
schon oben angedeutet, die Massbestimmungen der chemischen Wärme-Effecte
und der galvanischen Actionen, sowie die im Sinne
Liebig's
über die Lebenserscheinungen angestellten Untersuchungen
bald zu dem unschwer aufzufindenden Gesetze von der Aequivalenz der Wärme
und der Bewegung führen.
In der That wurde dieses Gesetz und dessen numerischer Ausdruck,
das mechanische Aequivalent der Wärme, fast gleichzeitig in Deutschland und
in England veröffentlicht.
Von der Thatsache ausgehend, dass die Grösse des chemischen
sowohl, als des galvanischen Effectes einzig und allein von der Grösse des
Material-Verbrauches abhängt, wurde der berühmte englische Physiker
Joule
zu dem Satze geführt, dass die Bewegungs- und die Wärmeerscheinungen
wesentlich auf einem und demselben Principe beruhen, oder, wie er sich auch
gleich mir ausdrückt, dass sich Wärme und Bewegung ineinander
verwandeln lassen.
Ausserdem dass diesem Gelehrten die selbstständige
Auffindung des genannten Naturgesetzes nicht bestritten werden kann, so hat sich
derselbe auch um die weitere Begründung und Entwicklung desselben
zahlreiche und wichtige Verdienste erworben.
Joule
hat gezeigt, dass wenn mittelst des Electromagnetismus Bewegung
erzeugt wird, der Wärme-Effect des galvanischen Stromes in einem
entsprechenden, constanten Verhältnisse sich vermindert. Ferner hat
derselbe nachgewiesen, dass durch Umkehren der Pole eines Magnetstabes eine dem
Quadrate der magnetischen Spannung proportionale Wärmemenge erzeugt wird,
eine Thatsache, die von mir ebenfalls, jedoch später, aufgefunden worden
ist. Insbesondere hat auch
Joule
mittelst zahlreicher Versuche dargethan, dass die unter
verschiedenen Umständen durch Reibung entwickelte Wärme mit dem
Kraftverbrauche in einem unveränderlichen Verhältnisse steht. Nach
seinen neuesten Versuchen dieser Art hat er das mechanische Aequivalent der Wärme
= 423
1
gesetzt.
Auch hat
Joule
über das hieher gehörige thermische Verhalten
elastischer Flüssigkeiten bei der Ausdehnung Experimental-Untersuchungen
angestellt und dadurch frühere Angaben anderer Physiker bestätigt. -
Der neue Gegenstand fieng bald an, die Aufmerksamkeit der
Gelehrten zu erregen. Da aber derselbe im Aus- und Inlande als eine
ausschliesslich fremde Entdeckung abgehandelt wurde, so versetzte mich dies in
die Nothwendigkeit, meine auf Priorität sich gründenden Ansprüche
geltend zu machen. Denn wenn gleich die von mir veröffentlichten wenigen
Arbeiten, die in der Fluth von Druckschriften, welche jeder Tag bringt, fast
spurlos verschwunden sind, schon in ihrer Form den Beweis enthalten, dass ich
nicht nach Effect hasche, so soll damit doch keineswegs eine Geneigtheit, von
dokumentirten Eigenthumsrechten abzugeben, ausgesprochen sein.
1 D.h. 1 Calorie = 423 Kilogrammeter.
Mit Hilfe, des mechanischen Aequivalents der Wärme lassen
sich Probleme lösen, welche ohne dasselbe nicht in Angriff genommen werden
konnten, und es ist hieher insbesondere die Berechnung des durch den
Zusammenstoss kosmischer Massen hervorgebrachten Wärme-Effectes zu zählen,
worüber eine kurze Andeutung noch am Platze sein wird.
Eine Aufgabe dieser Art ist folgende: Angenommen, ein kosmischer
Körper tritt mit einer Geschwindigkeit von 4 geogr. Meilen per Sek. in die
Atmosphäre unserer Erde ein und verliert durch den hier stattfindenden
Widerstand soviel von seiner lebendigen Kraft der Bewegung, dass die
Geschwindigkeit, die ihm beim Austreten aus der Atmosphäre übrig
geblieben ist, 3 Meilen beträgt, so entsteht die Frage, wie gross ist der
bei diesem Vorgange stattfindende Wärme-Effect?
Unter Zugrundelegung des mechanischen Aequivalents der Wärme
findet man durch einfache Rechnung, dass die gesuchte Wärmemenge ungefähr
8 mal grösser ist, als die Verbrennungswärme eines gleichen Gewichtes
Kohlen, diese zu 6000 Wärmeeinheiten per Kil. gerechnet. Daraus geht
hervor, dass die Geschwindigkeit, mit welcher sich die Sternschnuppen und
Feuerkugeln bewegen, und die sich bekanntlich den astronomischen Beobachtungen
gemäss auf 4 bis 8 Meilen beläuft, die vollgiltige Bedingung der
heftigsten Hitzeentwicklung ist, und es ist uns dadurch eine Einsicht in die
Natur dieser merkwürdigen Phänomene eröffnet
1
.
Eine Aufgabe ähnlicher Art ist ferner folgende: Wenn zwei
kosmische Massen, welche im Weltraume um ihren gemeinschaftlichen Schwerpunkt
sich bewegen, durch irgend etwas, z. B. durch einen Widerstand des sie
umgebenden Mediums veranlasst werden, zusammenzufallen, so wird wieder gefragt,
wie gross der Wärme-Effect ist, der diesem mechanischen
Verbindungs-Processe entspricht?
Wenn man auch die Elemente der Bahnen - d. h. die Excentricität
derselben - nicht kennt, so lässt sich aus dem gegebenen Gewichte und
Volumen der resp. Massen doch das Minimum und das Maximum des gesuchten
Effectes auffinden. Es möge nun beispielsweise angenommen werden, unsere
Erde sei in zwei gleich grosse Kugeln getheilt gewesen, die sich auf die
angegebene Weise vereinigt haben, so lehrt
1 Die Ansicht, dass die in Rede stehenden Meteore ihr Licht
einem mechanischen Processe - sei es nun der Reibung, oder der Luft-Compression
- verdanken, ist nicht neu; es konnte dieselbe aber ohne die Kenntniss des
mechanischen Aequivalents der Wärme nicht wissenschaftlich begründet
werden.
die Rechnung, dass hier in jedem Falle bedeutend mehr Wärme
entwickelt werden musste, als bei gleichem Gewichts-Verbrauche der intensivste
chemische Process zu liefern im Stande gewesen wäre.
Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Erde auf derartige
Weise entstanden ist, und dass in Folge dieses Processes unsere Sonne von
Fixstern-Entfernung aus gesehen, zu jener Zeit ein vorübergehendes
Auflodern ihres Lichtes gezeigt hat. Was aber in unserem Sonnensysteme
vielleicht vor Millionen von Jahren stattgefunden hat, dies geht noch gegenwärtig
am Fixsternhimmel hie und da vor, und es lassen sich die vorübergehenden
Erscheinungen von Sternen, welche zum Theil, wie der berühmte Stern
Tycho's,
mit ausserordentlicher Lichtstärke auftreten, durch die
Annahme eines Zusammenfallens vorher unsichtbarer Doppelgestirne auf eine
befriedigende Weise erklären.
Solchen explosiven Lichtentwicklungen steht das ruhige Strahlen
gegenüber, welches die meisten Fixsterne und darunter auch unsere Sonne
durch ungeheure Zeiträume hindurch gleichförmig andauernd zeigen.
Begründen nun diese, zu höheren Betrachtungen vorzugsweise einladenden
Erscheinungen eine wirkliche Ausnahme von dem nach dem Bisherigen als constatirt
zu betrachtenden Naturgesetze der Erschöpfung der Ursache durch die
Wirkung, oder ist uns bei der kleinen Summe des menschlichen Wissens erlaubt,
auch hier an ein Gleichgewicht zwischen Leistung und Verbrauch zu denken und
nach den Bedingungen eines solchen zu forschen?
Ein näheres Eingehen auf diesen Gegenstand würde uns
aber den Zweck der vorliegenden Abhandlung hinausführen, und so schliesse
ich in der Hoffnung, dass es dem Leser gefallen möge, Manches, was in
dieser Schrift ungesagt geblieben ist, durch eigenes Nachdenken zu ergänzen.
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