[aus: Philosophische Abhandlungen Christoph Sigwart zu seinem siebzigsten Geburtstage 28. März 1900 gewidmet von Benno Erdmann, Wilhelm Windelband, Heinrich Rickert, Ludwig Busse, Richard Falckenberg, Hans Vaihinger, Alois Riehl, Wilhelm Dilthey, Eduard Zeller, Heinrich Maier. (Tübingen, Freiburg i. B. und Leipzig, Verlag von J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1900.) Seiten 159-184]



Robert Mayers Entdeckung und Beweis des


Energieprincipes.



Von



A. Riehl.



[159/160][160 leer][160/161]



„- Der gewöhnlichen Ansicht entgegen glaube
„ich, dass man durch Denken auf gute Versuche,
„aber sehr selten durch Versuche auf neue Ge-
„danken kommt." -
Griesinger an R. Mayer (4. Dez. 1842).


In der vorliegenden Abhandlung sollen die wissenschaftlichen Arbeiten von ROBERT MAYER hauptsächlich nach ihrer Methode betrachtet werden. Diese Aufgabe gestaltet sich durch die ungemeine begriffliche Klarheit der Schriften MAYERS zu einer verhältnissmässig einfachen und leicht zu behandelnden; sie dürfte jedoch angesichts der Nachwirkungen einer irrtümlichen, von einer grossen wissenschaftlichen Autorität verbreiteten Auffassung des Verfahrens MAYERS nicht ganz überflüssig erscheinen. Auch liegt das vollständige Material zu ihrer Lösung erst vor, seit WEYRAUCH den gesamten wissenschaftlichen Briefwechsel MAYERS herausgegeben hat. Unter den Schriften, die MAYER selbst veröffentlichte, kommen für unsern Zweck die „Bemerkungen über das mechanische Aequivalent der Wärme" aus dem Jahre 1851 in erster Reihe in Betracht. MAYER entwickelt hier seine Anschauungen über die Aufgabe der Naturforschung und stellt die Grundregeln ihres Verfahrens fest. Es sind die Regeln, die ihm bei seiner eigenen Forschung zur Richtschnur dienten; nach ihnen ist daher der Charakter seiner Methode zu beurteilen. Hält man sich dagegen, wie dies meistens geschieht, nur an die kurze Mitteilung von 1842, ohne deren Zweck zu kennen, so wird man von MAYERS Verfahren leicht ein falsches Bild erhalten. Hier wird anscheinend der Versuch gemacht, aus allgemeinen formalen Sätzen unmittelbar physikalische Folgerungen abzuleiten, also ein Naturgesetz auf rein aprioristischem Wege zu beweisen. Und wer unserem Forscher „metaphysische Scheinbeweise" vorwirft, oder doch die Begründung seiner Lehre „metaphysisch gefärbt" findet, beruft sich in der Tat auf jene Schrift. Dabei wird freilich übersehen, dass die viel getadelten allgemein [161/162] logischen (nicht metaphysischen) Erwägungen an der Spitze des sehr gedrängten Aufsatzes sich gerade an Freunde einer „hypothesenfreien" Naturanschauung wenden mit dem Zwecke, aus dem Begriffe der Kraft, alles was sich an diese Benennung „Unbekanntes, Unerforschliches, Hypothetisches" knüpft, zu verbannen. Dazu kommt der entscheidende Umstand, dass MAYER auch schon hier die Giltigkeit seiner Voraussetzung einer zwischen Bewegung und Wärme bestehenden Gleichung ausdrücklich von dem Nachweis abhängig macht, dass „eine solche Gleichung wirklich in der Natur begründet sei". Uebrigens sollte jene Mitteilung nur einige Hauptsätze „vorläufig in dogmatischer Form" bekannt geben, um die Priorität für dieselben sicher zu stellen; MAYERS Methode also ist daraus nicht zu entnehmen 1 ).

I.



Entdeckung und Beweis einer Erkenntniss gehen in den meisten Fällen verschiedene Wege; es sind nicht die nämlichen Gedanken und in der nämlichen Reihefolge[!], die zur Auffindung einer Wahrheit führen und welche ihrem Beweis als Gründe vorangeschickt werden. Dem Entdecker selbst wird sich sogar in der Regel die neue Erkenntniss sogleich als Ganzes darstellen, das erst nachträglich, den Forderungen des Beweises gemäss, nach Grund und Folge zerlegt wird. Was objektiv als giltig bewiesen werden soll, muss zuvor subjektiv als wahr gefühlt sein.
In seinem ersten veröffentlichten Aufsatze schliesst MAYER aus der Unzerstörlichkeit der Ursachen auf die Unzerstörlichkeit der Kraft und leitet daraus die Forderung der Aequivalenz von Bewegung und Wärme ab. Es lässt sich zeigen, dass dies nicht der Gang seiner Entdeckung war. MAYER ist nicht von allgemein logischen Gesichtspunkten, sondern von physiologischen Beobachtungen aus zu seinem Principe gelangt; er stützte sich dabei auf LAVOISIER und die Chemie und berief sich erst für den Beweis des Principes auf einige Grundvorstellungen des Denkens. Entdeckung und Beweis sind daher bei Betrachtung seiner Lehre getrennt zu halten.
Von seiner Reise nach Ostindien hatte MAYER ein „System

1 ) MAYERS Schriften werden im Folgenden nach der Ausgabe von WEYRAUCH (Stuttgart 1893) angeführt; die „Mechanik der Wärme" als I., die „kleineren Schriften und Briefe" als II. Band. Die oben angeführte Stelle über die Bestimmung des Aufsatzes von 1842 findet sich II. S. 190 in einem Schreiben MAYERS an GRIESINGER. [162/163]

der Physik" mitgebracht, von dem er wusste, dass es, wenn sich die Sache bewähre, eine Umwälzung und Neugestaltung dieser Wissenschaft herbeiführen müsse. Eine kurz nach der Rückkehr verfasste, an POGGENDORFF eingesandte Skizze, die aber nicht zum Abdruck gelangte, enthält in klarer Fassung den Grundgedanken des neuen Systems. „Bewegung, Wärme, und wie wir später zu entwickeln beabsichtigen, Elektricität sind Erscheinungen, welche auf eine Kraft zurückgeführt werden können, einander messen und nach bestimmten Gesetzen ineinander übergehen. Bewegung geht in Wärme über dadurch, dass sie durch eine entgegengesetzte Bewegung oder durch einen festen Punkt neutralisirt wird, die entstandene Wärme ist der verschwundenen Bewegung proportional. Die Wärme andrerseits geht in Bewegung dadurch über, dass sie die Körper ausdehnt." (II. 105.) Das Geschehen in der äusseren Natur wird auf Ausgleichung und Wiederherstellung von Differenzen zurückgeführt und aus dem Grundsatz, dass „einmal gegebene Kräfte, gleich den Stoffen, quantitativ unveränderlich sind", der „Fortbestand der Differenzen und damit der der materiellen Welt" gefolgert. (II. 101.) Den Anstoss zu diesen umfassenden Erkenntnissen verdankte MAYER, wie er selbst sagt, einem Zufall. Bei Aderlässen auf Java fiel ihm die hellrote Färbung des venösen Blutes auf. Er sah in dieser Erscheinung, die sogleich seine volle Aufmerksamkeit fesselte, eine augenfällige Bestätigung der Theorie LAVOISIERS, nach welcher die tierische Wärme das Ergebniss eines Verbrennungsprocesses ist. Der Farbenunterschied zwischen dem venösen und dem arteriellen Blute steht mit der Stärke der mit dem Blute vor sich gehenden Oxydation und diese mit dem Temperaturunterschied zwischen der Eigenwärme des Organismus und der Wärme des umgebenden Mediums in einer Grössenbeziehung. Je geringer der Wärmeverlust an die Umgebung, um so geringer die Verbrennung, also auch ihr sichtbarer Reflex: der Farbenunterschied der beiden Blutsorten; daher die auffallende Röte des venösen Blutes in den Tropen. - Leistung und Verbrauch im Organismus entsprechen einander; der Verbrauch besteht in dem verbrannten Material, die Leistung ist die Wärmeentwicklung. Der tierische Körper entwickelt aber Wärme auf zweierlei Weise: unmittelbar in seinem Innern, und diese Wärme wird durch Mitteilung an die nächste Umgebung wieder abgesetzt, und mittelbar auf mechanischem Wege durch Reibung, Stoss, Kompression der Luft. „Nun ist zu wissen nötig: o b d i e d i r e k t e n t w i c k e l t e W ä r m e [163/164] a l l e i n, o d e r o b d i e S u m m e d e r a u f d i r e k t e m u n d i n d i r e k t e m W e g e e n t w i c k e l t e n W ä r m e m e n g e n a u f R e c h n u n g d e s V e r b r e n n u n g s p r o c e s s e s z u b r i n g e n i s t? Es ist dies eine in das Fundament der Wissenschaft eingreifende Frage." Wie man leicht erkennt, schliesst diese Frage die mechanische Wärmetheorie im Keime in sich ein, und schon aus ihrer Stellung allein erhellt die grosse Originalität MAYERS. An die Natur mit richtigen Fragen herantreten zu können, war von je das Vorrecht des gebornen Forschers. MAYER findet die Antwort auf die von ihm aufgeworfene Frage bereits mit dem Hauptsatze der physiologischen Verbrennungstheorie gegeben. Darnach ist die Wärmemenge, die bei der Oxydation einer gegebenen Materie entsteht, eine unveränderliche, von den Umständen, die die Verbrennung begleiten, unabhängige Grösse. Sie erleidet also auch durch den Lebensprocess keine Grössenveränderung, oder der lebende Organismus vermag nicht Wärme aus Nichts zu erzeugen. Folglich kann die von ihm erzeugte Wärmemenge nie grösser sein, als es durch den gleichzeitig stattfindenden chemischen Process bedingt wird. Es bleibt also nur die Annahme übrig, dass die gesamte, teils unmittelbar, teils auf mechanischem Wege vom Organismus entwickelte Wärme dem Verbrennungseffekte quantitativ entspricht, oder gleich ist. Dann aber muss auch die vom lebenden Körper erzeugte mechanische Wärme mit der dazu verbrauchten Arbeit in einem unveränderlichen Grössenverhältniss stehen, und da zwischen der mechanischen Leistung des Tierkörpers und andern, anorganischen Arbeitsarten kein wesentlicher Unterschied besteht, so ist „e i n e u n v e r ä n d e r l i c h e G r ö s s e n b e z i e h u n g z w i s c h e n W ä r m e u n d A r b e i t e i n P o s t u l a t d e r p h y s i o l o g i s c h e n V e r b r e n n u n g s t h e o r i e". (I S. 243 f.) - In dieser Schlusskette wird eine wesentliche Voraussetzung nicht ausdrücklich hervorgehoben. Wie zwischen Arbeit und Wärme, so muss auch zwischen Stoffverbrauch und Arbeit Proportionalität bestehen; es muss ausgeschlossen sein, dass sich mechanische Arbeit aus Nichts erzeugen lasse. Aus MAYERS Briefen und namentlich seinen autobiographischen Aufzeichnungen erfahren wir erst, welche Bedeutung für ihn das Princip der Unmöglichkeit eines perpetuum mobile hatte, das bekanntlich HELMHOLTZ dem Beweise der „Erhaltung der Kraft" zu Grunde gelegt hat. Ein missglückter Versuch, ein perpetuum mobile zu verfertigen, den MAYER im Alter von kaum 10 Jahren unternommen hatte, machte auf ihn einen [164/165] bleibenden Eindruck; er gewann daraus die Einsicht, dass mechanische Arbeit nicht ohne entsprechenden Aufwand von „Kraft" zu erzielen ist. Wird dies aber einmal angenommen, so ist auch die Lücke in dem eben mitgeteilten Beweisgang geschlossen und überdies der Gedanke einer äquivalenten Umsetzung der „Kräfte" nahe gelegt: was in einem Augenblicke vorher chemische Differenz war, ist im nächsten Bewegung, im dritten Wärme geworden.
Durch weitere Verfolgung dieser an physiologische Beobachtungen angeknüpften Gedankenreihen sah sich MAYER zuletzt auf eine physikalische Aufgabe von principieller Bedeutung geführt: das zwischen Arbeitsverbrauch und Wärmeerzeugung vorausgesetzte unveränderliche Grössenverhältniss numerisch zu bestimmen, - eine Aufgabe, die, wie er bemerkt, damals (1840) noch nicht einmal aufgestellt, viel weniger gelöst war. In ihrer Lösung erkannte er eine „Lebensfrage" für seine Theorie; es genügte ihm also für diese die Möglichkeit, sie „mit mathematischer Gewissheit" entwickeln zu können, nicht; er forderte für sie vor allem die Bestätigung durch das Experiment. So wenig machte er selbst, wie man ihm vorgeworfen hat, den Beweis aus allgemein logischen Principien zur Hauptsache, dass er vielmehr ausdrücklich erklärte: [„]s e i n e T h e o r i e w ä r e w i d e r l e g t, w e n n d i e E r f a h r u n g G e g e n t e i l i g e s l e h r e n w ü r d e". (II. S. 189.)
Um aus der constanten Proportionalität von Arbeit und Wärme, und mehr als diese kann das Experiment nicht zeigen, auf Aequivalenz schliessen zu können, bedarf es noch eines die beiderseitigen Vorgänge einheitlich verbindenden Begriffes. Der Grund der Proportionalität ist die Gleichheit von Ursache und Wirkung, oder das Fortbestehen der Grösse der Ursache als Grösse der Wirkung; und es entsteht die Frage, wie MAYER zu diesem theoretischen Grundbegriff seiner Lehre, der eigentlichen Idee der Erhaltung gelangte. Auch hier muss zwischen Auffindung der Idee und ihrem Beweise unterschieden werden. MAYER hat das Princip der Erhaltung der Energie nicht, wie gewöhnlich angenommen wird, durch Deduktion aus dem allgemeinen Causalsatze, oder überhaupt durch ein Denken a priori gefunden; er hat das analoge Princip LAVOISIERS von der Erhaltung der Materie aus der Chemie auf die Physik übertragen und zu dem Grundsatze der „quantitativen Unveränderlichkeit des Gegebenen" erweitert. Schon in der ersten Niederschrift vom Jahre 1841 wird dieser Grundsatz aufgestellt, ohne Bezugnahme auf das Causalitätsgesetz, dagegen mit dem deutlichsten Hinweise auf die [165/166] eigentliche Quelle des Princips. „Sowohl die Wissenschaft, nehmen wir an, welche sich mit der Art des Seins der Stoffe (Chemie), als die, welche sich mit der Art des Seins der Kräfte (Physik) beschäftigt, haben die Quantität ihrer Objecte als das Unveränderliche, und nur die Qualität derselben als das Veränderliche zu betrachten." (II. 101.) Und übereinstimmend damit heisst es in der „organischen Bewegung" von 1845: „was die Chemie in Beziehung auf Materie, das hat die Physik in Beziehung auf Kraft zu leisten." In seinem ersten Schreiben an BAUR (21. Juli 1841) äussert sich MAYER: „der Chemiker hält durchaus den Grundsatz fest, dass die Substanz unzerstörlich, und dass die zusammensetzenden Elemente und die gebildete Verbindung im notwendigsten Zusammenhange stehen: g a n z d i e s e l b e n G r u n d s ä t z e m ü s s e n w i r a u f d i e K r ä f t e a n w e n d e n; a u c h s i e s i n d w i e d i e S u b s t a n z u n z e r s t ö r b a r, auch sie kombiniren sich mit einander, verschwinden somit in der alten Form, treten dafür in einer neuen auf, der Zusammenhang der ersten und zweiten Form ist ebenso wesentlich, als der vom H und O und HO." (II. S. 110.) Ebenso (August 1841) an BAUR: „die gleiche Bewandtniss wie mit der Lehre von den Materien (Chemie), hat es auch mit der Lehre von den Kräften (Physik); beide müssen auf dieselben Grundsätze basirt sein. Mein erstes Bestreben ist nun, die Achse, um welche sich die Lehre von den Materien dreht (eben den Satz der Erhaltung) auch für die Lehre von den Kräften zu gewinnen; d a h e r d a t i r t s i c h d a s A x i o m v o n d e r u n v e r ä n d e r l i c h e n Q u a n t i t ä t d e r K r ä f t e". (II. S. 121.) Mit dem nämlichen Gedanken beginnt MAYER (30. Nov. 1842) den Briefwechsel mit GRIESINGER, und noch einmal, in dem Vortrag „über die Ernährung" 1871 kommt er darauf zurück. Er erinnert hier zunächst an das Dogma der Naturphilosophie des Altertums, dass Nichts aus Nichts entstehen, Nichts in Nichts vergehen kann, und fährt fort: „es hat von da an noch lange Jahrhunderte angestanden, bis der unsterbliche französische Chemiker LAVOISIER vor nun hundert Jahren diesen einfachen Satz als ein für alle wägbaren Substanzen oder Materien giltiges Gesetz erkannt und nachgewiesen hat, wodurch er der Begründer einer neuen Wissenschaft geworden ist. Nun liegt d i e F r a g e g a n z n a h e, ob dieses Gesetz der Unzerstörbarkeit oder der Erhaltung nicht auch für die u n w ä g b a r e n Substanzen, die sogenannten Imponderabilien gilt?" - MAYER selbst also führt den Ursprung seiner Idee auf die Chemie und das Vor-[166/167]bild LAVOISIERS zurück. Was dieser für die Chemie, hat MAYER für die Physik gethan; man kann ihn den LAVOISIER d e r P h y s i k nennen.
MAYERS Denken über physikalische Dinge bewegt sich durchaus in Analogien mit chemischen Dingen. Daher die s u b s t a n t i e l l e Auffassung der Kraft. „Es ist mit der Kraft wie mit dem Stoffe." „Eine Kraft ist nicht weniger unzerstörlich als eine Substanz." Kräfte sind „imponderable Objekte", „unwägbare Substanzen". Der Bewegung wird „S u b s t a n t i a l i t ä t", die nicht zugleich „Materialität" ist, zuerkannt. „Die Wärme ist wie die Bewegung eine Kraft, die Bewegung wie die Wärme ein Imponderabile." Ueberall treffen wir auf diese Verallgemeinerung des Substanzbegriffes, und wir verstehen, wie sich daraus die Erweiterung des Satzes der Erhaltung der Materie zu einem Principe, das sich auf gleiche Weise über Kraft und Materie erstreckt", mit Notwendigkeit ergeben musste. Ist Kraft eine Substanz, so muss von ihr auch das Gesetz der Beharrlichkeit der Substanz gelten. Ueberall treffen wir auch auf Gleichnisse aus der Chemie. „Wie sich Materien von entgegengesetzter Qualität neutralisiren, so heben sich Bewegungen von entgegengesetzter Richtung zusammen auf. Das in veränderter Qualität, aber in unveränderter Quantität fortbestehende Gegebene ist dort das Neutralsalz, hier die Wärme." „Bei der Neutralisation und der Produktion der Bewegungen spielt die Geschwindigkeit die Rolle des Mischungsgewichtes." Für die allseitige Umwandelbarkeit der Energieformen findet MAYER den bezeichnenden Ausdruck: „Isomerie der Kräfte". Wie nämlich gleich zusammengesetzte, aus gleichen Atomarten bestehende Stoffe verschiedene Eigenschaften haben können, was die Chemie Isomerie nennt, so kann dasselbe „imponderable Objekt", dieselbe „Energie" verschiedene Erscheinungsformen annehmen, als Spannkraft einer Feder, als Bewegung, als chemische Differenz, als Wärme; aber im Gegensatze zu der beschränkten Umwandelbarkeit der Materie lassen sich diese Formen in einander verwandeln. Sehr einfach werden die physikalischen Gesetze dadurch, dass, wornach man sich in der Chemie vergebens sehnt, ihre Objekte, die verschiedenen Kräfte, sich aufeinander zurückführen lassen; wie erfreut war ich, als ich dieses Resultat, I s o m e r i e d e r K r ä f t e, nach und nach auffand" (an BAUR II. 122). In einem Brief an TYNDALL (1863) endlich nennt MAYER die Lehre von der Umwandlung und Erhaltung der Kraft, mit Beziehung auf die unveränderlichen Grössenverhält-[167/168]nisse oder Aequivalente der Umwandlung, p h y s i k a l i s c h e S t o i c h i o m e t r i e. - Mit dem Namen Stoichiometrie wird bekanntlich in der Chemie die Lehre von den unveränderlichen Verhältnisszahlen der Mischungsgewichte sich verbindender Substanzen bezeichnet; daher die Analogie mit den constanten Grössenverhältnissen bei der Verwandlung der Energieformen.
Die Idee der Unzerstörlichkeit der „Kraft", oder Energie musste erfasst sein, ehe der theoretische und experimentelle Beweis für sie gesucht werden konnte. Ein Experiment beweist nie an sich, sagt HELM[HOLTZ] in seiner Abhandlung: [„]die Lehre von der Energie["], es ist beweisend nur im Dienste einer Idee. Es ist das Bedeutende an MAYER, dass er von der Idee aus auf die Proportionalität und Aequivalenz von Wärme und Arbeit kam, nicht, wie JOULE, bei Versuchen zu anderen Zwecken. Auch hat MAYER seine Konception nicht aus dem Leeren geschöpft; er hat sie, durch Beobachtungen angeregt und von dem Beispiel der Chemie geleitet, in seinem Geiste entwickelt, richtiger, mit seinem Geiste erschaut. Von eitler Speculation, die er gründlich verabscheut (man lese seine Briefe an BAUR), kann ihm gegenüber nicht die Rede sein. Wohl aber darf und soll von jener echten Speculation die Rede sein, die aus der lebendigen Einheit von Denken und Erfahrung entspringt, und welche eine Naturwissenschaft, die nicht gedankenlos sein will, nicht entbehren kann. Die Methode MAYERS ist die Methode GALILEIS und NEWTONS. Der Begriff der gleichförmig beschleunigten Bewegung musste aufgestellt, die Eigenschaften einer solchen Bewegung mussten mathematisch entwickelt sein, ehe der Versuch auf der schiefen Ebene diese Eigenschaften am freien Fall der Körper nachweisen konnte. Und so musste die Unzerstörlichkeit der Kraft in Gedanken festgestellt sein, damit auch nur die Frage möglich war: was aus der verschwundenen Bewegung geworden sei und woher die entstandene Wärme stamme.

II.



In einem Schreiben an GRIESINGER, vom 5. und 6. Dezember 1842, führt MAYER als Beweise für seine Entdeckung an: für's erste „die notwendige Konsequenz aus einfachen, nicht zu leugnenden Principien"; ein zweiter Beweis, durch den, für ihn objektiv, die absolute Wahrheit seiner Sätze dargethan werde, sei ein negativer: es ist nämlich ein in der Wissenschaft allgemein angenommener Satz, dass die Konstruktion eines Mobile perpetuum eine theoretische Un-[168/169]möglichkeit sei (d. h. wenn man von allen mechanischen Schwierigkeiten, wie Reibung etc., abstrahirt, so bringt man es doch auch in Gedanken nicht hin)", seine Behauptungen können aber alle „als reine Konsequenzen aus diesem Unmöglichkeitsprincip" betrachtet werden. Ein dritter Beweis „ist vor der Wissenschaft aus den Lehren der Experimentalphysik zu führen". Es sind dies zugleich sämtliche Beweise, die sich für das Princip der Erhaltung der Energie angeben lassen, und auch die Nachfolger MAYERS haben nichts principiell Neues zu denselben hinzugefügt; JOULES Verdienste liegen auf dem experimentellen Gebiete, HELMHOLTZ ging bei seinem Beweise des Princips von der Unmöglichkeit eines perpetuum mobile aus. Wenn MAYER selbst auf diesen Unmöglichkeitssatz, der in den Briefen an BAUR eine wichtige Rolle spielt, in seinen Veröffentlichungen nicht ausdrücklich zurückgekommen ist, so geschah dies ohne Zweifel, weil er erkannt hatte, dass jener Satz in einem allgemeineren Principe seine Wurzel hat und überdies nur einen Teil von diesem zum Ausdruck bringt. Es wird nämlich durch ihn zwar das Entstehen von Kraft oder Arbeit aus nichts ausgeschlossen, nicht aber auch das Vergehen in nichts; beides zusammen ergibt erst die logische Voraussetzung für den Satz der Erhaltung der Energie. Eine kurze Bemerkung über die Begründung des Princips vom ausgeschlossenen perpetuum mobile möge hier eingeschaltet werden. HELMHOLTZ erklärt das Princip für „eine durch viele vergebliche Versuche, ein perpetuum mobile zu bauen, allmählich gewonnene Induktion". Die Versuche aber, die diese Induktion begründen sollen, sind verhältnissmässig doch zu wenig zahlreich und da sie sämtlich von Laien ausgegangen sind, zu unvollkommen und wenig beweisend, um die Gewissheit zu rechtfertigen, die dem Principe allgemein zugeschrieben wird. Warum sollte nicht künftig einmal ein besser durchgeführter Versuch gelingen können, wenn dem nichts als das Missglücken der bisherigen Versuche entgegen stehen soll? Die Behauptung, dass eine einmal gegebene Kraft auch nicht vernichtet werden kann, ist von derselben Art und Gewissheit, wie die Behauptung, dass eine Kraft nicht aus nichts zu erschaffen ist. Und doch sind Versuche, die die Zerstörung von Kraft bezweckten, begreiflicher Weise nie unternommen worden. Es ist auch nicht richtig, dass die Ueberzeugung von der Giltigkeit unseres negativen Satzes erst allmählich gewonnen ward. Das Princip, das die Möglichkeit eines perpetuum mobile verneint, ist älter als die wissenschaftliche Mechanik; es hat zu deren Begründung beigetragen. [169/170] (STEVIN beweist seinen Gleichgewichtssatz auf der schiefen Ebene durch den Hinweis auf die Absurdität einer perpetuirlichen Bewegung, HUYGHENS führt das Princip der Erhaltung der lebendigen Kräfte auf die Unmöglichkeit zurück, dass sich schwere Körper v o n s e l b s t aufwärts bewegen, oder eine Wirkung ohne entsprechende Ursache entstehen kann.) In seiner allgemeinen Form war das Princip sogar schon den Alten bekannt, und die Ueberzeugung von seiner Giltigkeit und Notwendigkeit hat sich fast gleichzeitig mit dem ersten wissenschaftlichen Nachdenken über den Zusammenhang der Erscheinungen in der Natur eingestellt. Was für Versuche sollte aber wohl DEMOKRIT vor sich gehabt haben, als er zu seinem Satze gelangte: dass nichts aus nichts entstehe ( m h d e n t ¢ e k t o u m h o n t o V g i n e s J a i ), den er ganz folgerichtig mit dem Satz ergänzte: dass nichts in nichts vergehe ( k a i e i V t o m h o n j J e i r e s J a i ).
Es ist wohl zu, beachten, dass schon bei DEMOKRIT das allgemeine Erhaltungsprincip neben dem Causalsatze steht, den jener Philosoph wahrscheinlich zuerst formulirt hat ( o u d e n c r h m a m a t h n g i n e t a i , a l a p a n t a e k l o g o u k a i u p a n a g k h V ). Die Ueberzeugung, der wir mit dem negativen Satze der Unmöglichkeit eines perpetuum mobile Ausdruck geben, hat ihre Quelle darin, dass das Gegenteil des Satzes dem Causalgesetze widerstreitet, das für jede Wirkung eine ihr entsprechende Ursache fordert. Wir müssen daher der Auffassung MAYERS zustimmen, dass man von allen mechanischen Schwierigkeiten abgesehen, es auch i n G e d a n k e n nicht fertig bringe, ein perpetuum mobile herzustellen, d. i. Arbeit ohne entsprechenden Verbrauch von „Kraft", oder Energie, in anderer Form fortdauernd zu erschaffen.
Der theoretische und der experimentelle Beweis des Energieprincipes bilden bei MAYER ein einheitliches Ganzes. MAYER hat sich nicht, wie es von gegnerischer Seite dargestellt wurde und von Vielen noch heute geglaubt wird, erst in philosophischen Gemeinplätzen ergangen, um „schliesslich", wie durch Zurückkommen von einem Irrwege, auf die Bestimmung des mechanischen Aequivalentes der Wärme zu geraten; er betrachtete vielmehr von allem Anfange an die Berechnung dieser Verhältnisszahl als das eigentliche Ziel seiner Gedanken, als die „praktische Folgerung", das „Resumé" seiner Schlüsse. Die physikalische Aufgabe seines Systems und die theoretische Grundlegung desselben wurden von ihm gleichzeitig in Angriff genommen, alsbald nach seiner Rückkehr von Ostindien; schon im September 1841 war die Methode der Berechnung ge-[170/171]funden und von dem Physiker JOLLY in Heidelberg gebilligt worden. So ward MAYERS Werk, wie dies überall bei dem Aufbau einer wissenschaftlichen Theorie geschieht, zugleich von oben und unten begonnen und weitergeführt. Was als Gedanke Vermutung oder Forderung ist, wird zur Gewissheit durch Rechnung und Versuch. So hat es MAYER selbst aufgefasst, wenn er (1851) in Bezug auf die physiologische Anwendung seiner Lehre schreibt: „erst das mechanische Aequivalent der Wärme verleiht der fraglichen Theorie die physikalische Grundlage und e r h e b t d i e V e r m u t u n g z u r G e w i s s h e i t". (II. 333.) Dieser innere Zusammenhang zwischen der theoretischen und der experimentellen Seite des MAYER'schen Beweises soll nun genauer ersichtlich gemacht werden.
Ehe wir die Begriffe, aus denen der Beweis geführt wird, betrachten, müssen wir uns über die Terminologie MAYERS verständigen. Der neue Gegenstand forderte neue Begriffe; MAYER behielt aber für seine neuen Begriffe die alten Namen bei und verknüpft mit diesen einen wenigstens teilweise geänderten Sinn. So nimmt er das Wort Ursache einerseits in einer so umfassenden Bedeutung, dass auch die Materien darunter fallen, und schränke wiederum den Begriff derart ein, dass die Bedingungen des causalen Geschehens, an die wir bei dem Worte Ursache zunächst zu denken gewohnt sind, aus dem Umfang des Begriffs ausgeschieden sein sollen. Der Funke, der eine Pulvermenge entzündet, ist nicht Ursache, sondern „Auslösung" der Explosion, während diese die Ursache des Aufwerfens einer Mine ist. Und ähnlich verfährt MAYER mit dem Worte Kraft. Er nennt, wie übrigens auch noch JOULE und HELMHOLTZ, Kraft, was wir heute nach WILLIAM THOMSON als Energie bezeichnen. Sein Kraftbegriff ist eine Erweiterung des Arbeitsbegriffes der Mechanik und bedeutet überhaupt ein messbares Objekt, „das, i n d e m e s a u f g e w e n d e t w i r d, Bewegung hervorbringt", oder eine der Bewegung äquivalente Wirkung hat. Ein bloser Druck oder Zug, der Trägheitswiderstand der Körper u. dgl. ist keine Kraft: die Schwere nicht Kraft, sondern „Eigenschaft". Ein Vorwurf kann MAYER aus diesem Verfahren nicht gemacht werden, da er in seiner Ausdrucksweise, die sich zudem so enge wie möglich an den üblichen Sprachgebrauch hält, durchaus consequent bleibt und mit unzweideutiger Klarheit darlegt, was für einen neuen Begriff er mit dem herkömmlichen Namen verbunden wissen will. Einen Augenblick scheint er sogar selbst an eine neue Bezeichnung für seinen Kraftbegriff gedacht zu haben, wir schliessen dies aus [171/172] einer Aeusserung in den „Bemerkungen" von 1851, wo es in Beziehung auf das Wort Kraft heisst: „da dieser Ausdruck bereits in einer anderen Bedeutung gebraucht wird, so könnte man versucht sein, dem noch unbenannten Begriffe (eben dem der Energie) geradezu einen neuen Namen zu schöpfen". (I. 261.) Das Mittel erschien ihm aber zu extrem und die Sache selbst von nur geringer Erheblichkeit: denn, „was die Kräftefrage anlangt, so handelt es sich nicht darum, was eine Kraft für ein Ding ist, sondern darum, welches Ding wir Kraft n e n n e n wollen". Die von ihm vorgeschlagene Terminologie von Kraft, Ursache, Wirkung, Verwandlung, schreibt er an GRIESINGER, „ist wie die Sprache selbst nur Mittel, nie Zweck". Was man z. B. Ursache und Wirkung nennen will, sei ihm ganz gleich, er habe sich nur bemüht, diesen so viel gebrauchten Ausdrücken in der Physik einen solchen Sinn zu geben, „dass man sich consequent darin sein kann". (II. 223.)
Um MAYERS Kraftbegriff zu verstehen, müssen wir seine Vorstellungen vom Causalitätsverhältnisse kennen („Kräfte sind Ursachen") und diese wieder weisen uns auf die beherrschende Grundvorstellung seines Systemes zurück: die allgemeine Idee der Erhaltung, oder, philosophisch geredet, den Begriff der Substanz.
In einem vorläufigen Entwurf des Beweises für seine Theorie (an BAUR 1. Aug. 1841) geht MAYER von dem axiomatisch aufgestellten Satze aus: eine Kraft ist nicht weniger unzerstörlich, als eine Substanz und leitet daraus die Folgerung ab: „aufhörende Bewegung dauert als Wärme fort". Dass aus dem l. Axiom der 2. Satz mit Notwendigkeit sich ergebe und wie der 2. Satz in der Natur und Erfahrung wirklich begründet sei, dies, bemerkt er, glaube er nachweisen zu können. Die Hauptmomente des späteren definitiven Beweises treten hier schon deutlich hervor; es fehlt nur der ausdrückliche Hinweis auf die Vermittlung durch den Causalsatz. MAYER ist vom Substanzbegriffe aus zu seiner Auffassung des Causalverhältnisses gelangt; er hat das Beharrungsprincip der Substanz mit dem Gesetze der Veränderung oder des Geschehens einheitlich verbunden, richtiger: das Einheitliche und Uebereinstimmende in den beiden Principien erfasst; und die Anschauung vom Wesen der ursächlichen Verknüpfung, die sich ihm daraus ergab, war in der präcisen Form, in die er sie gebracht, bis dahin der Wissenschaft unbekannt geblieben. Hierin liegt sein grösstes Verdienst um die allgemein-wissenschaftliche oder erkenntnisstheoretische Forschung. Ursache und Wirkung durch den Substanz-[172/173]begriff zur Einheit verbunden, - dies ist MAYERS Causalbegriff.
MAYER zerlegt den Vorgang der Verursachung in zwei Bestandteile: der eine gehorcht dem Substanz- oder Beharrungsgesetze, von ihm gilt daher der Grundsatz der Grössengleichheit, genauer der Constanz der Grösse, von Ursache und Wirkung („causa aequat effectum"), er allein soll auch unter dem Ausdruck Ursache zu verstehen sein; der zweite, MAYER nennt ihn Auslösung, hat kein quantitativ bestimmtes Verhältniss zur Wirkung und geht auch nicht in diese über. Für die Grösse einer Explosion z. B. ist es gleichgiltig, ob man das Pulver durch einen Funken oder mit einer Fackel entzündet, der Funke verwandelt sich auch nicht in Explosion. Wie man sieht, handelt es sich um eine völlig sachgemässe Unterscheidung und die Forderung MAYERS, zwei so gänzlich verschiedene Beziehungen, wie die Veranlassung und die Ursache eines Vorganges, nicht mit einem und demselben Namen zu bezeichnen, erscheint durchaus berechtigt. Im Causalgesetz ist das Substanzgesetz enthalten. Ein ursächliches Verhältniss fordert, soll es richtig gedacht sein, die Gleichung von Ursache und Wirkung, dies will der von MAYER aufgestellte Satz: causa aequat effectum besagen. MAYER hat diesen Satz nicht durch Verallgemeinerung des zweiten NEWTON'schen Bewegungsgesetzes gewonnen, er hat ihn als unmittelbare Folgerung aus dem allgemeinen Erhaltungsprincipe abgeleitet, dem Satze der q u a n t i t a t i v e n Unveränderlichkeit des Gegebenen, und dieser wieder ist nur ein anderer Ausdruck für das Doppelaxiom: „ex nihilo nihil fit, nihil fit ad nihilum". Ueber diesen rein quantitativen Sinn seines Satzes lassen MAYERS Erklärungen einen Zweifel nicht aufkommen. Nicht Wesensgleichheit von Ursache und Wirkung soll damit behauptet werden, aber auch nicht blosse Grössenübereinstimmung, sondern I d e n t i t ä t der Grösse. Die einmal gegebene Grösse, die als Ursache verbraucht wird, wird nicht in der Wirkung wiedererzeugt, oder von neuem erschaffen, sie dauert als Wirkung fort, erscheint in dieser mit ihrem ganzen Betrage, ob zwar in geänderter Form, wieder. Ursache und Wirkung sind nichts als „v e r s c h i e d e n e E r s c h e i n u n g s f o r m e n e i n e s u n d d e s s e l b e n O b j e k t e s", wie dasselbe, so erläutert MAYER seine Anschauung, „von Eis, tropfbarem Wasser und Wassergas gesagt werden kann. Wie aber wieder aus Dampf Wasser, aus Wasser Eis werden kann, so auch bei der Bewegung und ihren Ursachen und Wirkungen". Einen Zusammenhang durch Identität des Objektes verstehen wir als not-[173/174]wendigen Zusammenhang; wir begreifen ihn nach der Norm aller Notwendigkeit, dem Satz des logischen Grundes d. i. der Identität des Grundes in der Folge. Wo der Grund, wie beim ursächlichen Verhältniss, eine Grösse ist, ist Identität des Grundes Identität der Grösse. MAYERS Auffassung des Causalverhältnisses macht die Notwendigkeit in der ursächlichen Verknüpfung begreiflich; HUMES Problem ist damit gelöst. Ursächliche Abfolge unterscheidet sich von bloss zeitlicher Folge, auch wenn dieselbe eine regelmässige ist, durch die Constanz der Grösse, die das Vorangehende mit dem Nachfolgenden, die Ursache mit der Wirkung, einheitlich verbindet, und diese Verbindung entspricht der logischen Form der Verknüpfung der Begriffe.
Die Eigenschaften der Ursache sind zugleich Eigenschaften der Kraft. MAYER nennt die quantitative Unveränderlichkeit oder Constanz der Ursache in ihrer Fortdauer als Wirkung, ihre Unzerstörlichkeit, die Fähigkeit derselben, verschiedene Erscheinungsformen anzunehmen, ihre qualitative Wandelbarkeit: eine Kraft ist daher ein quantitativ unzerstörliches, qualitativ wandelbares Objekt. Da aber auch den Materien, oder Stoffen Unzerstörlichkeit der Quantität und innerhalb gewisser, durch die Arten der Stoffe gebildeter Grenzen Wandelbarkeit der Qualität eigen ist, so sind auch sie Ursachen und es muss noch ein Merkmal hinzugefügt werden, durch das sich Materien und Kräfte unterscheiden. Es ist dies die Eigenschaft der „Ponderabilität und Impenetrabilität", die allen Materien zukommt, allen Kräften dagegen fehlt. Kräfte sind also unzerstörliche, wandelbare und, im Unterschied von den Stoffen, imponderable Objekte. - Die substantielle Auffassung der Ursache erklärt und fordert zugleich, Materie und Kraft unter einem und demselben Begriffe zu denken. Wenn jeder frühere Zustand eines Dinges oder Vorganges, der mit unveränderter Grösse in den folgenden übergeht, die Ursache des folgenden heisst, so ist auch Knallgas (H + O) die Ursache von Wasser (H 2 O). Wir abstrahiren dabei von der Art des Ueberganges selbst, der jederzeit durch Energieumsetzung erfolgt, und wobei in unserem Beispiel ausser Wasser auch Wärme (H 2 O + Calor) entsteht. Materie und „Kraft" sind die beiden Formen der Substanz, weil sie die beiden Arten der substantiell gedachten Ursache bilden. Ihr Unterschied besteht nur darin, dass bei der ersteren die Eigenschaften in räumlicher Verbindung bleiben, bei der zweiten in zeitlicher Entwicklung erscheinen. Die Energie ist die Substanz in der Zeit. - Ein und [174/175] dasselbe Gesetz der quantitativen Unveränderlichkeit des Gegebenen erstreckt sich daher in gleicher Weise über Materie und „Kraft". Während aber die Arten der Materie, die chemischen Grundstoffe, erfahrungsgemäss nicht in einander übergeführt werden können, zeigen die „Kräfte" eine allseitige Verwandlungsfähigkeit. MAYER folgert daraus die Einheit der Kraft oder Energie. „Es gibt in Wahrheit nur Eine[!] Kraft (Energie). Im ewigen Wechsel kreist dieselbe in der toten wie in der lebenden Natur. Dort und hier kein Vorgang ohne Formveränderung der Kraft".
MAYER hat diesen Sätzen keineswegs schon an sich selbst und auch ohne die Bestätigung durch Erfahrung physikalische Geltung, die Geltung von Naturgesetzen, zugeschrieben; sie dienten ihm nur als Leitfaden für den Beweis seines Principes, und dazu sind sie auch in der Tat nicht zu entbehren. Nicht um einen Versuch, apriori eine Welt zu construiren, sollte es sich bei diesem Beweise handeln, MAYER erklärte vielmehr ausdrücklich jeden derartigen Versuch für einen Rückfall in die Fehler der antiken Naturforschung, oder in die Verirrungen der modernen Naturphilosophie. „Wenn es aber gelungen ist, die zahllosen Naturerscheinungen unter sich zu verknüpfen und aus ihnen einen obersten Grundsatz abzuleiten, so mag es nicht zum Vorwurfe gereichen, wenn man nach sorgfältiger Prüfung sich eines solchen als Kompass bedient, um unter sicherer Führung auf dem Meer der Einzelheiten fortzusteuern." Die innere Evidenz des allgemeinen Erhaltungsprincipes, seine Uebereinstimmung mit den einfachsten Begriffen des Denkens, genügt für MAYER nicht, um aus diesem Principe ein Naturgesetz zu machen. Es sei noch einmal an seinen Ausspruch erinnert, erst LAVOISIER habe diesen einfachen, Jahrhunderte lang bekannten Satz, dass nichts erzeugt, nichts vernichtet werde, als ein für alle wägbaren Substanzen giltiges Gesetz erkannt und nachgewiesen." Und was von dem Beweis des Satzes für die wägbaren Substanzen gilt, muss in gleicher Weise von dem Beweis desselben für die unwägbaren gelten. Wie CH. SIGWART fasst auch MAYER die allgemeinen, oder formalen Grundsätze, auf denen sein Beweis beruht, als P o s t u l a t e auf, deren Giltigkeit in der Erfahrung erst durch diese selbst entschieden wird. Die Stelle, die dieser Auffassung unzweifelhaften Ausdruck gibt, liefert zugleich ein vollständiges Bild von MAYERS Methodik. „Der Satz, dass eine Grösse, die nicht aus nichts entsteht, auch nicht vernichtet werden kann, ist so einfach und klar, dass gegen seine Richtigkeit wohl so wenig, als gegen ein [175/176] Axiom der Geometrie etwas Begründetes wird eingewendet werden können, und dürfen wir ihn so lange als wahr annehmen, a l s n i c h t d u r c h e i n e u n z w e i f e l h a f t f e s t g e s t e l l t e T a t s a c h e d a s G e g e n t e i l e r w i e s e n i s t. Es ist nun ein Erfahrungssatz, dass sowohl die Bewegung als die Wärme nur unter dem Aufwande eines messbaren Objektes entsteht und dass in unzähligen Fällen Bewegung verschwindet, ohne dass dabei etwas anderes als Wärme zum Vorschein kommt. Das aufgestellte Axiom f o r d e r t a l s o j e t z t, dass die verschwindende Bewegung zur Wärme wird, oder dass mit anderen Worten diese beiden Objekte in einer unveränderlichen Grössenbeziehung zu einander stehen. D i e P r ü f u n g d i e s e s S a t z e s a u f d e m E r f a h r u n g s w e g e, die Feststellung desselben in allen Einzelfällen, der Nachweis einer zwischen den Denkgesetzen und der objektiven Welt bestehenden allgemeinen Harmonie, ist die interessanteste, aber auch die umfassendste Aufgabe, die sich finden lässt." (Aus den „Bemerkungen" von 1851, I. S. 248.) Stets stützt sich MAYER bei seinem Beweis auf die Denkgesetze und die Erfahrung zugleich, niemals auf die Denkgesetze allein. „Entweder eine gegebene Bewegung wird bei ihrem Verschwinden zu Null werden, oder aber sie wird eine ihr gleiche (äquivalente) unzerstörliche Wirkung haben. Wenn wir uns unbedingt für das letztere entscheiden, s o b e r u f e n w i r u n s a u f d i e D e n k g e s e t z e u n d d i e E r f a h r u n g." (Die organische Bewegung" I. S. 59.) Einen rein empirischen Beweis eines Naturgesetzes gibt es nicht und kann es nicht geben; gewiss, kein Naturgesetz ist ein Satz apriori, aber auch kein rein empirischer Satz im Naturgesetz.
Das Princip der Beharrlichkeit und sein Corollar der substantielle Causalsatz müssen für den Beweis der Erhaltung von Materie und Energie vorausgesetzt werden. Wir können ohne diese Principien den Beweis nicht beginnen, wir können aber auch ohne sie den Beweis nicht vollenden. Es gibt Grenzen der Erfahrung; ein direkter und vollständiger Beweis der quantitativen Beharrlichkeit, es sei der Materie oder der Energie, durch Erfahrung allein, ist daher nicht möglich. „Das Wasser, welches eine mit Knallgas gefüllte Seifenblase, die in die Luft steigend, entzündet wird, liefert, kann nicht nachgewiesen werden; n i e m a n d z w e i f e l t a b e r a n s e i n e r E x i s t e n z. Lassen wir einen Tropfen Wasser in's Meer fallen, so können wir denselben nicht mehr isolirt herausfinden und dadurch seine Unzerstörlichkeit durch das Experiment [176/177] beweisen." (MAYER an GRIESINGER, II. 177.) Uebereinstimmend äussert sich KANT, wenn er erklärt: aus der Erfahrung konnte der Verstand schon desshalb diesen Grundsatz (der Beharrlichkeit der Substanz) „nimmermehr ziehen, w e i l d i e s e d i e M a t e r i e n b e i a l l e n i h r e n V e r ä n d e r u n g e n n i c h t s o w e i t v e r f o l g e n k a n n, u m d e n S t o f f i m m e r u n v e r m i n d e r t a n z u t r e f f e n". (Prolegomena III. T. § 49 Anmerkung.) Der Beweis mit der Wage erscheint und ist nur darum zwingend, weil wir mit der Wage zugleich ein Denkgesetz prüfen. Und ganz entsprechend verhält es sich mit dem Beweise des Energiegesetzes. Durch Aequivalenzbestimmungen allein kann ein zwingender Beweis des Gesetzes nicht geliefert werden, denn es bleibt immer möglich zu behaupten, die Aequivalenzzahl sei bei irgend einer Umwandlung von Energie äusserst wenig kleiner als bei der Verwandlung in umgekehrter Richtung. Diese Grenze aller rein experimentellen Beweise des Energiesatzes muss auch JOULE gesehen haben, wenn er 1843 schrieb: „ich werde keine Zeit verlieren, meine Versuche zu wiederholen und auszudehnen, da ich überzeugt bin, dass man i m m e r, wo man mechanische Kraft aufwendet, ein g e n a u e s Aequivalent von Wärme erhält". - Wie erst das Denken die isolirten Tatsachen in der Wahrnehmung einheitlich verbindet, so ergänzt es auch den jederzeit unvollständigen Erfahrungsbeweis und bringt ihn zum Abschluss. Unser Vertrauen in die Giltigkeit empirischer Beweise ist immer auch zugleich das Selbstvertrauen in unsre Vernunft, oder, wie MAYER sagt, der Glaube an die zwischen den Denkgesetzen und der objektiven Welt bestehende Harmonie.
Zur Zeit des Erscheinens der „Bemerkungen über die Kräfte der unbelebten Natur", 1849, hatte MAYER sein Princip bereits in der Allgemeinheit erfasst, womit es sich über alle Formen der Energie erstreckt in jener vorläufigen Mitteilung beschränkt er sich aber auf den Nachweis der zwischen „Fallkraft" und Bewegung einer- diesen und der Wärme andererseits stattfindenden Gleichungen. Und so sehr gilt ihm der Satz: Bewegung verwandelt sich in Wärme als der Hauptsatz seiner Lehre, dass er vor allem für diesen sich die Priorität sichern wollte.
Schon der Begriff Fallkraft ist als Ergebniss der Methode zu betrachten. Ohne die Trennung von Fallkraft, oder, wie wir heute sagen: potentieller Energie, und Bewegung war der Grundgedanke MAYERS nicht durchführbar, und dass sich diese Trennung unmit[tel]bar aus seinen methodischen Grundsätzen ergab, ist der beste Be-[177/178]weis für die Richtigkeit und Fruchtbarkeit seiner Methode. Soll eine Bewegung, die zur Hebung eines Gewichtes aufgewendet wird, nicht vernichtet sein, so muss sie in ihrer Wirkung, eben dem Gehobensein des Gewichtes, dem räumlichen Abstand desselben, fortbestehend gedacht werden. Das gehobene Gewicht, das bereit ist, durch sein Fallen Arbeit zu leisten, besitzt eben daher Arbeitswert, oder ist eine Form der Energie; fällt es wirklich, so erstattet es den ganzen, zu seiner Hebung verbrauchten Betrag von Arbeit zurück. Der Zustand seines Gehobenseins ist folglich ein Arbeitsäquivalent, oder, wie MAYER dies ausdrückt: „die räumliche Differenz ponderabler Objekte ist eine Kraft, da diese Kraft den Fall der Körper bewirkt, so nennen wir sie „Fallkraft". In der Mechanik führt die Gleichung zwischen Fallkraft und Bewegung, Bewegung und Fallkraft den Namen des Satzes der Erhaltung der lebendigen Kräfte; dieses mechanische Princip ist mithin eine specielle Anwendung des Grundsatzes der Unzerstörlichkeit der Energie.["] - „Eine auf dem Boden ruhende Masse ist keine Kraft, sie ist weder Ursache einer Bewegung, noch der Hebung einer anderen Last, wird dies aber in dem Maasse, in welchem sie über den Boden gehoben wird. Indem man die Schwere als Ursache des Falls betrachtet, spricht man von einer Schwerkraft, vermischt so die Begriffe von Kraft und Eigenschaft. Um dass ein Körper fallen könne, dazu ist seine Erhebung nicht minder notwendig als seine Schwere." Mit diesen Worten wendet sich MAYER gegen die Annahme einer constanten Kraft, d. i. einer solchen, welche Wirkung äussert, ohne selbst abzunehmen. „Gäbe es in der Natur eine constante Kraft, wie GALILEIS Schwere, so ist die Fortexistenz einer gegebenen Kraft in anderer Form eine Unmöglichkeit". (II. 170.) „Die Erzeugung der Fallbewegung ist mit einem Verbrauche, beziehungsweise der Erschöpfung, des gegebenen Fallraumes und ebendamit auch des Produktes von Fallraum und Anziehung verknüpft." Die Schwere dagegen, als blosse Eigenschaft, wird nicht verbraucht, sie haftet unabänderlich an dem Körper und lässt sich nicht gleich der Bewegung auf einen anderen Körper überpflanzen. So geht auch diese Unterscheidung MAYERS unmittelbar aus seinem Grundgedanken hervor und ist zur Durchführung desselben notwendig. - In unzähligen Fällen sehen wir aber Bewegung aufhören, ohne dass eine andere Bewegung oder eine Gewichtserhebung an ihre Stelle tritt. Da wir nun voraussetzen, dass eine einmal gegebene Kraft nicht zu Null werden, sondern nur in eine andere Form übergehen kann, [178/179] so frägt es sich: „welche andere Form die Kraft, die wir als Fallkraft und Bewegung kennen gelernt, anzunehmen fähig sei? N u r d i e E r f a h r u n g k a n n u n s d a r ü b e r A u f s c h l u s s g e b en." So leitet MAYER den Nachweis der zwischen Bewegung und Wärme geforderten Aequivalenz ein. Das Postulat der Grössenunveränderlichkeit der Kraft gibt uns die A n w e i s u n g, nach einer neuen Erscheinungsform für die verschwundene Bewegung zu suchen; die Erfahrung zeigt uns, was für eine Bewegungsform es sei. Sie zeigt uns, dass in vielen Fällen an Stelle der aufhörenden Bewegung nichts anderes gefunden werden kann, als Wärme. Und „so ziehen wir die Annahme, Wärme entsteht aus Bewegung, der Annahme einer Ursache ohne Wirkung und einer Wirkung ohne Ursache vor, wie der Chemiker statt H und O ohne Nachfrage verschwinden und Wasser auf unerklärte Weise entstehen zu lassen, einen Zusammenhang zwischen H und O einer- und Wasser andrerseits statuirt". Wie die Wärme als Wirkung erscheint bei aufhörender Bewegung, so verschwindet sie als Ursache beim Auftreten ihrer Wirkungen, der Bewegung, Volumvermehrung, Lasterhebung. - Man erkennt, wie hier Erfahrung und Denken zum Schlusse zusammenwirken, und dass kein Teil aus dem Gefüge weggenommen werden darf, soll nicht das Ganze auseinanderfallen. Stünde nicht der Satz, dass aus nichts nichts entsteht, nichts in nichts vergeht, von vornherein fest, so würde der Faden reissen, der die aufeinanderfolgenden Wahrnehmungen verknüpft; diese blieben, was sie an sich sind, verschiedene und trennbare Fakta. Die Wärme brauchte nicht aus der Bewegung entstanden, Bewegung nicht in Wärme übergegangen zu sein. Noch einmal sei es gesagt: das Denken ergänzt die Erfahrung.
Es bleibt noch die Aufgabe übrig, die zwischen Arbeit und Wärme geforderte und empirisch nachgewiesene Gleichung „in concreto" aufzulösen. Erst wenn durch das Experiment gezeigt wird, dass immer eine bestimmte und gleiche Grösse von mechanischer Energie verbraucht wird, um eine bestimmte Menge von Wärme zu erzeugen, und umgekehrt, ist der Beweis der Aequivalenz von Arbeit und Wärme, und der Beständigkeit der Aequivalenz vollständig erbracht. Es muss also berechnet werden, wie hoch ein bestimmtes Gewicht über den Erdboden erhoben werden müsse, dass die durch seinen Fall geleistete Arbeit äquivalent sei der Erwärmung eines gleichen Gewichtes Wasser von 0° auf 1° C. Mit Zugrundelegung der GAY-LUSSAC'schen Versuche, auf die er sich [179/180] schon 1841 (in seinen Briefen an BAUR) berief, löste MAYER diese Aufgabe, indem er die durch das Senken einer ein Gas comprimirenden Quecksilbersäure [Quecksilbersäule] geleistete Arbeit gleich setzte der durch die Compression des Gases entbundenen Wärme. Sein Verfahren ist völlig einwandfrei und es war nicht eine „glückliche Voraussage", wie seine englischen Gegner behauptet, seine deutschen nachgesprochen haben , der er die Ermittlung seiner Zahl verdankte. MAYER war sich vollkommen klar bewusst, dass der von ihm eingeschlagene Weg der richtige sei und warum er auch ohne neue Versuche zum Ziele führen müsse. Selbst nicht in der Lage, so subtile Experimente, wie sie erforderlich waren, anzustellen, reflektirte er auf Experimente, die in der Wissenschaft Währung hatten und dies ist, wie er mit Recht bemerkt, ein erlaubtes Verfahren. (II. 189.) - Die von ihm zunächst gefundene Zahl (365 mkg) ist zu klein, er hatte die specifische Wärme der atmosphärischen Luft nach damals (1841) gebrauchten Constanten zu niedrig angenommen, nach REGNAULTS späteren genaueren Bestimmungen dieser Grösse erhöht sich die Zahl auf 424. -
Das von GALILEI in die Wissenschaft eingeführte induktiv-deduktive Verfahren, mit einem Wort: die experimentelle Methode ist auch die Methode, die MAYER bei seinem Beweise des Energieprincipes befolgte. Hier wie dort wird zunächst aus Beobachtungen eine theoretische Annahme abgeleitet und in ihre Consequenzen entwickelt. Die Folgerungen aus der Annahme werden hierauf an der Erfahrung geprüft und schliesslich durch Versuche die in der Natur gegebenen Grössen bestimmt: der Fallraum der ersten Sekunde dort, das mechanische Aequivalent der Wärme hier. MAYER hat durch das grundsätzlich von ihm eingeschlagene Verfahren abermals gezeigt, dass es nur eine wahre Methode der Naturerkenntniss gibt.
Mit NEWTON hätte MAYER sagen können: hypotheses non fingo, wobei unter Hypothese eine Annahme zu verstehen ist, die sich weder beweisen noch widerlegen lässt. Seine Abneigung gegen alles „Hypothetische und Speculative" ist ebenso gross, wie sein Sinn für die Grössen und Grössenverhältnisse in der Natur. Ueberall hält er sich an das Tatsächliche und die einfachsten Begriffe des Denkens. „Die Natur in ihrer einfachen Wahrheit ist grösser und herrlicher als alle Illusionen des erschaffenen Geistes." „Die wichtigste, um nicht zu sagen einzige Regel für die echte Naturforschung ist die: eingedenk zu bleiben, dass es unsere Aufgabe ist, die Er-[180/181]scheinungen k e n n e n zu lernen. Ist einmal eine Tatsache nach allen ihren Seiten bekannt, so ist sie eben damit auch erklärt und die Aufgabe der Wissenschaft ist beendigt." „Die scharfe Bezeichnung der natürlichen Grenzen menschlicher Forschung ist für die Wissenschaft eine Aufgabe von praktischem Werte, während die Versuche, in die Tiefen der Weltordnung durch Hypothesen einzudringen, ein Seitenstück bilden zu dem Streben des Adepten." „In den exakten Wissenschaften hat man es mit den Erscheinungen selbst, mit messbaren Grössen zu tun; der Urgrund der Dinge aber ist ein dem Menschengeiste ewig unerforschliches Wesen - die Gottheit - wohingegen „höhere Ursachen, übersinnliche Kräfte" und dgl. mit all ihren Consequenzen in das illusorische Mittelreich der Naturphilosophie und des Mysticismus gehören." Er sagte von sich, er definire nicht gern, er zähle lieber nach Einheiten. „Wahrlich ich sage euch, ruft er aus, eine einzige Zahl hat mehr wahren und bleibenden Wert, als eine ganze Bibliothek voll Hypothesen." Aus einer exakten, naturwissenschaftlichen Untersuchung müssen Grössenbestimmungen hervorgehen, die sich durch Zahlen ausdrücken lassen. „D i e s e Z a h l e n s i n d d i e g e s u c h t e n F u n d a m e n t e e i n e r e x a k t e n N a t u r f o r s c h u n g." Dies war der Weg, der ihn zur Entdeckung des umfassendsten Naturgesetzes führte und ihn zugleich vor der Verirrung bewahrte, es mit überflüssigen Hypothesen zu belasten, z. B. der Hypothese der Bewegungsnatur der Wärme. Was Kraft, was Wärme ist, brauchen wir nicht zu wissen, - aber das müssen wir wissen, wie man die Kraft oder Arbeit nach unveränderlichen Einheiten zählt und dass und welche unveränderliche Grössenbeziehung zwischen dem Meterkilogramme und der Wärmeeinheit stattfindet. D i e s e s W i s s e n i s t e s, w e l c h e s d i e G r u n d l a g e e i n e r n e u e n W i s s e n s c h a f t b i l d e t u n d w e l c h e s e i n e N e u g e s t a l t u n g d e r N a t u r w i s s e n s c h a f t e n h e r v o r r u f t."


„Jede Lösung eines Problems ist ein neues Problem", sagt Goethe, und so sehen wir uns zum Schluss vor die Frage nach den Grenzen des Energieprincipes gestellt. Die nicht umkehrbaren Kreisprocesse in der Natur, welche „Zerstreuung" von Energie zur Folge haben, bilden eine solche Grenze nicht. Die Frage: ob man einer Wärmenge, die nicht mehr in Arbeit verwandelt wird, noch Arbeitswert beimessen, sie also noch als „Energie" bezeichnen dürfe, [181/182] ist eine Frage der Benennung und die Controverse hierüber eine rein formelle. Jedenfalls bleibt diese Wärme ein „Imponderabile" und es gilt von ihm der Satz der E r h a l t u n g der Energie, wenn auch ihre Rückverwandlung in Bewegung aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen sein sollte. Was aber die universelle Ausdehnung des Entropiebegriffes anlangt, CLAUSIUS' berühmten Satz: die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu, so genüge die bescheidene kritische Erinnerung: die Totalität der Sinnenwelt ist kein Gegenstand möglicher Erfahrung, ein Schluss auf diese Totalität also kein Erfahrungsschluss. Auch in dem mathematischen Charakter des Princips als eines Integralgesetzes, das die elementaren Vorgänge umgeht und eben daher unbestimmt lässt, ist eine Grenze desselben nicht zu erblicken. Man wird immer versucht sein, diesem Mangel, der in den Augen Vieler ein Vorzug ist, durch Hypothesen oder Bilder der Elementarvorgänge abzuhelfen; diese Grenze, nicht des Principes selbst, sondern unsrer Einsicht in seine Wirkungsweise, lässt sich daher immer weiter vorschieben.
MAYER sah in den Auslösungserscheinungen eine Ausnahme von seinem Gesetze der quantitativen Uebereinstimmung von Ursache und Wirkung. Dies ist aber nur dann richtig, wenn zwischen der Ursache der Einleitung eines Vorganges und der Ursache der Grösse des Vorganges nicht unterschieden, die Auslösung also, statt mittelbar, unmittelbar zu der Grösse des Gesamteffektes in Beziehung gebracht wird. Sofern die Auslösung Arbeit leistet, durch Ueberwindung des kleinen Widerstandes gegen die Gleichgewichtsverschiebung des Systems, worauf sie einwirkt, muss sie auch Arbeit oder Energie von entsprechend kleinem Betrage verbrauchen und soweit bildet sie also keine Ausnahme von dem Gesetze der Proportionalität von Leistung und Verbrauch. Bei zunehmender Vervollkommnung des Auslöseapparates kann zwar die Grösse der auslösenden Kraft im Vergleich zu der des ausgelösten Effektes immer kleiner werden, aber auch eine relativ verschwindend kleine Grösse bleibt immer noch eine reelle Grösse. Auch der vollkommenste Auslöseapparat kann nicht durch eine Kraft gleich Null in Bewegung gesetzt werden, d. h. er kann sich nicht von selbst bewegen. Nun scheinen aber in zahlreichen Fällen chemische Actionen durch die blosse Anwesenheit gewisser Stoffe eingeleitet zu werden, die für sich selbst an der vor sich gehenden Veränderung keinen Anteil nehmen. Solche „katalytisch" genannte Auslösungen oder Kontakteinflüsse, deren Wirkung lediglich in der zeitlichen Regu-[182/183]lirung, Beschleunigung oder Verzögerung, der ihrem Einflusse unterliegenden Processe zu bestehen scheint, müssten daher eine tatsächliche Ausnahme von dem quantitativen Gesetze der Energieumwandlung bilden. Doch lässt sich dies zur Zeit nicht mit Sicherheit, oder auch nur mit Wahrscheinlichkeit behaupten, da Fälle bekannt sind, bei welchen die katalysirende Substanz selbst an der chemischen Umsetzung beteiligt ist, wenn sie auch nach Abschluss des Processes in unveränderter Menge wiedererscheint. - Nach einer anderen Seite hin sind jedoch die Auslösungen wirklich als Ergänzung des Energieprincipes zu betrachten.
Materie und Energie, die beiden Formen der Substanz, genügen zur Vollendung des wissenschaftlichen Weltbildes nicht. MAYER nahm daher (mit HIRN) den „Geist" als drittes Element hinzu und seine aufrichtige Erklärung hierüber, auf der Innsbrucker Naturforscherversammlung, fand den Spott gläubiger Materialisten - Glaube wider Glauben. Freilich kann das Bewusstsein, für welches erst ein Bild der Welt vorhanden ist, nicht selber wieder als Element in diesem Bilde erscheinen, es ist sofern kein empirischer Gegenstand, sondern die Voraussetzung aller Erfahrung und naturwissenschaftlichen Betrachtung. Die bewusste Activität aber ändert beständig die Zusammenordnung der Dinge und der „Wille" regelt, einem Kontakteinfluss analog, die Zeit des Geschehens; er vermag das Eintreten einer Handlung zu beschleunigen, zu verzögern, zu hemmen, ohne etwas an der Quantität des Gegebenen zu ändern. Das Energieprincip normirt nur die quantitative Identität des früheren und des nachfolgenden Zustandes eines Dings oder eines Vorganges, es sagt nichts über die bestimmten Bedingungen des Eintretens des neuen Zustandes und die allgemeine Richtung des Verlaufs der Gesamtheit der aufeinanderfolgenden Zustände aus. Wir bedürfen daher einer tatsächlichen Voraussetzung, die nicht unter den Energiesatz fällt, der Annahme einer bestimmten „Collocation der Ursachen" oder Zusammenordnung der gegebenen Grössen und Elemente. Indem Auslösungen und Kontakteinflüsse erfahrungsgemäss eine Aenderung der „Collocation" herbeiführen, sind sie zugleich selbst, in der Art ihres Eintretens und Zusammentreffens, als die bestimmte Folge der unmittelbar vorangegangenen Collocation zu betrachten, und wie weit wir mit dieser Betrachtung in die Vergangenheit zurückgreifen mögen, immer wieder treffen wir auf die Voraussetzung einer bestimmten und sofern gesetzlichen Collocation. In der Abfolge der Collocationen liegt für [183/184] uns das Gesetz des Geschehens oder der Entwicklung verborgen.
Vielleicht, dass die exakte Erforschung der Kontakteinflüsse und Auslösungen einen Weg eröffnet, auch das rein Tatsächliche, das „Historische" in der Zusammenordnung und dem Verlauf der Dinge einem Gesetzesbegriffe unterzuordnen, das formale, oder wie wir im Bereich der Willensvorgänge sagen: das teleologische Moment des Causalzusammenhanges mit dem „substantiellen" , d. i. dem Satze der Erhaltung der Energie, zu verbinden und so über diesen letzteren hinauszugehen.



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