Hegel bestimmt seine Methode in der Einleitung zur Logik
1)
in folgender Weise: Das Logische hat der Form nach drei Seiten:
a) die abstracte oder verständige, worin das Denken als Verstand bei
der festen Bestimmtheit und der Unterschiedenheit derselben gegen Anderes stehen
bleibt; b) das dialektische Moment ist das eigene Sichaufheben solcher
endlichen Bestimmungen und ihr Uebergehen in ihre entgegengesetzte; c) das
Spekulative oder Positiv-Vernünftige fasst die Einheit der Bestimmungen in
ihrer Entgegensetzung auf, das Affirmative, das in ihrer Auflösung und
ihrem Uebergehen enthalten ist.
Das Eigenthümliche dieser Methode besteht demgemäss
zunächst darin, dass sie im ersten Moment die Berechtigung des logischen
Gesetzes der Identität anerkennt, im zweiten dieselbe aufhebt. Es scheint
nicht möglich, beide Momente als Momente des Denkens festzuhalten. Wenn die
Nöthigung, etwas in seiner Bestimmtheit, in seinem eigenthümlichen
Inhalt zu fixieren und diesem Inhalt gemäss von Anderem, vom
Entgegengesetzten zu unterscheiden, in der Natur des Denkens liegt, so scheint
es, könne die Nöthigung, dasselbe nicht als es selbst, sondern als
Eins mit seinem Entgegengesetzten (A = non A), als in dasselbe übergehend
zu fassen, nicht in der Natur des Denkens selbst liegen, sondern diese Fassung könne
dem Denken nur durch den Gegenstand, durch die Erfahrung aufgedrungen sein. "Es
gibt
2)
nirgends weder im Himmel noch auf Erden, weder in der [5/6]
geistigen noch in der natürlichen Welt ein so abstractes Entweder-Oder, wie
der Verstand solches behauptet." "Der Widerspruch
3)
bewegt die Welt, alle Dinge sind sich selbst widersprechend;
dieser Satz drückt gegen die Sätze der Identität, der
Verschiedenheit, der Entgegensetzung, die Wahrheit und das Wesen der Dinge aus.
Der Widerspruch, worin Etwas in sich das Negative seiner selbst ist, ist die
Wurzel aller Bewegung und Lebendigkeit." "Wenn man die Vernunft auf
die leere Identität reducirt, so wird sie glücklich vom Widerspruche
befreit durch Aufhebung alles Inhalts und Gehalts".
4)
Hegel geht somit über die logische Form des Denkens hinaus,
um das Wirkliche als solches, welches der logischen Form widerstrebt, zu
erfassen. Er reflectirt auf die Form des Denkens und das Verhältniss der
Gegenstände zu dieser Form; so entsteht die Frage: sind die Gegenstände
dem Denken und ist das Denken den Gegenständen angemessen, die Frage nach
dem Verhältniss des Denkens zum Sein, die Frage der Speculation. Hegel
schliesst sich genau an das kantische Problem an: wie sind synthetische Urtheile
a priori möglich? d. h. wie können wir über die blos
logische Verknüpfung durch Identität zur realen synthetischen Verknüpfung
des Verschiedenen als solchen hinauskommen und letztere nothwendig erkennen? Wie
Kant die logische Form des Denkens als dem Wirklichen, der Erfahrung nicht
angemessen erkennt und über diese zum synthetischen Denken hinausgeht und
die Bedingungen desselben als der alleinigen Form der Erkenntniss erforscht, wie
hierin seine Kritik des Erkenntnissvermögens besteht: ganz in demselben
Sinne geht Hegel über das verständige Denken zum dialektischen, vernünftigen
Denken hinaus, um in diesem das reale, dem Wirklichen gewachsene Denken zu [6/7]
haben. Hegel weiss recht gut, dass die Philosophie die Bahn zu verfolgen hat,
welche ihr von Kant vorgezeichnet worden ist. "Das Nächste", sagt
er
5)
, "in der kantischen Philosophie ist diess, dass das Denken
sich selbst untersuchen soll, inwiefern es zu erkennen fähig ist. Heutiges
Tags ist man über die kantische Philosophie hinausgekommen, man will weiter
sein, aber es fragt sich, ob diess ein Vorwärts- oder Rückwärtsgehen
sei; viele unserer philosophischen Bestrebungen sind nichts anderes als das
Verfahren der alten Metaphysik, ein unkritisches Dahindenken." Hegel umgeht
nicht die kritische Frage über die Wahrheit und Realität des Denkens,
sondern er erkennt sie als Frage, um sie auf eine höhere Weise zu
beantworten. Er geht nicht, wie Kant, durch die Anschauung über das blosse
Denken hinaus, um in ihr, in der apriorischen Form derselben die Möglichkeit
einer nothwendigen synthetischen Verknüpfung zu finden
6)
, sondern durchs Denken selbst will er über das logische
Denken hinauskommen, damit das Denken als solches real sei. Das Denken
untersucht sich selbst, die Denkformen bestimmen an ihnen selbst ihre Grenze und
zeigen ihren Mangel auf; das logische Denken geht an ihm selbst über sich
hinaus und geht zum dialektischen und vernünftigen Denken fort. So ist
7)
das reine Denken selber allein im Stande, die Wahrheit der
Dinge zu erfassen; es bleibt nicht abstractes formelles Denken, sondern
entwickelt sich zum concreten (synthetischen), zum begreifenden Denken; das
Denken ist damit durch seine eigene Kraft dem Wirklichen gewachsen. Das
dialektische Denken besteht gerade darin, dass etwas, indem es in seiner
Bestimmtheit für sich fixirt wird, an ihm selbst sich [7/8] als sich selbst
entgegengesetzt, als in sein Gegentheil übergehend zeigt.
8)
Desshalb ist die absolute Methode
9)
analytisch, sie findet die weiteren Bestimmungen des anfänglichen
Allgemeinen ganz allein in diesem selbst, aber sie ist ebensosehr synthetisch,
denn sie entwickelt aus demselben das Andere seiner selbst. Diese Verbindung des
Analytischen mit dem Synthetischen, vermöge welcher die Synthesis mit dem
Andern dem Dinge immanent ist, macht die Dialektik aus.
So ist es die Dialektik, in welcher das Denken selbst sich
untersucht, selbst seine Grenze bestimmt und über sich hinausgeht und sich
zum concreten realen Denken fortbestimmt. Man darf
10)
über den Gegenständen, mit denen sich die Vernunft
beschäftigt, nicht vergessen, die Vernunft selbst zu erkennen. Man muss
wissen, was Denken, was Vernunft ist, um über den Gegensatz des blos
logischen Denkens, das mit seinem Princip der Identität an das Wirkliche
nicht herankommt, und einer von demselben unabhängigen Anschauung oder
Erfahrung, welche allein das concrete Wirkliche geben soll, hinweg zu sein.
Hierin liegt die Erkenntniss der wesentlichen Einheit des Denkens und des Seins
(des Wirklichen).
Daraus folgt dann aber auch, dass die erste Form des Denkens,
welche in dem Princip der Identität besteht, selbst in das reale Denken
eingeht. Gerade darin, dass etwas es selbst ist, sich fixirt, schlägt es -
im realen Process - in sein Gegentheil um. Das Gesetz der Identität ist
daher selbst Gesetz des Realen, nur so, dass es sich vom Gesetz des Gegensatzes
nicht trennen läßt; die Identität mit sich selbst ist der reale
Ausgangspunkt des dialektischen Processes, an ihr entzündet er sich. Der
Verstand
11)
zeigt sich überhaupt in allen Ge- [8/9] bieten der gegenständlichen
Welt, und es gehört wesentlich zur Vollkommenheit des Gegenstandes, dass in
demselben das Princip des Verstandes zu seinem Rechte kommt; er ist mit seinem
Gesetz das Princip der Gliederung eines Ganzen, z. B. des Staates in feste
bestimmte Unterschiede.
Auf dieser realen Geltung der Form der Identität mit der
Form des Gegensatzes beruht die dritte Form des Logischen, die positiv-vernünftige,
welche die Einheit der Bestimmungen in ihrer Entgegensetzung, das Affirmative,
das in ihrer Auflösung und ihrem Uebergehen enthalten ist, auffasst. Erst
in dieser Einheit haben wir das ganze, concrete Denken und in diesem das
Wirkliche als solches.
So ist die Methode der höchste und einzige Trieb der
Vernunft, durch sich selbst in Allem sich selbst zu finden und zu erkennen.
12)
Sie ist als die ohne Einschränkung allgemeine Weise oder
als die unendliche Kraft anzuerkennen, welcher kein Object, sofern es sich als
ein Aeusserliches, der Vernunft Fernes und von ihr Unabhängiges präsentirt,
Widerstand leisten, gegen sie von einer besonderen Natur sein und von ihr nicht
durchdrungen werden könnte.
13)
Die Differenz der Form des Denkens und des dem Denken gegebenen
Inhalts ist hiemit verschwunden; würde der Inhalt dieser Methode gegeben
sein, so würde derselbe als "von eigenthümlicher Natur"
angenommen
14)
, was der Natur dieser Methode zuwider wäre; sie ist die
Seele aller Objectivität. Das Denken in seinen immanenten Bestimmungen und
die wahrhafte Natur der Dinge ist ein und derselbe Inhalt. Der Process des
Denkens ist der reale Process selbst. [9/10]
Die Hegel'sche Philosophie ist daher durch ihre Methode
Idealismus, aber ein Idealismus, in welchem der Gegensatz zum Realismus
aufgehoben ist. Der Idealismus besteht keineswegs nur in der Behauptung, dass
die Welt, das Object blosse Vorstellung ist. Von diesem Berkeley'schen
Idealismus ist der Idealismus Kant's sehr verschieden. Dieser geht von der
Reflexion auf die wesentliche Form des Wissens aus, so dass dasjenige, was
gewusst wird, sofern es gewusst wird, sich nach dieser Form richten muss; der
Geist wird in seinem Wissen nicht durch die Dinge bestimmt, sondern er bestimmt
sie darin durch seine eigenen Gesetze, und die Gegenstände, die er weiss,
denkt und anschaut, sind durch die Gesetze des Denkens und Anschauens bestimmt.
Der Idealismus ist der Ausdruck der Autonomie des Geistes, welche nicht blos für
das Wollen, sondern für das Wissen ihre Geltung hat. Aber es kommt dem
Idealismus nicht blos auf die Angemessenheit der Gegenstände an die Form
des Denkens, sondern umgekehrt auf die Angemessenheit des Denkens an die Gegenstände
an, so dass das Denken, gründlich untersucht, durch seine eigenen Formen
seine Differenz von den Gegenständen aufhebe und damit der Beweis geliefert
werde, dass die Gesetze des Denkens Gesetze der Dinge sind. Diese realistische
Tendenz hat der Idealismus in der That schon bei Kant. Er will zeigen, wie wir
reale synthetische Verknüpfungen (z. B. das Caussalitätsverhältniss)
a priori zu denken vermögen, d. h. wie das Denken seiner innern Natur
nach dem Wirklichen, der Erfahrung, gewachsen sei, so dass seine Realität
und Wahrheit auf seinen eigenen innern Formen und Gesetzen beruht. Während
nun Kant doch eigentlich nicht im Denken selbst, sondern in der Anschauung die
Realität der Erkenntniss findet, indem nur vermittelst der Anschauung eine
Verknüpfung des Verschiedenen möglich ist und der Anschauung als
solcher in ihrer sub- [10/11] jectiven Form der Inhalt durch das Ding an sich
als Erscheinung gegeben wird: hat Fichte im Denken selbst, in seiner Form, ohne
aus ihr herauszugehen, ihren realen Inhalt nachzuweisen gesucht. Er fragt nicht,
wie Kant, wie sind synthetische Urtheile a priori möglich, sondern wie ist
der Satz: A ist A, wie ist das logische Denken möglich? Dieser Satz ist nur
im Ich und durch das Ich möglich, das Denken ist der Act des Ich, sich
schlechthin zu setzen; das Ich ist der ursprüngliche Inhalt dieser Form,
und damit das allein Reale: das logische Denken ist das reale Denken. Das Denken
hat somit in sich selbst, in seiner Form einen realen Inhalt, welcher dieser
Form schlechthin gemäss ist. So sehr hiemit die Subjectivität des
Denkens ausgedrückt ist, weil in ihm nur das Ich sich selbst setzt, so
wurde doch hiemit die Kantische Subjectivität des Denkens beseitigt, worin
dasselbe nur auf Erscheinungen eingeschränkt ist, und das Ding an sich
jenseits des Denkens fällt; im Ich ist das Reale selbst innerer Inhalt des
Denkens und das Gesetz des Denkens ist das Gesetz des Seins selber. Fichte ist
damit in der That nicht subjectiver Idealist, sondern er ist Realist. Die spätere
Philosophie hat diese Identität des Denkens und des Seins festgehalten, und
sie nur aus den subjectiven Schranken des Ich herausgehoben. Es wurde hiemit zunächst
der Kant'sche Begriff, dass nicht das logische Denken, das nur durch Identität
verknüpft, sondern das synthetische Denken, welches, wie im Caussalitätsverhältniss
Verknüpfungen des Verschiedenen denkt, welches aber allein durch die
Anschauung sich vollziehen kann, Realität habe, aufgegeben. Jedoch wollte
Fichte gerade im nothwendigen Denken selbst die Quelle dieser Synthesis
nachweisen. Indem der ursprüngliche reelle Ausdruck des Satzes: A ist A,
der Act des Ich ist, sich schlechthin zu setzen, ist damit auch der ursprüngliche
reelle Ausdruck des Satzes: A non est non A [11/12] der Act des Ich, sich ein
Nichtich entgegenzusetzen; es ist das nothwendige Denken, welches als ursprüngliche
Einheit der Form und des Inhalts sich in diesen beiden Handlungen darstellt; die
Gesetze des Denkens sind ursprünglich metaphysische Gesetze des Seins, und
wir brauchen aus dem nothwendigen durch seine wesentliche Form bestimmten Denken
gar nicht herauszugehen, um zum Sein, zum Inhalt desselben zu kommen, als ob es
für sich eine blosse leere Form wäre; die blosse Form des Denkens ist
vielmehr nur von diesem Inhalt, dessen Form sie an sich ist, abstrahirt. Die
Handlung der Entgegensetzung ist nun zwar von der Setzung im ersten Grundsatze
unabhängig; jene lässt sich aus dieser nicht ableiten. Aber die
Einheit des Bewusstseins, die Identität des Ich ist doch die Bedingung der
Entgegensetzung; nur im Ich kann dem Ich ein Nichtich entgegengesetzt werden.
Diese Einheit des Bewusstseins, welche die Bedingung der Entgegensetzung selbst
ist, macht eine Vereinigung, eine Synthesis des Entgegengesetzten nothwendig,
welche der dritte Grundsatz ausspricht. Indem das Ich im absoluten Setzen seiner
selbst sich ein Nichtich entgegensetzt, indem hierin das nothwendige und an sich
reale Denken sich ausdrückt, drückt sich dieses Denken auch in der
Synthesis des Entgegengesetzten aus. So will Fichte im Denken an und für
sich die Synthesis des Entgegengesetzten aufzeigen, und das an sich reale
Denken, welches seinen Inhalt im Ich hat, als diesen Process der Synthesis,
welcher von der Thesis und Antithesis ausgeht, darstellen.
Die Hegel'sche Dialektik schließt sich aufs Genaueste an
diese Tendenz des Fichte'schen Idealismus an. Das Denken ist an sich real, es
hat in sich einen Inhalt, der seiner Form angemessen ist, und dieser Inhalt ist
eben darum das allein Reale. In diesem Denken ist somit der Gegensatz eines
Subjectiven und Objectiven aufgehoben. [12/13] Das reine Wissen, welches das Ich
sein soll, benimmt dem Ich seine beschränkte Bedeutung, an einem Objecte
seinen unüberwindlichen Gegensatz zu haben.
15)
Hegel nimmt daher die Einheit des Denkens und des Seins, welche
das Wesen des Ich ausmacht, aus dem Ich heraus, damit sie wirklich diese Einheit
sei, damit der Idealismus zur Wahrheit werde, für welchen das Denken das
Reale und das allein Reale ist.
16)
Aber es ist nun bei Hegel dieses absolute Denken, welches nicht
mehr als subjectives Ich einen Gegensatz am Objectiven hat, derselbe Process,
wie bei Fichte. Seine Grundform ist zunächst ebenfalls die Form der Identität,
und der Inhalt, welchen es durch diese Form sich selbst gibt, ist das reine
unterschiedlose Sein. Darauf, dass das Denken in seiner wesentlichen Form seinen
Inhalt hat, dass es im reinen Gedanken des Seins allen von ihm unabhängigen
Inhalt vernichtet, und nichts als wirklich anerkennt, was seiner Form
unangemessen ist, dass in diesem Begriff des Seins die idealistische Kraft des
Denkens sich ausdrückt, darauf allein beruht es, dass das Denken vom Sein
aus als dem ersten Begriff durch rein immanente Selbstbestimmung in einem nichts
von aussen hereinnehmenden Gange sich entwickelt. Diese Entwicklung geht nun
auch bei Hegel durch Entgegensetzung vor sich, welche aber nicht zur ersten
Thesis unabhängig von ihr hinzukommen kann, sondern aus der ersten Identität,
dem Sein, entspringt selbst ihr Gegentheil, ihr Negatives; und eben darum ist
dieses Negative an ihm selbst wieder Eins mit dem Ersten. In der Fichte'schen
Wissenschaftslehre ist "das Ich
17)
als das Unbegrenzte genommen, so dass dieses abstracte Ich für
sich das Wahre sein soll, und die Beschränkung, das Negative überhaupt,
hinzukommt. [13/14] Die im Allgemeinen oder Identischen, wie im Ich, immanente
Negativität aufzufassen, war der weitere Schritt, den die speculative
Philosophie zu machen hatte." In dieser immanenten Negativität, vermöge
welcher der Gegensatz selbst in der ursprünglichen Identität
entspringt, besteht die Dialektik. Das Denken, welches in der Identität
seine Form und mit dieser Form in sich selbst seinen realen Inhalt hat, wird
nicht durch eine fremde von ihm unabhängige Macht in den Gegensatz
hineingezogen, wesswegen bei Fichte dieser Gegensatz in der Einheit des
absoluten Ich überwunden werden soll, aber nicht überwunden werden
kann, sondern es vollzieht sich selbst in der Entgegensetzung, es geht selbst in
diese ein, um sich damit auch wirklich in sich wieder zur Einheit zurückzuführen.
Es ist damit an ihm selbst reales, synthetisches Denken, es entwickelt darin
seine ganze, ihm eigenthümliche Kraft; es ist durch seine Form selbst dem
Realen angemessen; und der Idealismus, in welchem das Denken durch sich selbst über
sich übergreift, und das Wirkliche zu seinem innern Inhalt hat, hat hiemit
- so scheint es - seinen Begriff erreicht.
Wir haben im Bisherigen die Tendenz der Dialektik rein objectiv
zu bestimmen gesucht. Es wird sich nun aber fragen, in welcher Weise diese
Tendenz zur Ausführung gelangt. Während Kant aus dem logischen Denken,
das blos durch Identität verknüpft, zur Anschauung herausgeht, in
welcher allein die reale synthetische Verknüpfung des Verschiedenen als
solchen möglich ist, führt bei Hegel die Tendenz, im Denken selbst
unabhängig von der Anschauung die Form des Realen als solche nachzuweisen,
wie bei Fichte darauf zurück, dass die Form des logischen Denkens die Form
des Realen, das Gesetz der Identität das Gesetz des Seins ist: in diesem
Sinne ist, wie wir schon bemerkt haben, das Sein, der reine Gedanke, der
Ausgangspunkt der Entwicklung des Denkens, welche zugleich eine Ent- [14/15]
wicklung des Realen ist. Im Sein ist aller gegebene Inhalt für das Denken
verschwunden; in ihm hat es seinen innern Inhalt, der ihm schlechthin angemessen
ist, es ist darin für sich selbst, und gibt sich selbst seinen Gegenstand;
es hat in ihm seine Freiheit; es hat in ihm seinen Standpunkt gewonnen. Wenn
Hegel sagt, es liege im Begriff des Anfangs, dass er das Unmittelbare und damit
das Sein sei, dass der Anfang nicht schon ein Vermitteltes sein könne, weil
in letzterem schon von einem Ersten zu einem Zweiten hinausgegangen und Etwas
als Einheit von Unterschiedenem gesetzt sei, so sieht man, dass in diesem Sein
die reine Form des logischen Denkens sich ausdrückt, welches als solches
nur ein mit sich Identisches denkt und jede Verbindung von Etwas mit einem
Andern ausschliesst. Dieses Denken ist daher das Princip der Logik, das Princip
der Philosophie. Das Sein ist der reine Ausdruck des Gesetzes der Identität.
Es ist nur sich selbst gleich
18)
, und auch nicht ungleich gegen anderes, hat keine
Verschiedenheit innerhalb seiner, noch nach aussen; es ist in der That das A = A
und nichts anders. Nicht das Ich, nicht die absolute Indifferenz ist der Anfang,
denn innerhalb dieser Formen ist schon Vermittlung.
19)
Auch das Ich ist zwar der reelle Ausdruck des Satzes: A ist A,
der ursprüngliche Inhalt dieser Form, aber er schliesst doch schon eine
Unterscheidung des Subjects und Objects, und die Aufhebung dieses Unterschiedes
in sich. Hegel hebt daher das reine Denken mit dieser Form aus dem Ich heraus,
um ihm im Sein, dem Unterschiedlosen, seinen schlechthin adäquaten Inhalt
zu geben. Die Schelling'sche Indifferenz des Subjectiven und Objectiven beruht
ebenfalls darauf, dass das Denken mit seiner Form aus dem Ich, dem blos
Subjectiven, herausgenommen wird, damit die Einheit des Denkens [15/16] mit dem
Sein wirklich gesetzt werde, damit die Vernunft wirklich Alles sei, und das höchste
Gesetz der Vernunft, die Identität, Gesetz alles Seins sei. Aber die
Bestimmung der Vernunft, dass sie Indifferenz des Subjectiven und Objectiven
ist, schliesst doch schon im Sinne Hegel's eine Unterscheidung und Aufhebung
dieser Unterscheidung in sich. Hegel hält mit Fichte und Schelling die
reale Bedeutung der Form der Identität fest; das Denken ist schlechthin für
sich selbst, alles was ausser ihm ist, ist in ihm verschwunden, es gibt sich
durch seine Form seinen Inhalt, aber dieser Inhalt muss auch dieser Form
schlechthin angemessen, er muss das Unmittelbare, das Unterschiedlose sein. So
ist das Sein der reine Gedanke. Aus dieser reinen Form, nicht dadurch, dass man
schon einen bestimmten Inhalt, wie das Verhältnis von Subject und Object in
sie hineinlegt, muss sich daher auch die Bestimmtheit, der Unterschied erst
entwickeln. Diese bis zum höchsten Punkt getriebene Reinigung des reinen,
durch seine blosse Form bestimmten Denkens von allem Inhalt, der nicht völlig
in diese Form eingeht, so dass das rein gewordene Denken das allein Reale ist,
diese Freiheit des Denkens
20)
, welche von allem abstrahirt und ihre reine Abstraction, die
Einfachheit des Denkens erfasst, enthält unmittelbar auch den Trieb, aus
dem rein Unterschiedlosen den Unterschied, den Gegensatz zu erzeugen. Beides,
die vollendete Reinheit des Denkens und die alleinige Realität desselben in
dieser Reinheit, vermöge welcher in seiner Form der dieser Form schlechthin
angemessene Inhalt, als das allein Reale, ausser welchem nichts ist, gesetzt
ist, ist das Motiv der Dialektik; denn sie hat aus dem Identischen den
Unterschied zu erzeugen, im Identischen ist noch kein Unterschied gesetzt, er
ist aus demselben gänzlich eliminirt worden; [16/17] und wie es zuerst
darauf ankam, das rein Identische zu setzen, so kommt es nun darauf an, das
Nichtidentische, den Gegensatz als solchen zu setzen, das, was wir als mit sich
identisch gedacht haben, als sich selbst entgegengesetzt zu denken. Gerade wenn
wir die reine Form des Denkens mit ihrem Inhalt zuerst festhalten, wenn wir mit
der Identität Ernst gemacht haben, haben wir auch den Unterschied, den wir
nicht zu ihr hinzudenken, sondern aus ihr erst entwickeln müssen, im
strengen Sinne zu nehmen; er besteht darin, dass mit dem Ersten sein Gegentheil
gesetzt ist; das Denken, welches die Identität setzt, treibt zu einem
andern Denken, dem dialektischen Denken fort.
Die Art, in welcher diess geschieht, zeigt, mit welcher Strenge
Hegel den gewonnenen Standpunkt festhält. Das Sein, weil es nur sich selbst
gleich und auch nicht ungleich gegen Anderes ist, ist die reine Unbestimmtheit
und Leere, es ist in der That Nichts, nicht mehr noch weniger als das Nichts. "Weil
das Sein das Bestimmungslose ist, ist es nicht die (affirmative) Bestimmtheit,
die es ist, nicht Sein, sondern Nichts".
21)
Also gerade desshalb, weil das Sein das Unterschiedlose ist,
ist es nicht Sein, sondern das Gegentheil seiner selbst, das Nichts. Der erste
Begriff, in seiner ganzen Strenge festgehalten, worin die Form des Denkens allen
Inhalt, der von ihr verschieden ist, in sich aufgelöst hat, ist das
Gegentheil seiner selbst; es ist das volle Bewusstsein über die Natur
dieses Begriffs selbst, welches über ihn hinaustreibt. Man sollte meinen,
Hegel habe nur die Kritik des reinen Gedankens vollziehen wollen, wenn er sagt,
derselbe sei die absolute Abstraction, das Sein sei Nichts, es sei nichts in ihm
anzuschauen, zu denken, es sei nur das leere Denken selbst. [17/18] Denn gewiss,
wenn der reine Gedanke das leere Denken ist, so ist er die Form des Denkens ohne
Inhalt, und die ganze Realität fällt ausser diesem leeren Denken. Die
von Hegel vollzogene vollendete Reinigung des Denkens von einem ihm
unangemessenen Inhalt zum reinen unterschiedlosen Sein offenbart nur die
Leerheit, die Inhaltslosigkeit dieses Denkens, und es muss daher entweder zum
empirischen Denken zurückgegangen werden, welches nur den ihm gegebenen
Inhalt auffasst, oder wenn der metaphysische Standpunkt festgehalten werden
soll, für welchen doch die wesentliche Form des Denkens die Form des Realen
ist, muss ein anderes Denken an die Stelle dieses logischen Denkens treten,
dessen Form nur die Identität ist; der Inhalt dieser Form ist nur das Sein,
das Leere, die Inhaltslosigkeit selbst; wir haben an demselben Nichts, keinen
Begriff, um die Masse des Gegebenen anzufassen und das Reale in ihr zu erkennen.
Gerade aber in dieser Erkenntniss, dass das Sein Nichts, das Inhaltslose und
Leere ist, soll der Unterschied aus der ersten Identität erzeugt werden; in
diesem Nichts soll das Princip der Entwicklung, die Quelle alles Inhalts liegen.
Es mag in dieser Beziehung nicht uninteressant sein, an die Kritik des
Fichte'schen Idealismus zu erinnern, welche Hegel in der Abhandlung "Glauben
und Wissen oder die Reflexionsphilosophie der Subjectivität" gegeben
hat.
22)
"Das Erste und einzig Gewisse bei Fichte", sagt
Hegel, "ist nichts als das reine Wissen, in welchem das rein Formelle des
Wissens mit Abstraction von allem Inhalt gewusst wird. Aber Fichte's Weise, nur
vom Wissen, nämlich nur der leeren Identität zu wissen, bereitete sich
durch ihren eigenen Formalismus einen Weg zum Besondern; die Leerheit des
Wissens wird Princip des Fortgangs; das völlig Leere, womit angefangen
wird, hat [18/19] durch seinen absoluten Mangel den Vortheil, in sich immanent
die Nothwendigkeit zu tragen, sich zu erfüllen, zu einem Andern fortgehen
zu müssen; das Princip ist durch seine unendliche Armuth die unendliche Möglichkeit
des Reichthums. Die Einsicht aber, dass in dem absolut Gesetzten ein Mangel ist,
ist allein durch das Bewusstsein möglich, dass zum Behuf des reinen Wissens
abstrahirt worden ist von allem Fremdartigen, das nachher wieder aufgenommen
wird." So erkennt Hegel den wahren Gehalt des Ich, dass es die leere Form
des Denkens ist, "der reine Begriff, zu dessen Unbestimmtheit die
Bestimmtheit hinzukommt." In der Logik erkennt er eben so diesen Gehalt:
das Ich ist das Sein, welches gleich Nichts ist. Aber diese Kritik des reinen
Gedankens ist nicht Kritik, sondern Darstellung seiner Entwicklung, seiner
Selbstbestimmung; durch seine Leerheit soll das Sein sich selbst erfüllen
und die unendliche Armuth ist nicht blos, was zuzugeben ist, die Möglichkeit,
sondern die Quelle seines unendlichen Reichthums; und die Hegel'sche Kritik des
Fichte'schen Idealismus leidet daher ihre volle Anwendung auf seine Logik.
Das Denken ist im Sein das volle, und es ist, weil das Sein
Nichts ist, das leere; d. h. das logische Denken, das in der Form der
Identität besteht, ist das reale und es ist nicht das reale; es tritt ihm
an sich ein anderes Denken gegenüber. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es
interessant zu sehen, wie Kuno Fischer
23)
einen Gegensatz des Nichts gegen das Sein nachzuweisen versucht
hat. Das Sein ist ihm der abstracteste Begriff, die allgemeinste Vorstellung,
die unterschiedlose Einheit, die nicht weiter aufgelöst werden kann. Es
schliesst alle Unterschiede, alle unterscheidende Thätigkeit von sich aus,
es ist inhaltlos, somit auch widerspruchlos. Im Sein an [19/20] und für
sich lässt sich ein ihm Entgegengesetztes nicht nachweisen. Aber das Sein
ist wesentlich Begriff, Denkobject, es ist Denkact. Sobald es so betrachtet
wird, ist der Widerspruch im Sein einleuchtend. Es ist als Sein, als Einheit die
Bejahung des Denkens, aber weil es alle unterscheidende Thätigkeit aufhebt,
ist es ebenso die Verneinung des Denkens, welches wesentlich zugleich
unterscheidende Thätigkeit ist. Das Denken muss den Begriff des Seins
zugleich bejahen und verneinen, er ist dem Denken gleich und ungleich. Auf diese
Weise ergibt sich, dass das Sein sowohl ist, als nicht ist, und das Nichtsein
bildet einen Gegensatz gegen das Sein, es ist nicht der blosse Ausdruck der
Unbestimmtheit des Seins selbst.
Offenbar ist die unterscheidende Thätigkeit des Denkens,
welche gegen das Sein, die blosse Einheit reagirt, nicht die blosse Verneinung
des Seins, sie ist vielmehr etwas positives. So wie das Denken im Sein die
Einheit setzt, so setzt es in der unterscheidenden Thätigkeit Unterschiede;
diese geht aus der reinen Abstraction des Seins heraus und reflectirt wieder auf
die Unterschiede, von welchen im Sein abstrahirt worden ist. Dadurch, dass
Fischer in dieser Weise die Verneinung des Seins bestimmt, wird der Standpunkt
der Hegel'schen Logik, der immanenten Selbstentwicklung des reinen Gedankens
aufgegeben. Bei Hegel soll das Denken des Seins an und für sich selbst zum
Gegensatze, zum Negativen treiben; nach Fischer tritt dem Denken des Seins ein
anderes Denken, die unterscheidende Thätigkeit gegenüber, und nur
dieses tritt in Gegensatz gegen jenes; die unterscheidende Thätigkeit,
welche dem Denken des Seins gegenübertritt, kann nur in der Reflexion auf
die Unterschiede bestehen, welche im Sein fallen gelassen worden sind. Es ist
damit der Idealismus der Logik aufgegeben, in welchem das Denken im Sein allen
Inhalt ausser ihm vernichtet hat, um sich nur aus sich selbst seinen Inhalt zu
[20/21] geben. Fischer fasst das reine Denken, das in der Logik sich explicirt,
nur von dem Gesichtspunkt auf, dass es die nothwendige Denkfunction, das durch
seine eigenen Gesetze bestimmte Denken ist, und macht mit Nachdruck die Unabhängigkeit
dieses Denkens von der Anschauung, die Spontaneität, die erzeugende Kraft
dieses Denkens geltend. Es sind aber nur die Denknothwendigkeiten, welche in der
Metaphysik als die Grundbegriffe dargestellt werden, von welchen alles Denkbare
und mithin alles Seiende, so weit es denkbar ist, abhängt.
24)
So betrachtet denn Fischer das Sein als Denkact; es ist das die
Einheit setzende Denken, welches sich in ihm ausdrückt. Dieses Denken wird
aber vom Denken verneint, weil es unterscheidende Thätigkeit ist; es
verneint das Sein als Einheit, und stellt ihm das Nichtsein entgegen. So fasst
Fischer die Logik auf. Wir halten diese Auffassung nicht für ganz adäquat.
Vollkommen richtig ist, dass in ihr das Denken für sich fixirt, in seine
freie, reine Thätigkeit versetzt wird, es wird in ihr das Denken
dargestellt, wie es als freies lediglich durch seine eigenen Gesetze sich
bestimmt. Aber dabei bleibt Hegel nicht stehen. Der bisherige Begriff der Logik
(die formale Logik), sagt er
25)
, beruht auf der im gewöhnlichen Bewusstsein ein für
allemal vorausgesetzten Trennung des Inhalts der Erkenntniss und der Form
derselben. In der speculativen Logik hat diese Trennung der Form und des Inhalts
keine Geltung, wie denn überhaupt die Philosophie von den empirischen
Wissenschaften dadurch sich unterscheidet
26)
, dass in ihr die Trennung der Form und des Inhalts
verschwindet, beide sich vollständig durchdringen. Nicht das Denken erhält
dadurch seine Wahrheit, dass es sich nach dem Gegenstande [21/22] fügt und
bequemt, sondern der Gegenstand hat seine Wahrheit in der Angemessenheit an die
Form des Denkens. Es ist dieser idealistische Begriff, wie er schon von Kant
ausgesprochen worden, auf welchem die Hegel'sche Logik beruht. Sie erkennt
nichts als wahr und wirklich an, als was der Form des Denkens gemäss ist;
die Formen des Begriffs sind der lebendige Geist des Wirklichen und von dem
Wirklichen ist nur wahr, was kraft dieser Formen, durch sie und in ihnen wahr
ist.
27)
Das Denken in seinen immanenten Bestimmungen und die wahrhafte
Natur der Dinge ist ein und derselbe Inhalt.
28)
Das Denken hat damit in seiner Form seinen Inhalt, und den
allein wahrhaften Inhalt. Indem die Logik Wissenschaft der absoluten Form ist,
so muss dies Formelle, damit es ein Wahres sei, an ihm selbst seinen Inhalt
haben, welcher seiner Form gemäss ist.
29)
Die Hegel'sche Logik beruht daher nicht blos darauf, das Denken
für sich in seiner nothwendigen Function zu fixiren, sondern sie besteht in
der Kraft dieses Denkens, allen von ihm unabhängigen, von ihm verschiedenen
Inhalt zu vernichten, um in sich in seiner Form den derselben angemessenen und
damit allein wahren Inhalt, das an sich Reale, zu haben. Hierin besteht das
reine Denken der Hegel'schen Logik. In diesem Sinne ist das Sein der ursprüngliche
Inhalt des Denkens, es ist desshalb die erste Definition Gottes, des Absoluten.
Es ist daher dieser Inhalt des reinen Denkens das schlechthin Affirmative,
welches nicht Sein, nicht das Affirmative, sondern Nichts ist; es ist das
Absolute, das Unendliche, welches damit das Gegentheil seiner selbst, das
Endliche ist. So haben wir es im Sinne Hegel's aufzufassen, dass das Sein Nichts
ist. Fischer [22/23] dagegen sieht im Sein nur die nothwendige Denkfunction,
welche die Einheit setzt mit Aufhebung aller Unterschiede - die allgemeinste
Vorstellung - , es ist nur das schlechthin Denkbare, es ist Denkact. Als
Denkact, als Formthätigkeit des Denkens ist es nicht gleich Nichts; aber
das Denken reagirt durch seine Formthätigkeit gegen das Sein als Denkact
und verneint es. Die Verneinung des Seins ist somit ein blosser Process im
Denken, während bei Hegel dieselbe ein realer Process, ein Process des
Seins als Inhalt des Denkens, und dabei allerdings auch ein Process im Denken
ist, weil das Denken eben wesentlich diesen Inhalt hat. Würde von Fischer
das Sein nicht als Denkform, sondern als der Inhalt dieser Form genommen, so würde
auch bei ihm eine Verneinung des Seins, ein Nichtsein, als Gegensatz gegen das
Sein sich nicht ergeben, sondern das Denken würde als unterscheidende Thätigkeit
im Sein den Unterschied vermissen, und würde es damit als Nichts erkennen.
Weil nun aber das Sein bei Hegel nicht blosse Denkform, sondern der an sich
reale Inhalt derselben ist, ist die Verneinung desselben nicht die blosse
Verneinung der Form des Denkens, sondern der Realität desselben, indem das,
was als Inhalt dieses Denkens und als das allein Reale und Affirmative auftritt,
vielmehr das Nichts ist. Und weil das Nichts nicht blos die Verneinung der
Denkform des Seins, sondern desselben als des Inhalts des Denkens ist, indem
dieser vielmehr das Inhaltslose, d. h. das Nichts ist, haben wir im Sinne
Hegel's die Identität von Sein und Nichts festzuhalten. Das Sein ist gleich
Nichts; denn dieses ist der Ausdruck seiner Unbestimmtheit; und ebenso ist das
Nichts gleich Sein, dasselbe, was das Sein ist; es ist nicht ein bestimmtes
Nichts; es ist so wenig in der Verneinung des Seins etwas positives enthalten,
es wird so wenig etwas demselben entgegengesetzt, [23/24] dass es vielmehr
dieselbe Bestimmungslosigkeit, dieselbe Leerheit ist, wie das Sein.
Aber neben dieser Identität von Sein und Nichts behauptet
Hegel doch, dass beide unterschieden sind, er bestimmt aber den Gegensatz nicht;
die Bestimmung des Gegensatzes würde nothwendig darauf zurückführen,
dass in demselben - nicht blos der Denkform des Seins eine andere Denkform,
sondern - der Realität des logischen Denkens, welche ihren reinen Ausdruck
im Sein hat, ein anderes Denken als real gegenübergestellt wird. Dieser
Bestimmung des Gegensatzes widerstrebt die Leerheit des Nichts, in welcher es
gerade gleich Sein ist, der Gegensatz ist daher nur eine Meinung. Dennoch wird
er behauptet, und auf dieser Behauptung allein beruht die Entwicklung der
Hegel'schen Logik. Diese Entwicklung wollen wir noch an den elementaren
Begriffen des Werdens und des Daseins verfolgen, um an denselben den Gang der
Dialektik nachzuweisen.
Das Werden beruht darauf, dass der blossen Identität von
Sein und Nichts der nicht bestimmte Gegensatz substituirt wird. Vermöge der
blossen Identität geht das Sein nicht in Nichts über, sondern ist in
dasselbe übergegangen
30)
, d. h. es ist gleich Nichts. Aber dieser Gleichheit wird
der Gegensatz substituirt, so geht das Sein in ihr ins Nichts als sein
Gegentheil über, verschwindet ins Nichts, und ebenso verschwindet das
Nichts in das Sein. Dass wir aber in diesem Wechsel in der That nur die ruhige,
logische Identität oder Gleichheit beider haben, drückt Hegel bestimmt
genug aus, wenn er sagt
31)
: "Der Begriff des Seins kann nur darin bestehen, Werden zu
sein: denn als das Sein ist es das leere Nichts, als dieses aber das leere Sein."
Ist denn das leere Sein, welches das leere Nichts [24/25] ist, ein Vergehen, und
das leere Nichts, welches das leere Sein ist, ein Entstehen?
Es tritt nun aber doch mit dem Werden der Widerspruch auf, die
Form und der Hebel der dialektischen Entwicklung. Das Sein als Eins mit dem
Nichts verschwindet im Nichts, es besteht nur darin, sich selbst in sein
Gegentheil aufzuheben, und das Nichts ist nur darin, dass es als Eins mit dem
Sein in das Sein als sein Gegentheil sich aufhebt. Ihre Einheit drückt sich
nur in diesem Verschwinden des einen in das andere aus. Das Sein ist an ihm
selbst nur Sein, reines Sein, es ist unmittelbar, aber es ist doch eins mit dem
Andern, es ist nicht es selbst, sondern sein Gegentheil, verschwindet in
dasselbe, und ist nur Nichts, reines Nichts. Diese Unmittelbarkeit und die
Einheit des Einen mit dem Andern, worin es, indem es nur es selbst, vielmehr
nicht es selbst, sondern sein Gegentheil als solches ist, und sich selbst
aufhebt, macht den Widerspruch im Werden aus. A ist als A vielmehr non A als non
A und umgekehrt. Dieser Widerspruch beruht aber nur darauf, dass die blosse
Identität von Sein und Nichts dem Gegensatze gleichgesetzt wird. Das Wunder
des Widerspruchs im Sein ist etwas sehr natürliches, und seine Tiefe liegt
auf der Oberfläche der logischen Identität. Das Werden ist, sagt
Hegel, die immanente Synthesis des Seins und Nichts, die Synthesis a priori,
worin das Sein an ihm selbst Eins mit seinem Entgegengesetzten ist.
32)
Aber die verknüpfende Kraft in dieser Synthesis liegt in
der blossen Identität; sie ist keine Synthesis. Ein synthetisches Denken,
welches im Sinne Kant's über das logische hinausgeht, ist auf diesem Wege
nicht möglich.
Der Widerspruch ist nothwendig, ist real; das Sein, bestimmt
[25/26] gedacht, ist Werden, widerspricht sich. Aber die dialektische Methode
beruht nun wesentlich darauf, dass das Denken mit dem Widerspruch nicht still
steht, indem der Begriff, als sich widersprechend, nur ein nichtiger Begriff
ist, sondern dass der Widerspruch gerade das Motiv des Fortschritts des Denkens,
seiner Entwicklung ist; sie zerstört nicht blos im Widerspruch den
gesetzten Begriff, sondern sie will durch ihn einen neuen, höheren Begriff
erzeugen. Sie muss daher eine klare, bestimmte Form geben, in welcher der
Widerspruch selbst zur Position eines neuen Begriffs forttreibt, und der
Widerspruch nicht unaufgelöst bleibt, sondern selbst seine Lösung in
einer neuen positiven Einheit erzeugt.
Wir müssen, um, so viel als möglich, einen bestimmten
Begriff über diese Seite der Dialektik zu geben, zwei Momente
unterscheiden:
1) Ein gesetzter Begriff hebt sich selbst auf. "Die
wahrhafte Dialektik
33)
lässt an ihrem Gegenstande gar nichts übrig, so dass
er nur nach Einer Seite mangelhaft sei, sondern er löst sich seiner ganzen
Natur nach auf. Das Resultat dieser Dialektik ist Null, das Negative, das
Affirmative kommt darin nicht vor. Dieser wahrhaften Dialektik kann das
zugesellt werden, was die Eleaten gethan haben. Sie sind dabei stehen geblieben,
dass durch den Widerspruch der Gegenstand ein nichtiger sei." So sehr darin
eine wahrhafte Dialektik besteht, so darf man doch hiebei nicht stehen blieben.
2) "Was sich widerspricht
34)
, ist Nichts. So richtig diess ist, so unrichtig ist es
zugleich. Der Widerspruch ist concret, er hat noch einen Inhalt, er enthält
noch solche, die sich widersprechen." Indem die Dialektik zu ihrem Resultat
das Negative hat
35)
, so ist [26/27] dieses, eben als Resultat, zugleich das
Positive; denn es enthält dasjenige, woraus es resultirt, als aufgehoben in
sich, und ist nicht ohne dasselbe. Das Resultat
36)
der Dialektik ist nicht das leere abstracte Nichts, sondern die
Negation gewisser Bestimmungen, welche im Resultate eben desswegen enthalten
sind, weil diess nicht ein unmittelbares Nichts, sondern ein Resultat ist. So
kommt es darauf an, die Resultate in ihrer Wahrheit, das bestimmte Resultat
festzuhalten; darin besteht das positive Ergebniss der Dialektik.
Aber damit besteht die Position, die in der dialektischen
Negation eines gesetzten Begriffs enthalten ist, nur darin, dass der gesetzte
Begriff, der sich aufhebt, erhalten bleibt. Die Negation ist Negation einer
Position; so muss mit ihr die Position, deren Negation sie ist, festgehalten
werden. Darin gerade besteht der neue Begriff, der sich durch die dialektische
Negation bildet. "Die Negation
37)
als bestimmte Negation, welche einen Inhalt hat, ist ein neuer
Begriff, aber der höhere, reichere Begriff als der vorhergehende; denn sie
ist um dessen Negation oder Entgegengesetztes reicher geworden, enthält ihn
also, aber auch mehr als ihn, und ist die Einheit seiner und seines
Entgegengesetzten." Der erste Begriff ist aufgehoben, d. h. er ist in
die Einheit mit seinem Entgegengesetzten getreten; er hat seine Unmittelbarkeit
verloren, ist aber darin nicht vernichtet, sondern ist zum Moment geworden; so
ist er aufgehoben, er ist in seiner Negation zugleich erhalten und aufbewahrt.
38)
So haben wir im Widerspruch nicht die blosse Nichtigkeit eines
Begriffs, im Sichaufheben eines Begriffs nicht das blosse Nichts, sondern es
bildet sich darin ein neuer höherer Begriff. Das non A [27/28] ist eben
nicht ein blosses Nicht, in welchem das A völlig verschwunden ist, sondern
als non A enthält es zugleich A, und A ist nicht mehr darin eben A, sondern
es ist A und non A; es ist Einheit seiner und seines Entgegengesetzten. Das ist
der neue Begriff. Das Erste, das Unmittelbare ist zunächst in seinem
Andern, dem Negativen untergegangen.
39)
Wir müssen dieses Negative in seiner ganzen Schärfe
festhalten, aber "das Andere ist wesentlich nicht das leere Negative, das
Nichts, das als das gewöhnliche Resultat der Dialektik genommen wird,
sondern es ist das Andere des Ersten, das Negative des Unmittelbaren; also ist
es bestimmt als das Vermittelte, und enthält die Bestimmung des Ersten in
sich." Man sieht daher, der Widerspruch im Hegel'schen Sinne beruht
wesentlich darauf, dass ein Positives an ihm selbst seine Negation ist, ein Eins
an ihm selbst sich entgegengesetzt ist. Aber eben darin liegt es, dass das
Denken durch den Widerspruch fortschreitet, neue, höhere Begriffe erzeugt.
Gerade durch die Negation schreitet das Denken fort; nicht liegt erst im
Widerspruch das Motiv für das Denken, durch seine Lösung weiter zu
gehen, sondern der Widerspruch ist das Weitergehen selbst. So haben wir schon im
Nichts als dem zweiten Begriff zum ersten des Seins diesen Widerspruch, diesen
Fortschritt durch Negation. Das Werden beruht darauf, dass das Sein um seine
Negation reicher geworden, dass es Einheit seiner selbst und seines
Entgegengesetzten ist; das Sein ist darin als Vergehen bestimmt, es ist diess
ein neuer Begriff, und dass ebenso das Nichts in das Sein übergeht, ist nur
der andere Ausdruck für diese Einheit des Seins und seines
Entgegengesetzten.
Eben damit aber, dass das Sein ins Nichts verschwindet, und
[28/29] das Nichts ins Sein u. s. f., ist das Werden der reine
Widerspruch, in welchem jedes nur ist als sich aufhebend in sein Gegentheil. Es
entsteht nun die Forderung, dass der Widerspruch aufgehoben werde, und das
Denken, wie es in der Erzeugung des Widerspruchs fortschreitet, soll
fortschreiten durch die Lösung, die Aufhebung dieses Widerspruchs. Wie das
Denken von der Form der Identität im Sein ausgeht, so muss der Gegensatz,
der aus dem Sein entspringt, auch wieder zur Einheit zurückgebracht werden.
So entsteht denn durch die Lösung des Widerspruchs im Werden ein neuer
Begriff, das Dasein. "Das Sein im Werden", wird gesagt
40)
, "als Eins mit dem Nichts, so das Nichts als Eins mit dem
Sein sind nur verschwindende, das Werden fällt durch seinen Widerspruch in
sich in die Einheit, in der beide aufgehoben sind, zusammen; sein Resultat ist
somit das Dasein." Zur Erläuterung wird beigefügt: es sei an
diesem ersten Beispiel ein für allemal an das zu erinnern, was in der
Bestimmung der Methode über das Resultat der Dialektik bemerkt worden sei
41)
; es komme also hier darauf an, einzusehen, dass die Negation
die Negation von gewissen Bestimmungen ist, welche in ihr als Resultat enthalten
sind; es komme darauf an, die Resultate in ihrer Wahrheit festzuhalten; das
allein könne einen Fortgang und eine Entwicklung im Wissen begründen.
Dass wir also durch Negation fortschreiten, aber eine Negation, in welcher das,
was darin negirt wird, erhalten bleibt, die Form, in welcher der Widerspruch,
wie wir gezeigt haben, entsteht, eben diese Form ist es auch, durch welche der
Widerspruch selbst wieder zur Einheit aufgehoben wird.
Die Form der Lösung des Widerspruchs im Werden und die
Bildung eines neuen Begriffs in dieser Lösung besteht demgemäss darin:
[29/30] 1) Sein und Nichts gehen in ihrem Ineinanderverschwinden zur
unterschiedlosen Einheit zusammen; indem das Verschwinden des einen in das
andere nur der Ausdruck ihrer Einheit ist, welche dem Gegensatze gleichgesetzt
wird, kommt ebendamit auch nur ihre Einheit zustande; im Verschwinden des einen
in das andere verschwindet ihr Unterschied. Wir haben damit nur die
unterschiedlose Einheit; der Widerspruch löst sich in Null auf. Das
Resultat des Widerspruchs ist aber 2) doch nicht blos Null; die Einheit,
die im Werden zu Stande kommt, ist Einheit von Sein und Nichts, d. h. es
wird, nachdem der Unterschied in die ununterschiedene Einheit aufgelöst
worden, doch wieder der - gemeinte - Unterschied festgehalten; der Unterschied
ist in der Einheit aufgehoben und zugleich enthalten; die einfache,
unterschiedlose Einheit ist Einheit von Sein und Nichts; sie ist das mit der
Negation identische Sein, das bestimmte Sein, das Dasein. Wir haben somit im
ersten Moment nur die Einheit, die unterschiedlose Einheit des Sein und Nichts,
ihre ruhige, logische Identität, und mit dieser wird im zweiten Moment
zugleich der Unterschied wieder nur behauptet; aber die Lösung eines
wirklichen Widerspruchs und die Bildung eines neuen Begriffs in dieser Lösung
haben wir nicht; wir haben nicht die Einheit in einem wirklichen Gegensatze. Das
Dasein ist Einheit von Sein und Nichts; "der Gegensatz ist, als ob er
verschwunden wäre"
42)
; es ist Sein mit einem Nichtsein, so dass diess Nichtsein in
die einfache Einheit mit dem Sein aufgenommen ist.
43)
In dieser einfachen Einheit ist der Gegensatz versteckt; wir
sollen eine Einheit des Seins und Nichtseins haben, ohne ihren Gegensatz zu
denken; d. h. sie schliesst nur den gemeinten Unterschied beider in sich.
[30/31]
So haben wir nur die Einheit ohne den wirklichen Gegensatz. Es
findet aber in der That auch das umgekehrte statt: wir haben den Gegensatz ohne
die Einheit. Der Satz: Sein und Nichts ist dasselbe, ist, sagt Hegel
44)
, von dem härtesten, was das Denken sich zumuthet; denn
Sein und Nichts sind der Gegensatz in seiner ganzen Unmittelbarkeit, d. h.
ohne dass in dem einen schon eine Bestimmung gesetzt wäre, welche dessen
Beziehung auf das andere enthielte. Hegel setzt freilich hinzu: sie enthalten
aber diese Bestimmung, weil eben Sein als das Leere gleich Nichts ist und
umgekehrt, und die Deduction ihrer Einheit ist ganz analytisch; es ist gar kein
Gegensatz vorhanden, in der analytischen Einheit beider ist nichts
verwunderliches, sie ist nicht "von dem Härtesten, was das Denken sich
zumuthet." Wenn aber in dem einen nicht schon eine Bestimmung gesetzt ist,
welche seine Beziehung auf das andere enthält, wenn somit diese Beziehung,
die Identität nur für unsere Reflexion vorhanden ist, und erst in der
weiteren Entwicklung selbst hervortritt, so haben wir am Anfange in der That nur
den Gegensatz, den Dualismus von Sein und Nichts, so dass wir erst von diesem
aus zur Einheit kommen. In der That wird dieser Gang der Entwicklung von Hegel
in folgenden Worten ausgesprochen
45)
: "Sein ist Sein, und Nichts ist Nichts nur in ihrer
Unterschiedenheit von einander; in ihrer Wahrheit aber, in ihrer Einheit, sind
sie als diese Bestimmungen verschwunden. Sein und Nichts sind dasselbe; darum,
weil sie dasselbe sind, sind sie nicht mehr Sein und Nichts (bei Hegel
unterstrichen) und haben eine verschiedene Bestimmung; im Werden waren sie
Entstehen und Vergehen, im Dasein als einer anders bestimmten Einheit sind sie
wieder anders be- [31/32] stimmte Momente; diese Einheit bleibt nun ihre
Grundlage, aus der sie nicht mehr zur abstracten Bedeutung von Sein und Nichts
heraustreten." Wenn demnach Sein und Nichts, indem sie dasselbe sind, in
ihrer Einheit im Werden und im Dasein nicht mehr Sein und Nichts sind, so ist
der Ausgangspunkt der Unterschied beider, worin Sein = Sein und Nichts = Nichts
ist, somit der Dualismus. Ich mache hiebei auf den Unterschied der Art
aufmerksam, in welcher in der Encyclopädie und in der Logik das Werden
deducirt wird. Nach jener
46)
ergibt sich einfach daraus, dass, wie das Sein dasselbe ist mit
dem Nichts, ebenso das Nichts dasselbe ist, was das Sein ist, als die Wahrheit
des Seins, so wie des Nichts, die Einheit beider, das Werden. Die Logik begnügt
sich nicht mit dieser "Dieselbigkeit" von Sein und Nichts; die
Wahrheit ist
47)
- davon wird ausgegangen - nicht ihre Ununterschiedenheit,
sondern dass sie nicht dasselbe, dass sie absolut unterschieden, aber ebenso
ungetrennt und untrennbar sind, und unmittelbar jedes in seinem Gegentheil
verschwindet. Es ist die Untrennbarkeit des absolut Unterschiedenen, nicht die
abstracte Dieselbigkeit
48)
, vermöge deren das Werden als Uebergehen des einen in sein
Gegentheil gesetzt ist. "Das Werden
49)
, Entstehen und Vergehen ist die Ungetrenntheit von Sein und
Nichts, die Einheit, in welcher sowohl Sein als Nichts ist. Aber indem Sein und
Nichts, jedes ungetrennt von seinem Andern ist, ist es nicht, sie sind in dieser
Einheit als verschwindende, als aufgehobene. Sie sinken von ihrer zunächst
vorgestellten Selbstständigkeit zu Momenten herab, noch unterschiedenen,
aber zugleich aufgehobenen." Das Werden setzt also den absoluten
Unterschied voraus, und die Einheit ist eben [32/33] nur die Untrennbarkeit des
absolut Unterschiedenen. Die Entwicklung geht vom Gegensatz in seiner ganzen
Unmittelbarkeit, d. h. vom Dualismus aus, um von demselben durch die
Untrennbarkeit der Glieder des Gegensatzes zur Einheit im Werden und im Dasein
fortzugehen, worin die abstracte Bedeutung von Sein und Nichts, in welcher Sein
nur Sein, und Nichts nur Nichts ist, verschwindet. Allein mit der blossen
Untrennbarkeit der Glieder des Gegensatzes ist nicht ihre Einheit gegeben, in
welcher das Sein und Nichts verschwindet und umgekehrt, so wenig als z. B. mit
der Untrennbarkeit von Oben und Unten gegeben ist, dass das Oben sich selbst zum
Unten aufhebt.
50)
Die Einheit von Sein und Nichts verträgt den wirklichen
Gegensatz nicht, so wie dieser jene nicht zulässt.
Hegel hält die Wahrheit und Realität des logischen
Denkens, dessen Form die Identität ist, fest, und gibt derselben ihren
scharfen Ausdruck: das Sein, der innere schlechthin angemessene Inhalt dieser
Form, ist das Reale, das allein Reale, so dass in demselben die Differenz der
Form des Denkens und eines ihm gegebenen Inhalts verschwunden ist; das Reale ist
daher das Eine Absolute, die Eine Substanz, nicht ein Verhältniss von
vielen Substanzen. Indem Hegel von diesem Begriffe ausgeht und denselben festhält,
macht sich aber doch bei ihm der entgegengesetzte Begriff des Realen geltend: es
ist die Synthesis des Unterschiedenen. Das Sein, welches an sich das Absolute
ist, wird damit selbst Glied eines Verhältnisses. Daher soll aus dem Einen
Absoluten, ausser welchem nichts ist, ein von ihm Differentes entspringen, und
die wahre Einheit ist nicht das einfache, unterschiedlose Sein, sondern die
Einheit des Seins und des von ihm Differenten, ihm Entgegengesetzten, worin
dasselbe nur Moment ist. [33/34] Aber das vom Sein als dem Absoluten Differente
kann unmöglich ein Positives, Seiendes sein; das Absolute kann nicht Glied
einer Reihe sein und im Verhältniss zu anderen Wesen stehen. Damit würde
der Begriff des Absoluten, welcher die Voraussetzung bildet, schlechtweg
aufgehoben. Es kann nur das Negative, das Nichtsein, nur die leere Verneinung
des Seins sein, in welcher nichts Positives enthalten ist, damit doch das Sein
das Absolute bleibe. Der Begriff des Absoluten duldet keine wahre, reale
Differenz, kein von ihm verschiedenes, von ihm unabhängiges, für sich
bestehendes Wesen. So ist bei Fichte das Ich, als der reine Inhalt des Denkens,
das allein Reale, das Absolute, ausser welchem nichts ist. Aber es ist für
ihn doch das Reale eine Synthesis des Verschiedenen; das absolute Ich wird zum
Glied eines Verhältnisses herabgedrückt; damit jedoch das Ich, so viel
möglich, das Absolute bleibe, ist das zweite Glied dieses Verhältnisses
das blos Negative des ersten, das Nichtich, obwohl dasselbe nur durch das
Positive, das sich in ihm versteckt, zu einer das Ich bestimmenden, beschränkenden,
verendlichenden Macht werden kann.
Unter dieser Voraussetzung ist nun aber eine Synthesis des
Unterschiedenen, worin für Hegel doch das eigentliche Reale besteht, nicht
möglich. Diess wollen wir noch am Begriff des Daseins näher
nachweisen.
Das Dasein ist Sein mit Negation, und damit bestimmtes Sein; das
Nichtsein in die einfache Einheit mit dem Sein aufgenommen macht die
Bestimmtheit als solche aus.
51)
Das Nichts ist somit in diesem Begriffe nicht mehr der Ausdruck
der Bestimmungslosigkeit des Seins, und das Sein ist nicht mehr gleich Nichts,
sondern es ist das Reale, das volle Reale, und das Nichtsein ist als seine
Negation, [34/35] seine Schranke; das Sein ist in der Einheit mit dem Nichtsein
beschränktes, bestimmtes Sein. So ist der Begriff des Daseins der Ort,
worin das Absolute ins Verhältniss eintritt, und zwar soll sich hier das
wirkliche Verhältniss bilden, worin das zweite Glied nicht blos das
Negative des ersten als des an sich Absoluten, sondern ein Positives, ein
Seiendes ist und damit das erste Glied selbst den Charakter der Absolutheit
ablegt. Der Begriff des Etwas und des Andern tritt an die Stelle des Seins und
Nichts. Das Verhältniss des Etwas und des Andern ist "die Trennung in
der Verbindung und die Verbindung in der Trennung".
52)
Hier, scheint es, treten wir somit aus der logischen Einheit
des Absoluten, in welcher kein Unterschied ist, heraus zur synthetischen
Einheit. - Sehen wir, auf welche Weise Hegel diesen Begriff entwickelt.
Es ist klar, dass der Begriff der Einheit des Seins mit dem
Nichtsein, worin das Sein "in sich verneint" ist, ohne den Gegensatz
des Seins und Nichtseins sich nicht denken läßt. Dennoch ist das
Dasein "die einfache Einheit des Seins und des Nichtseins", "der
Gegensatz ist als ob er verschwunden wäre", er ist darin "versteckt".
"Die Beziehung, in der die Bestimmtheit (d. h. das Nichtsein) mit dem
Sein steht, ist die unmittelbare Einheit beider, so dass noch keine
Unterscheidung gesetzt ist".
53)
Das Dasein ist am Anfange unterschiedlos, es ist als Dasein
Unmittelbares, Beziehungsloses, oder es ist in der Bestimmung des Seins.
54)
Das Dasein ist somit nicht Sein mit Negation, es ist vielmehr
absolute, mit sich identische Position. Die Bestimmtheit ist nicht Negation des
Seins, sondern der positive Inhalt desselben; sie ist die Qualität - ein
ganz Einfaches, Unmittel- [35/36] bares.
55)
Dieser Begriff der Qualität, des qualitativen Seins wird
nicht aus der Verneinung des Seins abgeleitet, - und kann nicht daraus
abgeleitet werden, weil das Was nicht in der blossen, leeren Negation des Seins
besteht, sondern ein Positives ist - ; vielmehr tritt an die Stelle des
abstracten Seins, welches nicht Etwas, sondern Nichts ist, das Was als Sein; das
was ein Gegenstand ist, wird als mit sich identisch, einfach, unmittelbar
gedacht, es wird in die an sich leere Form des Seins aufgenommen; es ist das
bestimmte logische Reale.
Nach Hegel ist das Etwas an ihm selbst zugleich sein Anderes,
sein Gegentheil, es ist an ihm selbst Einheit mit dem entgegengesetzten Andern;
dass das qualitative Sein diese Einheit, diese synthetische Einheit ist, darin
gerade zeigt sich die Macht der Dialektik. Es ist aber klar, dass aus dem
qualitativen Sein, dem Einfachen, Unmittelbaren, Beziehungslosen, dieses Verhältniss
nicht entwickelt werden kann. Es wird nur dadurch aus ihm entwickelt, dass es
Einheit des Seins und Nichtseins sein soll, dass der Gegensatz des Seins und
Nichtseins in seiner Einfachheit versteckt ist, und dieser Gegensatz selbst
damit einen bestimmten Inhalt bekommt: so wird das Sein zum Etwas, und das
Nichtsein zum Andern des Etwas, und das Etwas als Einheit des Seins mit dem
Nichtsein ist an ihm selbst ein Anderes. Diese Einheit des Seins mit dem
Nichtsein führt aber auf die logische Identität des Seins mit dem
Nichts zurück. Dass das qualitative Sein an ihm selbst zugleich sein
Gegentheil ist, dass das Rothe nicht roth, sondern weiss ist, ist unmöglich
zu denken, unmöglich nach Hegel selbst, für welchen die Qualität
das ganz Einfache, Unmittelbare, Unterschiedlose ist; aber dass das Sein,
welches nicht Etwas ist, Nichts ist, lässt sich sehr wohl denken, und nur
durch diese Identität von [36/37] Sein und Nichts ist das Etwas das Andere
seiner selbst; d. h. wir haben nur die Einheit ohne einen Unterschied.
Halten wir aber die Bedeutung des Nichts als Nichtseins fest, so
dass das Etwas als Einheit des Seins und des Nichtseins Einheit seiner selbst
und seines Andern ist, so werden wir auf den blossen Unterschied des Etwas und
des Andern ohne Einheit kommen. Der Begriff der wesentlichen Einheit des Etwas
mit seinem Negativen, dem Andern, worin das Anderssein die eigene Bestimmung des
Etwas ist, und sein Unterschied von letzterem, worin das Etwas in seiner
Verneinung, seinem Anderssein sich selbst erhält, gibt allerdings zunächst
den Begriff des Seins-für-Anderes, worin Etwas gegen Anderes aufgeschlossen
ist, in affirmativer Gemeinschaft mit seinem Andern steht.
56)
Allein diesem Sein-für-Anderes, der Beziehung auf Anderes
tritt das Etwas als Ansichsein gegenüber; d. h. an die Stelle der
Einheit des Etwas mit dem Andern im Unterschied tritt der blosse Unterschied,
der blosse Gegensatz des Etwas und seines Andern, die logische Identität
des Etwas mit sich und seine logische Unterscheidung vom Anderen, als seiner
Negation. Sofern das Andere eben die Verneinung des Etwas ist, gegen welche
dieses sich selbst erhält, findet blos das Verhältniss der
Entgegensetzung zwischen beiden statt, eine affirmative Gemeinschaft, eine
Verbindung in der Unterscheidung, ist nicht möglich; wir haben nur den
Gegensatz ohne Einheit. Die dialektische Einheit des Etwas mit seinem Andern
zersetzt sich in die blos logische Einheit durch Identität und in die blos
logische Unterscheidung, welche nicht als solche zugleich die Verbindung zulässt.
Aber wenn das Reale als Qualität, als Etwas gedacht wird, ist in der That
nur letzteres möglich. Etwas kann von einem [37/38] Andern
entgegengesetzter Qualität nur unterschieden werden; das Andere ist nur die
Negation, das Nichtsein des Etwas; Hegel hat dieser Form des Verhältnisses
ihren bestimmten, reinen Ausdruck gegeben, indem er sie auf den Gegensatz des
Seins und Nichtseins zurückgeführt hat; in diesem Gegensatz ist es
aber eben ausgedrückt, dass eine Einheit in diesem Unterschiede nicht möglich
ist.
Um, wie die Dialektik will, über das logische Denken
hinauszugehen zum synthetischen, realen Denken, zur Verbindung in der
Unterscheidung, darf die Unterscheidung nicht durch die Qualität bestimmt
sein. Dass es eine Unterscheidung unabhängig von der Qualität gibt,
wird man zunächst leicht aus dem Begriff der Quantität erkennen. Im
Raum unterscheiden sich die Dinge unabhängig von ihrer Ungleichartigkeit.
57)
Sind die Dinge blos durch die Qualität unterschieden, -
Substanzen unterscheiden sich nur durch ihre Attribute - , so führt diess
unausbleiblich zu der Substantialität des Allgemeinen; denn dann sind die
Einzelwesen, sofern sie gleichartig sind, nicht real von einander unterschieden,
sie sind keine Substanzen, sie sind real Eins und unterschieden nur von den
Dingen anderer Art, d. h. das Allgemeine ist Substanz; wenn die Einzelwesen
Substanzen sind, d. h. als Einzelwesen reell von einander unterschieden
sind, so beruht diese Unterscheidung nicht auf der Qualität. Gehen wir aber
von der Unterscheidung in der Verbindung aus, wie diese durch die Dialektik im
Anschluss an Kant gefordert ist, so haben wir im Wesen entgegengesetzte
Functionen, die Unterscheidung wirkt der Verbindung entgegen, in dieser
Gegenwirkung wird B als ein selbstständiges von A unabhängiges Wesen
gesetzt, als ein solches von A unterschieden, nicht blos seiner Qualität
nach. So ist die Repulsion, welche nur [38/39] möglich ist als der
Attraction entgegenwirkend, sehr verschieden von der logischen Unterscheidung,
so gewiss die Attraction sehr verschieden ist von der blos logischen Identität
der sich repellierenden Eins, in welche Hegel dieselbe auflöst.
58)
In dieser Form der Unterscheidung, welche der Verbindung
entgegenwirkt, wird B als B von A unterschieden, nicht blos als non A. Hier erst
haben wir ein wirkliches Verhältniss des Seienden zum Seienden, des Wesens
zum Wesen, nicht blos das Verhältniss des Seins zum Nichtsein. Hier erst
haben wir eine Gemeinschaft der Substanzen. So stehen die Menschen in der
sittlichen Gemeinschaft nicht blos im Verhältniss der gegenseitigen Beschränkung,
sondern sie gründet sich auf die Verbindung, die Einigung des B mit dem A,
welcher die Unterscheidung als die Position der Selbstständigkeit des B
entgegenwirkt. Ein blosses Verhältniss der gegenseitigen Beschränkung,
worin der Eine zum Andern als Nichtich sich verhält, gibt keine
Gemeinschaft. Kant nennt die synthetischen Urtheile Erweiterungsurtheile, eine
treffende Bezeichnung des eigentlichen Charakters der synthetischen Verbindung,
welche die Unterscheidung in sich enthält. Sie ist eine Einigung mit dem
Andern als selbstständigem Wesen, d. h. eine Erweiterung; sie ist
etwas ganz anders als blosse Selbsterhaltung des Wesens gegenüber dem
Andern als seiner Negation, und etwas ganz anders als das Verhältniss der
blossen gegenseitigen Beschränkung. Und nicht blos die sittliche
Gemeinschaft besteht in dieser Form der synthetischen Verbindung, und beruht auf
dem Triebe der Erweiterung (dem Willen), welcher gerade an der Unterscheidung
der Andern als selbstständiger Individuen sein Gesetz, die Bedingung seines
Actus hat, sondern die Gemeinschaft der Wesen überhaupt, in welcher wir das
wahre Reale zu erkennen [39/40] haben. Nirgends sehen wir den blossen dumpfen,
in sich versunkenen Trieb der Selbsterhaltung, sondern überall bemerken wir
einen Drang aus sich heraus, über sich selbst hinauszugehen, andere Wesen
mit sich zu verbinden und sich durch sie zu erweitern, und darin sich mit ihnen
in die Einheit eines geordneten Ganzen einzufügen; das logische Gesetz der
Identität, worin Etwas eben nur es selbst ist, mit sich identisch ist, und
in Anderem nur seine Negation hat, um gegen es sich selbst zu erhalten, hat im
Realen keine Geltung. Wir können es nicht ertragen, dass die Seele ein
einfaches mit sich identisches Was sein soll, das eben als solches sich selbst
gegen äussere Störungen erhält, und bleibt was es ist, ohne ein
Streben aus sich herauszugehen, ohne Trieb, ohne Willen, und man sollte, indem
man zu letzterem Begriff fortgeht, jenen logischen Begriff des Seelenwesens, der
das Leben der Seele tödtet, ganz verabschieden. Wir müssen anerkennen,
dass die Hegel'sche Dialektik dem von uns geforderten Begriffe sehr nahe steht.
"Die Identität", sagt Hegel, "ist die Bestimmung des
einfachen Unmittelbaren, des todten Seins. Die abstracte Identität mit sich
ist noch keine Lebendigkeit, sondern dass das Positive an sich selbst die
Negativität ist, dadurch geht es ausser sich und setzt sich in Veränderung.
Die innere, die eigentliche Selbstbewegung, der Trieb überhaupt ist nichts
anders, als dass Etwas in sich selbst und der Mangel, das Negative seiner
selbst, in einer und derselben Rücksicht ist".
59)
So beruht Etwas nicht blos in sich selbst, und erhält sich
selbst, sondern es "geht ausser sich", damit es um sein
Entgegengesetztes "reicher" werde; so greift "ein Existirendes in
seiner positiven Bestimmung über seine negative über, und hält
eine in der andern fest." Etwas ist nicht blos, indem es mit sich [40/41]
identisch ist, vom Andern unterschieden, sondern es ist an ihm selbst die
Einheit mit seinem Andern. Durch diesen Begriff der Einheit im Unterschiede
allein ist Hegel berechtigt, für seine Dialektik eine reale Geltung zu
vindiciren, während die blosse logische Unterscheidung, in welcher nur
ausgedrückt ist, dass ein Wesen nicht ein anderes Wesen ist, nicht der
Begriff des Realen sein kann. Jedoch glaube ich gezeigt zu haben, dass der
Hegel'sche Begriff nur auf diesen zurückführt; es ist klar, dass die
Einheit des Etwas mit seinem Negativen keine Erweiterung desselben ist; sie ist
in der That keine Einheit, sondern nur die Selbsterhaltung des Etwas gegenüber
seinem Negativen.
Die dialektische Einheit zersetzt sich in die logische Identität
und die logische Unterscheidung; sie will die Einheit in der Unterscheidung
sein, sie verbindet beides, die logische Einheit und die logische
Unterscheidung, in der Einheit des Entgegengesetzten, des A und non A, im
Widerspruch. Sie löst den Widerspruch nicht in der Einheit des
Entgegengesetzten, sondern diese Einheit ist der Widerspruch. Das Dasein ist
nicht die Lösung des Widerspruchs im Werden, sondern gerade weil es die
Einheit von Sein und Nichts ist, in welcher der Unterschied enthalten ist, ist
es der Widerspruch.
60)
Indem in dieser Einheit des Entgegengesetzten das Reale
bestehen soll, so sind "alle Dinge sich widersprechend", und dieser
Satz drückt die Wahrheit und das Wesen der Dinge aus.
In der dialektischen Einheit wird die synthetische Einheit des
Unterschiedenen innerhalb des Standpunkts des logischen Denkens festgehalten. Es
kommt darauf an, beides bestimmt auseinander zu halten, die Vermischung des
logischen und synthetischen Denkens in [41/42] der Dialektik aufzulösen; im
synthetischen Denken kann die Verbindung und die Unterscheidung nicht eine
logische sein. Wir haben den subjectiven Werth des logischen Denkens zu
erkennen, von der Voraussetzung der Realität desselben entschieden weg zu
kommen. Das Denken, welches durch Identität verknüpft (und durch
Ungleichartigkeit unterscheidet), beruht in der That nur auf dem subjectiven
Gesetz des Bewusstseins, vermöge dessen verschiedene Vorstellungen als
Vorstellungen durch die Identität ihres Inhalts zur Einheit Einer
Vorstellung zusammengehen, worin die allgemeine Vorstellung und mit dieser auch
der allgemeine Begriff entsteht. Finden wir nun, was durch nähere
Untersuchung der Denkfunctionen zu beweisen ist, dass wir noch auf andere Weise
denken, dass wir im Denken Verschiedenes als solches verknüpfen, worauf
schon das Urtheil und noch mehr der Schluss hinweist, so kann dieses Denken
nicht eine blosse Verknüpfung von Vorstellungen sein, sondern es müssen
darin Wesen gedacht werden, welche an ihnen selbst in Einem im Verhältniss
der Trennung und der Verbindung zueinander stehen, welche an ihnen selbst die
Einheit der beiden Functionen sind. Es ist wohl leicht zu erkennen, dass beide
Denkformen im Urtheil und Schluss ineinander sind; es kommt darauf an, die
objective Denkform durch Scheidung von der subjectiven aus den Denkfunctionen zu
entwickeln, es ist aber nicht möglich, aus dem logischen Denken, sofern
dieses in der Verknüpfung durch Identität besteht, und sein Gesetz das
Gesetz der Identität ist, selbst das synthetische mit seinen Kategorieen
abzuleiten, wie diess schon von Kant in der Deduction der Kategorieen aus den an
sich analytischen Urtheilsformen versucht worden ist.
Ein solcher Versuch, vom logischen Denken aus zum synthetischen
zu kommen, ist auch die Hegel'sche Dialektik. Es ist der innere Inhalt des
logischen Denkens, welcher an ihm selbst in sein [42/43] Entgegengesetztes übergeht,
und dieses wieder zur concreten, synthetischen Einheit mit sich verknüpft.
Wenn wir nun gleich nicht zugestehen können, dass die Dialektik hiemit die
Aufgabe, welche sie sich gestellt hat, gelöst habe, so müssen wir doch
geltend machen, dass in dieser Tendenz vom logischen Denken zum synthetischen
fortzugehen, der philosophische Werth der Hegel'schen Methode liegt. Die Methode
überhaupt ist die Form, in welcher das natürliche Denken den Dingen
angemessen ist. Die Philosophie hat im Denken selbst, in seiner inneren Natur,
diese Form aufzuzeigen; und sie hat nur ihre Methode auszubilden und zu
entwickeln, damit sie eine reale Wissenschaft werde.
Fußnoten [moderne Aktualisierungen in eckigen Klammern
]
1) Hegel's Werke VI. §. 79 u. d. f. [G. W. F. Hegel's
Werke, Berlin 1832-1845 (Freundesverein-Ausgabe), entspricht der Jubiläumsausgabe,
hrsg. v. Hermann Glockner, Stuttgart 1927-1930.]
2) VI. S. 242.
3) IV. S. 67.
4) VI. S. 102.
5) VI. S. 87.
6) Kant's Werke v. Hartenstein III. S. 382. 383. II, S. 232-235.
[Immanuel Kant's Werke, hrsg. v. Gustav Hartenstein, Leipzig 1838-39.]
7) Hegel's Werke VII. 2. S. 354.
8) vgl. Hegel's Werke V. S. 50.
9) V. S. 336.
10) V. S. 119.
11) VI. S. 150.
12) V. 331.
13) V. S. 330.
14) S. 329 vgl. VI. S. 266.
15) III. S. 72.
16) II. S. 224.
17) VIII. S. 41. vgl. III. S. 94. 95.
18) III. S. 78.
19) Encycl. § 86.
20) Encycl. § 78.
21) III. S. 100.
22) I. S. 119 u. d. f.
23) System der Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre. 2.
Aufl. [Heidelberg 1865] §. 77.
24) System der Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre. 2.
Aufl. §. 3.
25) Hegel's Werke III. S. 28.
26) VI. S. 266.
27) VI. S. 319.
28) III. S. 29.
29) V. S. 29. vgl. S. 27. u. VI. S. 53.
30) III. S. 79.
31) VI. S. 76.
32) III. S. 96.
33) XIII. S. 311.
34) XII. 2. Aufl. S. 498.
35) VI. S. 157.
36) VI. S. 157.
37) III. S. 41.
38) III. S. 110. 111.
39) V. S. 340.
40) Encycl. §. 89.
41) §. 82. s. oben (VI. S. 157).
42) VI. S. 175.
43) III. S. 113.
44) VI. S. 171.
45) III. S. 111.
46) Encycl. §. 88.
47) Hegel's Werke III. S. 79.
48) S. 90.
49) S. 108.
50) Vgl. IV. S. 70.
51) III. S. 113.
52) K. Fischer, System der Logik und Metaphysik §. 82.
53) Hegel's Werke III. S. 114.
54) III. S. 120. 125.
55) III. S. 114.
56) Encycl. §. 91. Werke III. S. 126. 133.
57) Vgl. Kant II, 262. 268.
58) Encycl. §. 98.
59) Hegel's Werke IV. S. 68. 69.
60) Vgl. Herbart Encyclop. Zweite Ausg. S. 291. [Johann
Friedrich Herbart, Kurze Encyclopädie der Philosophie, 2. Aufl. Halle
1841.]
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