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[I/II] [II leer] [II/III]
W
enn das Wort Natur blos in formaler Bedeutung genommen wird, da
es das erste innere Princip alles dessen bedeutet, was zum Daseyn eines Dinges
gehört, *) so kann es so vielerley Naturwissenschaften geben, als es
specifisch verschiedene Dinge giebt, deren jedes sein eigenthümliches
inneres Princip der zu seinem Daseyn gehörigen Bestimmungen enthalten muß.
Sonst wird aber auch Natur in materieller Bedeutung genommen, nicht als eine
Beschaffenheit, sondern als der Inbegriff aller Dinge, so fern sie Gegenstände
unserer Sinne, mithin auch der Erfahrung seyn können, worunter also das
Ganze aller Erscheinungen, d. i. die Sinnenwelt, mit Ausschließung
aller nicht sinnlichen Objecte, verstanden wird. Die Natur, in die-
*) Wesen ist das erste, innere Princip alles dessen, was zur Möglichkeit
eines Dinges gehört. Daher kann man den geometrischen Figuren, (da in ihrem
Begriffe nichts, was ein Daseyn ausdrückte, gedacht wird) nur ein Wesen,
nicht aber eine Natur beyzulegen. [III/IV]
ser Bedeutung des Worts genommen, hat nun, nach der
Hauptverschiedenheit unserer Sinne, zwey Haupttheile, deren der eine die Gegenstände
äußerer, der andere den Gegenstand des inneren Sinnes enthält,
mithin ist von ihr eine zwiefache Naturlehre, die Körperlehre und
Seelenlehre möglich, wovon die erste die ausgedehnte, die zweyte die
denkende Natur in Erwägung zieht.
Eine jede Lehre, wenn sie ein System, d. i. ein nach
Principien geordnetes Ganze der Erkenntnis, seyn soll, heißt Wissenschaft,
und, da jene Principien entweder Grundsätze der empirischen oder der
rationalen Verknüpfung der Erkenntnisse in einem Ganzen seyn können,
so würde auch die Naturwissenschaft, sie mag nun Körperlehre oder
Seelenlehre seyn, in historische oder rationale Naturwissenschaft eingetheilt
werden müssen, wenn nur nicht das Wort Natur (weil dieses eine Ableitung
des Mannigfaltigen zum Daseyn der Dinge gehörigen aus ihren inneren Princip
bezeichnet) eine Erkenntnis durch Vernunft von ihrem Zusammenhange nothwendig
machte, wofern sie den Namen von Naturwissenschaft verdienen soll. Daher wird
die Naturlehre besser in historische Naturlehre, welche nichts als systematisch
geordnete Facta der Naturdinge enthält (und wiederum aus Naturbeschreibung,
als einem Classensystem derselben nach Aehnlichkeiten, und Naturgeschichte, als
einer syste-[IV/V]matischen Darstellung derselben in verschiedenen Zeiten und
Oertern, bestehen würde), und Naturwissenschaft eingetheilt werden können.
Die Naturwissenschaft würde nun wiederum entweder eigentlich, oder
uneigentlich so genannte Naturwissenschaft seyn, wovon die erstere ihren
Gegenstand gänzlich nach Principien a priori, die zweyte nach
Erfahrungsgesetzen behandelt.
Eigentliche Wissenschaft kann nur diejenige genannt werden,
deren Gewißheit apodictisch ist; Erkenntnis, die blos empirische Gewißheit
enthalten kann, ist ein nur uneigentlich so genanntes Wissen. Dasjenige Ganze
der Erkenntnis, was systematisch ist, kann schon darum Wissenschaft heißen,
und, wenn die Verknüpfung der Erkenntnis in diesem System ein Zusammenhang
von Gründen und Folgen ist, sogar rationale Wissenschaft. Wenn aber diese
Gründe oder Principien in ihr, wie z. B. in der Chymie, doch zuletzt
blos empirisch sind, und die Gesetze, aus denen die gegebene Facta durch die
Vernunft erklärt werden, blos Erfahrungsgesetze sind, so führen sie
kein Bewußtseyn ihrer Nothwendigkeit bey sich (sind nicht apodictisch-gewiß),
und alsdenn verdient das Ganze in strengem Sinne nicht den Namen einer
Wissenschaft, und Chymie sollte daher eher systematische Kunst, als Wissenschaft
[V/VI] heißen.
Eine rationale Naturlehre verdient also den Namen einer
Naturwissenschaft nur alsdenn, wenn die Naturgesetze, die in ihr zum Grunde
liegen, a priori erkannt werden, und nicht bloße Erfahrungsgesetze sind.
Man nennt eine Naturerkenntnis von der ersteren Art rein; die von der zweyten
Art aber wird angewandte Vernunfterkenntnis genannt. Da das Wort Natur schon den
Begriff von Gesetzen bey sich führt, dieser aber den Begriff der
Nothwendigkeit aller Bestimmungen eines Dinges, die zu seinem Daseyn gehören,
bey sich führt, so sieht man leicht, warum Naturwissenschaft die Rechtmäßigkeit
dieser Benennung nur von einem reinen Theil derselben, der nämlich die
Principien a priori aller übrigen Naturerklärungen enthält,
ableiten müsse und nur kraft dieses reinen Theils eigentliche Wissenschaft
sey, imgleichen daß, nach Foderungen der Vernunft, jede Naturlehre zuletzt
auf Naturwissenschaft hinausgehen und darin sich endigen müsse, weil jene
Nothwendigkeit der Gesetze dem Begriffe der Natur unzertrennlich anhängt
und daher durchaus eingesehen seyn will; daher die vollständigste Erklärung
gewisser Erscheinungen aus chymischen Principien noch immer eine Unzufriedenheit
zurückläßt, weil man von diesen, als zufälligen Gesetzen,
die blos Erfahrung gelehrt hat, keine Gründe a priori anführen kann.
Alle eigentliche Naturwissenschaft bedarf also einen reinen
Theil, auf dem sich die apodictische Gewiß-[VI/VII]heit, die die Vernunft
in ihr sucht, gründen könne, und weil dieser, seinen Principien nach,
in Vergleichung mit denen, die nur empirisch sind, ganz ungleichartig ist, so
ist es zugleich von der größten Zuträglichkeit, ja, der Natur
der Sache nach, von unerlaßlicher Pflicht in Ansehung der Methode, jenen
Theil abgesondert, und von dem andern ganz unbemengt, so viel möglich in
seiner ganzen Vollständigkeit vorzutragen, damit man genau bestimmen könne,
was die Vernunft für sich zu leisten vermag, und wo ihr Vermögen
anhebt der Beyhülfe der Erfahrungsprincipien nöthig zu haben. Reine
Vernunfterkenntniß aus bloßen Begriffen heißt reine
Philosophie, oder Metaphysik; dagegen wird die, welche nur auf der Construction
der Begriffe, vermittelst Darstellung des Gegenstandes in einer Anschauung a
priori, ihr Erkenntnis gründet, Mathematik genannt.
Eigentlich so zu nennende Naturwissenschaft setzt zuerst
Metaphysik der Natur voraus; denn Gesetze, d. i. Principien der
Nothwendigkeit dessen, was zum Daseyn eines Dinges gehört, beschäftigen
sich mit einem Begriffe, der sich nicht construiren läßt, weil das
Daseyn in keiner Anschauung a priori dargestellt werden kann. Daher setzt
eigentliche Naturwissenschaft Metaphysik der Natur voraus. Diese muß nun
zwar jederzeit lauter Principien, die nicht empirisch sind, enthalten (denn
darum führt sie eben den [VII/VIII] Namen einer Metaphysik), aber sie kann
doch entweder sogar ohne Beziehung auf irgend ein bestimmtes Erfahrungsobject,
mithin unbestimmt in Ansehung der Natur dieses oder jenes Dinges der Sinnenwelt,
von den Gesetzen, die den Begriff einer Natur überhaupt möglich
machen, handeln, und alsdenn ist es der transscendentale Theil der Metaphysik
der Natur: oder sie beschäftigt sich mit einer besonderen Natur dieser oder
jener Art Dinge, von denen ein empirischer Begriff gegeben ist, doch so, daß
außer dem, was in diesem Begriffe liegt, kein anderes empirisches Princip
zur Erkenntnis derselben gebraucht wird (z. B. sie legt den empirischen
Begriff einer Materie, oder eines denkenden Wesens, zum Grunde, und sucht den
Umfang der Erkenntnis, deren die Vernunft über diese Gegenstände a
priori fähig ist) und da muß eine solche Wissenschaft noch immer eine
Metaphysik der Natur, nämlich der körperlichen oder denkenden Natur,
heißen, aber es ist alsdenn keine allgemeine, sondern besondere
metaphysische Naturwissenschaft, (Physik und Psychologie) in der jene
transscendentale Principien auf die zwey Gattungen der Gegenstände unserer
Sinne angewandt werden.
Ich behaupte aber, daß in jeder besonderen Naturlehre nur
so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin
Mathematik anzutreffen ist. Denn nach dem Vorhergehenden erfodert
ei-[VIII/IX]gentliche Wissenschaft, vornehmlich der Natur, einen reinen Theil,
der dem empirischen zum Grunde liegt und der auf Erkenntnis der Naturdinge a
priori beruht. Nun heißt etwas a priori erkennen, es aus seiner bloßen
Möglichkeit erkennen. Die Möglichkeit bestimmter Naturdinge, kann aber
nicht aus ihren bloßen Begriffen erkannt werden; denn aus diesen kann zwar
die Möglichkeit des Gedankens, (daß er sich selbst nicht
widerspreche) aber nicht des Objects, als Naturdinges erkannt werden, welches außer
dem Gedanken (als existirend) gegeben werden kann. Also wird, um die Möglichkeit
bestimmter Naturdinge, mithin um diese a priori zu erkennen, noch erfodert, daß
die dem Begriffe correspondirende Anschauung a priori gegeben werde, d. i.
daß der Begriff construirt werde. Nun ist die Vernunfterkenntnis durch
Construction der Begriffe mathematisch. Also mag zwar eine reine Philosophie der
Natur überhaupt, d. i. diejenige, die nur das, was den Begriff einer
Natur im Allgemeinen ausmacht, untersucht, auch ohne Mathematik möglich
seyn, aber eine reine Naturlehre über bestimmte Naturdinge (Körperlehre
und Seelenlehre) ist nur vermittelst der Mathematik möglich, und, da in
jeder Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen wird, als sich
darin Erkenntnis a priori befindet, so wird Naturlehre nur so viel eigentliche
Wissenschaft enthalten, als Mathematik in ihr angewandt werden kann. [IX/X]
So lange also noch für die chymischen Wirkungen der
Materien auf einander kein Begriff ausgefunden wird, der sich construiren läßt,
d. i. kein Gesetz der Annäherung oder Entfernung der Theile angeben läßt,
nach welchem etwa in Proportion ihrer Dichtigkeiten u. d. g. ihre
Bewegungen samt ihren Folgen sich im Raume a priori anschaulich machen und
darstellen lassen, (eine Foderung, die schwerlich jemals erfüllt werden
wird) so kann Chymie nichts mehr als systematische Kunst, oder
Experimentallehre, niemals aber eigentliche Wissenschaft werden, weil die
Principien derselben blos empirisch sind und keine Darstellung a priori in der
Anschauung erlauben, folglich die Grundsätze chymischer Erscheinungen ihrer
Möglichkeit nach nicht im mindesten begreiflich machen, weil sie der
Anwendung der Mathematik unfähig sind.
Noch weiter aber, als selbst Chymie, muß empirische
Seelenlehre jederzeit von dem Range einer eigentlich so zu nennenden
Naturwissenschaft entfernt bleiben, erstlich weil Mathematik auf die Phänomene
des inneren Sinnes und ihre Gesetze nicht anwendbar ist, man müßte
denn allein das Gesetz der Stetigkeit in dem Abflusse der inneren Veränderungen
desselben in Anschlag bringen wollen, welches aber eine Erweiterung der
Erkenntnis seyn würde, die sich zu der, welche die Mathematik der Körperlehre
verschafft, ohngefähr so verhalten würde, wie die Lehre von den
Eigen-[X/XI]schaften der geraden Linie, zur ganzen Geometrie. Denn die reine
innere Anschauung, in welcher die Seelen-Erscheinungen construirt werden sollen,
ist die Zeit, die nur eine Dimension hat. Aber auch nicht einmal als
systematische Zergliederungskunst, oder Experimentallehre, kann sie der Chymie
jemals nahe kommen, weil sich in ihr das Mannigfaltige der inneren Beobachtung
nur durch bloße Gedankentheilung von einander absondern, nicht aber
abgesondert aufbehalten und beliebig wiederum verknüpfen, noch weniger aber
ein anderes denkendes Subject sich unseren Versuchen der Absicht angemessen von
uns unterwerfen läßt, und selbst die Beobachtung an sich schon den
Zustand des beobachteten Gegenstandes alterirt und verstellt. Sie kann daher
niemals etwas mehr als eine historische, und, als solche, so viel möglich
systematische Naturlehre des inneren Sinnes, d. i. eine Naturbeschreibung
der Seele, aber nicht Seelenwissenschaft, ja nicht einmal psychologische
Experimentallehre werden; welches denn auch die Ursache ist, weswegen wir uns
zum Titel dieses Werks, welches eigentlich die Grundsätze der Körperlehre
enthält, dem gewöhnlichen Gebrauche gemäß des allgemeinen
Namens der Naturwissenschaft bedient haben, weil ihr diese Benennung im
eigentlichen Sinne allein zukommt und also hiedurch keine Zweydeutigkeit veranlaßt
wird. [XI/XII]
Damit aber die Anwendung der Mathematik auf die Körperlehre,
die durch sie allein Naturwissenschaft werden kann, möglich werde, so müssen
Principien der Construction der Begriffe, welche zur Möglichkeit der
Materie überhaupt gehören, vorangeschickt werden; mithin wird eine
vollständige Zergliederung des Begriffs von einer Materie überhaupt
zum Grunde gelegt werden müssen, welches ein Geschäfte der reinen
Philosophie ist, die zu dieser Absicht sich keiner besonderen Erfahrungen,
sondern nur dessen, was sie im abgesonderten (obzwar an sich empirischen)
Begriffe selbst antrifft, in Beziehung auf die reinen Anschauungen im Raume und
der Zeit (nach Gesetzen, welche schon dem Begriffe der Natur überhaupt
wesentlich anhängen) bedient, mithin eine wirkliche Metaphysik der körperlichen
Natur ist.
Alle Naturphilosophen, welche in ihrem Geschäfte
mathematisch verfahren wollten, haben sich daher jederzeit (obschon sich selbst
unbewußt) metaphysischer Principien bedient und bedienen müssen, wenn
sie sich gleich sonst wider allen Anspruch der Metaphysik auf ihre Wissenschaft
feyerlich verwahrten. Ohne Zweifel verstanden sie unter der letzteren den Wahn,
sich Möglichkeiten nach Belieben auszudenken und mit Begriffen zu spielen,
die sich in der Anschauung vielleicht gar nicht darstellen lassen, und keine
andere Beglaubigung ihrer objectiven Realität haben, als daß sie blos
[XII/XIII] mit sich selbst nicht im Widerspruche stehen. Alle wahre Metaphysik
ist aus dem Wesen des Denkungsvermögens selbst genommen, und keinesweges
darum erdichtet, weil sie nicht von der Erfahrung entlehnt ist, sondern enthält
die reinen Handlungen des Denkens, mithin Begriffe und Grundsätze a priori,
welche das Mannigfaltige empirischer Vorstellungen allererst in die gesetzmäßige
Verbindung bringt, dadurch es empirisches E r k e n n t n i s,
d. i. Erfahrung, werden kann. So konnten also jene mathematische Physiker
metaphysischer Principien gar nicht entbehren, und unter diesen auch nicht
solcher, welche den Begriff ihres eigentlichen Gegenstandes, nämlich der
Materie, a priori zur Anwendung auf äußere Erfahrung tauglich machen,
als des Begriffs der Bewegung, der Erfüllung des Raums, der Trägheit,
u. s. w. Darüber aber blos empirische Grundsätze gelten zu
lassen, hielten sie mit Recht der apodictischen Gewißheit, die sie ihren
Naturgesetzen geben wollten, gar nicht gemäß, daher sie solche lieber
postulirten, ohne nach ihren Quellen a priori zu forschen.
Es ist aber von der größten Wichtigkeit zum Vortheil
der Wissenschaften ungleichartige Principien von einander zu scheiden, jede in
ein besonderes System zu bringen, damit sie eine Wissenschaft ihrer eigenen Art
ausmachen, um dadurch die Ungewißheit zu verhüten, die aus der
Vermengung entspringt, da [XIII/XIV] man nicht wohl unterscheiden kann, welcher
von beiden theils die Schranken, theils auch die Verirrungen, die sich im
Gebrauche derselben zutragen möchten, beyzumessen seyn dürften. Um
deswillen habe ich für nöthig gehalten, von dem reinen Theile der
Naturwissenschaft (physica generalis), wo metaphysische und mathematische
Constructionen durch einander zu laufen pflegen, die erstere, und mit ihnen
zugleich die Principien der Construction dieser Begriffe, also der Möglichkeit
einer mathematischen Naturlehre selbst, in einem System darzustellen. Diese
Absonderung hat, außer dem schon erwähnten Nutzen, den sie schafft,
noch einen besonderen Reiz, den die Einheit der Erkenntnis bey sich führt,
wenn man verhütet, daß die Grenzen der Wissenschaften nicht in
einander laufen, sondern ihre gehörig abgetheilte Felder einnehmen.
Es kann noch zu einem zweyten Anpreisungsgrunde dieses
Verfahrens dienen: daß in Allem, was Metaphysik heißt, die absolute
Vollständigkeit der Wissenschaften gehofft werden kann, dergleichen man
sich in keiner anderen Art von Erkenntnissen versprechen darf, mithin eben so,
wie in der Metaphysik der Natur überhaupt, also auch hier die Vollständigkeit
der Metaphysik der körperlichen Natur zuversichtlich erwartet werden kann;
wovon die Ursache ist, daß in der Metaphysik der Gegenstand nur, wie er
blos nach den allgemeinen Gesetzen des Denkens, in andern
Wis-[XIV/XV]senschaften aber, wie er nach datis der Anschauung (der reinen
sowohl, als empirischen) vorgestellt werden muß, betrachtet wird, da denn
jene, weil der Gegenstand in ihr jederzeit mit allen nothwendigen Gesetzen des
Denkens verglichen werden muß, eine bestimmte Zahl von Erkenntnissen geben
muß, die sich völlig erschöpfen läßt, diese aber,
weil sie eine unendliche Mannigfaltigkeit von Anschauungen (reinen oder
empirischen), mithin Objecten des Denkens darbieten; niemals zur absoluten
Vollständigkeit gelangen, sondern ins Unendliche erweitert werden können;
wie reine Mathematik und empirische Naturlehre. Auch glaube ich diese
metaphysische Körperlehre so weit, als sie sich immer nur erstreckt, vollständig
erschöpft, dadurch aber doch eben kein großes Werk zu Stande gebracht
zu haben.
Das Schema aber zur Vollständigkeit eines metaphysischen
Systems, es sey der Natur überhaupt, oder der körperlichen Natur
insbesondere, ist die Tafel der Categorien. *) Denn mehr giebt es nicht
rei-
*) Nicht wider diese Tafel der reinen Verstandesbegriffe,
sondern die daraus gezogenen Schlüsse auf die Grenzbestimmung des ganzen
reinen Vernunftvermögens, mithin auch aller Metaphysik, finde ich in der
Allgem. Litt. Zeit. Nr. 295, in der Recension der Institutiones Logicae et
Metaph. des Herrn Prof. Ulrich Zweifel, in welchen der tiefforschende Recensent
mit seinem nicht minder prüfenden Verfasser übereinzukommen sich erklärt,
und [XV/XVI]
ne Verstandesbegriffe, die die Natur der Dinge betreffen können.
Unter die vier Classen derselben, die der
[Fortsetzung der Anmerkung von Seite XV] zwar Zweifel, die, weil
sie gerade das Hauptfundament meines in der Critik aufgestellten Systems treffen
sollen, Ursache wären, daß dieses in Ansehung seines Hauptzieles noch
lange nicht diejenige apodictische Ueberzeugung bey sich führe, welche zur
Abnöthigung einer uneingeschränkten Annahme erforderlich ist; dieses
Hauptfundament sey meine, theils dort, theils in den Prolegomenen, vorgetragene
Deduction der reinen Verstandesbegriffe, die aber in dem Theile der Critik,
welcher gerade der helleste seyn müßte, am meisten dunkel wäre,
oder wol gar sich im Cirkel herumdrehete etc. Ich richte meine Beantwortung
dieser Einwürfe nur auf den Hauptpunct derselben, daß nämlich,
ohne eine ganz klare und genugthuende Deduction der Categorien, das System der
Critik der reinen Vernunft in seinem Fundamente wanke. Dagegen behaupte ich, daß
für denjenigen, der meine Sätze von der Sinnlichkeit aller unserer
Anschauung und der Zulänglichkeit der Tafel der Categorien, als von den
logischen Functionen in Urtheilen überhaupt entlehnter Bestimmungen unseres
Bewußtseyns, unterschreibt, (wie dieses denn der Recensent thut) das
System der Critik apodictische Gewißheit bey sich führen müsse,
weil dieses auf dem Satze erbauet ist: daß der ganze speculative Gebrauch
unserer Vernunft niemals weiter als auf Gegenstände möglicher
Erfahrung reiche. Denn wenn bewiesen werden kann: d a ß die
Categorien, deren sich die Vernunft in allem ihrem Erkenntnis bedienen muß,
gar keinen anderen Gebrauch, als blos in Beziehung auf Gegenstände der
Erfahrung haben können (dadurch daß sie in dieser blos die Form des
Denkens möglich machen), so ist die Beantwortung der Frage, w i e
sie solche möglich machen, zwar wichtig genug, um diese Deduction, wo möglich,
zu vollenden, aber in Beziehung auf [XVI/XVII]
Größe, der Qualität, der Relation und endlich
der Modalität, müssen sich auch alle Bestimmungen des allge-
[Fortsetzung der Anmerkung von Seite XVI] den Hauptzweck des
Systems, nemlich die Grenzbestimmung der reinen Vernunft, keinesweges
nothwendig, sondern blos verdienstlich. Denn in dieser Absicht ist die Deduction
schon alsdenn weit genug geführt, wenn sie zeigt, daß gedachte
Categorien nichts anders als bloße Formen der Urtheile sind, so fern sie
auf Anschauungen (die bey uns immer nur sinnlich sind) angewandt werden, dadurch
aber allererst Objecte bekommen und Erkenntniße werden; weil dieses schon
hinreicht das ganze System der eigentlichen Critik darauf mit völliger
Sicherheit zu gründen. So steht Newtons System der allgemeinen Gravitäten
fest, ob es gleich die Schwierigkeit bey sich führt, daß man nicht
erklären kann, wie Anziehung in die Ferne möglich sey; aber
Schwierigkeiten sind nicht Zweifel. Daß nun jenes Hauptfundament auch ohne
vollständige Deduction der Categorien fest stehe, beweise ich aus dem
Zugestandenen also:
1. Zugestanden: daß die Tafel der Categorien alle
reine Verstandesbegriffe vollständig enthalte und eben so alle formale
Verstandeshandlungen in Urtheilen, von welchen sie abgeleitet und auch in nichts
unterschieden sind, als daß durch den Verstandesbegriff ein Object in
Ansehung einer oder der andern Function der Urtheile als bestimmt gedacht wird;
(z. B. so wird in dem kategorischen Urtheile, der Stein ist hart, der Stein
für Subject und hart als Prädicat gebraucht, so doch, daß es dem
Verstande unbenommen bleibt, die logische Function dieser Begriffe umzutauschen
und zu sagen: einiges Harte ist ein Stein; dagegen wenn ich es mir im Objecte
als bestimmt vorstelle, daß der Stein in jeder möglichen Bestimmung
eines Gegenstandes, nicht des bloßen Begrifs, nur als Subject, die Härte
aber nur als Prädicat gedacht werden [XVII/XVIII]
meinen Begrifs einer Materie überhaupt, mithin auch alles,
was a priori von ihr gedacht, was in der mathemati-
[Fortsetzung der Anmerkung von Seite XVII] müsse, dieselbe
logische Functionen nun reine Verstandesbegriffe von Objecten, nemlich als
Substanz und Accidens, werden;)
2. zugestanden: daß der Verstand
durch seine Natur synthetische Grundsätze a priori bey sich führe,
durch die er alle Gegenstände, die ihm gegeben werden mögen, jenen
Categorien unterwirft, mithin es auch Anschauungen a priori geben müsse,
welche die zur Anwendung jener reinen Verstandesbegriffe erfoderliche
Bedingungen enthalten, weil ohne Anschauung kein Object, in Ansehung dessen die
logische Function als Categorie bestimmt werden könnte, mithin auch keine
Erkenntnis irgend eines Gegenstandes und also auch ohne reine Anschauung kein
Grundsatz, der sie a priori in dieser Absicht bestimmte, stattfindet;
3.
zugestanden: daß diese reine Anschauungen niemals etwas anders, als bloße
Formen der Erscheinungen äußerer oder des innern Sinnes (Raum und
Zeit), folglich nur allein der Gegenstände möglicher Erfahrungen seyn
können;
So folgt: daß aller Gebrauch der reinen Vernunft niemals
worauf anders, als auf Gegenstände der Erfahrung gehen könne, und,
weil in Grundsätzen a priori nichts Empirisches die Bedingung seyn kann,
sie nichts weiter als Principien der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt
seyn können. Dieses allein ist das wahre und hinlängliche Fundament
der Grenzbestimmung der reinen Vernunft, aber nicht die Auflösung der
Aufgabe: w i e nun Erfahrung vermittelst jener Categorien und nur
allein durch dieselbe möglich sey. Die letztere Aufgabe, obgleich auch ohne
sie das Gebäude fest steht, hat indessen große Wichtigkeit, und, wie
ich es jetzt einsehe, eben so große Leichtigkeit, da sie beynahe durch
einen einzigen Schluß aus der genau be-[XVIII/XIX]
schen Construction dargestellt, oder in der Erfahrung, als
bestimmter Gegenstand derselben, gegeben werden mag,
[Fortsetzung der Anmerkung von Seite XVIII] stimmten Definition
eines Urtheils überhaupt (einer Handlung, durch die gegebene Vorstellungen
zuerst Erkenntnisse eines Objects werden) verrichtet werden kann. Die
Dunkelheit, die in diesem Theile der Deduction meinen vorigen Verhandlungen anhängt,
und die ich nicht in Abrede ziehe, ist dem gewöhnlichen Schicksale des
Verstandes im Nachforschen beyzumessen, dem der kürzeste Weg gemeiniglich
nicht der erste ist, den er gewahr wird. Daher ich die nächste Gelegenheit
ergreifen werde, diesen Mangel (welcher auch nur die Art der Darstellung, nicht
den dort schon richtig angegebenen Erklärungsgrund, betrifft) zu ergänzen,
ohne daß der scharfsinnige Recensent in die ihm gewiß selbst
unangenehm fallende Nothwendigkeit versetzt werden darf, wegen der befremdlichen
Einstimmung der Erscheinungen zu den Verstandesgesetzen, ob diese gleich von
jenen ganz verschiedene Quellen haben, zu einer prästabilirten Harmonie
seine Zuflucht zu nehmen; einem Rettungsmittel, welches weit schlimmer wäre,
als das Uebel, dawider es helfen soll, und das dagegen doch wirklich nichts
helfen kann. Denn auf diese kommt doch jene objective Nothwendigkeit nicht
heraus, welche die reinen Verstandesbegriffe (und die Grundsätze ihrer
Anwendung auf Erscheinungen) characterisirt, z. B. in dem Begriffe der
Ursache in Verknüpfung mit der Wirkung, sondern alles bleibt blos
subjectiv-nothwendige, objectiv aber blos zufällige Zusammenstellung,
gerade wie es H u m e will, wenn er sie bloße Täuschung
aus Gewohnheit nennt. Auch kann kein System in der Welt diese Nothwendigkeit wo
anders herleiten, als aus den a priori zum Grunde liegenden Principien der Möglichkeit
des Denkens selbst, wodurch allein die Erkenntnis der Objecte, deren Erscheinung
uns gegeben ist, d. i. [XIX/XX]
bringen lassen. Mehr ist hier nicht zu thun, zu entdecken oder
hinzuzusetzen, sondern allenfalls, wo in der Deutlichkeit oder Gründlichkeit
gefehlt seyn möchte, es besser zu machen.
Der Begriff der Materie mußte daher durch alle vier
genannte Functionen der Verstandesbegriffe (in vier Hauptstücken) durchgeführt
werden, in deren jedem eine neue Bestimmung desselben hinzu kam. Die
Grundbestimmung eines Etwas, das ein Gegenstand äußerer Sinne seyn
soll, mußte Bewegung seyn; denn dadurch allein können diese Sinne
afficirt werden. Auf diese führt auch der Verstand alle übrige Prädicate
der Materie, die zu ihrer Natur gehören, zurück, und so ist die
Naturwissenschaft durchgängig eine entweder reine oder angewandte
Bewegungslehre. Die metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft sind
also unter vier Hauptstücke zu bringen, deren e r s t e s
die Bewegung als ein reines Quantum, nach seiner Zusammensetzung, ohne alle
Qualität des Beweglichen, betrachtet, und P h o r o n o m i e
genannt werden kann, das zweyte sie als
[Fortsetzung der Anmerkung von Seite XIX] Erfahrung, möglich
wird, und gesetzt, die Art, w i e Erfahrung dadurch allererst möglich
werde, könnte niemals hinreichend erklärt werden, so bleibt es doch
unwidersprechlich gewiß, d a ß sie blos durch jene
Begriffe möglich, und jene Begriffe umgekehrt auch in keiner anderen
Beziehung, als auf Gegenstände der Erfahrung, einer Bedeutung und irgend
eines Gebrauchs fähig sind. [XX/XXI]
zur Qualität der Materie gehörig, unter dem Namen
einer ursprünglich bewegenden Kraft, in Erwägung zieht, und daher D y n a m i k
heißt, das dritte die Materie mit dieser Qualität durch ihre eigene
Bewegung gegen einander in Relation betrachtet, und unter dem Namen M e c h a n i k
vorkommt, das v i e r t e aber ihre Bewegung oder
Ruhe blos in Beziehung auf die Vorstellungsart, oder M o d a l i t ä t,
mithin als Erscheinung äußerer Sinne, bestimmt, und P h ä n o m e n o l o g i e
genannt wird.
Aber außer jener inneren Nothwendigkeit, die
metaphysischen Anfangsgründe der Körperlehre nicht allein von der
Physik, welche empirische Principien braucht, sondern selbst von den rationalen
Prämissen derselben, die den Gebrauch der Mathematik in ihr betreffen,
abzusondern, ist noch ein äußerer, zwar nur zufälliger, aber
gleichwol wichtiger Grund da, ihre ausführliche Bearbeitung von dem
allgemeinen System der Metaphysik abzutrennen und sie als ein besonderes Ganze
systematisch darzustellen. Denn, wenn es erlaubt ist, die Grenzen einer
Wissenschaft nicht blos nach der Beschaffenheit des Objects und der specifischen
Erkenntnisart desselben, sondern auch nach dem Zwecke, den man mit der
Wissenschaft selbst zum anderweitigen Gebrauche vor Augen hat, zu zeichnen, und
findet, daß Metaphysik so viel Köpfe bisher nicht darum beschäftigt
hat und sie ferner beschäftigen [XXI/XXII] wird, um Naturkenntnisse dadurch
zu erweitern, (welches viel leichter und sicherer durch Beobachtung, Experiment
und Anwendung der Mathematik auf äußere Erscheinungen geschieht,)
sondern um zur Erkenntnis dessen, was gänzlich über alle Grenzen der
Erfahrung hinausliegt, von Gott, Freyheit und Unsterblichkeit zu gelangen; so
gewinnt man in Beförderung dieser Absicht, wenn man sie von einem zwar aus
ihrer Wurzel sprossenden, aber doch ihrem regelmäßigen Wuchse nur
hinderlichen, Sprößlinge befreyet, diesen besonders pflanzt, ohne
dennoch dessen Abstammung aus jener zu verkennen und sein völliges Gewächs
aus dem System der allgemeinen Metaphysik wegzulassen. Dieses thut der Vollständigkeit
der letzteren keinen Abbruch und erleichtert doch den gleichförmigen Gang
dieser Wissenschaft zu ihrem Zwecke, wenn man in allen Fällen, wo man der
allgemeinen Körperlehre bedarf, sich nur auf das abgesonderte System
derselben berufen darf, ohne jenes größere mit diesem anzuschwellen.
Es ist auch in der That sehr merkwürdig, (kann aber hier nicht ausführlich
vor Augen gelegt werden) daß die allgemeine Metaphysik in allen Fällen,
wo sie Beyspiele (Anschauungen) bedarf, um ihren reinen Verstandesbegriffen
Bedeutung zu verschaffen, diese jederzeit aus der allgemeinen Körperlehre,
mithin von der Form und den Principien der äußeren Anschauung
hernehmen müsse, und, wenn die-[XXII/XXIII]se nicht vollendet darliegen,
unter lauter Sinnleeren Begriffen unstät und schwankend herumtappe. Daher
die bekannten Streitigkeiten, wenigstens die Dunkelheit in den Fragen: über
die Möglichkeit eines Widerstreits der Realitäten, die der intensiven
Größe u. a. m. bey welchen der Verstand nur durch Beyspiele
aus der körperlichen Natur belehrt wird, welches die Bedingungen sind,
unter denen jene Begriffe allein objective Realität, d. i. Bedeutung
und Wahrheit haben können. Und so thut eine abgesonderte Metaphysik der körperlichen
Natur der allgemeinen vortreffliche und unentbehrliche Dienste, indem sie
Beyspiele (Fälle in Concreto) herbeyschafft, die Begriffe und Lehrsätze
der letzteren (eigentlich der Transscendentalphilosophie) zu realisiren, d. i.
einer bloßen Gedankenform Sinn und Bedeutung unterzulegen.
Ich habe in dieser Abhandlung die mathematische Methode, wenn
gleich nicht mit aller Strenge befolgt, (wozu mehr Zeit erfoderlich gewesen wäre,
als ich darauf zu verwenden hätte) dennoch nachgeahmt, nicht, um ihr durch
ein Gepränge von Gründlichkeit besseren Eingang zu verschaffen,
sondern weil ich glaube, daß ein solches System deren wohl fähig sey
und diese Vollkommenheit auch mit der Zeit von geschickterer Hand wohl erlangen
könne, wenn, durch diesen Entwurf veranlaßt, mathematische
Naturforscher es nicht unwichtig finden sollten, den metaphysischen Theil,
des-[XXIII/XXIV]sen sie ohnedem nicht entübrigt seyn können, in ihrer
allgemeinen Physik als einen besonderen Grundtheil zu behandeln und mit der
mathematischen Bewegungslehre in Vereinigung zu bringen.
Newton sagt in der Vorrede zu seinen mathem. Grundlehren der
Nat. Wiss., (nachdem er angemerkt hatte, daß die Geometrie von den
mechanischen Handgriffen, die sie postulirt, nur zweyer bedürfe, nemlich
eine gerade Linie und einen Cirkel zu beschreiben). Die Geometrie ist stolz
darauf, daß sie mit so wenigem, was sie anderwerts hernimmt, so viel zu
leisten vermag. *) Von der Metaphysik könnte man dagegen sagen: sie
steht bestürzt, daß sie mit so vielem, als ihr die reine Mathematik
darbietet, doch nur so wenig ausrichten kann. Indessen ist doch dieses Wenige
etwas, das selbst die Mathematik in ihrer Anwendung auf Naturwissenschaft unumgänglich
braucht, die sich also, da sie hier von der Metaphysik nothwendig borgen muß,
auch nicht schämen darf, sich mit ihr in Gemeinschaft sehen zu lassen.
*) Gloriatur Geometria, quod tam paucis principiis aliunde
petitis tam multa praestet. Newton Princ. Phil. Nat. Math. Praefat.
[XXIV/1]
M
aterie ist das Bewegliche im Raume. Der Raum, der selbst
beweglich ist, heißt der materielle, oder auch der relative Raum; der, in
welchem alle Bewegung zuletzt gedacht werden muß, (der mithin selbst
schlechterdings unbeweglich ist) heißt der reine, oder auch absolute Raum.
Da in der Phoronomie von nichts als Bewegung geredet werden
soll, so wird dem Subject derselben, nämlich der Materie, hier keine andere
Eigenschaft beigelegt, als die Beweglichkeit. Sie selbst kann also so lange auch
für einen Punct gelten, und man abstrahirt in der Phoronomie von aller
innern Beschaffenheit, mithin auch der Grösse des Beweglichen, und hat es
nur mit der Bewegung und dem, was in dieser als Grösse betrachtet werden
[1/2] kann, (Geschwindigkeit und Richtung) zu thun. - Wenn gleichwol der
Ausdruck eines Körpers hier bisweilen gebraucht werden sollte, so geschieht
es nur um die Anwendung der Principien der Phoronomie auf die noch folgende
bestimmtere Begriffe der Materie gewissermaaßen zu anticipiren, damit der
Vortrag weniger abstract und faßlicher sey.
Wenn ich den Begrif der Materie nicht durch ein Prädicat,
was ihr selbst als Object zukommt, sondern nur durch das Verhältnis zum
Erkenntnisvermögen, in welchem mir die Vorstellung allererst gegeben werden
kann, erklären soll, so ist Materie ein jeder Gegenstand äusserer
Sinne, und dieses wäre die blos metaphysische Erklärung derselben. Der
Raum aber wäre blos die Form aller äusseren sinnlichen Anschauung, (ob
eben dieselbe auch dem äusseren Object, das wir Materie nennen, an sich
selbst zukomme, oder nur in der Beschaffenheit unseres Sinnes bleibe, davon ist
hier gar nicht die Frage). Die Materie wäre, im Gegensatz der Form, das,
was in der äusseren Anschauung ein Gegenstand der Empfindung ist, folglich
das Eigentlich-empirische der sinnlichen und äusseren Anschauung, weil es
gar nicht a priori gegeben werden kann. In aller Erfahrung muß etwas
empfunden werden, und das ist das Reale der sinnlichen Anschauung, folglich muß
auch der Raum, in welchem wir über die Bewegungen Erfahrung anstellen
sollen, empfindbar, d. i. [2/3] durch das, was empfunden werden kann,
bezeichnet seyn, und dieser, als der Inbegrif aller Gegenstände der
Erfahrung und selbst ein Object derselben, heißt der empirische Raum.
Dieser aber, als materiel, ist selbst beweglich. Ein beweglicher Raum aber, wenn
seine Bewegung soll wahrgenommen werden können, setzt wiederum einen
anderen, erweiterten materiellen Raum voraus, in welchem er beweglich ist,
dieser eben sowohl einen andern, und so forthin ins Unendliche.
Also ist alle Bewegung, die ein Gegenstand der Erfahrung ist,
blos relativ; der Raum, in dem sie wahrgenommen wird, ist ein relativer Raum,
der selbst wiederum, und vielleicht in entgegengesetzter Richtung, in einem
erweiterten Raume bewegt, mithin auch die in Beziehung auf den erstern bewegte
Materie in Verhältniß auf den zweyten Raum ruhig genannt werden kann,
und diese Abänderungen des Begrifs der Bewegungen gehen mit der Veränderung
des relativen Raums so ins Unendliche fort. Einen absoluten Raum, d. i.
einen solchen, der, weil er nicht materiell ist, auch kein Gegenstand der
Erfahrung seyn kann, als für sich gegeben annehmen, heißt etwas, das
weder an sich, noch in seinen Folgen (der Bewegung im absoluten Raum)
wahrgenommen werden kann, um der Möglichkeit der Erfahrung willen annehmen,
die doch jederzeit ohne ihn angestellt werden muß. Der absolute Raum ist
also an sich nichts und gar kein Object, sondern bedeutet nur einen jeden andern
relativen Raum, den ich [3/4] mir ausser dem gegebenen jederzeit denken kann,
und den ich nur über jeden gegebenen ins Unendliche hinausrücke, als
einen solchen, der diesen einschließt und in welchem ich den ersteren als
bewegt annehmen kann. Weil ich den erweiterten, obgleich immer noch materiellen,
Raum nur in Gedanken habe und mir von der Materie, die ihn bezeichnet, nichts
bekannt ist, so abstrahire ich von dieser, und er wird daher wie ein reiner,
nicht empirischer und absoluter Raum vorgestellt, mit dem ich jeden empirischen
vergleichen und diesen in ihm als beweglich vorstellen kann, der also jederzeit
als unbeweglich gilt. Ihn zum wirklichen Dinge zu machen, heißt die
logische Allgemeinheit irgend eines Raums, mit dem ich jeden empirischen als
darin eingeschlossen vergleichen kann, in eine physische Allgemeinheit des
wirklichen Umfanges verwechseln, und die Vernunft in ihrer Idee misverstehen.
Schließlich merke ich noch an: daß, da die
Beweglichkeit eines Gegenstandes im Raum a priori und ohne Belehrung durch
Erfahrung nicht erkannt werden kann, sie von mir eben darum in der Critik der r. V.
auch nicht unter die reine Verstandesbegriffe gezählt werden konnte, und daß
dieser Begrif, als empirisch, nur in einer Naturwissenschaft, als angewandter
Metaphysik, welche sich mit einem durch Erfahrung gegebenen Begriffe, obwohl
nach Principien a priori, beschäftigt, Platz finden könne. [4/5]
Bewegung eines Dinges ist die Veränderung der äusseren
Verhältnisse desselben zu einem gegebenen Raum.
Vorher habe ich dem Begriffe der Materie schon den Begriff der
Bewegung zum Grunde gelegt. Denn, da ich denselben selbst unabhängig vom
Begriffe der Ausdehnung bestimmen wollte, und die Materie also auch in einem
Puncte betrachten könnte, so durfte ich einräumen, daß man sich
daselbst der gemeinen Erklärung der Bewegung als Veränderung des Orts
bedienete. Jetzt, da der Begrif einer Materie allgemein, mithin auch auf bewegte
Körper passend, erklärt werden soll, so reicht jene Definition nicht
zu. Denn der Ort eines jeden Körpers ist ein Punct. Wenn man die Weite des
Mondes von der Erde bestimmen will, so will man die Entfernung ihrer Oerter
wissen, und zu diesem Ende mißt man nicht von einem beliebigen Puncte der
Oberfläche, oder des Inwendigen der Erde, zu jedem beliebigen Puncte des
Mondes, sondern nimmt die kürzeste Linie vom Mittelpuncte der einen zum
Mittelpuncte des andern, mithin ist von jedem dieser Körper nur ein Punct,
der seinen Ort ausmacht. Nun kann sich ein Körper bewegen, ohne seinen Ort
zu verändern, wie die Erde, indem sie sich um ihre Axe dreht. Aber ihr Verhältnis
zum äusseren Raume verändert sich hiebey [5/6] doch; denn sie kehrt z. B.
in 24 Stunden dem Monde ihre verschiedene Seiten zu, woraus denn auch allerley
wandelbare Wirkungen auf der Erde erfolgen. Nur von einem beweglichen, d. i.
physischen Puncte kann man sagen: Bewegung sey jederzeit Veränderung des
Orts. Man könnte wider diese Erklärung erinnern: daß die innere
Bewegung z. B. einer Gährung nicht in ihr mit eingeschlossen sey; aber
das Ding, was man bewegt nennt, muß so fern als Einheit betrachtet werden.
Die Materie, als z. B. ein Faß Bier, ist bewegt, bedeutet also etwas
anderes, als das Bier im Fasse ist in Bewegung. Die Bewegung eines Dinges ist
mit der Bewegung in diesem Dinge nicht einerley, von der ersteren aber ist hier
nur die Rede. Dieses Begrifs Anwendung aber auf den zweyten Fall ist nachher
leicht.
Die Bewegungen können drehend (ohne Veränderung des
Orts) oder fortschreitend, diese aber entweder den Raum erweiternd, oder auf
einen gegebenen Raum eingeschränkte Bewegungen seyn. Von der ersteren Art
sind die geradlinigte, oder auch krummlinigte, in sich nicht zurückkehrende
Bewegungen. Die von der zweyten sind die in sich zurückkehrende. Die
letztern sind wiederum entweder circulirende oder oscillirende d. i.
Kreis-, oder schwankende Bewegungen. Die erstern legen eben denselben Raum immer
in derselben Richtung, die zweyten immer wechselsweise in entgegengesetzter
Rich-[6/7]tung zurück, wie schwankende Penduln. Zu beiden gehört noch
Bebung (motus tremulus), welche nicht eine fortschreitende Bewegung eines Körpers,
dennoch aber eine reciprocirende Bewegung einer Materie ist, die dabey ihre
Stelle im Ganzen nicht verändert, wie die Zitterungen einer geschlagenen
Glocke, oder die Bebungen einer durch den Schall in Bewegung gesetzten Luft. Ich
thue dieser verschiedenen Arten der Bewegung blos darum in einer Phoronomie Erwähnung,
weil man bey allen, die nicht fortschreitend sind, sich des Worts
Geschwindigkeit gemeiniglich in anderer Bedeutung bedient, als bey den
fortschreitenden, wie die folgende Anmerkung zeigt.
In jeder Bewegung sind Richtung und Geschwindigkeit die beiden
Momente der Erwägung derselben, wenn man von allen anderen Eigenschaften
des Beweglichen abstrahirt. Ich setze hier die gewöhnliche Definition
beider voraus: Allein die der Richtung bedarf noch verschiedener Einschränkungen.
Ein im Kreise bewegter Körper verändert seine Richtung continuirlich,
so, daß er bis zu seiner Rückkehr zum Puncte, von dem er ausging,
alle in einer Fläche nur mögliche Richtungen eingeschlagen ist, und
doch sagt man: er bewege sich immer in derselben Richtung, z. B. der Planet
von Abend gegen Morgen.
Allein, was ist hier die Seite, nach der die Bewegung gerichtet
ist? Eine Frage, die mit der eine Ver-[7/8]wandtschaft hat, worauf beruht der
innere Unterschied der Schnecken; die sonst ähnlich und sogar gleich, aber
davon eine Species rechts, die andere links gewunden ist; oder des Windens der
Schwerdtbohnen und des Hopfens, deren die erstere wie ein Pfropfenzieher, oder,
wie die Seeleute es ausdrücken würden, wider die Sonne, der andere mit
der Sonne um ihre Stange laufen? Ein Begrif, der sich zwar construiren, aber als
Begrif, für sich durch allgemeine Merkmale und in der discursiven
Erkenntnisart gar nicht deutlich machen läßt, und der in den Dingen
selbst (z. B. an den seltenen Menschen, bey denen die Leicheneröffnung
alle Theile nach der physiologischen Regel mit andern Menschen einstimmig, nur
alle Eingeweide links oder rechts, wider die gewöhnliche Ordnung versetzt
fand) keinen erdenklichen Unterschied in den innern Folgen geben kann und
demnach ein wahrhafter mathematischer und zwar innerer Unterschied ist, womit
der, von dem Unterschiede zweyer sonst in allen Stücken gleichen, der
Richtung nach aber verschiedenen Kreisbewegungen, obgleich nicht völlig
einerley, dennoch aber zusammenhängend ist. Ich habe anderwerts gezeigt, daß,
da sich dieser Unterschied zwar in der Anschauung geben, aber gar nicht auf
deutliche Begriffe bringen, mithin nicht verständlich erklären (dari,
non intelligi) läßt, er einen guten bestätigenden Beweisgrund zu
dem Satze abgebe: daß der Raum überhaupt nicht zu den Eigenschaften
oder Verhältnissen der Dinge an sich selbst, die sich nothwendig [8/9] auf
objective Begriffe müßten bringen lassen, sondern blos zu der
subjectiven Form unserer sinnlichen Anschauung von Dingen oder Verhältnissen,
die uns, nach dem, was sie an sich seyn mögen, völlig unbekannt
bleiben, gehöre. Doch dies ist eine Abschweifung von unserem jetzigen Geschäfte,
in welchem wir den Raum ganz nothwendig als Eigenschaft der Dinge, die wir in
Betrachtung ziehen, nämlich Körperlicher Wesen, behandeln müssen,
weil diese selbst nur Erscheinnngen [Erscheinungen] äusserer Sinne sind und
nur als solche hier erklärt zu werden bedürfen. Was den Begriff der
Geschwindigkeit betrifft, so bekommt dieser Ausdruck im Gebrauche auch bisweilen
eine abweichende Bedeutung. Wir sagen: die Erde dreht sich geschwinder um ihre
Achse als die Sonne, weil sie es in kürzerer Zeit thut; obgleich die
Bewegung der letzteren viel geschwinder ist. Der Blutumlauf eines kleinen Vogels
ist viel geschwinder, als der eines Menschen, obgleich seine strömende
Bewegung im ersteren ohne Zweifel weniger Geschwindigkeit hat, und so auch bey
den Bebungen elastischer Materien. Die Kürze der Zeit der Wiederkehr, es
sey der circulirenden oder oscillirenden Bewegung, macht den Grund dieses
Gebrauchs aus, an welchem, wenn sonst nur die Mißdeutung vermieden wird,
man auch nicht unrecht thut. Denn diese bloße Vergrösserung der Eile
in der Wiederkehr, ohne Vergrösserung der räumlichen Geschwindigkeit,
hat ihre eigene und sehr erhebliche Wirkungen in der Natur, worauf in dem
Cirkellauf der Säf-[9/10]te der Thiere, vielleicht noch nicht gnug Rücksicht
genommen worden. In der Phoronomie brauchen wir das Wort Geschwindigkeit blos in
räumlicher Bedeutung C = S/T.
Ruhe ist die beharrliche Gegenwart (praesentia perdurabilis) an
demselben Orte; beharrlich aber ist das, was eine Zeit hindurch existirt d. i.
dauret.
Ein Körper, der in Bewegung ist, ist in jedem Puncte der
Linie, die er durchläuft, einen Augenblick. Es frägt sich nun, ob er
darin ruhe, oder sich bewege. Ohne Zweifel wird man das letztere sagen; denn er
ist in diesem Puncte nur so fern, als er sich bewegt, gegenwärtig. Man
nehme aber die Bewegung desselben so an:
daß der Körper mit gleichförmiger
Geschwindigkeit die Linie AB vorwerts und rückwerts von B nach A zurücklege,
so daß, weil der Augenblick, da er in B ist, beiden Bewegungen gemein ist,
die Bewegungen von A nach B in ½ Sec., die von B nach A aber auch in ½
Sec., beide zusammen aber in einer ganzen Secunde zurückgelegt worden, so
daß auch nicht der kleinste Theil der Zeit auf die Gegenwart des Körpers
in B aufgewandt worden: so wird, ohne den mindesten Zuwachs dieser Bewegungen,
[10/11] die letztere, die in der Richtung BA geschahe, in die nach der Richtung
Ba, welches mit AB in einer geraden Linie liegt, verwandelt werden können,
wo denn der Körper, indem er in B ist, darin nicht als ruhig, sondern als
bewegt angesehen werden muß. Er mußte daher auch in der ersteren in
sich selbst wiederkehrenden Bewegung in dem Puncte B als bewegt angesehen
werden, welches aber unmöglich ist; weil, nach dem, was angenommen worden,
es nur ein Augenblick ist, der zur Bewegung AB und zugleich zur gleichen
Bewegung BA gehört, die der vorigen entgegengesetzt und mit ihr in einem
und demselben Augenblicke verbunden ist, völligen Mangel der Bewegung,
folglich, wenn dieser den Begrif der Ruhe ausmachte, auch in der gleichförmigen
Bewegung Aa Ruhe des Körpers in jedem Puncte, z. B. in B, beweisen müßte,
welches der obigen Behauptung widerspricht. Man stelle sich dagegen die Linie AB
als über den Punct A aufgerichtet vor, so, daß ein Körper von A
nach B steigend, nachdem er durch die Schwere im Puncte B seine Bewegung
verlohren hat, von B nach A eben so wiederum zurückfalle; so frage ich, ob
der Körper in B als bewegt, oder als ruhig angesehen werden könne.
Ohne Zweifel wird man sagen, als ruhig: weil ihm alle vorherige Bewegung
genommen worden, nachdem er diesen Punct erreicht hat, und hernach eine gleichmäßige
Bewegung zurück allererst folgen soll, folglich noch nicht da ist; der
Mangel aber der Bewegung, wird man hinzusetzen, ist Ruhe. Aber in dem ersteren
[11/12] Falle einer angenommenen gleichförmigen Bewegung konnte die
Bewegung BA auch nicht anders eintreten, als dadurch, daß vorher die
Bewegung AB aufgehört hatte und die von B nach A noch nicht war, folglich,
daß in B ein Mangel aller Bewegung, und, nach der gewöhnlichen Erklärung,
Ruhe müßte angenommen werden, aber man durfte sie doch nicht
annehmen, weil bey einer gegebenen Geschwindigkeit, kein Körper in einem
Puncte seiner gleichförmigen Bewegung als ruhend gedacht werden muß.
Worauf beruht denn im zweyten Falle die Anmaßung des Begrifs der Ruhe, da
doch dieses Steigen und Fallen gleichfalls nur durch einen Augenblick von
einander getrennt wird. Der Grund davon liegt darin, daß die letztere
Bewegung nicht als gleichförmig mit gegebener Geschwindigkeit gedacht wird,
sondern zuerst als gleichförmig verzögert und hernach als gleichförmig
beschleunigt, so doch, daß die Geschwindigkeit im Puncte B nicht gänzlich,
sondern nur bis zu einem Grad, der kleiner ist als jede nur anzugebende
Geschwindigkeit, mit welcher, wenn, anstatt zurück zu fallen, die Linie
seines Falles BA in die Richtung Ba gestellet, mithin der Körper immer noch
als steigend betrachtet würde, er, als mit einem bloßen Moment der
Geschwindigkeit, (der Widerstand der Schwere wird alsdenn bey Seite gesetzt), in
jeder noch so großen anzugebenden Zeit gleichförmig doch nur einen
Raum, der kleiner ist als jeder anzugebende Raum, zurücklegen, mithin
seinen Ort (für irgend eine mögliche Erfahrung) in alle Ewigkeit gar
[12/13] nicht verändern würde. Folglich wird er in den Zustand einer
daurenden Gegenwart an demselben Orte, d. i. der Ruhe, versetzt, ob sie
gleich wegen der continuirlichen Einwirkung der Schwere, d. i. der Veränderung
dieses Zustandes, sofort aufgehoben wird. In einem beharrlichen Zustande seyn
und darin beharren (wenn nichts anderes ihn verrückt) sind zwey
verschiedene Begriffe, deren einer dem anderen keinen Abbruch thut. Also kann
die Ruhe nicht durch den Mangel der Bewegung, der sich als = 0, gar nicht
construiren läßt, sondern muß durch die beharrliche Gegenwart
an demselben Orte erklärt werden, da denn dieser Begrif auch durch die
Vorstellung einer Bewegung mit unendlich kleiner Geschwindigkeit, eine endliche
Zeit hindurch construirt, mithin zu nachheriger Anwendung der Mathematik auf
Naturwissenschaft genutzt werden kann.
Den Begrif einer zusammengesetzten Bewegung c o n s t r u i r e n
heißt eine Bewegung, so fern sie aus zweyen oder mehreren gegebenen in
einem Beweglichen vereinigt entspringt, a priori in der Anschauung darstellen.
Zur Construction der Begriffe wird erfodert: daß die
Bedingung ihrer Darstellung nicht von der Erfahrung entlehnt sey, also auch
nicht gewisse Kräfte voraussetze, [13/14] deren Existenz nur von der
Erfahrung abgeleitet werden kann, oder überhaupt, daß die Bedingung
der Construction nicht selbst ein Begrif seyn müsse, der gar nicht a priori
in der Anschauung gegeben werden kann, wie z. B. der von Ursache und
Wirkung, Handlung und Widerstand etc. Hier ist nun vorzüglich zu bemerken:
daß Phoronomie durchaus zuerst Construction der Bewegungen überhaupt
als Grössen, und, da sie die Materie blos als Etwas Bewegliches, mithin an
welchem gar auf keine Grösse derselben Rücksicht genommen wird, zum
Gegenstande hat, diese Bewegungen allein als Grössen, so wohl ihrer
Geschwindigkeit als Richtung nach, und zwar ihrer Zusammensetzung nach a priori
zu bestimmen habe. Denn so viel muß gänzlich a priori und zwar
anschauend zum Behuf der angewandten Mathematik ausgemacht werden. Denn die
Regeln der Verknüpfung der Bewegungen durch physische Ursachen, d. i.
Kräfte, lassen sich, ehe die Grundsätze ihrer Zusammensetzung überhaupt
vorher rein mathematisch zum Grunde gelegt worden, niemals gründlich
vortragen.
Eine jede Bewegung, als Gegenstand einer möglichen
Erfahrung, kann nach Belieben, als Bewegung des Körpers in einem ruhigen
Raume, oder als Ruhe des Körpers und dagegen Bewegung des Raumes in
entgegengesetzter [14/15] Richtung mit gleicher Geschwindigkeit angesehen
werden.
Von der Bewegung eines Körpers eine Erfahrung zu machen,
dazu wird erfodert: daß nicht allein der Körper, sondern auch der
Raum, darin er sich bewegt, Gegenstände der äussern Erfahrung, mithin
materiell seyn. Eine absolute Bewegung also, d. i. in Beziehung auf einen
nicht materiellen Raum, ist gar keiner Erfahrung fähig und für uns
also nichts (wenn man gleich einräumen wollte, der absolute Raum sey an
sich etwas). Aber auch in aller relativen Bewegung kann der Raum selbst, weil er
als materiell angenommen wird, wiederum als ruhig oder bewegt vorgestellt
werden. Das erstere geschieht, wenn mir über den Raum, in Beziehung auf
welchen ich einen Körper als bewegt ansehe, kein mehr erweiterter und ihn
einschließender gegeben ist, (wie wenn ich in der Cajüte eines
Schiffs eine Kugel auf dem Tische bewegt sehe); das zweyte, wenn mir über
diesen Raum hinaus noch ein anderer Raum, der ihn einschließt, (wie im
genannten Falle das Ufer des Flusses) gegeben ist, da ich denn in Ansehung des
letzteren den nächsten Raum (die Cajüte) als bewegt und den Körper
selbst allenfalls als ruhig ansehen kann. Da es nun schlechterdings unmöglich
ist, von einem empirisch gegebenen Raume, wie erweitert er auch sey,
auszumachen, ob er nicht in Ansehung eines in einem noch grösseren [15/16]
Umfange ihn einschließenden Raumes selbst wiederum bewegt sey, oder nicht,
so muß es aller Erfahrung und jeder Folge aus den Erfahrung völlig
einerley seyn, ob ich einen Körper als bewegt, oder ihn als ruhig, den Raum
aber in entgegengesetzter Richtung mit gleicher Geschwindigkeit bewegt ansehen
will. Noch mehr; da der absolute Raum für alle mögliche Erfahrung
nichts ist, so sind auch die Begriffe einerley, ob ich sage: ein Körper
bewegt sich in Ansehung dieses gegebenen Raumes in dieser Richtung mit dieser
Geschwindigkeit, oder ob ich ihn mir als ruhig denken, und dem Raum alles
dieses, aber in entgegengesetzter Richtung, beylegen will. Denn ein jeder Begrif
ist mit demjenigen, von dessen Unterschiede vom ersteren gar kein Beyspiel möglich
ist, völlig einerley und nur in Beziehung auf die Verknüpfung, die wir
ihm im Verstande geben wollen, verschieden.
Auch sind wir gar nicht im Stande, in irgend einer Erfahrung
einen festen Punct anzugeben, in Beziehung auf welchen, was Bewegung und Ruhe
absolut heissen sollte, bestimmt würde; denn alles, was uns auf die Art
gegeben wird, ist materiell, also auch beweglich, und (da wir im Raume keine äusserste
Grenze möglicher Erfahrung kennen,) vielleicht auch wirklich bewegt, ohne
daß wir diese Bewegung woran warnehmen können. - Von dieser
Bewegung eines Körpers im empirischen Raume kann ich nun einen Theil der
gegebenen Geschwindigkeit dem Körper, den andern dem Raume, aber in
entgegengesetz-[16/17]ter Richtung, geben, und die ganze mögliche Erfahrung
in Ansehung der Folgen dieser zwey verbundenen Bewegungen ist völlig
einerley mit derjenigen, da ich den Körper mit der ganzen Geschwindigkeit
allein bewegt, oder ihn als ruhig und den Raum mit derselben Geschwindigkeit in
entgegengesetzter Richtung bewegt denke. Ich nehme hier aber alle Bewegungen als
geradlinigt an. Denn, was die krummlinigte betrifft, da es nicht in allen Stücken
einerley ist, ob ich den Körper (z. B. die Erde in ihrer täglichen
Umdrehung) als bewegt und den umgebenden Raum (den bestirnten Himmel) als ruhig,
oder diesen als bewegt und jenen als ruhig anzusehen befugt bin, davon wird in
der Folge besonders gehandelt werden. In der Phoronomie also, wo ich die
Bewegung eines Körpers nur mit dem Raume, (auf dessen Ruhe oder Bewegung
jener gar keinen Einfluß hat,) in Verhältnis betrachte, ist es an
sich ganz unbestimmt und beliebig, ob und wie viel ich Geschwindigkeit dem einen
oder dem andern von der gegebenen Bewegung beylegen will; künftig in der
Mechanik, da ein bewegter Körper in wirksamer Beziehung auf andere Körper
im Raume seiner Bewegung betrachtet werden soll, wird dieses nicht mehr so völlig
einerley seyn, wie es an seinem Orte gezeigt werden soll.
Die Zusammensetzung der Bewegung ist die Vorstellung der
Bewegung eines Puncts [17/18] als einerley mit zweyen oder mehreren Bewegungen
desselben zusammen verbunden.
In der Phoronomie, da ich die Materie durch keine andere
Eigenschaft als ihre Beweglichkeit kenne, mithin sie selbst nur als einen Punct
betrachten darf, kann die Bewegung nur als Beschreibung eines Raumes betrachtet
werden, doch so, daß ich nicht blos, wie in der Geometrie, auf den Raum,
der beschrieben wird, sondern auch auf die Zeit darinn, mithin auf die
Geschwindigkeit, womit ein Punct den Raum beschreibt, Acht habe. Phoronomie ist
also die reine Größenlehre (Mathesis) der Bewegungen. Der bestimmte
Begrif von einer Größe ist der Begrif der Erzeugung der Vorstellung
eines Gegenstandes durch die Zusammensetzung des Gleichartigen. Da nun der
Bewegung nichts gleichartig ist, als wiederum Bewegung, so ist die Phoronomie
eine Lehre der Zusammensetzung der Bewegungen eben desselben Puncts nach ihrer
Richtung und Geschwindigkeit, d. i. die Vorstellung einer einzigen
Bewegung, als einer solchen, die zwey und so mehrere Bewegungen zugleich in sich
enthält, oder zweyer Bewegungen eben desselben Puncts zugleich, so ferne
sie zusammen eine ausmachen, d. i. mit dieser einerley sind, und nicht etwa
so fern sie die letztere, als Ursachen ihre Wirkung, hervorbringen. Um die
Bewegung zu finden, die aus der Zusammensetzung von mehreren, so viel man will,
[18/19] entspringt, darf man nur, wie bey aller Größenerzeugung,
zuerst diejenige suchen, die unter gegebenen Bedingungen aus zweyen
zusammengesetzt ist; darauf diese mit einer dritten verbunden u. s. w.
Folglich läßt die Lehre der Zusammensetzung aller Bewegungen sich auf
die von zweyen zurückführen. Zwey Bewegungen aber eines und desselben
Puncts, die zugleich an demselben angetroffen werden, können auf zwiefache
Weise unterschieden seyn, und, als solche, auf dreyfache Art an ihm verbunden
werden. Erstlich geschehen sie entweder in einer und derselben Linie, oder in
verschiedenen Linien zugleich; die letztere sind Bewegungen, die einen Winkel
einschließen. Die, so in einer und derselben Linie geschehen, sind nun der
Richtung nach entweder einander entgegengesetzt, oder halten einerley Richtung.
Da alle diese Bewegungen als zugleich geschehend betrachtet werden, so ergiebt
sich aus dem Verhältnis der Linien, d. i. der beschriebenen Räume
der Bewegung, in gleicher Zeit, so fort auch das Verhältniß der
Geschwindigkeit. Also sind der Fälle drey. 1) Da zwey Bewegungen (sie mögen
von gleichen oder ungleichen Geschwindigkeiten seyn) in einem Körper in
derselben Richtung verbunden, eine daraus zusammengesetzte Bewegung ausmachen
sollen. 2) Da zwey Bewegungen desselben Puncts (von gleicher oder ungleicher
Geschwindigkeit) in entgegengesetzter Richtung verbunden durch ihre
Zusammensetzung eine dritte Bewegung in derselben Linie ausmachen sollen. 3) Da
zwey Bewegungen [19/20] eines Puncts, mit gleichen oder ungleichen
Geschwindigkeiten, aber in verschiedenen Linien, die einen Winkel einschließen,
als zusammengesetzt betrachtet werden.
Die Zusammensetzung zweyer Bewegungen eines und desselben Puncts
kann nur dadurch gedacht werden, daß die eine derselben im absoluten
Raume, statt der anderen aber eine mit der gleichen Geschwindigkeit in
entgegengesetzter Richtung geschehende Bewegung des relativen Raums, als mit
derselben einerley, vorgestellt wird.
Erster Fall. Da zwey Bewegungen in eben derselben Linie und
Richtung einem und demselben Puncte zugleich zukommen.
Es sollen in einer Geschwindigkeit der Bewegung zwey
Geschwindigkeiten AB und ab als enthalten vorgestellt werden. Man nehme diese
Geschwindigkeiten für diesmal als gleich an, so daß AB=ab ist, so
sage ich, sie können in einem und demselben Raum, (dem absoluten oder dem
relativen) an demselben Puncte nicht zugleich vorgestellt werden. Denn, weil die
[20/21] Linien AB und ab, welche die Geschwindigkeiten bezeichnen, eigentlich
die Räume sind, welche sie in gleichen Zeiten durchlaufen, so würde
die Zusammensetzung dieser Räume AB und ab=BC, mithin die Linie AC, als die
Summe der Räume, die Summe beider Geschwindigkeiten ausdrücken müssen.
Aber die Theile AB und BC stellen, jeder für sich, nicht die
Geschwindigkeit =ab vor; denn sie werden nicht in der gleichen Zeit wie ab
zurückgelegt. Also stellt auch die doppelte Linie AC, die in derselben Zeit
zurückgelegt wird, wie die Linie ab, nicht die zwiefache Geschwindigkeit
der letztern vor, welches doch verlangt wurde. Also läßt sich die
Zusammensetzung zweyer Geschwindigkeiten in einer Richtung in demselben Raume
nicht anschaulich darstellen.
Dagegen, wenn der Körper A mit der Geschwindigkeit AB im
absoluten Raume als bewegt vorgestellt wird, und ich gebe überdem dem
relativen Raume eine Geschwindigkeit ab=AB in entgegengesetzter Richtung ba=CB,
so ist dieses eben dasselbe, als ob ich die letztere Geschwindigkeit dem Körper
in der Richtung AB ertheilt hätte (Grundsatz 1.). Der Körper bewegt
sich aber alsdenn in derselben Zeit durch die Summe der Linien AB und BC=2ab, in
welcher er die Linie ab=AB allein würde zurückgelegt haben, und seine
Geschwindigkeit ist doch als die Summe der [21/22] zweyen gleichen
Geschwindigkeiten AB und ab vorgestellt, welches das ist, was verlangt wurde.
Zweyter Fall. Da zwey Bewegungen in gerade entgegengesetzten
Richtungen an einem und demselben Puncte sollen verbunden werden.
Es sey AB die eine dieser Bewegungen und AC die andere in
entgegengesetzter Richtung, deren Geschwindigkeit wir hier der ersten gleich
annehmen wollen: so würde der Gedanke selbst, zwey solche Bewegungen in
einem und demselben Raume an eben demselben Puncte als zugleich vorzustellen,
mithin der Fall einer solchen Zusammensetzung der Bewegungen selbst unmöglich
seyn, welches der Voraussetzung zuwider ist.
Dagegen denket euch die Bewegung AB im absoluten Raume, statt
der Bewegung AC aber in demselben absoluten Raume, die entgegengesetzte CA des
relativen Raumes mit eben derselben Geschwindigkeit, die (nach Grundsatz 1.) der
Bewegung AC völlig gleich gilt und also gänzlich an die Stelle
derselben gesetzt werden kann: so lassen sich zwey gerade entgegengesetzte und
gleiche Bewegungen desselben Puncts zu gleicher Zeit gar wohl darstellen. Weil
nun der relative Raum mit derselben Geschwindigkeit CA=AB [22/23] in derselben
Richtung mit dem Puncte A bewegt ist, so verändert dieser Punct, oder der
in ihm befindliche Körper, in Ansehung des relativen Raumes seinen Ort
nicht, d. i. ein Körper, der nach zwey einander gerade
entgegengesetzten Richtungen mit gleicher Geschwindigkeit bewegt wird, ruhet,
oder, allgemein ausgedrückt: seine Bewegung ist der Differenz der
Geschwindigkeiten in der Richtung der größeren gleich (welches sich
aus dem Bewiesenen leicht folgern läßt).
Dritter Fall. Da zwey Bewegungen eben desselben Puncts, nach
Richtungen, die einen Winkel einschließen, verbunden vorgestellt werden.
Die zwey gegebenen Bewegungen sind AB und AC, deren
Geschwindigkeit und Richtungen durch diese Linien, der Winkel aber, den die
letztere einschließen, durch BAC ausgedruckt wird, (er mag, wie hier, ein
rechter, aber auch ein jeder beliebiger schiefer Winkel seyn). Wenn nun diese
zwey Bewegungen zugleich [23/24] in den Richtungen AB und AC und zwar in einem
und demselben Raume geschehen sollen: so würde sie doch nicht in diesen
beiden Linien AB und AC zugleich geschehen können, sondern nur in Linien,
die diesen parallel laufen. Es würde also angenommen werden müssen: daß
eine dieser Bewegungen in der anderen eine Veränderung (nämlich die
Abbringung von der gegebenen Bahn) wirkte, wenn gleich beiderseits Richtungen
dieselbe blieben. Dieses ist aber der Voraussetzung des Lehrsatzes zuwider,
welche unter dem Worte Zusammensetzung andeutet: daß beide gegebene
Bewegungen in einer dritten enthalten, mithin mit dieser einerley seyn, und
nicht, daß indem eine die andere verändert, sie eine dritte
hervorbringen.
Dagegen nehme man die Bewegung AC als im absoluten Raume vor
sich gehend an, anstatt der Bewegung AB aber die Bewegung des relativen Raumes
in entgegengesetzter Richtung. Die Linie AC sey in drey gleiche Theile AE, EF,
FC getheilt. Während daß nun der Körper A im absoluten Raume die
Linie AE durchläuft, durchläuft der relative Raum, und mit ihm der
Punct E, den Raum Ee=MA; während daß der Körper die zwey Theile
zusammen =AF durchläuft, beschreibt der relative Raum, und mit ihm der
Punct F, die Linie Ff=NA; während daß der Körper endlich die
ganze Linie AC durchläuft, so beschreibt der Raum, und mit ihm der Punct C,
die Li-[24/25]nie Cc=BA; welches alles eben dasselbe ist, als ob der Körper
A in diesen drey Zeittheilen die Linien Em. Fn, und CD=AM, AN, AB und in der
ganzen Zeit, darin er AC durchläuft, die Linie CD=AB durchlaufen hätte.
Also ist er im letzten Augenblicke im Puncte D und in dieser ganzen Zeit nach
und nach in allen Puncten der Diagonallinie AD, welche also sowohl die Richtung,
als Geschwindigkeit der zusammengesetzten Bewegung ausdrückt. -
Die geometrische Construction erfodert, daß eine Größe
mit der andern, oder zwey Größen in der Zusammensetzung mit einer
dritten einerley seyn, nicht daß sie als Ursachen die dritte
hervorbringen, welches die mechanische Construction seyn würde. Die völlige
Aehnlichkeit und Gleichheit, so fern sie nur in der Anschauung erkannt werden
kann, ist die Congruenz. Alle geometrische Construction der völligen
Identität beruht auf Congruenz. Diese Congruenz zweyer zusammenverbundenen
Bewegungen mit einer dritten (als dem motu composito selbst) kann nun niemals
Statt haben, wenn jene beide in einem und demselben Raume z. B. dem
relativen vorgestellt werden. Daher sind alle Versuche, obigen Lehrsatz in
seinen drey Fällen zu beweisen, immer nur mechanische Auflösungen
gewesen, da man nämlich bewegende Ursachen durch die eine gegebene Bewegung
mit einer andern verbunden eine drit-[25/26]te hervorbringen ließ, nicht
aber Beweise, daß jene mit dieser einerley sind, und sich als solche, in
der reinen Anschauung a priori darstellen lassen.
Wenn z. B. eine Geschwindigkeit AB [recte AC] doppelt
genannt wird: so kann darunter nichts anders verstanden werden, als daß
sie aus zwey einfachen und gleichen AB und BC (siehe Fig. 1) bestehe. Erklärt
man aber eine doppelte Geschwindigkeit dadurch, daß man sagt, sie sey eine
Bewegung, dadurch in derselben Zeit ein doppelt so großer Raum zurückgelegt
wird, so wird hier etwas angenommen, was sich nicht von selbst versteht, nämlich:
daß sich zwey gleiche Geschwindigkeiten eben so verbinden lassen, als zwey
gleiche Räume, und es ist nicht für sich klar, daß eine gegebene
Geschwindigkeit aus kleinern und eine Schnelligkeit aus Langsamkeiten eben so
bestehe, wie ein Raum aus kleineren; denn die Theile der Geschwindigkeit sind
nicht ausserhalb einander, wie die Theile des Raumes, und wenn jene als Größe
betrachtet werden soll, so muß der Begrif ihrer Größe, da sie
intensiv ist, auf andere Art construirt werden, als der der extensiven Größe
des Raumes. Diese Construction ist aber auf keine andere Art möglich, als
durch die mittelbare Zusammensetzung zweyer gleichen Bewegungen, deren eine die
des Körpers, die andere des relativen Raumes in entgegengesetzter Richtung,
aber eben darum mit einer ihr gleichen Bewegung des Körpers in der vorigen
Richtung völlig einerley ist. [26/27] Denn in derselben Richtung lassen
sich zwey gleiche Geschwindigkeiten in einem Körper gar nicht
zusammensetzen, als nur durch äußere bewegende Ursachen, z. B.
ein Schiff, welches den Körper mit einer dieser Geschwindigkeiten trägt,
indessen daß eine andere, mit dem Schiffe unbeweglich verbundene bewegende
Kraft dem Körper die zweyte, der vorigen gleiche, Geschwindigkeit eindrückt;
wobey doch immer vorausgesetzt werden muß: daß der Körper sich
mit der ersten Geschwindigkeit in freyer Bewegung erhalte, indem die zweyte
hinzukommt; welches ein Naturgesetz bewegender Kräfte ist, wovon gar nicht
die Rede seyn kann, wenn die Frage lediglich ist, wie der Begrif der
Geschwindigkeit als einer Größe construirt werde. So viel von der
Hinzuthuung der Geschwindigkeiten zu einander. Wenn aber von der Abziehung einer
von der anderen die Rede ist, so läßt sich zwar diese letztere leicht
denken, wenn einmal die Möglichkeit einer Geschwindigkeit als Größe
durch Hinzuthuung eingeräumt worden, aber jener Begrif läßt sich
nicht so leicht construiren. Denn zu dem Ende müssen zwey entgegengesetzte
Bewegungen in einem Körper verbunden werden; aber wie soll dieses
geschehen? Unmittelbar d. i. in Ansehung eben desselben ruhenden Raumes ist
es unmöglich, sich zwey gleiche Bewegungen in entgegengesetzter Richtung an
demselben Körper zu denken; aber die Vorstellung der Unmöglichkeit
dieser beiden Bewegungen in einem Körper ist nicht der Begrif von der Ruhe
desselben, sondern der Unmöglich-[27/28]keit der Construction dieser
Zusammensetzung entgegengesetzter Bewegungen, die doch im Lehrsatz als möglich
angenommen wird. Diese Construction ist aber nicht anders möglich, als
durch die Verbindung der Bewegung des Körpers mit der Bewegung des Raums,
wie gewiesen worden. Endlich, was die Zusammensetzung zweyer Bewegungen, deren
Richtung einen Winkel einschließt, betrift, so läßt sie sich an
dem Körper in Beziehung auf einen und denselben Raum gleichfalls nicht
denken, wenn man nicht gar eine derselben durch äußere, continuirlich
einfließende Kraft (z. E. ein den Körper forttragendes Fahrzeug)
gewirkt, die andern als sich selbst hiebey unverändert erhaltend, annimmt,
oder überhaupt, man muß bewegende Kräfte und Erzeugung einer
dritten Bewegung aus zwey vereinigten Kräften zum Grunde legen, welches
zwar die mechanische Ausführung dessen, was ein Begrif enthält, aber
nicht die mathematische Construction derselben ist, die nur anschaulich machen
soll, was das Object (als Quantum) sey, nicht wie es durch Natur oder Kunst
vermittelst gewisser Werkzeuge und Kräfte hervorgebracht werden könne. -
Die Zusammensetzung der Bewegungen, um ihr Verhältniß zu andern als
Größe zu bestimmen, muß nach den Regeln der Congruenz
geschehen, welches in allen dreyen Fällen nur vermittelst der Bewegung des
Raums, die mit einer der zwey gegebenen Bewegungen congruirt, und dadurch beide
mit der zusammengesetzten congruiren, möglich ist. [28/29]
Phoronomie, nicht als reine Bewegungslehre, sondern blos als
reine Größenlehre der Bewegung, in welcher die Materie nach keiner
Eigenschaft mehr als der bloßen Beweglichkeit gedacht wird, enthält
also nichts mehr als blos diesen einzigen, durch die angeführte drey Fälle
geführten Lehrsatz von der Zusammensetzung der Bewegung und zwar von der Möglichkeit
der geradlinigten Bewegung allein, nicht der krummlinigten. Denn, weil in dieser
die Bewegung continuirlich (der Richtung nach) verändert wird, so muß
eine Ursache dieser Veränderung, welche nun nicht der bloße Raum seyn
kann, herbeygezogen werden. Daß man aber gewöhnlich unter der
Benennung der zusammengesetzten Bewegung nur den einzigen Fall, da die
Richtungen derselben einen Winkel einschließen, verstand, dadurch ward
zwar wol eben nicht der Physik, wol aber dem Princip der Eintheilung einer
reinen philosophischen Wissenschaft überhaupt einiger Abbruch gethan. Denn
was die erstere betrift, so lassen sich alle im obigen Lehrsatze behandelte drey
Fälle im dritten allein hinreichend darstellen. Denn; wenn der Winkel, den
die zwey gegebenen Bewegungen einschließen, als unendlich klein gedacht
wird, so enthält er den ersten; wird er aber als von einer einzigen geraden
Linie nur unendlich wenig unterschieden vorgestellt, so enthält er den
zweyten Fall; so daß sich freylich in dem bekannten Lehrsatze der
zusammengesetzten Bewegung alle drey von uns genannte Fälle, [29/30] als in
einer allgemeinen Formel, geben lassen. Man konnte aber auf diese Art nicht wohl
die Größenlehre der Bewegung nach ihren Theilen a priori einsehen
lernen, welches in mancher Absicht auch seinen Nutzen hat.
Hat jemand Lust die gedachten drey Theile des allgemeinen
phoronomischen Lehrsatzes an das Schema der Eintheilung aller reinen
Verstandesbegriffe, namentlich hier der des Begriffs der Größe zu
halten, so wird er bemerken: daß, da der Begriff einer Größe
jederzeit den der Zusammensetzung des Gleichartigen enthält, die Lehre der
Zusammensetzung der Bewegungen zugleich die reine Größenlehre
derselben sey, und zwar nach allen drey Momenten, die der Raum an die Hand
giebt, der Einheit der Linie und Richtung, der Vielheit der Richtungen in einer
und derselben Linie, endlich der Allheit der Richtungen sowohl als der Linien,
nach denen die Bewegung geschehen mag, welches die Bestimmung aller möglichen
Bewegung als eines Quantum enthält, wiewohl die Quantität derselben
(an einem beweglichen Puncte) blos in der Geschwindigkeit besteht. Diese
Bemerkung hat nur in der Transscendentalphilosophie ihren Nutzen. [30/31]
M
aterie ist das Bewegliche, so fern es einen Raum erfüllt.
Einen Raum erfüllen, heißt allem Beweglichen widerstehen, das durch
seine Bewegung in einen gewissen Raum einzudringen bestrebt ist. Ein Raum, der
nicht erfüllt ist, ist ein leerer Raum.
Dieses ist nun die dynamische Erklärung des Begriffs der
Materie. Sie setzt die phoronomische voraus, aber thut eine Eigenschaft hinzu,
die sich als Ursache auf eine Wirkung bezieht, nämlich das Vermögen,
einer Bewegung innerhalb eines gewissen Raumes zu widerstehen, wovon in der
vorhergehenden Wissenschaft gar nicht die Rede seyn mußte, selbst nicht,
wenn man es mit Bewegungen eines und desselben Punctes in entgegengesetzten
Richtungen zu thun hatte. Diese Erfüllung des Raums hält einen
gewissen Raum von dem Eindringen irgend eines anderen be-[31/32]weglichen frey,
wenn seine Bewegung auf irgend einen Ort in diesem Raume hingerichtet ist.
Worauf nun der nach allen Seiten gerichtete Widerstand der Materie beruhe und
was er sey, muß noch untersucht werden. So viel sieht man aber schon aus
der obigen Erklärung: daß die Materie hier nicht so betrachtet wird,
wie sie widersteht, wenn sie aus ihrem Orte getrieben und also selbst bewegt
werden soll, (dieser Fall wird künftig, als mechanischer Widerstand, noch
in Erwägung kommen) sondern wenn blos der Raum ihrer eigenen Ausdehnung
verringert werden soll. Man bedient sich des Worts: einen Raum einnehmen, d. i.
in allen Puncten desselben unmittelbar gegenwärtig seyn, um die Ausdehnung
eines Dinges im Raume dadurch zu bezeichnen. Weil aber in diesem Begriffe nicht
bestimmt ist, welche Wirkung oder ob gar überall eine Wirkung aus dieser
Gegenwart entspringe, ob andern zu widerstehen, die hineinzudringen bestrebt
seyn, oder ob es blos einen Raum ohne Materie bedeute, so fern er ein Inbegriff
mehrerer Räume ist, wie man von jeder geometrischen Figur sagen kann, sie
nimmt einen Raum ein (sie ist ausgedehnt), oder ob wol gar im Raume etwas sey,
was ein anderes bewegliche nöthigt, tiefer in denselben einzudringen
(andere anzieht), weil, sage ich, durch den Begriff des Einnehmens eines Raumes
dieses alles unbestimmt ist, so ist: einen Raum erfüllen, eine nähere
Bestimmung des Begriffs: einen Raum einnehmen. [32/33]
Die Materie erfüllt einen Raum, nicht durch ihre bloße
Existenz, sondern durch eine besondere bewegende Kraft.
Das Eindringen in einen Raum (im Anfangsaugenblicke heißt
solches die Bestrebung einzudringen) ist eine Bewegung. Der Widerstand gegen
Bewegung ist die Ursache der Verminderung, oder auch Veränderung derselben
in Ruhe. Nun kann mit keiner Bewegung etwas verbunden werden, was sie vermindert
oder aufhebt, als eine andere Bewegung eben desselben Beweglichen in
entgegengesetzter Richtung (Phoron. Lehrs.). Also ist der Widerstand, den eine
Materie in dem Raum, den sie erfüllt, allem Eindringen anderer leistet,
eine Ursache der Bewegung der letzteren in entgegengesetzter Richtung. Die
Ursache einer Bewegung heißt aber bewegende Kraft. Also erfüllet die
Materie ihren Raum durch bewegende Kraft, und nicht durch ihre bloße
Existenz.
Lambert und andere nannten die Eigenschaft der Materie, da sie
einen Raum erfüllt, die Solidität, (ein ziemlich vieldeutiger
Ausdruck) und wollen, man müsse sie an jedem Dinge, was existirt,
(Substanz) annehmen, wenigstens in der äußeren Sinnenwelt. Nach ihren
Begrif-[33/34]fen müßte die Anwesenheit von etwas Reellem im Raume,
diesen Widerstand schon durch seinen Begriff, mithin nach dem Satze des
Widerspruchs bey sich führen, und es machen, daß nichts anderes in
dem Raume der Anwesenheit eines solchen Dinges zugleich seyn könne. Allein
der Satz des Widerspruchs treibt keine Materie zurück, welche anrückt
um in einen Raum einzudringen, in welchem eine andere anzutreffen ist. Nur
alsdann, wenn ich dem, was einen Raum einnimmt, eine Kraft beylege, alles äußere
Bewegliche, welches sich annähert, zurück zu treiben, verstehe ich,
wie es einen Widerspruch enthalte, daß in den Raum, den ein Ding einnimmt,
noch ein anderes von derselben Art eindringe. Hier hat der Mathematiker etwas
als ein erstes Datum der Construction des Begriffs einer Materie, welches sich
selbst nicht weiter construiren lasse, angenommen. Nun kann er zwar von jedem
beliebigen Dato seine Construction eines Begrifs anfangen; ohne sich darauf
einzulassen, dieses Datum auch wiederum zu erklären; darum aber ist er doch
nicht befugt, jenes für etwas aller mathematischen Construction ganz unfähiges
zu erklären, um dadurch das Zurückgehen zu den ersten Principien in
der Naturwissenschaft zu hemmen.
Anziehungskraft ist diejenige bewegende Kraft, wodurch eine
Materie die Ursache der Annäherung anderer zu ihr seyn kann (oder,
wel-[34/35]ches einerley ist, dadurch sie der Entfernung anderer von ihr
widersteht).
Zurückstoßungskraft ist diejenige, wodurch eine
Materie Ursache seyn kann, andere von sich zu entfernen (oder, welches einerley
ist, wodurch sie der Annäherung anderer zu ihr widersteht). Die letztere
werden wir auch zuweilen treibende, so wie die erstere ziehende Kräfte
nennen.
Es lassen sich nur diese zwey bewegende Kräfte der Materie
denken. Denn alle Bewegung, die eine Materie einer anderen eindrücken kann,
da in dieser Rücksicht jede derselben nur wie ein Punct betrachtet wird, muß
jederzeit als in der geraden Linie zwischen zweyen Puncten ertheilt angesehen
werden. In dieser geraden Linie aber sind nur zweyerley Bewegungen möglich:
die eine, dadurch sich jene Puncte von einander entfernen, die zweyte, dadurch
sie sich einander nähern. Die Kraft aber, die die Ursache der ersteren
Bewegung ist, heißt Zurückstoßungs- und die der zweyten
Anziehungskraft. Also können nur diese zwey Arten von Kräften, als
solche, worauf alle Bewegungskräfte in der materiellen Natur zurückgeführt
werden müssen, gedacht werden. [35/36]
Die Materie erfüllet ihre Räume durch repulsive Kräfte
aller ihrer Theile, d. i. durch eine ihr eigene Ausdehnungskraft, die einen
bestimmten Grad hat, über den kleinere oder größere ins
Unendliche können gedacht werden.
Die Materie erfüllet einen Raum nur durch bewegende Kraft
(Lehrs. 2. [recte 1.]) und zwar eine solche, die dem Eindringen anderer, d. i.
der Annäherung, widersteht. Nun ist diese eine zurückstoßende
Kraft. (Erklärung 2.) Also erfüllt die Materie ihren Raum nur durch
zurückstoßende Kräfte und zwar aller ihrer Theile, weil sonst
ein Theil ihres Raums (wider die Voraussetzung) nicht erfüllet, sondern nur
eingeschlossen seyn würde. Die Kraft aber eines Ausgedehnten vermöge
der Zurückstoßung aller seiner Theile ist eine Ausdehnungskraft
(expansive). Also erfüllet die Materie ihren Raum nur durch eine ihr eigene
Ausdehnungskraft; welches das erste war. Ueber jede gegebene Kraft muß
eine größere gedacht werden können, denn die, über welche
keine größere möglich ist, würde eine solche seyn, wodurch
in einer endlichen Zeit ein unendlicher Raum zurückgelegt werden würde
(welches unmöglich ist). Es muß ferner unter jeder gegebenen
bewegenden Kraft eine kleinere gedacht wer-[36/37]den können, (denn die
kleinste würde die seyn, durch deren unendliche Hinzuthuung zu sich selbst
eine jede gegebene Zeit hindurch keine endliche Geschwindigkeit erzeugt werden könnte,
welches aber den Mangel aller bewegenden Kraft bedeutet). Also muß unter
einem jeden gegebenen Grad einer bewegenden Kraft immer noch ein kleinerer
gegeben werden können, welches das zweyte ist. Mithin hat die
Ausdehnungskraft, womit jede Materie ihren Raum erfüllt, ihren Grad, der
niemals der gröste oder kleinste ist, sondern über den ins Unendliche
sowohl größere als kleinere können gefunden werden.
Die expansive Kraft einer Materie nennt man auch Elasticität.
Da nun jene der Grund ist, worauf die Erfüllung des Raumes, als eine
wesentliche Eigenschaft aller Materie, beruht, so muß diese Elasticität
ursprünglich heißen; weil sie von keiner anderen Eigenschaft der
Materie abgeleitet werden kann. Alle Materie ist demnach ursprünglich
elastisch.
Weil über jede ausdehnende Kraft eine größere
bewegende Kraft gefunden werden kann: diese aber auch jener entgegen würken
kann, wodurch sie alsdenn den Raum der letzteren verengen würde, den diese
zu erweitern trachtet, in welchem Falle die erstere eine [37/38] zusammendrückende
Kraft heißen würde, so muß auch für jede Materie eine
zusammendrückende Kraft gefunden werden können, die sie von einem
jeden Raum, den sie erfüllt, in einen engeren Raum zu treiben vermag.
Eine Materie durchdringt in ihrer Bewegung eine andere, wenn sie
durch Zusammendrückung den Raum ihrer Ausdehnung völlig aufhebt.
Wenn in einem mit Luft angefüllten Stiefel einer Luftpumpe
der Kolben dem Boden immer näher getrieben wird, so wird die Luftmaterie
zusammengedrückt. Könnte nun diese Zusammendrückung so weit
getrieben werden, daß der Kolben den Boden völlig berührte,
(ohne daß das mindeste von Luft entwischt wäre) so würde die
Luftmaterie durchdrungen seyn; denn die Materien, zwischen denen sie ist, lassen
keinen Raum für sie übrig, und sie wäre also zwischen dem Kolben
und Boden anzutreffen, ohne doch einen Raum einzunehmen. Diese
Durchdringlichkeit der Materie durch äußere zusammendrückende Kräfte,
wenn jemand eine solche annehmen oder auch nur denken wollte, würde die
mechanische heißen können. Ich habe Ursache, durch eine solche
Einschränkung diese Durchdringlichkeit der Materie von einer andern zu
unterschei-[38/39]den, deren Begriff vielleicht eben so unmöglich, als der
erstere ist, von der ich aber doch künftig etwas anzumerken Anlaß
haben möchte.
Die Materie kann ins Unendliche zusammengedrückt, aber
niemals von einer Materie, wie groß auch die drückende Kraft
derselben sey, durchdrungen werden.
Eine ursprüngliche Kraft, womit eine Materie sich über
einen gegebenen Raum, den sie einnimmt, allerwärts auszudehnen trachtet, muß,
in einen kleineren Raum eingeschlossen, größer, und, in einen
unendlich kleinen Raum zusammengepreßt, unendlich seyn. Nun kann für
gegebene ausdehnende Kraft der Materie eine größere zusammendrückende
gefunden werden, die diese in einen engeren Raum zwingt, und so ins Unendliche;
welches das Erste war. Zum Durchdringen der Materie aber würde eine
Zusammentreibung derselben in einen unendlich kleinen Raum, mithin eine
unendlich zusammendrückende Kraft erfodert, welche unmöglich ist. Also
kann eine Materie durch Zusammendrückung von keiner anderen durchdrungen
werden; welches das Zweyte ist.
Ich habe in diesem Beweise gleich zu Anfangs angenommen, daß
eine ausdehnende Kraft, je mehr sie in die [39/40] Enge getrieben worden, desto
stärker entgegenwirken müsse. Dieses würde nun zwar nicht so für
jede Art elastischer Kräfte, die nur abgeleitet sind, gelten; aber bey der
Materie, so fern ihr als Materie überhaupt, die einen Raum erfüllt,
wesentliche Elasticität zukommt, läßt sich dieses postuliren.
Denn expansive Kraft, aus allen Puncten nach allen Seiten hin ausgeübt,
macht sogar den Begriff derselben aus. Eben dasselbe Quantum aber von
ausspannenden Kräften in einen engeren Raum gebracht, muß in jedem
Puncte desselben so viel stärker zurücktreiben, so viel umgekehrt der
Raum kleiner ist, in welchem ein gewisses Quantum von Kraft seine Wirksamkeit
verbreitet.
Die Undurchdringlichkeit der Materie, die auf dem Widerstande
beruht, der mit den Graden der Zusammendrückung proportionirlich wächst,
nenne ich die relative; diejenige aber, welche auf der Voraussetzung beruht, daß
die Materie, als solche, gar keiner Zusammendrückung fähig sey, heißt
die absolute Undurchdringlichkeit. Die Erfüllung des Raumes mit absoluter
Undurchdringlichkeit kann die mathematische, die mit blos relativer die
dynamische Erfüllung des Raums heißen. [40/41]
Nach dem blos mathematischen Begriffe der Undurchdringlichkeit
(der keine bewegende Kraft als ursprünglich der Materie eigen voraussetzt)
ist keine Materie einer Zusammendrückung fähig, als so fern sie leere
Räume in sich enthält; mithin die Materie als Materie widersteht allem
Eindringen schlechterdings und mit absoluter Nothwendigkeit. Nach unserer Erörterung
dieser Eigenschaft aber beruht die Undurchdringlichkeit auf einem physischen
Grunde; denn die ausdehnende Kraft macht sie selbst, als ein Ausgedehntes, das
seinen Raum erfüllt, allererst möglich. Da aber diese Kraft einen Grad
hat, welcher überwältigt, mithin der Raum der Ausdehnung verringert,
d. i. in denselben bis auf ein gewisses Maß von einer gegebenen
zusammendrückenden Kraft eingedrungen werden kann, doch so, daß die gänzliche
Durchdringung, weil sie eine unendliche zusammendrückende Kraft erfordern würde,
unmöglich ist: so muß die Erfüllung des Raums nur als relative
Undurchdringlichkeit angesehen werden.
Die absolute Undurchdringlichkeit ist in der That nichts mehr,
oder weniger, als qualitas occulta. Denn man frägt, was die Ursache sey, daß
Materien einander in ihrer Bewegung nicht durchdringen können, und bekommt
die Antwort: weil sie undurchdringlich sind. Die Berufung auf zurücktreibende
Kraft ist von diesem Vorwurfe frey. Denn, ob diese gleich ihrer Möglichkeit
nach [41/42] auch nicht weiter erklärt werden kann, mithin als Grundkraft
gelten muß, so giebt sie doch einen Begriff von einer wirkenden Ursache
und ihren Gesetzen, nach welchen die Wirkung, nämlich der Widerstand in dem
erfüllten Raum, ihren Graden nach geschätzt werden kann.
Materielle Substanz ist dasjenige im Raume, was für sich,
d. i. abgesondert von allem anderen, was außer ihm im Raume existirt,
beweglich ist. Die Bewegung eines Theils der Materie, dadurch sie aufhört
ein Theil zu seyn, ist die Trennung. Die Trennung der Theile einer Materie ist
die physische Theilung.
Der Begriff einer Substanz bedeutet das letzte Subject der
Existenz, d. i. dasjenige, was selbst nicht wiederum blos als Prädicat
zur Existenz eines anderen gehört. Nun ist Materie das Subject alles
dessen, was im Raume zur Existenz der Dinge gezählt werden mag; denn außer
ihr würde sonst kein Subject gedacht werden können, als der Raum
selbst; welcher aber ein Begriff ist, der noch gar nichts Existirendes, sondern
blos die nothwendigen Bedingungen der äußeren Relation möglicher
Gegenstände äußerer Sinne enthält. Also ist Materie, als
das Bewegliche im Raume, die Substanz in demselben. Aber eben so werden auch
alle Theile derselben, so fern man von ihnen [42/43] nur sagen kann, daß
sie selbst Subjecte und nicht blos Prädicate von anderen Materien seyn,
Substanzen, mithin selbst wiederum Materie heißen müssen. Sie sind
aber selbst Subjecte, wenn sie für sich beweglich und also auch außer
der Verbindung mit anderen Nebentheilen etwas im Raume Existirendes sind. Also
ist die eigene Beweglichkeit der Materie, oder irgend eines Theils derselben,
zugleich ein Beweis dafür, daß dieses Bewegliche, und ein jeder
beweglicher Theil desselben, Substanz sey.
Die Materie ist ins Unendliche theilbar, und zwar in Theile,
deren jeder wiederum Materie ist.
Die Materie ist undurchdringlich, und zwar durch ihre ursprüngliche
Ausdehnungskraft (Lehrs. 3), diese aber ist nur die Folge der repulsiven Kräfte
eines jeden Puncts in einem von Materie erfüllten Raum. Nun ist der Raum,
den die Materie erfüllet, ins Unendliche mathematisch theilbar, d. i.
seine Theile können ins Unendliche unterschieden, obgleich nicht bewegt,
folglich auch nicht getrennt werden, (nach Beweisen der Geometrie). In einem mit
Materie erfülleten Raume aber enthält jeder Theil desselben repulsive
Kraft, allen übrigen nach allen Seiten entgegen zu wirken, mithin sie zurück
zu treiben und von [43/44] ihnen eben so wohl zurückgetrieben, d. i.
zur Entfernung von denselben bewegt zu werden. Mithin ist ein jeder Theil eines
durch Materie erfüllten Raums für sich selbst beweglich, folglich
trennbar von den übrigen als materielle Substanz durch physische Theilung.
So weit sich also die mathematische Theilbarkeit des Raumes, den eine Materie
erfüllt, erstreckt, so weit erstreckt sich auch die mögliche physische
Theilung der Substanz, die ihn erfüllt. Die mathematische Theilbarkeit aber
geht ins Unendliche, folglich auch die physische, d. i. alle Materie ist
ins Unendliche theilbar, und zwar in Theile, deren jeder selbst wiederum
materielle Substanz ist.
Durch den Beweis der unendlichen Theilbarkeit des Raums ist die
der Materie lange noch nicht bewiesen, wenn nicht vorher dargethan worden: daß
in jedem Theile des Raumes materielle Substanz sey, d. i. für sich
bewegliche Theile anzutreffen sind. Denn, wollte ein Monadist annehmen, die
Materie bestände aus physischen Puncten, deren ein jeder zwar (eben darum)
keine bewegliche Theile habe, aber dennoch durch bloße repulsive Kraft
einen Raum erfüllete: so würde er gestehen können, daß zwar
dieser Raum, aber nicht die Substanz, die in ihm wirkt, mithin zwar die Sphäre
der Wirksamkeit der letzteren, aber nicht das wirkende bewegliche Subject selbst
durch die Theilung des Raums zugleich getheilt werde. [44/45] Also würde er
die Materie aus physisch untheilbaren Theilen zusammensetzen, und sie doch auf
dynamische Art einen Raum einnehmen lassen.
Durch den obigen Beweis aber ist dem Monadisten diese Ausflucht
gänzlich benommen. Denn daraus ist klar: daß in einem erfüllten
Raume kein Punct seyn könne, der nicht selbst nach allen Seiten Zurückstoßung
ausübete, so wie er zurückgestoßen wird, mithin als ein außer
jedem anderen zurückstoßenden Puncte befindliches gegenwirkendes
Subject an sich selbst beweglich wäre, und daß die Hypothese eines
Puncts, der durch bloße treibende Kraft, und nicht vermittelst anderer,
gleichfalls zurückstoßenden Kräfte, einen Raum erfüllete, gänzlich
unmöglich sey. Um dieses und dadurch auch den Beweis des vorhergehenden
Lehrsatzes anschaulich zu machen
nehme man an, A sey der Ort einer Monas im Raume, ab sey der
Durchmesser der Sphäre ihrer repulsiven Kraft, mithin aA der Halbmesser
derselben, so ist zwischen a, wo dem Eindringen einer äußeren Monade
in den Raum, den jene Sphäre einnimmt, widerstanden wird, und dem
Mittelpuncte derselben A, ein Punct c anzugeben möglich (laut der
unendlichen Theilbarkeit des Raumes). Wenn nun A demjenigen, was in a
einzudringen trachtet, widersteht, so muß auch c den beiden Puncten A und
a wi-[45/46]derstehen. Denn wäre dieses nicht, so würden sie sich
einander ungehindert nähern, folglich A und a im Puncte c zusammentreffen,
d. i. der Raum würde durchdrungen werden. Also muß in c etwas
seyn, was dem Eindringen von A und a widersteht und also die Monas A zurücktreibt,
so wie es auch von ihr zurückgetrieben wird. Da nun Zurücktreiben ein
Bewegen ist, so ist c etwas bewegliches, im Raum mithin Materie, und der Raum
zwischen A und a konnte nicht durch die Sphäre der Wirksamkeit einer
einzigen Monade angefüllt seyn, also auch nicht der Raum zwischen c und A,
und so ins Unendliche.
Wenn Mathematiker die repulsiven Kräfte der Theile
elastischer Materien, bey größerer oder kleinerer Zusammendrückung
derselben, als nach einer gewissen Proportion ihrer Entfernungen von einander
abnehmend oder zunehmend sich vorstellen, z. B. daß die kleinsten
Theile der Luft sich in umgekehrtem Verhältnis ihrer Entfernungen von
einander zurücktreiben, weil die Elasticität derselben in umgekehrtem
Verhältnis der Räume steht, darin sie zusammengedrückt werden: so
verfehlt man gänzlich ihren Sinn und misdeutet ihre Sprache, wenn man das,
was zum Verfahren der Construction eines Begriffs nothwendig gehört, dem
Begriffe im Object selbst beylegt. Denn nach jenem kann eine jede Berührung
als eine unendlich kleine Entfernung vorgestellt werden; welches in solchen Fällen
auch nothwendig geschehen muß, wo ein großer oder kleiner Raum durch
eben dieselbe Quantität der Materie, [46/47] d. i. einerley Quantum
repulsiver Kräfte, als ganz erfüllt vorgestellt werden soll. Bey einem
ins Unendliche Theilbaren darf darum dennoch keine wirkliche Entfernung der
Theile, die bey aller Erweiterung des Raums des Ganzen immer ein Continuum
ausmachen, angenommen werden, obgleich die Möglichkeit dieser Erweiterung
nur unter der Idee einer unendlich kleinen Entfernung anschaulich gemacht werden
kann.
Die Mathematik kann zwar in ihrem inneren Gebrauche in Ansehung
der Chicane einer verfehlten Metaphysik ganz gleichgültig seyn, und im
sicheren Besitz ihrer evidenten Behauptungen von der unendlichen Theilbarkeit
des Raumes beharren, was für Einwürfe auch eine an bloßen
Begriffen klaubende Vernünfteley dagegen auf die Bahn bringen mag; allein
in der Anwendung ihrer Sätze, die vom Raume gelten, auf Substanz, die ihn
erfüllt, muß sie sich doch auf Prüfung nach bloßen
Begriffen, mithin auf Metaphysik einlassen. Obiger Lehrsatz ist schon ein Beweis
davon. Denn es folgt nicht nothwendig, daß Materie ins Unendliche physisch
theilbar sey, wenn sie es gleich in mathematischer Absicht ist, wenn gleich ein
jeder Theil des Raums wiederum ein Raum ist, und also immer Theile außerhalb
einander in sich faßt, woferne nicht bewiesen werden kann, daß in
jedem aller möglichen Theile dieses erfülleten Raumes auch Substanz
sey, die folglich auch, abgesondert von allen übrigen, als für sich
[47/48] beweglich existire. Also fehlete doch bisher dem mathematischen Beweise
noch etwas, ohne welches er auf die Naturwissenschaft keine sichere Anwendung
haben konnte, und diesem Mangel ist in obstehendem Lehrsatz abgeholfen worden.
Was nun aber die übrigen Angriffe der Metaphysik auf den nunmehr physischen
Lehrsatz der unendlichen Theilbarkeit der Materie betrift, so muß sie der
Mathematiker gänzlich dem Philosophen überlassen, der ohnedem durch
diese Einwürfe sich selbst in ein Labyrinth begiebt, woraus es ihm schwer
wird, auch in den ihn unmittelbar angehenden Fragen, herauszufinden, und also
mit sich selbst genug zu thun hat, ohne daß der Mathematiker sich in
dieses Geschäfte dürfte einflechten lassen. Wenn nämlich die
Materie ins Unendliche theilbar ist, so (schließt der dogmatische
Metaphysiker) besteht sie aus einer unendlichen Menge von Theilen; denn ein
Ganzes muß doch alle die Theile zum voraus insgesamt schon in sich
enthalten, in die es getheilt werden kann. Der letztere Satz ist auch von einem
jeden Ganzen, als Dinge an sich selbst, ungezweifelt gewiß, mithin, da man
doch nicht einräumen kann, die Materie, ja gar selbst nicht einmal der
Raum, bestehe aus unendlich viel Theilen, (weil es ein Widerspruch ist, eine
unendliche Menge, deren Begriff es schon mit sich führt, daß sie
niemals vollendet vorgestellt werden könne, sich als ganz vollendet zu
denken) so müsse man sich zu einem entschließen, entweder dem
Geometer zum Trotz zu sagen: der Raum ist nicht ins Unendliche [48/49] theilbar,
oder dem Metaphysiker zur Aergernis: der Raum ist keine Eigenschaft eines Dinges
an sich selbst, und also die Materie kein Ding an sich selbst, sondern bloße
Erscheinung unserer äußeren Sinne überhaupt, so wie der Raum die
wesentliche Form derselben.
Hier geräth nun der Philosoph in ein Gedränge zwischen
den Hörnern eines gefährlichen Dilemms. Den ersteren Satz: daß
der Raum ins Unendliche theilbar sey, abzuleugnen, ist ein leeres Unterfangen,
denn Mathematik läßt sich nichts wegvernünfteln; Materie aber
als Ding an sich selbst, mithin den Raum als Eigenschaft der Dinge an sich
selbst ansehen, und dennoch jenen Satz ableugnen, ist einerley. Er sieht sich
also nothgedrungen, von der letzteren Behauptung, so gemein und dem gemeinen
Verstande gemäß sie auch sey, abzugehen, aber natürlicher Weise
nur unter dem Beding, daß man ihn auf den Fall, daß er Materie und
Raum nur zur Erscheinung (mithin letzteren nur zur Form unserer äußerer
sinnlichen Anschauung, also beide nicht zu Sachen an sich, sondern nur zu
subjectiven Vorstellungsarten uns an sich unbekannter Gegenstände) machte,
alsdenn auch aus jener Schwierigkeit, wegen unendlicher Theilbarkeit der
Materie, wobey sie doch nicht aus unendlich viel Theilen bestehe, heraushelfe.
Dieses letztere läßt sich nun ganz wol durch die Vernunft denken,
obgleich unmöglich anschaulich machen und construiren. Denn, was nur
dadurch wirklich ist, daß es in der Vorstellung gegeben ist, davon ist
auch [49/50] nicht mehr gegeben, als so viel in der Vorstellung angetroffen
wird, d. i. so weit der Progressus der Vorstellungen reicht. Also von
Erscheinungen, deren Theilung ins Unendliche geht, kann man nur sagen, daß
der Theile der Erscheinung so viel sind, als wir deren nur geben, d. i. so
weit wir nur immer theilen mögen. Denn die Theile, als zur Existenz einer
Erscheinung gehörig, existiren nur in Gedanken, nämlich in der
Theilung selbst. Nun geht zwar die Theilung ins Unendliche, aber sie ist doch
niemals als unendlich gegeben: also folgt daraus nicht, daß das Theilbare
eine unendliche Menge Theile an sich selbst und außer unserer Vorstellung
in sich enthalte, darum weil seine Theilung ins Unendliche geht. Denn es ist
nicht das Ding, sondern nur diese Vorstellung desselben, deren Theilung, ob sie
zwar ins Unendliche fortgesetzt werden kann, und im Objecte (das an sich
unbekannt ist) dazu auch ein Grund ist, dennoch niemals vollendet, folglich ganz
gegeben werden kann, und also auch keine wirkliche unendliche Menge im Objecte
(als die ein ausdrücklicher Widerspruch seyn würde,) beweiset. Ein großer
Mann, der, vielleicht mehr als sonst jemand, das Ansehen der Mathematik in
Deutschland zu erhalten beyträgt, hat mehrmalen die metaphysischen Anmaßungen,
Lehrsätze der Geometrie von der unendlichen Theilbarkeit des Raums umzustoßen,
durch die gegründete Erinnerung abgewiesen: daß der Raum nur zu der
Erscheinung äußerer Dinge gehöre; allein er ist nicht verstanden
worden. Man nahm diesen Satz so, [50/51] als ob er sagen wollte: der Raum
erscheine uns selbst, sonst sey er eine Sache oder Verhältnis der Sachen an
sich selbst, der Mathematiker betrachtete ihn aber nur, wie er erscheint;
anstatt daß sie darunter hätten verstehen sollen, der Raum sey gar
keine Eigenschaft, die irgend einem Dinge außer unseren Sinnen an sich anhängt,
sondern nur die subjective Form unserer Sinnlichkeit, unter welcher uns Gegenstände
äußerer Sinne, die wir, wie sie an sich beschaffen sind, nicht
kennen, erscheinen, welche Erscheinung wir denn Materie nennen. Bey jener
Misdeutung dachte man sich den Raum immer noch als eine den Dingen auch außer
unserer Vorstellungskraft anhängende Beschaffenheit, die sich aber der
Mathematiker nur nach gemeinen Begriffen, d. i. verworren denkt, (denn so
erklärt man gemeinhin Erscheinung) und schrieb also den mathematischen
Lehrsatz von der unendlichen Theilbarkeit der Materie, einen Satz, der die höchste
Deutlichkeit in dem Begriffe des Raums voraussetzt, einer verworrenen
Vorstellung vom Raume, die der Geometer zum Grunde legte, zu, wobey es denn dem
Metaphysiker unbenommen blieb, den Raum aus Puncten und die Materie aus
einfachen Theilen zusammen zu setzen und so (seiner Meinung nach) Deutlichkeit
in diesen Begriff zu bringen. Der Grund dieser Verirrung liegt in einer übelverstandenen
Monadologie, die gar nicht zur Erklärung der Naturerscheinungen gehört,
sondern ein von Leibnitzen ausgeführter, an sich richtiger platonischer
Begriff von der Welt ist, so [51/52] fern sie gar nicht als Gegenstand der
Sinne, sondern als Ding an sich selbst betrachtet, blos ein Gegenstand des
Verstandes ist, der aber doch den Erscheinungen der Sinne zum Grunde liegt. Nun
muß freylich das Zusammengesetzte der Dinge an sich selbst aus dem
Einfachen bestehen; denn die Theile müssen hier vor aller Zusammensetzung
gegeben seyn. Aber das Zusammengesetzte in der Erscheinung besteht nicht aus dem
Einfachen, weil in der Erscheinung, die niemals anders als zusammengesetzt
(ausgedehnt) gegeben werden kann, die Theile nur durch Theilung und also nicht
vor dem Zusammengesetzten, sondern nur in demselben gegeben werden können.
Daher war Leibnitzens Meinung, so viel ich einsehe, nicht, den Raum durch die
Ordnung einfacher Wesen neben einander zu erklären, sondern ihm vielmehr
diese als correspondirend, aber zu einer blos intelligibeln (für uns
unbekannten) Welt gehörig zur Seite zu setzen, und nichts anders zu
behaupten, als was anderwerts gezeigt worden, nämlich daß der Raum,
samt der Materie, davon er die Form ist, nicht die Welt von Dingen an sich
selbst, sondern nur die Erscheinung derselben enthalte, und selbst nur die Form
unserer äußern sinnlichen Anschauung sey.
Die Möglichkeit der Materie erfodert eine Anziehungskraft
als die zweyte wesentliche Grundkraft derselben. [52/53]
Die Undurchdringlichkeit, als die Grundeigenschaft der Materie,
wodurch sie sich als etwas Reales im Raume unseren äußeren Sinnen
zuerst offenbaret, ist nichts, als das Ausdehnungsvermögen der Materie
(Lehrsatz). Nun kann eine wesentliche bewegende Kraft, dadurch die Theile der
Materie einander fliehen, erstlich nicht durch sich selbst eingeschränkt
werden, weil die Materie dadurch vielmehr bestrebt ist, den Raum, den sie erfüllt,
continuirlich zu erweitern, zweytens auch nicht durch den Raum allein auf eine
gewisse Grenze der Ausdehnung gesetzt werden; denn dieser kann zwar den Grund
davon enthalten, daß bey Erweiterung des Volumens einer sich ausdehnenden
Materie die ausdehnende Kraft in umgekehrtem Verhältnisse schwächer
werde, aber, weil von einer jeden bewegenden Kraft ins Unendliche kleinere Grade
möglich sind, niemals den Grund enthalten, daß sie irgendwo aufhöre.
Also würde die Materie durch ihre repulsive Kraft (welche den Grund der
Undurchdringlichkeit enthält) allein, und, wenn ihr nicht eine andere
bewegende Kraft entgegenwirkte, innerhalb keinen Grenzen der Ausdehnung gehalten
seyn, d. i. sich ins Unendliche zerstreuen, und in keinem anzugebenden
Raume würde eine anzugebende Quantität Materie anzutreffen seyn.
Folglich würden, bey blos repellirenden Kräften der Materie, alle Räume
leer, mithin ei-[53/54]gentlich gar keine Materie daseyn. Es erfodert also alle
Materie zu ihrer Existenz Kräfte, die der ausdehnenden entgegengesetzt
sind, d. i. zusammendrückende Kräfte. Diese können aber
ursprünglich nicht wiederum in der Entgegenstrebung einer anderen Materie
gesucht werden; denn diese bedarf, damit sie Materie sey, selbst einer
zusammendrückenden Kraft. Also muß irgendwo eine ursprüngliche
Kraft der Materie, welche in entgegengesetzter Direction der repulsiven, mithin
zur Annäherung wirkt, d. i. eine Anziehungskraft, angenommen werden.
Da nun diese Anziehungskraft zur Möglichkeit einer Materie, als Materie, überhaupt
gehört, folglich vor allen Unterschieden derselben vorhergeht, so darf sie
nicht blos einer besonderen Gattung derselben, sondern muß jeder Materie überhaupt
und zwar ursprünglich beygelegt werden. Also kommt aller Materie eine ursprüngliche
Anziehung, als zu ihrem Wesen gehörige Grundkraft, zu.
Bey diesem Uebergange von einer Eigenschaft der Materie zu einer
andern specifisch davon unterschiedenen, die zum Begriffe der Materie eben sowol
gehört, obgleich in demselben nicht enthalten ist, muß das Verhalten
unseres Verstandes in nähere Erwägung gezogen werden. Wenn
Anziehungskraft selbst zur Möglichkeit der Materie ursprünglich
erfodert wird, warum bedienen wir uns ihrer [54/55] nicht eben sowol, als der
Undurchdringlichkeit, zum ersten Kennzeichen einer Materie? warum wird die
letztere unmittelbar mit dem Begriffe einer Materie gegeben, die erstere aber
nicht in dem Begriffe gedacht, sondern nur durch Schlüsse ihm beygefügt?
Daß unsere Sinne uns diese Anziehung nicht so unmittelbar wahrnehmen
lassen, als die Zurückstoßung und das Widerstreben der
Undurchdringlichkeit, kann die Schwierigkeit noch nicht hinlänglich
beantworten. Denn, wenn wir auch ein solches Vermögen hätten, so ist
doch leicht einzusehen, daß unser Verstand sich nichts destoweniger die
Erfüllung des Raumes wählen würde, um dadurch die Substanz im
Raume, d. i. die Materie zu bezeichnen, wie denn eben in dieser Erfüllung,
oder, wie man sie sonst nennt, der Solidität das Characteristische der
Materie, als eines vom Raume unterschiedenen Dinges, gesetzt wird. Anziehung,
wenn wir sie auch noch so gut empfänden, würde uns doch niemals eine
Materie von bestimmtem Volumen und Gestalt offenbaren, sondern nichts als die
Bestrebung unseres Organs, sich einem Puncte außer uns (dem Mittelpunct
des anziehenden Körpers) zu nähern. Denn die Anziehungskraft aller
Theile der Erde kann auf uns nichts mehr, auch nichts anderes wirken, als wenn
sie gänzlich in dem Mittelpuncte derselben vereinigt wäre, und dieser
allein auf unsern Sinn einflösse, eben so die Anziehung eines Berges, oder
jeden Steins etc. Nun bekommen wir dadurch keinen bestimmten Begriff von irgend
einem Objecte im Raume, [55/56] da weder Gestalt, noch Größe, ja
nicht einmal der Ort, wo er sich befände, in unsere Sinne fallen kann (die
bloße Direction der Anziehung würde wargenommen werden können,
wie bey der Schwere: der anziehende Punct würde unbekannt seyn, und ich
sehe nicht einmal wohl ein, wie er selbst durch Schlüsse ohne Warnehmung
der Materie, so fern sie den Raum erfüllt, sollte ausgemittelt werden).
Also ist klar: daß die erste Anwendung unserer Begriffe von Größen
auf Materie, durch die es uns zuerst möglich wird, unsere äußere
Wahrnehmungen in dem Erfahrungsbegriffe einer Materie als Gegenstandes überhaupt
zu verwandeln, nur auf ihrer Eigenschaft, dadurch sie einen Raum erfüllt,
gegründet sey, welche, vermittelst des Sinnes des Gefühls, uns die Größe
und Gestalt eines ausgedehnten, mithin von einem bestimmten Gegenstande im Raume
einen Begriff verschafft, der allem übrigen, was man von diesem Dinge sagen
kann, zum Grunde gelegt wird. Eben dieses ist ohne Zweifel die Ursache, weswegen
man bey den klärsten anderweitigen Beweisen, daß Anziehung eben so
wol zu den Grundkräften der Materie gehören müsse, als Zurückstoßung,
sich gleichwol gegen die erstere so sehr sträubt, und gar keine bewegende
Kräfte, als nur durch Stoß und Druck (beides vermittelst der
Undurchdringlichkeit) einräumen will. Denn, wodurch der Raum erfüllet
ist, das ist die Substanz, sagt man, und das hat auch seine gute Richtigkeit. Da
aber diese Substanz ihr Daseyn uns nicht anders, als durch den Sinn, [56/57]
wodurch wir ihre Undurchdringlichkeit wahrnehmen, nämlich das Gefühl,
offenbart, mithin nur in Beziehung auf Berührung, deren Anfang (in der Annäherung
einer Materie zur andern) der Stoß, die Fortdauer aber ein Druck heißt:
so scheint es, als ob alle unmittelbare Wirkung einer Materie auf die andere,
niemals was anders, als Druck, oder Stoß seyn könne, zwey Einflüsse,
die wir allein unmittelbar empfinden können, dagegen Anziehung, die uns an
sich entweder gar keine Empfindung, oder doch keinen bestimmten Gegenstand
derselben geben kann, uns als Grundkraft so schwer in den Kopf will.
Durch bloße Anziehungskraft, ohne Zurückstoßung,
ist keine Materie möglich.
Anziehungskraft ist die bewegende Kraft der Materie, wodurch sie
eine andere treibt, sich ihr zu nähern, folglich, wenn sie zwischen allen
Theilen der Materie angetroffen wird, ist die Materie vermittelst ihrer bestrebt
die Entfernung ihrer Theile von einander, mithin auch den Raum, den sie zusammen
einnehmen, zu verringern. Nun kann nichts die Wirkung einer bewegenden Kraft
hindern, als eine andere ihr entgegengesetzte bewegende Kraft; diese aber,
welche der Attraction entgegengesetzt ist, ist die repulsive Kraft. Also würden,
ohne repulsive Kräfte durch bloße An-[57/58]näherung, alle
Theile der Materie sich ohne Hindernis einander nähern, und den Raum, den
diese einnimmt, verringern. Da nun in dem angenommenen Falle keine Entfernung
der Theile ist, in welcher eine größere Annäherung durch
Anziehung vermittelst einer zurückstoßenden Kraft unmöglich
gemacht wurde, so würden sie sich so lange zu einander bewegen, bis gar
keine Entfernung zwischen ihnen angetroffen würde, d. i. sie würden
in einen mathematischen Punct zusammenfließen, und der Raum würde
leer, mithin ohne alle Materie seyn. Dennoch ist Materie durch bloße
Anziehungskräfte ohne zurückstoßende unmöglich.
Diejenige Eigenschaft, auf welcher als Bedingung selbst die
innere Möglichkeit eines Dinges beruht, ist ein wesentliches Stück
derselben. Also gehört die Zurückstoßungskraft zum Wesen der
Materie eben so wohl, wie die Anziehungskraft, und keine kann von der anderen im
Begriff der Materie getrennt werden.
Weil überall nur zwey bewegende Kräfte im Raum gedacht
werden können, die Zurückstoßung und Anziehung, so war es, um
beider ihre Vereinigung im Begriffe einer Materie überhaupt a priori zu
beweisen, vorher nöthig, daß jede für sich allein erwogen würde,
um zu sehen, was [58/59] sie, allein genommen, zur Darstellung einer Materie
leisten könnte. Es zeigt sich nun, daß, sowol wenn man keine von
beiden zum Grunde legt, als auch wenn man blos eine von ihnen annimmt, der Raum
allemal leer bleibe und keine Materie in demselben angetroffen werde.
Berührung im physischen Verstande ist die unmittelbare
Wirkung und Gegenwirkung der Undurchdringlichkeit. Die Wirkung einer Materie auf
die andere außer der Berührung ist die Wirkung in die Ferne (actio in
distans). Diese Wirkung in die Ferne, die auch ohne Vermittelung zwischen inne
liegender Materie möglich ist, heißt die unmittelbare Wirkung in die
Ferne, oder auch die Wirkung der Materien auf einander durch den leeren Raum.
Die Berührung in mathematischer Bedeutung ist die
gemeinschaftliche Grenze zweyer Räume, die also weder innerhalb dem einen,
noch dem anderen Raume ist. Daher können gerade Linien einander nicht berühren,
sondern, wenn sie einen Punct gemein haben, so gehört er sowohl innerhalb
die eine, als die andere dieser Linien, wenn sie fortgezogen werden, d. i.
sie schneiden sich. Aber Cirkel und gerade Linie, Cirkel und Cirkel, berühren
[59/60] sich in einem Puncte, Flächen in einer Linie und Körper in Flächen.
Die mathematische Berührung wird bey der physischen zum Grunde gelegt, aber
sie macht sie allein noch nicht aus, zu ihr muß, damit die letztere daraus
entspringe, noch ein dynamisches Verhältnis und zwar nicht der Anziehungskräfte,
sondern der zurückstoßenden, d. i. der Undurchdringlichkeit
hinzugedacht werden. Physische Berührung ist Wechselwirkung der repulsiven
Kräfte in der gemeinschaftlichen Grenze zweyer Materien.
Die aller Materie wesentliche Anziehung ist eine unmittelbare
Wirkung derselben auf andere durch den leeren Raum.
Die ursprüngliche Anziehungskraft enthält selbst den
Grund der Möglichkeit der Materie, als desjenigen Dinges, was einen Raum in
bestimmtem Grade erfüllt, mithin selbst sogar von der Möglichkeit
einer physischen Berührung derselben. Sie muß also vor dieser
vorhergehen, und ihre Wirkung muß folglich von der Bedingung der Berührung
unabhängig seyn. Nun ist die Wirkung einer bewegenden Kraft, die von aller
Berührung unabhängig ist, auch von der Erfüllung des Raums
zwischen dem bewegenden und dem bewegten unabhängig, d. i. sie muß
auch, ohne daß der Raum zwischen beiden erfüllt ist, Statt
fin-[60/61]den, mithin als Wirkung durch den leeren Raum. Also ist die ursprüngliche
und aller Materie wesentliche Anziehung eine unmittelbare Wirkung derselben auf
andere durch den leeren Raum.
Daß man die Möglichkeit der Grundkräfte
begreiflich machen sollte, ist eine ganz unmögliche Foderung; denn sie heißen
eben darum Grundkräfte, weil sie von keiner anderen abgeleitet d. i.
gar nicht begriffen werden können. Es ist aber die ursprüngliche
Anziehungskraft nicht im mindesten unbegreiflicher, als die ursprüngliche
Zurückstoßung. Sie bietet sich nur nicht so unmittelbar den Sinnen
dar, als die Undurchdringlichkeit, uns Begriffe von bestimmten Objecten im Raume
zu liefern. Weil sie also nicht gefühlt, sondern nur geschlossen werden
will, so hat sie so fern den Anschein einer abgeleiteten Kraft, gleich als ob
sie nur ein verstecktes Spiel der bewegenden Kräfte durch Zurückstoßung
wäre. Näher erwogen sehen wir: daß sie gar nicht weiter irgend
wovon abgeleitet werden könne, am wenigsten von der bewegenden Kraft der
Materien durch ihre Undurchdringlichkeit, da ihre Wirkung gerade das Widerspiel
der letzteren ist. Der gemeinste Einwurf wider die unmittelbare Wirkung in die
Ferne ist: daß eine Materie doch nicht da, wo sie nicht ist, unmittelbar
wirken könne. Wenn die Erde den Mond unmittelbar treibt, sich ihr zu nähern,
so wirkt die Erde auf ein Ding, das viele tausend Meilen von ihr
ent-[61/62]fernt ist, und dennoch unmittelbar; der Raum zwischen ihr und dem
Monde mag auch als völlig leer angesehen werden. Denn obgleich zwischen
beiden Körpern Materie läge, so thut diese doch nichts zu jener
Anziehung. Sie wirkt also an einem Orte, wo sie nicht ist, unmittelbar: etwas
was dem Anscheine nach widersprechend ist. Allein es ist so wenig
widersprechend, daß man vielmehr sagen kann, ein jedes Ding im Raume wirkt
auf ein anderes nur an einem Ort, wo das Wirkende nicht ist. Denn sollte es an
demselben Orte, wo es selbst ist, wirken, so würde das Ding, worauf es
wirkt, gar nicht außer ihm seyn; denn dieses Außerhalb bedeutet die
Gegenwart in einem Orte, darin das andere nicht ist. Wenn Erde und Mond einander
auch berührten, so wäre doch der Punct der Berührung ein Ort, in
dem weder die Erde noch der Mond ist; denn beide sind um die Summe ihrer
Halbmesser von einander entfernt. Auch würde im Puncte der Berührung
sogar kein Theil, weder der Erde, noch des Mondes, anzutreffen seyn, denn dieser
Punct liegt in der Grenze beider erfüllten Räume, die keinen Theil,
weder von dem einen noch dem anderen ausmacht. Daß also Materien in
einander in der Entfernung nicht unmittelbar wirken können, würde so
viel sagen, als, sie können in einander nicht unmittelbar wirken, ohne
Vermittelung der Kräfte der Undurchdringlichkeit. Nun würde dieses
eben so viel seyn, als ob ich sagte: die repulsiven Kräfte sind die
einzigen, damit Materien wirksam seyn können, oder [62/63] sie sind
wenigstens die nothwendigen Bedingungen, unter denen allein Materien auf
einander wirken können, welches entweder die Anziehungskraft für ganz
unmöglich oder doch immer von der Wirkung der repulsiven Kräfte abhängig
erklären würde; beides sind aber Behauptungen ohne allen Grund. Die
Verwechselung der mathematischen Berührung der Räume und der
physischen durch zurücktreibende Kräfte, macht hier den Grund des
Misverstandes aus. Sich unmittelbar außer der Berührung anziehen, heißt
sich einander nach einem beständigen Gesetze nähern, ohne daß
eine Kraft der Zurückstoßung dazu die Bedingung enthalte, welches
doch eben so gut sich muß denken lassen, als einander unmittelbar zurückstoßen,
d. i. sich einander nach einem beständigen Gesetze fliehen, ohne daß
die Anziehungskraft daran irgend einigen Antheil habe. Denn beide bewegende Kräfte
sind von ganz verschiedener Art, und es ist nicht der mindeste Grund dazu, eine
von der anderen abhängig zu machen, und ihr ohne Vermittelung der andern,
die Möglichkeit abzustreiten.
Aus der Anziehung in der Berührung kann gar keine Bewegung
entspringen; denn die Berührung ist Wechselwirkung der
Undurchdringlichkeit, welche also alle Bewegung abhält. Also muß doch
irgend eine unmittelbare Anziehung außer der Berührung und mithin in
der Entfernung angetroffen werden; denn sonst könnten selbst die drückenden
und stoßenden Kräfte, welche die Bestrebung [63/64] zur Annäherung
hervorbringen sollen, da sie in entgegengesetzter Richtung mit der repulsiven
Kraft der Materie wirken, keine, wenigstens nicht in der Natur der Materie ursprünglich
liegende, Ursache haben. Man kann diejenige Anziehung, die ohne Vermittelung der
repulsiven Kräfte geschieht, die wahre Anziehung, diejenige, welche blos
auf jene Art vor sich geht, die scheinbare nennen; denn eigentlich übt der
Körper, dem ein anderer sich blos darum zu nähern bestrebt ist, weil
dieser anderweitig durch Stoß zu ihm getrieben worden, gar keine
Anziehungskraft auf diesen aus. Aber selbst diese scheinbare Anziehungen müssen
doch zuletzt eine wahre zum Grunde haben, weil Materie, deren Druck oder Stoß
statt Anziehung dienen soll, ohne anziehende Kräfte nicht einmal Materie
seyn würde (Lehrsatz 5.) und folglich die Erklärungsart aller Phänomenen
der Annäherung durch blos scheinbare Anziehung sich im Cirkel herumdreht.
Man hält gemeiniglich dafür, Newton habe zu seinem System gar nicht nöthig
gefunden, eine unmittelbare Attraction der Materien anzunehmen, sondern, mit der
strengsten Enthaltsamkeit der reinen Mathematik, hierin den Physikern volle
Freyheit gelassen, die Möglichkeit derselben zu erklären, wie sie es
gut finden möchten, ohne seine Sätze mit ihrem Hypothesenspiel zu
bemengen. Allein wie konnte er den Satz gründen, daß die allgemeine
Anziehung der Körper, die sie in gleichen Entfernungen um sich ausüben,
der Quantität ihrer Materie proportionirt sey, wenn er nicht
an-[64/65]nahm, daß alle Materie, mithin blos als Materie und durch ihre
wesentliche Eigenschaft, diese Bewegungskraft ausübe? Denn obgleich
freylich zwischen zwey Körpern, sie mögen der Materie nach gleichartig
seyn, oder nicht, wenn der eine den anderen zieht, die wechselseitige Annäherung
(nach dem Gesetze der Gleichheit der Wechselwirkung) immer in umgekehrtem Verhältniß
der Quantität der Materie geschehen muß, so macht dieses Gesetz doch
nur ein Princip der Mechanik, aber nicht der Dynamik, d. i. es ist ein
Gesetz der Bewegungen, die aus anziehenden Kräften folgen, nicht der
Proportion der Anziehungskräfte selbst, und gilt von allen bewegenden Kräften
überhaupt. Wenn daher ein Magnet einmal durch einen anderen gleichen
Magnet, ein andermal durch eben denselben, der aber in einer zweymal schwereren
hölzernen Büchse eingeschlossen wäre, gezogen wird, so wird
dieser im letzteren Falle dem ersteren mehr relative Bewegung ertheilen, als im
ersteren, obgleich das Holz, welches die Quantität der Materie des
letzteren vermehrt, zur Anziehungskraft desselben gar nichts hinzuthut und keine
magnetische Anziehung der Büchse beweiset. Newton sagt (Cor. 2. Prop. 6.
Lib. III. Princip. Phil. N.) wenn der Aether, oder irgend ein anderer Körper
ohne Schwere wäre, so würde, da jener von jeder anderen Materie doch
in nichts, als der Form, unterschieden ist, er nach und nach durch allmälige
Veränderung dieser Form in eine Materie von der Art, wie die, so auf Erden
die meiste [65/66] Schwere haben, verwandelt werden können, und diese
letztere also umgekehrt durch allmälige Veränderung ihrer Form, alle
ihre Schwere verlieren können, welches der Erfahrung zuwider ist etc."
Er schloß also selbst nicht den Aether (wieviel weniger andere Materien)
vom Gesetze der Anziehung aus. Was konnte ihm denn nun noch für eine
Materie übrigbleiben, um durch deren Stoß die Annäherung der Körper
zu einander als bloße scheinbare Anziehung anzusehen? Also kann man diesen
großen Stifter der Attractionstheorie nicht als seinen Vorgänger anführen,
wenn man sich die Freyheit nimmt, der wahren Anziehung, die dieser behauptete,
eine scheinbare zu unterschieben, und die Nothwendigkeit des Antriebs durch den
Stoß anzunehmen, um das Phänomen der Annäherung zu erklären.
Er abstrahirte mit Recht von allen Hypothesen, die Frage wegen der Ursache der
allgemeinen Attraction der Materie zu beantworten; denn diese Frage ist
physisch, oder metaphysisch, nicht aber mathematisch, und ob er gleich in der
Vorerinnerung zur zweyten Ausgabe seiner Optik sagt: ne quis gravitatem inter
essentiales corporum proprietates me habere existimet, quaestionem unam de ejus
causa investiganda subjeci, so merkt man wol, daß der Anstoß, den
seine Zeitgenossen, und vielleicht er selbst, am Begriffe einer ursprünglichen
Anziehung nahmen, ihn mit sich selbst uneinig machte: denn er konnte
schlechterdings nicht sagen, daß sich die Anziehungskräfte zweyer
Planeten, z. B. des Jupiters und [66/67] Saturns, die sie in gleichen
Entfernungen ihrer Trabanten (deren Masse man nicht kennt) beweisen, wie die
Quantität der Materie jener Weltkörper verhalten, wenn er nicht
annahm, daß sie blos als Materie, mithin nach einer allgemeinen
Eigenschaft derselben, andere Materie anzögen.
Eine bewegende Kraft, dadurch Materien nur in der
gemeinschaftlichen Fläche der Berührung unmittelbar auf einander
wirken können, nenne ich eine Flächenkraft; diejenige aber, wodurch
eine Materie auf die Theile der andern auch über die Fläche der Berührung
hinaus unmittelbar wirken kann, eine durchdringende Kraft.
Die Zurückstoßungskraft, vermittelst deren die
Materie einen Raum erfüllt, ist eine bloße Flächenkraft. Denn
die einander berührende Theile begrenzen einer den Wirkungsraum der
anderen, und die repulsive Kraft kann keinen entferntern Theil bewegen, ohne
vermittelst der dazwischen liegenden, und eine quer durch diese gehende
unmittelbare Wirkung einer Materie auf eine andere durch Ausdehnungskräfte
ist unmöglich. Dagegen einer Anziehungskraft, vermittelst deren eine
Materie einen Raum einnimmt, ohne ihn zu erfüllen, dadurch sie also auf
andere, entfernte [67/68] wirkt durch den leeren Raum, deren Wirkung setzt keine
Materie, die dazwischen liegt, Grenzen. So muß nun die ursprüngliche
Anziehung, welche die Materie selbst möglich macht, gedacht werden, und
also ist sie eine durchdringende Kraft, und dadurch allein jederzeit der Quantität
der Materie proportionirt.
Die ursprüngliche Anziehungskraft, worauf selbst die Möglichkeit
der Materie, als einer solchen beruht, erstreckt sich im Weltraume von jedem
Theile derselben auf jeden andern unmittelbar ins Unendliche.
Weil die ursprüngliche Anziehungskraft zum Wesen der
Materie gehört, so kommt sie auch jedem Theil derselben zu, nämlich
unmittelbar auch in die Ferne zu wirken. Setzet nun: es sey eine Entfernung, über
welche heraus sie sich nicht erstreckte, so würde diese Begrenzung der Sphäre
ihrer Wirksamkeit entweder auf der innerhalb dieser Sphäre liegenden
Materie, oder blos auf der Größe des Raumes, auf welchen sie diesen
Einfluß verbreitet, beruhen. Das Erstere findet nicht statt; denn diese
Anziehung ist eine durchdringende Kraft, und wirkt unmittelbar in der
Entfernung, unerachtet aller dazwischen liegenden Materien, durch jeden Raum,
als einen lee-[68/69]ren Raum. Das Zweyte findet gleichfalls nicht statt. Denn,
weil eine jede Anziehung eine bewegende Kraft ist, die einen Grad hat, unter dem
ins Unendliche noch immer kleinere gedacht werden können: so würde in
der größeren Entfernung zwar ein Grund liegen, den Grad der
Attraction, nach dem Maaße der Ausbreitung der Kraft, in umgekehrtem Verhältnisse
zu vermindern, niemals aber sie völlig aufzuheben. Da nun also nichts ist,
was die Sphäre der Wirksamkeit der ursprünglichen Anziehung jedes
Theils der Materie irgendwo begrenzte, so erstreckt sie sich über alle
anzugebende Grenzen auf jede andere Materie, mithin im Weltraume ins Unendliche.
Aus dieser ursprünglichen Anziehungskraft, als einer
durchdringenden, von aller Materie, mithin in Proportion der Quantität
derselben, ausgeübten, und auf alle Materie, in alle mögliche Weiten,
ihre Wirkung erstreckenden Kraft, müßte nun, in Verbindung mit der
ihr entgegenwirkenden, nämlich zurücktreibenden Kraft, die Einschränkung
der letzteren, mithin die Möglichkeit eines in einem bestimmten Grade erfülleten
Raumes, abgeleitet werden können, und so würde der dynamische Begriff
der Materie, als des Beweglichen, das seinen Raum (in bestimmtem Grade) erfüllt,
construirt werden. Aber hiezu bedarf man eines Gesetzes des Verhältnisses,
sowohl der ursprüng-[69/70]lichen Anziehung, als Zurückstoßung,
in verschiedenen Entfernungen der Materie und ihrer Theile von einander,
welches, da es nun lediglich auf dem Unterschiede der Richtung dieser beiden Kräfte
(da ein Punct getrieben wird, sich entweder andern zu nähern, oder sich von
ihnen zu entfernen) und auf der Größe des Raumes beruht, in den sich
jede dieser Kräfte in verschiedenen Weiten verbreitet, eine reine
mathematische Aufgabe ist, die nicht mehr für die Metaphysik gehört,
selbst nicht was die Verantwortung betrift, wenn es etwa nicht gelingen sollte,
den Begriff der Materie auf diese Art zu construiren. Denn sie verantwortet blos
die Richtigkeit der unserer Vernunfterkenntnis vergönneten Elemente der
Construction, die Unzulänglichkeit und die Schranken unserer Vernunft in
der Ausführung verantwortet sie nicht.
Da alle gegebene Materie mit einem bestimmten Grade der
repulsiven Kraft ihren Raum erfüllen muß, um ein bestimmtes
materielles Ding auszumachen, so kann nur eine ursprüngliche Anziehung im
Conflict mit der ursprünglichen Zurückstoßung einen bestimmten
Grad der Erfüllung des Raums, mithin Materie möglich machen; es mag
nun seyn, daß der erstere von der eigenen Anziehung der Theile der
zusammengedrückten Materie unter einander, oder von [70/71] der Vereinigung
derselben mit der Anziehung aller Weltmaterie herrühre.
Die ursprüngliche Anziehung ist der Quantität der
Materie proportional und erstreckt sich ins Unendliche. Also kann die dem Maaße
nach bestimmte Erfüllung eines Raumes durch Materie am Ende nur von der ins
Unendliche sich erstreckenden Anziehung derselben bewirkt, und jeder Materie
nach dem Maaße ihrer Zurückstoßungskraft ertheilt werden.
Die Wirkung von der allgemeinen Anziehung, die alle Materie auf
alle und in allen Entfernungen unmittelbar ausübt, heißt die
Gravitation; die Bestrebung in der Richtung der größeren Gravitation
sich zu bewegen ist die Schwere. Die Wirkung von der durchgängigen
repulsiven Kraft der Theile jeder gegebenen Materie heißt dieser ihre
ursprüngliche Elasticität. Diese also und die Schwere machen die
einzigen a priori einzusehenden allgemeinen Charactere der Materie, jene
innerlich, diese im äußeren Verhältnisse aus; denn auf den Gründen
beider beruht die Möglichkeit der Materie selbst: Zusammenhang, wenn er als
die wechselseitige Anziehung der Materie, die lediglich auf die Bedingung der
Berührung eingeschränkt ist, erklärt wird, gehört nicht zur
Möglichkeit der Materie überhaupt, und kann daher a priori als damit
verbunden nicht erkannt werden. Diese Eigenschaft würde also nicht
metaphysisch, sondern [71/72] physisch seyn, und daher nicht zu unsern gegenwärtigen
Betrachtungen gehören.
Eine kleine Vorerinnerung zum Behufe des Versuchs einer solchen
vielleicht möglichen Construction kann ich doch nicht unterlassen beyzufügen.
1) Von einer jeden Kraft, die in verschiedene Welten [Weiten]
unmittelbar wirkt, und in Ansehung des Grades, womit sie auf einen jeden in
gewisser Weite gegebenen Punct bewegende Kraft ausübet, nur durch die Größe
des Raumes, in welchem sie sich ausbreiten muß, um auf jenen Punct zu
wirken, eingeschränkt wird, kann man sagen: daß sie in allen Räumen,
in die sie sich verbreitet, so klein oder so groß sie auch seyn mögen,
immer ein gleiches Quantum ausmache, daß aber der Grad ihrer Wirkung auf
jenen Punct in diesem Raume jederzeit im umgekehrten Verhältnis des Raumes
stehe, in welchen sie sich hat verbreiten müssen, um auf ihn wirken zu können.
So breitet sie z. B. von einem leuchtenden Punct das Licht allerwerts in
Kugelflächen aus, die mit den Quadraten der Entfernung immer wachsen, und
das Quantum der Erleuchtung ist in allen diesen ins Unendliche größeren
Kugelflächen im Ganzen immer dasselbe, woraus aber folgt: daß ein in
dieser Kugelfläche angenommener gleicher Theil dem Grade nach desto weniger
erleuchtet seyn müsse, als jene Fläche der Verbreitung eben desselben
Lichtquantum größer ist, und so bey allen anderen Kräften und
Gesetzen, [72/73] nach welchen sie sich entweder in Flächen, oder auch körperlichen
Raum verbreiten müssen, um ihrer Natur nach auf entfernte Gegenstände
zu wirken. Es ist besser, die Verbreitung einer bewegenden Kraft aus einem Punct
in alle Weiten so vorzustellen, als auf die gewöhnliche Art, wie es unter
andern in der Optik geschieht, durch von einem Mittelpunct auseinander laufende
Cirkelstrahlen. Denn da auf solche Art gezogene Linien niemals den Raum, durch
den sie gehen, und also auch nicht die Fläche, auf die sie treffen, füllen
können, so viel deren auch gezogen oder angelegt werden, welches die
unvermeidliche Folge ihrer Divergenz ist, so geben sie nur zu beschwerlichen
Folgerungen, diese aber zu Hypothesen Anlaß, die gar wohl vermieden werden
könnten, wenn man blos die Größe der ganzen Kugelfläche in
Betrachtung zöge, die von derselben Quantität Licht gleichförmig
erleuchtet werden soll, und den Grad der Erleuchtung derselben in jeder Stelle,
wie natürlich, in umgekehrtem Verhältnisse ihrer Größe zum
Ganzen nimmt, und so bey aller anderen Verbreitung einer Kraft durch Räume
von verschiedener Größe.
2) Wenn die Kraft eine unmittelbare Anziehung in der Ferne ist,
so muß um desto mehr die Richtungslinie der Anziehung nicht, als ob sie
von dem ziehenden Puncte wie Strahlen ausliefen, sondern so wie sie von allen
Puncten der umgebenden Kugelfläche (deren Halbmesser jene gegebene Weite
ist) zum ziehenden Punct zusammenlaufen, vorgestellt werden. Denn selbst die
Richtungslinie der [73/74] Bewegung zum Puncte hin, der die Ursache und Ziel
derselben ist, giebt schon den terminus a quo an, von wo die Linien anfangen müssen,
nämlich von allen Puncten der Oberfläche, von dem sie zum ziehenden
Mittelpuncte und nicht umgekehrt ihre Richtung haben: denn jene Größe
der Fläche bestimmt allein die Menge der Linien, der Mittelpunct läßt
sie unbestimmt. *)
*) Es ist unmöglich nach Linien, die sich strahlenweise aus
einem Puncte ausbreiten, Flächen in gegebenen Entfernungen als mit der
Wirkung derselben, sie sey Erleuchtung oder Anziehung, ganz erfüllt
vorzustellen. So würde bey solchen auslaufenden Lichtstrahlen die geringere
Erleuchtung einer entferneten Fläche blos darauf beruhen, daß
zwischen den erleuchteten Stellen unerleuchtete, und diese desto größer,
je weiter die Fläche entfernt, übrig bleiben. Eulers Hypothese
vermeidet diese Unschicklichkeit, hat aber freylich desto mehr Schwierigkeit die
geradlinigte Bewegung des Lichts begreiflich zu machen. Diese Schwierigkeit aber
rührt von einer gar wohl vermeidlichen mathematischen Vorstellung der
Lichtmaterie, als einer Anhäufung von Kügelchen her, die freylich,
nach ihrer verschiedentlich schiefen Lage gegen die Richtung des Stoßes,
Seitenbewegung des Lichts geben würde, da an dessen Statt nichts hindert,
diese Materie als ein ursprünglich Flüssiges und zwar durch und durch,
ohne in feste Körperchen zertheilt zu seyn, zu denken. Will der
Mathematiker die Abnahme des Lichts bey zunehmender Entfernung anschaulich
machen, so bedient er sich auslaufender Cirkelstrahlen, um auf der Kugelflä-[74/75]
3) Wenn die Kraft eine unmittelbare Zurückstoßung
ist, dadurch ein Punct (in der blos mathematischen Darstellung) einen Raum
dynamisch erfüllt, und es ist die Frage, nach welchem Gesetze der unendlich
kleinen Entfernungen (die hier den Berührungen gleich gelten) eine ursprüngliche
repulsive Kraft (deren Einschränkung folglich lediglich auf dem Raum
beruht, in dem sie verbreitet worden) in verschiedenen Entfernungen wirke: so
kann man noch weniger diese Kraft durch divergirende Zurückstoßungsstrahlen
aus dem angenommenen repellirenden Pun-
[Fortsetzung der Anmerkung von Seite 74]che ihrer Verbreitung
die Größe des Raumes, darin dieselbe Quantität des Lichts
zwischen diesen Cirkelstrahlen gleichförmig verbreitet werden soll, mithin
die Verringerung des Grades der Erleuchtung darzustellen; er will aber nicht, daß
man diese Strahlen als die einzig erleuchtenden ansehen solle, gleich als ob
immer lichtleere Plätze, die bey größerer Weite größer
würden, zwischen ihnen anzutreffen wären. Will man jede solcher Flächen
als durchaus erleuchtet sich vorstellen, so muß dieselbe Quantität
der Erleuchtung, die die kleinere bedeckt, auf der größeren als
gleichförmig gedacht werden, und müssen also, um die geradlinigte
Richtung anzuzeigen, von der Fläche und allen ihren Puncten zu dem
leuchtenden gerade Linien gezogen werden. Die Wirkung und ihre Größe
muß vorher gedacht seyn und darauf die Ursache verzeichnet werden. Eben
dieses gilt von den Anziehungsstrahlen, wenn man sie so nennen will, ja von
allen Richtungen der Kräfte, die von einem Puncte aus, einen Raum, und wäre
er auch ein körperlicher, erfüllen sollen. [75/76]
cte vorstellig machen, obgleich die Richtung der Bewegung ihn
zum terminus a quo hat, weil der Raum, in welchem die Kraft verbreitet werden muß,
um in der Entfernung zu wirken, ein körperlicher Raum ist, der als erfüllt
gedacht werden soll (wovon die Art, wie nämlich ein Punct durch bewegende
Kraft dieses, d. i. dynamisch, einen Raum körperlich erfüllen könne,
freylich keiner weiteren mathematischen Darstellung fähig ist) und
divergirende Strahlen aus einem Puncte die repellirende Kraft eines körperlichen
erfülleten Raumes unmöglich vorstellig machen können: sondern man
würde die Zurückstoßung, bey verschiedenen unendlich kleinen
Entfernungen dieser einander treibenden Puncte, schlechterdings blos in
umgekehrtem Verhältnisse der körperlichen Räume, die jeder dieser
Puncte dynamisch erfüllt, mithin des Cubus der Entfernungen derselben von
einander, schätzen, ohne sie construiren zu können.
4) Also würde die ursprüngliche Anziehung der Materie
in umgekehrtem Verhältnis der Quadrate der Entfernung in alle Weiten, die
ursprüngliche Zurückstoßung in umgekehrtem Verhältnis der Würfel
der unendlich kleinen Entfernungen wirken, und durch eine solche Wirkung und
Gegenwirkung beider Grundkräfte würde Materie von einem bestimmten
Grade der Erfüllung ihres Raumes möglich seyn; weil, da die Zurückstoßung
bey Annäherung der Theile in größerem Maaße wächst,
als die Anziehung, die Grenze der Annäherung, über die durch gegebene
Anzie-[76/77]hung keine größere möglich ist, mithin auch jener
Grad der Zusammendrückung bestimmt ist, der das Maaß der intensiven
Erfüllung des Raumes ausmacht.
Ich sehe wohl die Schwierigkeit dieser Erklärungsart, der Möglichkeit
einer Materie überhaupt, die darin besteht, daß, wenn ein Punct durch
repulsive Kraft unmittelbar keinen anderen treiben kann, ohne zugleich den
ganzen körperlichen Raum bis zu der gegebenen Entfernung durch seine Kraft
zu erfüllen, dieser alsdenn, wie zu folgen scheint, mehrere treibende
Puncte enthalten müßte, welches der Voraussetzung widerspricht, und
oben (Lehrsatz 4.) unter dem Namen einer Sphäre der Zurückstoßung
des Einfachen im Raume, widerlegt waren. Es ist aber ein Unterschied zwischen
dem Begriffe eines wirklichen Raumes, der gegeben werden kann, und der bloßen
Idee von einem Raume, der lediglich zur Bestimmung des Verhältnisses
gegebener Räume gedacht wird, in der That aber kein Raum ist, zu machen. In
dem angeführten Falle einer vermeinten physischen Monadologie sollten es
wirkliche Räume seyn, welche von einem Puncte dynamisch, nämlich durch
Zurückstoßung, erfüllt wären; denn sie existirten, als
Puncte, vor aller daraus möglichen Erzeugung der Materie, und bestimmten
durch die ihnen eigene Sphäre ihrer Wirksamkeit den Theil des zu erfüllenden
Raumes, der ihnen angehören könnte. Daher kann in gedachter Hypothese
die Materie auch nicht als ins Un-[77/78]endliche theilbar und als Quantum
continuum angesehen werden; denn die Theile, die unmittelbar einander zurückstoßen,
haben doch eine bestimmte Entfernung von einander (die Summe der Halbmesser der
Sphäre ihrer Zurückstoßung); dagegen, wenn wir, wie es wirklich
geschieht, die Materie als stetige Größe denken, ganz und gar keine
Entfernung der einander unmittelbar zurückstoßenden Theile
stattfindet, folglich auch keine größer oder kleiner werdende Sphäre
ihrer unmittelbaren Wirksamkeit. Nun können sich aber Materien ausdehnen,
oder zusammengedrückt werden (wie die Luft), und da stellt man sich eine
Entfernung ihrer nächsten Theile vor, die da wachsen und abnehmen können.
Weil aber die nächsten Theile einer stetigen Materie einander berühren,
sie mag nun weiter ausgedehnt oder zusammengedrückt seyn, so denkt man sich
jene Entfernungen von einander als unendlich-klein, und diesen unendlich kleinen
Raum als im größeren oder kleineren Grade von ihrer Zurückstoßungskraft
erfüllt vor. Der unendlich kleine Zwischenraum ist aber von der Berührung
gar nicht unterschieden, also nur die Idee vom Raume, die dazu dient, um die
Erweiterung einer Materie, als stetiger Größe, anschaulich zu machen,
ob sie zwar wirklich, so, gar nicht begriffen werden kann. Wenn es also heißt:
die zurückstoßenden Kräfte der einander unmittelbar treibenden
Theile der Materie stehen in umgekehrtem Verhältnisse der Würfel ihrer
Entfernungen, so bedeutet das nur: sie stehen in umgekehrtem Verhältnisse
der körperlichen Räu-[78/79]me, die man sich zwischen Theilen denkt,
die einander dennoch unmittelbar berühren, und deren Entfernung eben darum
unendlich klein genannt werden muß, damit sie von aller wirklichen
Entfernung unterschieden werde. Man muß also aus den Schwierigkeiten der
Construction eines Begriffs, oder vielmehr aus der Misdeutung derselben, keinen
Einwurf wider den Begriff selber machen; denn sonst würde er die
mathematische Darstellung der Proportion, mit welcher die Anziehung in
verschiedenen Entfernungen geschieht, eben so wohl, als diejenigen, wodurch ein
jeder Punct in einem sich ausdehnenden oder zusammengedrückten Ganzen von
Materie den andern unmittelbar zurückstößt, treffen. Das
allgemeine Gesetz der Dynamik würde in beiden Fällen dieses seyn: die
Wirkung der bewegenden Kraft, die von einem Puncte auf jeden anderen außer
ihm ausgeübt wird, verhält sich umgekehrt wie der Raum, in welchem
dasselbe Quantum der bewegenden Kraft sich hat ausbreiten müssen, um auf
diesen Punct unmittelbar in der bestimmten Entfernung zu wirken.
Aus dem Gesetze der ursprünglich einander zurückstoßenden
Theile der Materie in umgekehrtem cubischen Verhältnisse ihrer unendlich
kleinen Entfernungen müßte also nothwendig ein ganz anderes Gesetz
der Ausdehnung und Zusammendrückung derselben, als das mariottische der
Luft, folgen; denn dieses beweiset fliehende Kräfte ihrer nächsten
Theile, die in umgekehrtem Verhältnisse ihrer Entfernungen stehen, wie
Newton darthut (Princ. Ph. N. [79/80] Lib. II. Propos. 23. Schol.) Allein man
kann die Ausspannungskraft der letzteren auch nicht als die Wirkung ursprünglich
zurückstoßender Kräfte ansehen, sondern sie beruht auf der Wärme,
die nicht blos als eine in sie eingedrungene Materie, sondern allem Ansehen nach
durch ihre Erschütterungen die eigentlichen Lufttheile (denen man überdem
wirkliche Entfernungen von einander zugestehen kann) nöthigt, einander zu
fliehen. Daß aber diese Bebungen den einander nächsten Theile eine
Fliehkraft, die in umgekehrtem Verhältnisse ihrer Entfernungen steht,
ertheilen müssen, läßt sich nach den Gesetzen der Mittheilung
der Bewegung durch Schwingung elastischer Materien wol begreiflich machen.
Noch erkläre ich, daß ich nicht wolle, daß
gegenwärtige Exposition des Gesetzes einer ursprünglichen Zurückstoßung
als zur Absicht meiner metaphysischen Behandlung der Materie nothwendig gehörig
angesehen, noch die letztere (welcher es genug ist, die Erfüllung des Raums
als dynamische Eigenschaft derselben dargestellt zu haben) mit den
Streitigkeiten und Zweifeln, welche die erste treffen könnten, bemengt
werde.
Wenn wir nach allen Verhandlungen derselben zurücksehen, so
werden wir bemerken: daß darin zuerst das Reelle im Raume, (sonst genannt
das Solide) in der Erfüllung desselben durch Zurückstoßungskraft,
[80/81] zweytens das, was in Ansehung des ersteren, als des eigentlichen Objects
unserer äußeren Wahrnehmung, n e g a t i v
ist, nämlich die Anziehungskraft, durch welche, so viel an ihr ist, aller
Raum würde durchdrungen, mithin das Solide ganzlich aufgehoben werden,
drittens die E i n s c h r ä n k u n g
der ersteren Kraft durch die zweyte und die daher rührende Bestimmung des
Grades einer Erfüllung des Raumes in Betrachtung gezogen, mithin die Qualität
der Materie unter den Titeln der Realität, Negation und Limitation, so viel
es einer metaphysischen Dynamik zukommt, vollständig abgehandelt worden.
D
as allgemeine Princip der Dynamik der materiellen Natur ist: daß
alles Reale der Gegenstände äusserer Sinne, die das, was nicht blos
Bestimmung des Raums (Ort, Ausdehnung und Figur) ist, als bewegende Kraft
angesehen werden müsse; wodurch also das so genannte Solide oder die
absolute Undurchdringlichkeit, als ein leerer Begriff, aus der Naturwissenschaft
verwiesen und an ihrer Statt zurücktreibende Kraft gesetzt, dagegen aber
die wahre und unmittelbare Anziehung gegen alle Vernünfteleyen
ei-[81/82]ner sich selbst mißverstehenden Metaphysik vertheidigt, und, als
Grundkraft, selbst zur Möglichkeit des Begriffs von Materie für
nothwendig erklärt wird. Hieraus entspringt nun die Folge: daß der
Raum, wenn man es nöthig finden sollte, auch ohne leere Zwischenräume
innerhalb der Materie auszustreuen, allenfalls durchgängig und gleichwol in
verschiedenem Grade erfüllt angenommen werden könne. Denn es kann nach
dem ursprünglich verschiedenen Grade der repulsiven Kräfte, auf denen
die erste Eigenschaft der Materie, nämlich die, einen Raum zu erfüllen,
beruht, ihr Verhältniß zur ursprünglichen Anziehung (es sey
einer jeden Materie für sich selbst, oder zur vereinigten Anziehung aller
Materie des Universum) unendlich verschieden gedacht werden; weil die Anziehung
auf der Menge der Materie in einem gegebenen Raume beruht, da hingegen die
expansive Kraft derselben auf dem Grade ihn zu erfüllen, der specifisch
sehr unterschieden seyn kann; (wie etwa dieselbe Quantität Luft in
demselben Volumen nach ihrer größeren oder minderen Erwägung
mehr oder weniger Elasticität beweiset) wovon der allgemeine Grund dieser
ist: daß durch wahre Anziehung alle Theile der Materie unmittelbar auf
alle Theile der andern, durch expansive Kraft aber nur die in der Berührungsfläche
wirken, wobey es einerley ist, ob hinter dieser viel oder wenig von dieser
Materie angetroffen werde. Hieraus allein entspringt nun schon ein großer
Vortheil für die Naturwissenschaft, weil ihr dadurch die Last abgenommen
[82/83] wird, aus dem Vollen und Leeren eine Welt blos nach der Phantasie zu
zimmern, vielmehr alle Räume voll und doch in verschiednem Maaße erfüllt
gedacht werden können, wodurch der leere Raum wenigstens seine
Nothwendigkeit verliert und auf den Werth einer Hypothese zurückgesetzt
wird, da er sonst, unter dem Vorwande einer zu Erklärung der
verschiedentlichen Grade der Erfüllung des Raums nothwendigen Bedingung,
sich des Titels eines Grundsatzes anmaaßen konnte.
Bey allem diesem ist der Vortheil einer hier
methodisch-gebrauchten Metaphysik, in Abstellung gleichfalls metaphysischer,
aber nicht auf die Probe der Critik gebrachter Principien, augenscheinlich nur
negativ. Indirect wird gleichwohl dadurch dem Naturforscher sein Feld erweitert;
weil die Bedingungen, durch die er es vorher selbst einschränkte, und
wodurch alle ursprüngliche Bewegungskräfte wegphilosophirt wurden,
jetzt ihre Gültigkeit verlieren. Man hüte sich aber über das, was
den allgemeinen Begriff einer Materie überhaupt möglich macht, hinaus
zu gehen, und die besondere oder so gar specifische Bestimmung und
Verschiedenheit derselben a priori erklären zu wollen. Der Begriff der
Materie wird auf lauter bewegende Kräfte zurückgeführt, welches
man auch nicht anders erwarten konnte, weil im Raume keine Thätigkeit,
keine Veränderung, als blos Bewegung gedacht werden kann. Allein wer will
die Möglichkeit der Grundkräfte einsehen? sie können nur
angenommen werden, wenn sie [83/84] zu einem Begriff, von dem es erweislich ist,
daß er ein Grundbegriff sey, der von keinem anderen weiter abgeleitet
werden kann (wie der der Erfüllung des Raums), unvermeidlich gehören,
und dieses sind Zurückstoßungs- und ihnen entgegenwirkende
Anziehungskräfte überhaupt. Von dieser ihren Verknüpfung und
Folgen können wir allenfalls noch wol a priori urtheilen, welche Verhältnisse
derselben untereinander man sich, ohne sich selbst zu widersprechen, denken könne,
aber sich darum doch nicht anmaaßen, eine derselben als wirklich
anzunehmen, weil zur Befugnis eine Hypothese zu errichten unnachlaßlich
gefodert wird: daß die Möglichkeit dessen, was man annimmt, völlig
gewiß sey, bey Grundkräften aber die Möglichkeit derselben
niemals eingesehen werden kann. Und hierin hat die mathematisch-mechanische Erklärungsart
über die metaphysisch-dynamische einen Vortheil, der ihr nicht abgewonnen
werden kann, nämlich aus einem durchgehends gleichartigen Stoffe, durch die
mannigfaltige Gestalt der Theile, vermittelst eingestreuter leerer Zwischenräume,
eine große specifische Mannigfaltigkeit der Materien, so wohl ihrer
Dichtigkeit, als Wirkungsart nach, (wenn fremde Kräfte hinzukommen) zu
Stande zu bringen. Denn die Möglichkeit der Gestalten sowohl als der leeren
Zwischenräume läßt sich mit mathematischer Evidenz darthun;
dagegen, wenn der Stoff selbst in Grundkräfte verwandelt wird (deren
Gesetze a priori zu bestimmen, noch weniger aber eine Mannigfaltigkeit
derselben, welche zu Erklärung der speci-[84/85]fischen Verschiedenheit der
Materie zureichte, zuverlässig anzugeben, wir nicht im Stande sind), uns
alle Mittel abgehen, diesen Begriff der Materie zu construiren, und, was wir
allgemein dachten, in der Anschauung als möglich darzustellen. Aber jenen
Vortheil büßet dagegen eine blos mathematische Physik auf der anderen
Seite doppelt ein, indem sie erstlich einen leeren Begriff (der absoluten
Undurchdringlichkeit) zum Grunde legen, zweytens alle der Materie eigene Kräfte
aufgeben muß, und überdem noch mit ihren ursprünglichen
Configurationen des Grundstoffs und Einstreuung der leeren Räume, nachdem
es das Bedürfnis zu Erklären erfodert, der Einbildungskraft im Felde
der Philosophie mehr Freyheit, ja gar rechtmäßigen Anspruch
verstatten muß, als sich wol mit der Behutsamkeit der letzteren zusammen
reimen läßt.
Statt einer hinreichenden Erklärung der Möglichkeit
der Materie und ihrer specifischen Verschiedenheit aus jenen Grundkräften,
die ich nicht zu leisten vermag, will ich die Momente, worauf ihre specifische
Verschiedenheit sich insgesamt a priori bringen (obgleich nicht eben so ihrer Möglichkeit
nach begreifen) lassen muß, wie ich hoffe, vollständig darstellen.
Die zwischen die Definitionen geschobene Anmerkungen werden die Anwendung
derselben erläutern.
1. Ein K ö r p e r, in
physischer Bedeutung, ist eine Materie zwischen bestimmten Grenzen (die also
eine Figur hat). Der Raum zwischen diesen Grenzen, [85/86] seiner Größe
nach betrachtet, ist der R a u m e s i n h a l t
(volumen). Der Grad der Erfüllung eines Raumes von bestimmtem Inhalt heißt
D i c h t i g k e i t. Sonst
wird der Ausdruck dicht auch absolut gebraucht, für das, was nicht hohl
(blasigt, löchericht) ist. In dieser Bedeutung giebt es eine absolute
Dichtigkeit in dem System der absoluten Undurchdringlichkeit, und zwar, wenn
eine Materie gar keine leere Zwischenräume enthält. Nach diesem
Begriffe von Erfüllung des Raumes stellt man Vergleichungen an, und nennt
eine Materie dichter als die andere, die weniger Leeres in sich enthält,
bis endlich die, in der kein Theil des Raumes leer ist, vollkommen dicht heißt.
Des letzteren Ausdrucks kann man sich nur nach dem blos mathematischen Begriffe
der Materie bedienen, allein im dynamischen System einer blos relativen
Undurchdringlichkeit giebt es kein Maximum oder Minimum der Dichtigkeit, und
gleichwol kann jede noch so dünne Materie doch völlig dicht heißen,
wenn sie ihren Raum ganz erfüllt, ohne leere Zwischenräume zu
enthalten, mithin ein Continuum, nicht ein Interruptum ist; allein sie ist doch
in Vergleichung mit einer andern weniger dicht, in dynamischer Bedeutung, wenn
sie ihren Raum zwar ganz, aber nicht in gleichem Grade erfüllt. Allein auch
in dem letzteren System ist es unschicklich, sich ein Verhältnis der
Materien ihrer Dichtigkeit nach zu denken, wenn man sie sich nicht untereinander
als specifisch gleichartig vorstellt, so daß eine aus der andern durch bloße
Zusammendrückung erzeugt werden kann. Da nun das letztere nicht eben
nothwendig [86/87] zur Natur aller Materie an sich erforderlich zu seyn scheint,
so kann zwischen ungleichartigen Materien keine Vergleichung in Ansehung ihrer
Dichtigkeit füglich stattfinden, z. B. zwischen Wasser und
Quecksilber, obzwar es im Gebrauche ist.
2. Anziehung, so fern sie blos als in der Berührung wirksam
gedacht wird, heißt Z u s a m m e n h a n g
(Zwar thut man durch sehr gute Versuche dar, daß dieselbe Kraft, die in
der Berührung Zusammenhang heißt, auch in sehr kleiner Entfernung
wirksam befunden werde; allein die Anziehung heißt doch nur Zusammenhang,
so fern ich sie blos in der Berührung denke, der gemeinen Erfahrung gemäß,
bey welcher sie in kleinen Entfernungen kaum wahrgenommen wird. Zusammenhang
wird gemeinhin für eine ganz allgemeine Eigenschaft der Materie angenommen,
nicht als ob man zu ihr schon durch den Begriff einer Materie geleitet würde,
sondern weil die Erfahrung sie allerwerts darthut. Allein diese Allgemeinheit muß
nicht collectiv verstanden werden, als ob jede Materie durch diese Art der
Anziehung auf jede andere im Weltraume zugleich wirkte, - dergleichen die
der Gravitation ist - sondern blos disjunctiv, nämlich auf eine oder
die andere, von welcher Art Materien sie auch seyn mag, die mit ihr in Berührung
kommt. Um deswillen, und da diese Anziehung, wie es verschiedene Beweisgründe
darthun können, nicht durchdringend, sondern nur Flächenkraft ist, da
sie selbst als solche nicht einmal allerwerts nach der Dich-[87/88]tigkeit sich
richtet, da zur völligen Stärke des Zusammenhanges ein vorhergehender
Zustand der Flüssigkeit der Materien und der nachmaligen Erstarrung
derselben erfoderlich ist und die allergenauste Berührung gebrochener
fester Materien in eben denselben Flächen, mit denen sie vorher so stark
zusammenhingen, z. B. eines Spiegelglases, wo es einen Riß hat,
dennoch bey weitem den Grad der Anziehung nicht mehr verstattet, den es von
seiner Erstarrung nach dem Flusse her hatte, so halte ich diese Attraction in
der Berührung für keine Grundkraft der Materie, sondern eine nur
abgeleitete; wovon weiter unten ein Mehreres). Eine Materie, deren Theile,
unerachtet ihres noch so starken Zusammenhanges unter einander, dennoch von
jeder noch so kleinen bewegenden Kraft an einander können verschoben
werden, ist f l ü s s i g. Theile einer
Materie werden aber an einander v e r s c h o b e n,
wenn sie ohne das Quantum der Berührung zu vermindern, nur genöthigt
werden, diese unter einander zu verwechseln. Theile, mithin auch Materien,
werden g e t r e n n t, wenn die Berührung
nicht blos mit andern verwechselt, sondern aufgehoben, oder ihr Quantum
vermindert wird. Ein f e s t e r - besser
ein s t a r r e r - Körper
(corpus rigidum) ist der, dessen Theile nicht durch jede Kraft an einander
verschoben werden können - die folglich mit einem gewissen Grade von
Kraft dem Verschieben widerstehen - Das Hindernis des Verschiebens der
Ma-[88/89]terien an einander ist die R e i b u n g.
Der Widerstand gegen die Trennung sich berührender Materien ist der
Zusammenhang. Flüssige Materien erleiden also in ihrer Theilung keine
Reibung, sondern, wo diese angetroffen wird, werden die Materien als starr -
in grösserem oder minderem Grade, deren der letzte Klebrigkeit (viscositas)
heißt, wenigstens ihren kleineren Theilen nach, angenommen. Der starre Körper
ist s p r ö d e, wenn seine Theile nicht können
an einander verschoben werden, ohne zu reißen - mithin wenn der
Zusammenhang derselben nicht kann verändert, ohne zugleich aufgehoben zu
werden. (Man setzt sehr unrichtig den Unterschied der flüssigen und festen
Materien in dem verschiedenen Grade des Zusammenhanges ihrer Theile. Denn, um
eine Materie flüssig zu nennen, kommt es nicht auf den Grad des
Widerstandes an, den sie dem Zerreißen, sondern nur dem Vorschieben ihrer
Theile an einander entgegensetzt. Jener kann so groß seyn, als man will,
so ist dieser doch jederzeit in einer flüssigen Materie = 0. Man
betrachte einen Tropfen Wasser. Wenn ein Theilchen innerhalb demselben durch
eine noch so große Attraction der Nebentheile, die es berühren, nach
der einen Seite gezogen wird, so wird eben dasselbe doch auch gerade eben so
viel nach der entgegengesetzten gezogen, und, da die Attractionen beiderseitig
ihre Wirkungen aufheben, ist das Partikelchen eben so leicht beweglich, als ob
es im leeren Raume sich befände, nämlich die Kraft, die es bewegen
soll, hat keinen Zusammen-[89/90]hang zu überwinden, sondern nur die
sogenannte Trägheit, die sie bey aller Materie, wenn sie gleich gar nicht
womit zusammenhinge, überwinden müßte. Daher wird ein kleines
mikroscopisches Thierchen sich so leicht darin bewegen, als ob gar kein
Zusammenhang zu trennen wäre. Denn es hat wirklich keinen Zusammenhang des
Wassers aufzuheben und die Berührung desselben unter sich zu vermindern,
sondern nur zu verändern. Denket euch aber eben dieses Thierchen, als ob es
sich durch die äussere Oberfläche des Tropfens durcharbeiten wollte,
so ist erstlich zu merken, daß die wechselseitige Anziehung der Theile
dieses Wasserklümpchens es macht, daß sie sich so lange bewegen, bis
sie in die größte Berührung untereinander, mithin in die
kleinste Berührung mit dem leeren Raum gekommen sind, d. i. eine
Kugelgestalt gebildet haben. Wenn nun das genannte Insect sich über die
Oberfläche des Tropfens hinaus zu arbeiten bestrebt ist, so muß es
die Kugelgestalt verändern, folglich mehr Berührung des Wassers mit
dem leeren Raum und also auch weniger Berührung der Theile desselben
untereinander bewirken, d. i. ihren Zusammenhang vermindern, und da
widersteht ihm das Wasser allererst durch seinen Zusammenhang, aber nicht
innerhalb dem Tropfen, wo die Berührung der Theile untereinander gar nicht
vermindert, sondern nur in die Berührung mit andern Theilen verändert
wird, mithin diese nicht im mindesten getrennt, sondern nur verschoben worden.
Auch kann man auf das mikroscopische Thierchen und zwar aus ähnli-[90/91]chen
Gründen anwenden, was Newton vom Lichtstrahl sagt, daß er nicht durch
die dichte Materie, sondern nur durch den leeren Raum zurückgeschlagen
werde. Es ist also klar: daß die Vergrösserung des Zusammenhanges der
Theile einer Materie ihrer Flüssigkeit nicht den mindesten Abbruch thue.
Wasser hängt in seinen Theilen weit stärker zusammen, als man
gemeiniglich glaubt, wenn man sich auf den Versuch einer von der Oberfläche
des Wassers losgerissenen metallenen Platte verläßt, welcher nichts
entscheidet, weil hier das Wasser nicht in der ganzen Fläche der ersten Berührung,
sondern in einer viel kleineren reißt, zu welcher es nämlich durch
das Verschieben seiner Theile endlich gelangt ist, wie etwa ein Stab von weichem
Wachse sich durch ein angehängt Gewicht erstlich dünner ziehen läßt,
und alsdenn in einer weit kleineren Fläche reißen muß, als man
anfänglich annahm. Was aber in Ansehung unsers Begriffs der Flüssigkeit
ganz entscheidend ist; ist dieses: daß flüssige Materien auch als
solche erklärt werden können, deren jeder Punct nach allen Directionen
mit eben derselben Kraft sich zu bewegen trachtet, mit welcher er nach irgend
einer gedrückt wird; eine Eigenschaft, auf der das erste Gesetz der
Hydrodynamik beruht, die aber einer Anhäufung von glatten und dabey festen
Körperchen, wie eine ganz leichte Auflösung ihres Drucks nach Gesetzen
der zusammengesetzten Bewegung zeigen kann, niemals beigelegt werden kann, und
dadurch die Originalität der Eigenschaft der Flüssigkeit [91/92]
beweiset. Würde nun die flüssige Materie das mindeste Hindernis des
Verschiebens, mithin auch nur die kleinste Reibung erleiden, so würde diese
mit der Stärke des Druckes, womit die Theile derselben an einander gepreßt
werden, wachsen und endlich ein Druck stattfinden, bey welchem die Theile dieser
Materie sich nicht an einander durch jede kleine Kraft verschieben lassen; z. B.
in einer gebogenen Röhre von zwey Schenkeln, deren der eine so weit seyn
mag, als man will, der andere so enge als man will, außer daß er nur
nicht ein Haarröhrchen ist - würde, wenn man beide Schenkel
einige hundert Fuß hoch denkt, die flüssige Materie in der engen eben
so hoch stehen als in der weiten, nach Gesetzen der Hydrostatik. Weil aber der
Druck auf den Boden der Röhren und also auch auf den Theil, der beide in
Gemeinschaft stehende Röhren verbindet, in Proportion der Höhen ins
Unendliche immer grösser gedacht werden kann, so müßte, wenn die
mindeste Reibung zwischen den Theilen des Flüssigen stattfände, eine Höhe
der Röhren gefunden werden können, bey der eine kleine Quantität
Wasser, in die engere Röhre gegossen, das in der weiteren nicht aus seiner
Lage verrücken, mithin die Wasserseule in dieser höher zu stehen
kommen würde, als in jener, weil sich die unteren Theile, bey so großem
Drucke derselben gegen einander, nicht mehr durch so kleine bewegende Kraft, als
das zugesetzte Gewicht Wasser ist, verschieben ließen, welches der
Erfahrung und selbst dem Begriffe des Flüssigen zuwider ist. Eben
das-[92/93]selbe gilt, wenn man statt des Drucks durch die Schwere den
Zusammenhang der Theile setzt, er mag so groß seyn wie er will. Die angeführte
zweyte Definition der Flüssigkeit, worauf das Grundgesetz der Hydrostatik
beruht, nämlich daß sie die Eigenschaft einer Materie sey, da ein
jeder Theil derselben sich nach allen Seiten mit eben derselben Kraft zu bewegen
bestrebt ist, womit er in einer gegebenen Direction gedrückt wird, folgt
aus der ersten Definition, wenn man damit den Grundsatz der allgemeinen Dynamik
verbindet, daß alle Materie ursprünglich elastisch sey, da denn diese
nach jeder Seite des Raums, darin sie zusammengedrückt ist, mit derselben
Kraft sich zu erweitern, d. i. (wenn die Theile einer Materie sich an
einander durch jede Kraft ohne Hindernis verschieben lassen, wie es bey der flüssigen
so wirklich ist,) sich zu bewegen bestrebt seyn muß, womit der Druck in
einer jeden Richtung, welche es auch sey, geschiehet. Also sind es eigentlich
nur die starren Materien, (deren Möglichkeit noch außer dem
Zusammenhange der Theile eines anderen Erklärungsgrundes bedarf) denen man
Reibung beylegen darf, und die Reibung setzt schon die Eigenschaft der Rigidität
voraus. Warum aber gewisse Materien, ob sie gleich vielleicht nicht grössere,
vielleicht wol gar kleinere Kraft des Zusammenhanges haben, als andere flüssige,
dennoch dem Verschieben der Theile so mächtig widerstehen, und daher nicht
anders, als durch Aufhebung des Zusammenhanges aller Theile in einer gegebenen
Fläche zugleich, sich trennen lassen, welches denn den [93/94] Schein eines
vorzüglichen Zusammenhanges giebt, wie also starre Körper möglich
seyn, das ist immer noch ein unaufgelösetes Problem, so leicht als auch die
gemeine Naturlehre damit fertig zu werden glaubt.
3. E l a s t i c i t ä t
(Springkraft) ist das Vermögen einer Materie, ihre durch eine andere
bewegende Kraft veränderte Größe oder Gestalt, bey Nachlassung
derselben wiederum anzunehmen. Sie ist entweder expansive, oder attractive
Elasticität; jene, um nach der Zusammendrückung das vorige grössere,
diese, um nach der Ausdehnung das vorige kleinere Volumen anzunehmen. (Die
attractive Elasticität ist, wie es schon der Ausdruck zeigt, offenbar
abgeleitet. Ein eiserner Drath, durch angehängte Gewichte gedehnt, springt,
wenn man das Band abschneidet, in sein Volumen zurück. Vermöge
derselben Attraction, die die Ursache seines Zusammenhanges ist, oder bey flüssigen
Materien, wenn die Wärme dem Quecksilber plötzlich entzogen würde,
würde die Materie desselben eilen, um das vorige kleinere Volumen wieder
anzunehmen. Die Elasticität, die blos in Herstellung der vorigen Figur
besteht, ist jederzeit attractiv, wie an einer gebogenen Degenklinge, da die
Theile, auf der convexen Fläche auseinander gezerrt, ihre vorige Nahheit
anzunehmen trachten, und so kann auch ein kleiner Tropfen Quecksilber elastisch
genannt werden. Aber die expansive Elasticität kann eine ursprüngliche,
sie kann aber auch eine abgeleitete seyn. So hat die Luft eine abgeleitete
Elasticität, vermit-[94/95]telst der Materie der Wärme, welche mit ihr
innigst vereinigt ist, und deren Elasticität vielleicht ursprünglich
ist. Dagegen muß der Grundstoff des Flüssigen, welches wir Luft
nennen, dennoch als Materie überhaupt schon an sich Elasticität haben,
welche ursprünglich heißt. Von welcher Art eine wahrgenommene
Elasticität sey, ist in vorkommenden Fällen nicht möglich mit
Gewißheit zu entscheiden.)
4. Die Wirkung bewegter Körper auf einander durch
Mittheilung ihrer Bewegung heißt mechanisch; die der Materien aber, so
fern sie auch in Ruhe durch eigene Kräfte wechselseitig die Verbindung
ihrer Theile verändern, heißt chemisch. Dieser chemische Einfluß
heißt A u f l ö s u n g, so
fern er die Trennung der Theile einer Materie zur Wirkung hat (die mechanische
Theilung, z. B. durch einen Keil, der zwischen die Theile einer Materie
getrieben wird, ist also, weil der Keil nicht durch eigene Kraft wirkt, von
einer chemischen gänzlich unterschieden): derjenige aber, der die
Absonderung zweyer durch einander aufgelöseten Materien zur Wirkung hat,
ist die S c h e i d u n g. Die Auflösung
specifisch verschiedener Materien durch einander, darinn kein Theil der einen
angetroffen wird, der nicht mit einem Theil der andern von ihr specifisch
unterschiedenen in derselben Proportion, wie die Ganzen, vereinigt wäre,
ist die absolute Auflösung, und kann auch die chemische Durchdringung
genannt werden. (Ob die auflösenden Kräfte, die [95/96] in der Natur
wirklich anzutreffen sind, eine vollständige Auflösung zu bewirken
vermögen, mag unausgemacht bleiben. Hier ist nur die Frage davon, ob sich
eine solche nur denken lasse. Nun ist offenbar, daß, so lange die Theile
einer aufgelöseten Materie noch Klümpchen (moleculae) sind, nicht
minder eine Auflösung derselben möglich sey, als die der grösseren,
ja daß diese wirklich so lange fortgehen müsse, wenn die auflösende
Kraft bleibt, bis kein Theil mehr da ist, der nicht aus dem Auflösungsmittel
und der aufzulösenden Materie, in der Proportion, darin beide zu einander
im Ganzen stehen, zusammengesetzt wäre. Weil also in solchem Falle kein
Theil von dem Volumen der Auflösung seyn kann, der nicht einen Theil des
auflösenden Mittels enthielte, so muß dieses, als ein Continuum, das
Volumen ganz erfüllen. Eben so, weil kein Theil eben desselben Volumens der
Solution seyn kann, der nicht einen proportionirlichen Theil der aufgelöseten
Materie enthielte, so muß diese auch als ein Continuum den ganzen Raum,
der das Volumen der Mischung ausmacht, erfüllen. Wenn aber zwey Materien,
und zwar jede derselben ganz, einen und denselben Raum erfüllen, so
durchdringen sie einander. Also würde eine vollkommene chemische Auflösung
eine Durchdringung der Materien seyn, welche dennoch von der mechanischen gänzlich
unterschieden wäre, indem bey der letzten gedacht wird, daß bey der
größern Annäherung bewegter Materien die repulsive Kraft der
einen die der andern gänzlich überwiegen, und [96/97] eine, oder beide
ihre Ausdehnung auf nichts bringen können; da hingegen hier die Ausdehnung
bleibt, nur daß die Materien nicht außer einander, sondern in
einander d. i. durch Intussusception (wie man es zu nennen pflegt,)
zusammen einen der Summe ihrer Dichtigkeit gemäßen Raum einnehmen.
Gegen die Möglichkeit dieser vollkommenen Auflösung und also der
chemischen Durchdringung ist schwerlich etwas einzuwenden, obgleich sie eine
vollendete Theilung ins Unendliche enthält, die in diesem Falle doch keinen
Widerspruch in sich faßt, weil die Auflösung eine Zeit hindurch
continuirlich, mithin gleichfalls durch eine unendliche Reihe Augenblicke mit
Acceleration geschieht, überdem durch die Theilung die Summe der Oberflächen
der noch zu theilenden Materien wachsen, und, da die auflösende Kraft
continuirlich wirkt, die gänzliche Auflösung in einer anzugebenden
Zeit vollendet werden kann. Die Unbegreiflichkeit einer solchen chemischen
Durchdringung zweyer Materien ist auf Rechnung der Unbegreiflichkeit der
Theilbarkeit eines jeden Continuum überhaupt ins Unendliche zu schreiben.
Geht man von dieser vollständigen Auflösung ab, so muß man
annehmen, sie ginge nur bis zu gewissen kleinen Klumpen der aufzulösenden
Materie, die in dem Auflösungsmittel in gesetzten Weiten von einander
schwimmen, ohne daß man den mindesten Grund angeben kann, warum diese Klümpchen,
da sie doch immer theilbare Materien sind, nicht gleichfalls aufgelöset
werden. Denn, daß das Auflösungsmittel nicht weiter wir-[97/98]ke,
mag immer in der Natur, so weit Erfahrung reicht, seine gute Richtigkeit haben;
es ist hier aber nur die Rede von der Möglichkeit einer auflösenden
Kraft, die auch dieses Klümpchen und so ferner jedes andere, was noch übrig
bleibt, auflöse, bis die Solution vollendet ist. Das Volumen, was die Auflösung
einnimmt, kann der Summe der Räume, die die einander auflösende
Materien vor der Mischung einnahmen, gleich, oder kleiner, oder auch größer
seyn, nachdem die anziehenden Kräfte gegen die Zurückstoßungen
in Verhältnis stehen. Sie machen in der Auflösung jede für sich
und beide vereinigt ein elastisches Medium aus. Dieses kann auch allein einen
hinreichenden Grund angeben, warum die aufgelösete Materie sich durch ihre
Schwere nicht wiederum vom auflösenden Mittel scheide. Denn die Anziehung
des letzteren, da sie nach allen Seiten gleich stark geschieht, hebt ihren
Widerstand selbst auf, und eine gewisse Klebrigkeit im Flüssigen
anzunehmen, stimmt auch gar nicht mit der großen Kraft, die dergleichen
aufgelösete Materien, z. B. die Säuren mit Wasser verdünnt,
auf metallische Körper ausüben, an die sie sich nicht blos anlegen,
wie es Geschehen müßte, wenn sie blos in ihrem Medium schwömmen,
sondern die sie mit großer Anziehungskraft von einander trennen, und im
ganzen Raume des Vehikels verbreiten. Gesetzt auch, daß die Kunst keine
chemische Auflösungskräfte dieser Art, die eine vollständige Auflösung
bewirkten, in ihrer Gewalt hätte, so könnte doch vielleicht die Natur
sie in ihren vege-[98/99]tabilischen und animalischen Operationen beweisen, und
dadurch vielleicht Materien erzeugen, die, ob sie zwar gemischt sind, doch keine
Kunst wiederum scheiden kann. Diese chemische Durchdringung könnte auch
selbst da angetroffen werden, wo die eine beider Materien durch die andere eben
nicht zertrennt und im buchstäblichen Sinne aufgelöset wird, so wie
etwa der Wärmestoff die Körper durchdringt, da, wenn er sich nur in
leere Zwischenräume derselben vertheilete, die feste Substanz selbst kalt
bleiben würde, weil diese nichts von ihr einnehmen könnte. Imgleichen
könnte man sich sogar einen scheinbarlich freyen Durchgang gewisser
Materien durch andere auf solche Weise denken, z. B. der magnetischen
Materie, ohne ihr dazu offene Gänge und leere Zwischenräume in allen
selbst den dichtesten Materien vorzubereiten. Doch es ist hier nicht der Ort,
Hypothesen zu besonderen Erscheinungen, sondern nur das Princip, wornach sie
alle zu beurtheilen sind, ausfindig zu machen. Alles was uns des Bedürfnis überhebt,
zu leeren Räumen unsere Zuflucht zu nehmen, ist wirklicher Gewinn für
die Naturwissenschaft. Denn diese geben gar zu viel Freyheit der
Einbildungskraft, den Mangel der inneren Naturkenntnis durch Erdichtung zu
ersetzen. Das absolut Leere und das absolut Dichte sind in der Naturlehre
ohngefehr das, was der blinde Zufall und das blinde Schicksal in der
metaphysischen Weltwissenschaft sind, nämlich ein Schlagbaum für die
herrschende Vernunft, damit entweder Erdichtung ihre Stelle einnehme, oder sie
[99/100] auf dem Polster dunkler Qualitäten zur Ruhe gebracht werde.
Was nun aber das Verfahren in der Naturwissenschaft in Ansehung
der vornehmsten aller ihrer Aufgaben, nämlich der Erklärung einer ins
Unendliche möglichen specifischen Verschiedenheit der Materien betrift, so
kann man dabey nur zwey Wege einschlagen: den mechanischen, durch die Verbindung
des Absolutvollen mit dem Absolutleeren, oder einen ihm entgegengesetzten
dynamischen Weg, durch die bloße Verschiedenheit in der Verbindung der
ursprünglichen Kräfte der Zurückstoßung und Anziehung alle
Verschiedenheiten der Materien zu erklären. Der erste hat zu Materialien
seiner Ableitung die Atomen und das Leere. Ein Atom ist ein kleiner Theil der
Materie, der physisch untheilbar ist. Physisch untheilbar ist eine Materie,
deren Theile mit einer Kraft zusammenhängen, die durch keine in der Natur
befindliche bewegende Kraft überwältigt werden kann. Ein Atom, so fern
er sich durch seine Figur von andern specifisch unterscheidet, heißt ein
erstes Körperchen. Ein Körper (oder Körperchen), dessen bewegende
Kraft von seiner Figur abhängt, heißt Maschine. Die Erklärungsart
der specifischen Verschiedenheit der Materien durch die Beschaffenheit und
Zusammensetzung ihrer kleinsten Theile, als Maschinen, ist die mechanische
Naturphilosophie: diejenige aber, welche aus Materien, nicht als Maschinen, d. i.
bloßen Werkzeugen äußerer bewegenden Kräfte, sondern
[100/101] ihnen ursprünglich eigenen bewegenden Kräften der Anziehung
und Zurückstoßung die specifische Verschiedenheit der Materie
ableitet, kann die dynamische Naturphilosophie genannt werden. (Die mechanische
Erklärungsart, da sie der Mathematik am fugsamsten ist, hat unter dem Namen
der Atomistik oder Corpuscularphilosophie mit weniger Abänderung vom alten
Demokrit an bis auf Cartesen und selbst bis zu unseren Zeiten immer ihr Ansehen
und Einfluß auf die Principien der Naturwissenschaft erhalten. Das
Wesentliche derselben besteht in der Voraussetzung der absoluten
Undurchdringlichkeit der primitiven Materie, in der absoluten Gleichartigkeit
dieses Stoffs und dem allein übrig gelassenen Unterschiede in der Gestalt,
und in der absoluten Unüberwindlichkeit des Zusammenhanges der Materie in
diesen Grundkörperchen selbst. Dies waren die Materialien zu Erzeugung der
specifisch verschiedenen Materien, um nicht allein zu der Unveränderlichkeit
der Gattungen und Arten einen unveränderlichen und gleichwol
verschiedentlich gestalteten Grundstoff bey Hand zu haben, sondern auch aus der
Gestalt dieser ersten Theile, als Maschinen, (denen nichts weiter, als eine äußerlich
eingedrückte Kraft fehlte) die mancherley Naturwirkungen mechanisch zu erklären.
Die erste und vornehmste Beglaubigung dieses Systems aber beruht auf der
vorgeblich unvermeidlichen Nothwendigkeit, zum specifischen Unterschiede der
Dichtigkeit der Materien leere Räume zu brauchen, die man innerhalb der
Mate-[101/102]rien und zwischen jenen Partikeln vertheilt, in einer Proportion,
wie man sie nöthig fand, zum Behuf einiger Erscheinungen gar so groß,
daß der erfüllte Theil des Volumens, auch der dichtesten Materie,
gegen den leeren beynahe für nichts zu halten ist, annahm. - Um nun
eine dynamische Erklärungsart einzuführen, (die der
Experimentalphilosophie weit angemessener und beförderlicher ist, indem sie
geradezu darauf leitet, die den Materien eigene bewegende Kräfte und deren
Gesetze auszufinden, die Freyheit dagegen einschränkt, leere Zwischenräume
und Grundkörperchen von bestimmten Gestalten anzunehmen, die sich beide
durch kein Experiment bestimmen und ausfindig machen lassen,) ist es gar nicht nöthig
neue Hypothesen zu schmieden, sondern allein das Postulat der blos mechanischen
Erklärungsart: daß es unmöglich sey, sich einen specifischen
Unterschied der Dichtigkeit der Materien ohne Beymischung leerer Räume zu
denken, durch die bloße Anführung einer Art, wie er sich ohne
Widerspruch denken lasse, zu widerlegen. Denn wenn das gedachte Postulat, worauf
die blos mechanische Erklärungsart fußet, nur erst als Grundsatz für
ungültig erkläret worden, so versteht es sich von selbst, daß
man es als Hypothese in der Naturwissenschaft nicht aufnehmen müsse, so
lange noch eine Möglichkeit übrig bleibt, den specifischen Unterschied
der Dichtigkeiten sich auch ohne alle leere Zwischenräume zu denken. Diese
Nothwendigkeit aber beruht darauf, daß die Materie nicht (wie blos
mechanische Naturforscher annehmen) [102/103] durch absolute
Undurchdringlichkeit ihren Raum erfüllt, sondern durch repulsive Kraft, die
ihren Grad hat, der in verschiedenen Materien verschieden seyn kann, und, da er
für sich nichts mit der Anziehungskraft, welche der Quantität der
Materie gemäß ist, gemein hat, sie bey einerley Anziehungskraft in
verschiedenen Materien dem Grade nach ursprünglich verschieden seyn könne,
folglich auch der Grad der Ausdehnung dieser Materien bey derselben Quantität
der Materie und umgekehrt die Quantität der Materie unter demselben
Volumen, d. i. die Dichtigkeit derselben ursprünglich gar große
specifische Verschiedenheiten zulasse. Auf diese Art würde man es nicht unmöglich
finden, sich eine Materie zu denken, (wie man sich etwa den Aether vorstellt)
die ihren Raum ohne alles Leere ganz erfüllete und doch mit ohne
Vergleichung minderer Quantität der Materie unter gleichem Volumen, als
alle Körper, die wir unseren Versuchen unterwerfen können. Die
repulsive Kraft muß am Aether in Verhältnis auf die eigene
Anziehungskraft desselben, ohne Vergleichung größer gedacht werden,
als an allen andern uns bekannten Materien. Und das ist denn auch das einzige,
was wir blos darum annehmen, weil es sich denken läßt, nur zum
Widerspiel einer Hypothese (der leeren Räume), die sich allein auf das
Vorgeben stützt, daß sich dergleichen ohne leere Räume nicht
denken lasse. Denn außer diesem darf, weder irgend ein Gesetz der
anziehenden, noch zurückstoßenden Kraft, auf Muthmaßungen a
priori gewagt, son-[103/104]dern alles, selbst die allgemeine Attraction, als
Ursache der Schweren, muß samt ihrem Gesetze aus Datis der Erfahrung
geschlossen werden. Noch weniger wird dergleichen bey den chemischen
Verwandtschaften anders, als durch den Weg des Experiments versucht werden dürfen.
Denn es ist überhaupt über den Gesichtskreis unserer Vernunft gelegen,
ursprüngliche Kräfte a priori ihrer Möglichkeit nach einzusehen,
vielmehr besteht alle Naturphilosophie in der Zurückführung gegebener,
dem Anscheine nach verschiedener, Kräfte auf eine geringere Zahl Kräfte
und Vermögen, die zu Erklärung der Wirkungen der ersten zulangen,
welche Reduction aber nur bis zu Grundkräften fortgeht, über die
unsere Vernunft nicht hinaus kann. Und so ist Nachforschung der Metaphysik,
hinter dem, was dem empirischen Begriffe der Materie zum Grunde liegt, nur zu
der Absicht nützlich, die Naturphilosophie, so weit als es immer möglich
ist, auf die Erforschung der dynamischen Erklärungsgründe zu leiten,
weil diese allein bestimmte Gesetze, folglich wahren Vernunftzusammenhang der
Erklärungen, hoffen lassen.
Dies ist nun alles, was Metaphysik zur Construction des Begrifs
der Materie, mithin zum Behuf der Anwendung der Mathematik auf
Naturwissenschaft, in Ansehung der Eigenschaften, wodurch Materie einen Raum in
bestimmtem Maaße erfüllet, nur immer leisten kann, nämlich diese
Eigenschaften als dynamisch anzusehen und nicht als unbedingte ursprüngliche
Positionen, wie sie et-[104/105]wan eine blos mathematische Behandlung
postuliren würde.
Den Beschluß kann die bekannte Frage, wegen der Zulässigkeit
leerer Räume in der Welt, machen. Die Möglichkeit derselben läßt
sich nicht streiten. Denn zu allen Kräften der Materie wird Raum erfodert,
und, da [da] dieser auch die Bedingungen der Gesetze der Verbreitung jener enthält,
nothwendig vor aller Materie vorausgesetzt. So wird der Materie Attractionskraft
beygelegt, so fern sie einen Raum um sich durch Anziehung einnimmt, ohne ihn
gleichwol zu erfüllen, der also selbst da, wo Materie wirksam ist, als leer
gedacht werden kann, weil sie da nicht durch Zurückstoßungskräfte
wirksam ist und ihn also nicht erfüllt. Allein leere Räume als
wirklich anzunehmen, dazu kann uns keine Erfahrung, oder Schluß aus
derselben, oder nothwendige Hypothesis sie zu erklären, berechtigen. Denn
alle Erfahrung giebt uns nur comparativ-leere Räume zu erkennen, welche,
nach allen beliebigen Graden aus der Eigenschaft der Materie, ihren Raum mit größerer
oder bis ins Unendliche immer kleinerer Ausspannungskraft zu erfüllen,
vollkommen erklärt werden können, ohne leere Räume zu bedürfen.
[105/106]
M
aterie ist das Bewegliche, so fern es, als ein solches,
bewegende Kraft hat.
Dieses ist nun die dritte Definition von einer Materie. Der blos
dynamische Begriff konnte die Materie auch als in Ruhe betrachten; die bewegende
Kraft, die da in Erwägung gezogen wurde, betraf blos die Erfüllung
eines gewissen Raumes, ohne daß die Materie, die ihn erfüllete,
selbst als bewegt angesehen werden durfte. Die Zurückstoßung war
daher eine ursprünglich-bewegende Kraft, um Bewegung zu ertheilen; dagegen
wird in der Mechanik die Kraft einer in Bewegung gesetzten Materie betrachtet,
um diese Bewegung einer anderen mitzutheilen. Es ist aber klar, daß das
Bewegliche durch seine Bewegung keine bewegende Kraft haben würde, wenn es
nicht ursprünglich-bewegende Kräfte besäße, dadurch es vor
aller eigener Bewegung in jedem Orte, da es sich befindet, wirksam ist, und daß
keine Materie eine andere, [106/107] die ihrer Bewegung in der geraden Linie vor
ihr im Wege liegt, gleichmäßige Bewegung eindrücken würde,
wenn beide nicht ursprüngliche Gesetze der Zurückstoßung besäßen,
noch daß sie eine andere durch ihre Bewegung nöthigen könne in
der geraden Linie ihr zu folgen, (sie nachschleppen könnte) wenn beide
nicht Anziehungskräfte besäßen. Also setzen alle mechanische
Gesetze die dynamische voraus, und eine Materie, als bewegt, kann keine
bewegende Kraft haben, als nur vermittelst ihrer Zurückstoßung oder
Anziehung, auf welche und mit welchen sie in ihrer Bewegung unmittelbar wirkt
und dadurch ihre eigene Bewegung einer anderen mittheilt. Man wird es mir
nachsehen, daß ich der Mittheilung der Bewegung durch Anziehung (z. B.
wenn etwa ein Comet, von stärkerem Anziehungsvermögen als die Erde, im
Vorbeygehen vor derselben sie nach sich fortschleppte) hier nicht weiter Erwähnung
thun werde, sondern nur der Vermittelung der repulsiven Kräfte, also durch
Druck, (wie vermittelst gespannter Federn,) oder durch Stoß, da ohnedem
die Anwendung der Gesetze der einen auf die der anderen nur in Ansehung der
Richtungslinie verschieden, übrigens aber in beiden Fällen einerley
ist.
Die Quantität der Materie ist die Menge des Beweglichen in
einem bestimmten Raum. Dieselbe, so fern alle ihre Theile in ihrer
Bewe-[107/108]gung als zugleich wirkend (bewegend) betrachtet werden, heißt
die Masse, und man sagt, eine Materie wirke in Masse, wenn alle ihre Theile in
einerley Richtung bewegt ausser sich zugleich ihre bewegende Kraft ausüben.
Eine Masse von bestimmter Gestalt, heißt ein Körper (in mechanischer
Bedeutung). Die Grösse der Bewegung (mechanisch geschätzt) ist
diejenige, die durch die Quantität der bewegten Materie und ihre
Geschwindigkeit zugleich geschätzt wird; Phoronomisch besteht sie blos in
dem Grade der Geschwindigkeit.
Die Quantität der Materie kann in Vergleichung mit jeder
anderen nur durch die Quantität der Bewegung bey gegebener Geschwindigkeit
geschätzt werden.
Die Materie ist ins Unendliche theilbar, folglich kann keiner
ihre Quantität durch eine Menge ihrer Theile unmittelbar bestimmt werden.
Denn wenn dieses auch in der Vergleichung der gegebenen Materie mit einer
gleichartigen geschieht, in welchem Falle die Quantität der Materie der Größe
des Volumens [108/109] proportional ist, so ist dieses doch der Foderung des
Lehrsatzes, daß sie in Vergleichung mit jeder anderen (auch specifisch
verschiedenen) geschätzt werden soll, zuwider. Also kann die Materie, weder
unmittelbar, noch mittelbar, in Vergleichung mit jeder andern gültig geschätzt
werden, so lange man von ihrer eigenen Bewegung abstrahirt. Folglich ist kein
anderes allgemein gültiges Maaß derselben als die Quantität
ihrer Bewegung übrig. In dieser aber kann der Unterschied der Bewegung, der
auf der verschiedenen Quantität der Materien beruht, nur alsdenn gegeben
werden, wenn die Geschwindigkeit unter den verglichenen Materien als gleich
angenommen wird, folglich u. s. w.
Die Quantität der Bewegung der Körper ist in
zusammengesetztem Verhältnis aus dem der Quantität ihrer Materie und
ihrer Geschwindigkeit, d. i. es ist einerley, ob ich die Quantität der
Materie eines Körpers doppelt so groß mache, und die Geschwindigkeit
behalte, oder ob ich die Geschwindigkeit verdoppele und eben diese Masse
behalte. Denn der bestimmte Begriff von einer Größe ist nur durch die
Construction des Quantum möglich. Diese ist aber in Ansehung des Begrifs
der Quantität nichts als die Zusammensetzung des Gleichgeltenden; folglich
ist die Construction der Quantität einer Bewegung die Zusammensetzung
vieler einander gleichgeltender Bewegungen. [109/110] Nun ist es nach den
phoronomischen Lehrsätzen einerley, ob ich einem Beweglichen einen gewissen
Grad Geschwindigkeit oder vielen gleich beweglichen alle kleinere Grade der
Geschwindigkeit ertheile, die aus der durch die Menge des Beweglichen dividirten
gegebenen Geschwindigkeit herauskommen. Hieraus entspringt zuerst ein, dem
Anscheine nach, phoronomischer Begriff von der Quantität einer Bewegung,
als zusammengesetzt aus viel Bewegungen ausser einander, aber doch in einem
Ganzen vereinigter, beweglicher Puncte. Werden nun diese Puncte als etwas
gedacht, was durch seine Bewegung bewegende Kraft hat, so entspringt daraus der
mechanische Begriff von der Quantität der Bewegung. In der Phoronomie aber
ist es nicht thunlich, sich eine Bewegung als aus vielen ausserhalb einander
befindlichen zusammengesetzt vorzustellen, weil das Bewegliche, da es daselbst
ohne alle bewegende Kraft vorgestellt wird, in aller Zusammensetzung mit
mehreren seiner Art keinen Unterschied der Grösse der Bewegung giebt, als
die mithin blos in der Geschwindigkeit besteht. Wie die Quantität der
Bewegung eines Körpers zu der eines anderen, so verhält sich auch die
Grösse ihrer Wirkung, aber wohl zu verstehen, der ganzen Wirkung.
Diejenige, welche blos die Grösse eines mit Widerstande erfülleten
Raums (z. B. die Höhe, zu welcher ein Körper mit einer gewissen
Geschwindigkeit wider die Schwere steigen, oder [110/111] die Tiefe, zu der
derselbe in weiche Materien dringen kann,) zum Maasse der ganzen Wirkung
annahmen, brachten ein anderes Gesetz der bewegenden Kräfte bey wirklichen
Bewegungen heraus, nämlich das des zusammengesetzten Verhältnisses aus
dem der Quantität der Materien und der Quadrate ihrer Geschwindigkeiten;
allein sie übersahen die Grösse der Wirkung in der gegebenen Zeit, in
welcher der Körper seinen Raum mit kleinerer Geschwindigkeit zurücklegt,
und diese kann doch allein das Maaß einer durch einen gegebenen gleichförmigen
Widerstand erschöpften Bewegung seyn. Es kann also auch kein Unterschied
zwischen lebendigen und todten Kräften stattfinden, wenn die bewegende Kräfte
mechanisch, d. i. als diejenige, die die Körper haben so fern sie
selbst bewegt sind, betrachtet werden, es mag nun die Geschwindigkeit ihrer
Bewegung endlich oder unendlich klein seyn (bloße Bestrebung zur
Bewegung); vielmehr würde man weit schicklicher diejenigen Kräfte,
womit die Materie, wenn man auch von ihrer eigenen Bewegung, auch so gar von der
Bestrebung sich zu bewegen gänzlich abstrahirt, in andere wirkt, folglich
die ursprünglich bewegende Kräfte der Dynamik todte Kräfte, alle
mechanisch d. i. durch eigene Bewegung bewegende Kräfte dagegen,
lebendige Kräfte nennen können, ohne auf den Unterschied der
Geschwindigkeit zu sehen, deren Grad auch unend-[111/112]lich klein seyn darf,
wenn ja noch diese Benennungen todter und lebendiger Kräfte beybehalten zu
werden verdienten.
Wir wollen, um Weitläuftigkeit zu vermeiden, die Erläuterung
der vorstehenden drey Sätze in einer Anmerkung zusammenfassen.
Daß die Quantität der Materie nur als die Menge des
Beweglichen (ausserhalb einander) könne gedacht werden, wie die Definition
es aussagt, ist ein merkwürdiger und Fundamentalsatz der allgemeinen
Mechanik. Denn dadurch wird angezeigt: daß Materie keine andere Grösse
habe, als die, welche in der Menge des Mannigfaltigen ausserhalb einander
besteht, folglich auch keinen Grad der bewegenden Kraft mit gegebener
Geschwindigkeit, der von dieser Menge unabhängig wäre und blos als
intensive Grösse betrachtet werden könnte, welches allerdings
stattfinden würde, wenn die Materie aus Monaden bestände, deren Realität
in aller Beziehung einen Grad haben muß, welcher größer oder
kleiner seyn kann, ohne von einer Menge der Theile ausser einander abzuhängen.
Was den Begriff der Masse in eben derselben Erklärung betrift, so kann man
ihn nicht, wie gewöhnlich, mit dem der Quantität für einerley
halten. Flüssige Materien können durch ihre eigene Bewegung in Masse,
sie können aber auch im Flusse wirken. Im sogenannten Wasserhammer wirkt
das anstoßende Wasser in Masse, d. i. mit allen seinen Theilen
zugleich; eben [112/113] das geschieht auch im Wasser, welches, in einem Gefäße
eingeschlossen, durch sein Gewicht auf die Wagschale, darauf es steht, drückt.
Dagegen wirkt das Wasser eines Mühlbachs auf die Schaufel des unterschlägigen
Wasserrades nicht in Masse, d. i. mit allen seinen Theilen, die gegen diese
anlaufen, zugleich, sondern nur nach einander. Wenn also hier die Quantität
der Materie, die, mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt, die bewegende Kraft
hat, bestimmt werden soll, so muß man allererst den Wasserkörper, d. i.
diejenige Quantität der Materie, die, wenn sie in Masse mit einer gewissen
Geschwindigkeit wirkt (mit ihrer Schwere), dieselbe Wirkung hervorbringen kann,
suchen. Daher versteht man auch gewöhnlich unter dem Worte Masse die
Quantität der Materie eines festen Körpers (das Gefäß,
darin ein Flüssiges eingeschlossen ist, vertritt auch die Stelle der
Festigkeit desselben). Was endlich den Lehrsatz mit dem angehängten Zusatz
zusammen betrifft, so liegt darin etwas befremdliches: daß, nach dem
ersteren, die Quantität der Materie durch die Quantität der Bewegung
mit gegebener Geschwindigkeit, nach dem zweyten aber wiederum die Quantität
der Bewegung (eines Körpers; denn die eines Puncts besteht blos aus dem
Grade der Geschwindigkeit) bey derselben Geschwindigkeit durch die Quantität
der bewegten Materie geschätzt werden müsse, welches im Cirkel herum
zu gehen und weder von einem noch dem anderen einen bestimmten Begriff zu
versprechen scheint. Allein dieser vermeinte Cirkel würde [113/114] es würklich
seyn, wenn er eine wechselseitige Ableitung zweyer identischen Begriffe von
einander wäre. Nun aber enthält er nur einerseits die Erklärung
eines Begriffs, anderer Seits die der Anwendung desselben auf Erfahrung. Die
Quantität des Beweglichen im Raume ist die Quantität der Materie; aber
diese Quantität der Materie (die Menge des Beweglichen) beweiset sich in
der Erfahrung nur allein durch die Quantität der Bewegung bey gleicher
Geschwindigkeit (z. B. durchs Gleichgewicht).
Noch ist zu merken, daß die Quantität der Materie die
Quantität der Substanz im Beweglichen sey, folglich nicht die Größe
einer gewissen Qualität derselben (der Zurückstoßung, oder
Anziehung, die in der Dynamik angeführt werden), und daß das Quantum
der Substanz hier nichts anderes als die bloße Menge des Beweglichen
bedeute, welches die Materie ausmacht. Denn nur diese Menge des Bewegten kann
bey derselben Geschwindigkeit einen Unterschied in der Quantität der
Bewegung geben. Daß aber die bewegende Kraft, die eine Materie in ihrer
eigenen Bewegung hat, allein die Quantität der Substanz beweise, beruht auf
dem Begriffe der letzteren als dem letzten Subject (das weiter kein Prädicat
von einem andern ist) im Raume, welches eben darum keine andere Größe
haben kann, als die der Menge des Gleichartigen außerhalb einander. Da nun
die eigene Bewegung der Materie ein Prädicat ist, welches ihr Subjekt (das
Bewegliche) bestimmt, und an einer Materie, als einer Menge des
Be-[114/115]weglichen, die Vielheit der bewegten Subjecte (bey gleicher
Geschwindigkeit auf gleiche Art) angiebt, welches bey dynamischen Eigenschaften,
deren Größe auch die Größe der Wirkung von einem einzigen
Subjecte seyn kann (z. B. da ein Lufttheilchen mehr oder weniger Elasticität
haben kann), nicht der Fall ist, so erhellet daraus, wie die Quantität der
Substanz an einer Materie nur mechanisch, d. i. durch die Quantität
der eigenen Bewegung derselben, und nicht dynamisch, durch die Größe
der ursprünglich bewegenden Kräfte, geschätzt werden müsse.
Gleichwohl kann die ursprüngliche Anziehung, als die Ursache der
allgemeinen Gravitation, doch ein Maaß der Quantität der Materie und
ihrer Substanz abgeben (wie das wirklich in der Vergleichung der Materien durch
Abwiegen geschieht), obgleich hier nicht eigene Bewegung der anziehenden
Materie, sondern ein dynamisch Maaß, nämlich Anziehungskraft, zum
Grunde gelegt zu seyn scheint. Aber, weil bey dieser Kraft die Wirkung einer
Materie mit allen ihren Theilen unmittelbar auf alle Theile einer andern,
geschieht, und also (bey gleichen Entfernungen) offenbar der Menge der Theile
proportionirt ist, der ziehende Körper sich dadurch auch selbst eine
Geschwindigkeit der eigenen Bewegung ertheilt (durch den Widerstand des
Gezogenen), welche, in gleichen äusseren Umständen, gerade der Menge
seiner Theile proportionirt ist, so geschieht die Schäztung hier, obzwar
nur indirect, doch in der That mechanisch. [115/116]
Erstes Gesetz der Mechanik. Bey allen Veränderungen der körperlichen
Natur bleibt die Quantität der Materie im Ganzen dieselbe, unvermehrt und
unvermindert.
(Aus der allgemeinen Metaphysik wird der Satz zum Grunde gelegt,
daß bey allen Veränderungen der Natur keine Substanz weder entstehe
noch vergehe, und hier wird nur dargethan, was in der Materie die Substanz sey.)
In jeder Materie ist das Bewegliche im Raume das letzte Subject aller der
Materie inhärirenden Accidenzen, und die Menge dieses Beweglichen außerhalb
einander die Quantität der Substanz. Also ist die Größe der
Materie, der Substanz nach, nichts anders, als die Menge der Substanzen, daraus
sie besteht. Es kann also die Quantität der Materie nicht vermehrt oder
vermindert werden, als dadurch, daß neue Substanz derselben entsteht oder
vergeht. Nun entsteht und vergeht bey allem Wechsel der Materie die Substanz
niemals; also wird auch die Quantität der Materie dadurch weder vermehrt,
noch vermindert, sondern bleibt immer dieselbe und zwar im Ganzen, d. i.
so, daß sie irgend in der Welt in derselben Quantität fortdauert,
obgleich diese oder jene [116/117] Materie durch Hinzukunft oder Absonderung der
Theile vermehrt oder vermindert werden kann.
Das Wesentliche, was in diesem Beweise die Substanz, die nur im
Raume und nach Bedingungen desselben, folglich als Gegenstand äußerer
Sinne möglich ist, characterisirt, ist, daß ihre Größe
nicht vermehrt oder vermindert werden kann, ohne daß Substanz entstehe,
oder vergehe, darum, weil alle Größe eines blos im Raum möglichen
Objects aus Theilen außerhalb einander bestehen muß, diese also,
wenn sie real (etwas bewegliches) sind, nothwendig Substanzen seyn müssen.
Dagegen kann das, was als Gegenstand des inneren Sinnes betrachtet wird, als
Substanz eine Größe haben, die nicht aus Theilen außerhalb
einander besteht, deren Theile also auch nicht Substanzen sind, deren Entstehen
oder Vergehen folglich auch nicht ein Entstehen oder Vergehen einer Substanz
seyn darf, deren Vermehrung oder Verminderung daher, dem Grundsatze von der
Beharrlichkeit der Substanz unbeschadet, möglich ist. So hat nämlich
das Bewußtseyn, mithin die Klarheit der Vorstellungen meiner Seele, und,
derselben zu Folge, auch das Vermögen des Bewußtseyns, die
Apperception, mit diesem aber selbst die Substanz der Seele einen Grad, der größer
oder kleiner werden kann, ohne daß irgend eine Substanz zu diesem Behuf
entstehen oder vergehen dürfte. Weil aber, bey allmäliger Verminderung
dieses Vermögens der Apper-[117/118]ception, endlich ein gänzliches
Verschwinden derselben erfolgen müßte, so würde doch selbst die
Substanz der Seele einem allmäligen Vergehen unterworfen seyn, ob sie schon
einfacher Natur wäre, weil dieses Verschwinden ihrer Grundkraft nicht durch
Zertheilung (Absonderung der Substanz von einem Zusammengesetzten), sondern
gleichsam durch Erlöschen, und auch dieses nicht in einem Augenblicke,
sondern durch allmälige Nachlassung des Grades derselben, es sey aus
welcher Ursache es wolle, erfolgen könnte. Das Ich, das allgemeine Correlat
der Apperception und selbst blos ein Gedanke, bezeichnet als ein bloßes
Vorwort, ein Ding von unbestimmter Bedeutung, nämlich das Subject aller Prädicate,
ohne irgend eine Bedingung, die diese Vorstellung des Subjects von dem eines
Etwas überhaupt unterschiede, also Substanz, von der man, was sie sey,
durch diesen Ausdruck keinen Begriff hat. Dagegen der Begriff einer Materie als
Substanz der Begriff des Beweglichen im Raume ist. Es ist daher kein Wunder,
wenn von der letzteren die Beharrlichkeit der Substanz bewiesen werden kann, von
der ersteren aber nicht, weil bey der Materie schon aus ihrem Begriffe, nämlich
daß sie das Bewegliche sey, das nur im Raume möglich ist, fließt,
daß das, was in ihr Größe hat, eine Vielheit des Realen außer
einander, mithin der Substanzen, enthalte, und folglich die Quantität
derselben nur durch Zertheilung, welche kein Verschwinden ist, vermindert werden
könne, und das letztere in ihr nach dem Gesetze der Stetigkeit auch unmög-[118/119]lich
seyn würde. Der Gedanke Ich ist dagegen gar kein Begriff, sondern nur
innere Wahrnehmung, aus ihm kann also auch gar nichts, (ausser der gänzliche
Unterschied eines Gegenstandes des inneren Sinnes von dem was blos als
Gegenstand äußerer Sinne gedacht wird) folglich auch nicht die
Beharrlichkeit der Seele, als Substanz, gefolgert werden.
Zweytes Gesetz der Mechanik. Alle Veränderung der Materie
hat eine äussere Ursache. (Ein jeder Körper beharrt in seinem Zustande
der Ruhe oder Bewegung, in derselben Richtung und mit derselben Geschwindigkeit,
wenn er nicht durch eine äußere Ursache genöthigt wird, diesen
Zustand zu verlassen.)
(Aus der allgemeinen Metaphysik wird der Satz zum Grunde gelegt,
daß alle Veränderung eine Ursache habe; hier soll von der Materie nur
bewiesen werden, daß ihre Veränderung jederzeit eine äußere
Ursache haben müsse.) Die Materie, als bloßer Gegenstand äußerer
Sinne, hat keine andere Bestimmungen, als die der äußeren Verhältnisse
im Raume, und erleidet also auch keine Veränderungen, als durch Bewegung.
In Ansehung dieser, als Wechsels einer Bewegung mit einer andern, oder derselben
mit der [119/120] Ruhe, und umgekehrt, muß eine Ursache derselben
angetroffen werden (nach Princ. der Metaph.) Diese Ursache aber kann nicht
innerlich seyn, denn die Materie hat keine schlechthin innere Bestimmungen und
Bestimmungsgründe. Also ist alle Veränderung einer Materie auf äußere
Ursache gegründet (d. i. ein Körper beharret, u. s. w.).
Dieses mechanische Gesetz muß allein das Gesetz der Trägheit
(lex inertiae) genannt werden, das Gesetz der einer jeden Wirkung
entgegengesetzten gleichen Gegenwirkung kann diesen Namen nicht führen.
Denn dieses sagt, was die Materie thut, jenes aber nur was sie nicht thut,
welches dem Ausdrucke der Trägheit besser angemessen ist. Die Trägheit
der Materie ist und bedeutet nichts anders, als ihre Leblosigkeit, als Materie
an sich selbst. Leben heißt das Vermögen einer Substanz sich aus
einem inneren Princip zum Handeln, einer endlichen Substanz sich zur Veränderung,
und einer materiellen Substanz sich zur Bewegung oder Ruhe, als Veränderung
ihres Zustandes, zu bestimmen. Nun kennen wir kein anderes inneres Princip einer
Substanz, ihren Zustand zu verändern, als das Begehren, und überhaupt
keine andere innere Thätigkeit, als Denken, mit dem, was davon abhängt,
Gefühl der Lust oder Unlust und Begierde oder Willen. Diese Bestimmungsgründe
aber und Handlungen gehören gar nicht zu den Vorstellungen äußerer
Sinne und also auch [120/121] nicht zu den Bestimmungen der Materie als Materie.
Also ist alle Materie als solche leblos. Das sagt der Satz der Trägheit,
und nichts mehr. Wenn wir die Ursache irgend einer Veränderung der Materie
im Leben suchen, so werden wir es auch so fort in einer anderen, von der Materie
verschiedenen, obzwar mit ihr verbundenen Substanz zu suchen haben. Denn in der
Naturkenntniß ist es nöthig, zuvor die Gesetze der Materie als einer
solchen zu kennen und sie von dem Beytritte aller anderen wirkenden Ursachen zu
läutern, ehe man sie damit verknüpft, um wohl zu unterscheiden, was,
und wie jede derselben für sich allein wirke. Auf dem Gesetze der Trägheit
(neben dem der Beharrlichkeit der Substanz) beruht die Möglichkeit einer
eigentlichen Naturwissenschaft ganz und gar. Das Gegentheil des erstern, und
daher auch der Tod aller Naturphilosophie, wäre der Hylozoism. Aus eben
demselben Begriffe der Trägheit, als bloßer Leblosigkeit, fließt
von selbst, daß sie nicht ein positives Bestreben seinen Zustand zu
erhalten bedeute. Nur lebende Wesen werden in diesem letzteren Verstande träg
genannt, weil sie eine Vorstellung von einem anderen Zustande haben, den sie
verabscheuen, und ihre Kraft dagegen anstrengen.
Drittes mechanisches Gesetz. In aller Mittheilung der Bewegung
sind Wirkung und Gegenwirkung einander jederzeit gleich. [121/122]
(Aus der allgemeinen Metaphysik muß der Satz entlehnt
werden, daß alle äußere Wirkung in der Welt Wechselwirkung sey.
Hier soll, um in den Schranken der Mechanik zu bleiben, nur gezeigt werden, daß
diese Wechselwirkung (actio mutua) zugleich Gegenwirkung (reactio) sey; allein
ich kann, ohne der Vollständigkeit der Einsicht Abbruch zu thun, jenes
metaphysische Gesetz der Gemeinschaft hier doch nicht ganz weglassen.) Alle thätige
Verhältnisse der Materien im Raume und alle Veränderungen dieser Verhältnisse,
so fern sie Ursachen von gewissen Wirkungen seyn können, müssen
jederzeit als wechselseitig vorgestellt werden, d. i. weil alle Veränderung
derselben Bewegung ist, so kann keine Bewegung eines Körpers in Beziehung
auf einen absolut-ruhigen, der dadurch auch in Bewegung gesetzt werden soll,
gedacht werden, vielmehr muß dieser nur als relativ-ruhig in Ansehung des
Raums, auf den man ihn bezieht, zusamt diesem Raume aber in entgegengesetzter
Richtung als mit eben derselben Quantität der Bewegung im absoluten Raume
bewegt vorgestellt werden, als der Bewegte in eben demselben gegen ihn hat. Denn
die Veränderung des Verhältnisses (mithin die Bewegung) ist zwischen
beiden durchaus wechselseitig; so viel der eine Körper jedem Theile des
anderen näher kommt, so viel nähert sich der andere jedem Theil des
ersteren, [122/123] und, weil es hier nicht auf den empirischen Raum, der beide
Körper umgiebt, sondern nur auf die Linie, die zwischen ihnen liegt,
ankommt, (indem diese Körper lediglich in Relation auf einander, nach dem
Einflusse, den die Bewegung des einen auf die Veränderung des Zustandes des
anderen, mit Abstraction von aller Relation zum empirischen Raume, haben kann,
betrachtet werden,) so wird ihre Bewegung als blos im absoluten Raume bestimmbar
betrachtet, in welchem jeder der beiden Körper an der Bewegung, die dem
einen im relativen Raume beygelegt wird, gleichen Antheil haben muß, indem
kein Grund da ist, einem von beiden mehr davon, als dem anderen, beyzulegen. Auf
diesem Fuß wird die Bewegung eines Körpers A gegen einen anderen,
ruhigen B, in Ansehung dessen er dadurch bewegend seyn kann, auf den absoluten
Raum reducirt, d. i. als Verhältnis wirkender Ursachen blos auf
einander bezogen, so betrachtet, wie beide an der Bewegung, welche in der
Erscheinung dem Körper A allein beygelegt wird, gleichen Antheil haben,
welches nicht anders geschehen kann, als so, daß die Geschwindigkeit, die
im relativen Raume blos dem Körper A beygelegt wird, unter A und B in
umgekehrtem Verhältniß der Massen, dem A allein die seinige im
absoluten Raume, dem B dagegen zusamt dem relativen Raume, worin er ruht, in
entgegengesetzter Richtung ausgetheilt werde, wodurch dieselbe Erscheinung der
Be-[123/124]wegung vollkommen beybehalten, die Wirkung aber in der Gemeinschaft
beider Körper auf folgende Art construirt wird.
Es sey ein Körper A mit einer Geschwindigkeit = AB
in Ansehung des relativen Raumes gegen den Körper B, der in Ansehung eben
desselben Raums ruhig ist, im Anlaufe. Man theile die Geschwindigkeit AB in zwey
Theile, Ac und Bc, die sich umgekehrt wie die Massen B und A gegen einander
verhalten, und stelle sich A mit der Geschwindigkeit Ac im absoluten Raume, B
aber mit der Geschwindigkeit Bc in entgegengesetzter Richtung zusamt dem
relativen Raume bewegt vor: so sind beide Bewegungen einander entgegengesetzt
und gleich, und, da sie einander wechselseitig aufheben, so versetzen sich beide
Körper beziehungsweise auf einander, d. i. im absoluten Raume, in
Ruhe. Nun war aber B mit der Geschwindigkeit Bc in der Richtung BA, die der des
Körpers A, nämlich AB, gerade entgegengesetzt ist, zusamt dem
relativen Raume in Bewegung. Wenn also die Bewegung des Körpers B durch den
Stoß aufgehoben wird, so wird darum doch die Bewegung des relativen Raums
nicht aufgehoben. Also bewegt sich nach dem Stoße der relative Raum in
Ansehung beider Körper A und B, [124/125] (die nunmehr im absoluten Raume
ruhen,) in der Richtung BA mit der Geschwindigkeit Bc, oder, welches einerley
ist, beide Körper bewegen sich nach dem Stoße mit gleicher
Geschwindigkeit Bd=Bc in der Richtung des Stoßenden AB. Nun ist aber, nach
dem vorigen, die Quantität der Bewegung des Körpers B in der Richtung
und mit der Geschwindigkeit Bc, mithin auch die in der Richtung Bd mit derselben
Geschwindigkeit, der Quantität der Bewegung des Körpers A mit der
Geschwindigkeit und in der Richtung Ac gleich: folglich ist die Wirkung, d. i.
die Bewegung Bd, die der Körper B durch den Stoß im relativen Raume
erhält, und also auch die Handlung des Körpers A mit der
Geschwindigkeit Ac der Gegenwirkung Bc jederzeit gleich. Da eben dasselbe Gesetz
(wie die mathematische Mechanik lehrt) keine Abänderung erleidet, wenn,
anstatt des Stoßes auf einen ruhigen, ein Stoß desselben Körpers
auf einen gleichfalls bewegten Körper angenommen wird, imgleichen die
Mittheilung der Bewegung durch den Stoß von der durch den Zug nur in der
Richtung, nach welcher die Materien einander in ihren Bewegungen widerstehen,
unterschieden ist: so folgt, daß in aller Mittheilung der Bewegung Wirkung
und Gegenwirkung einander jederzeit gleich seyn (daß jeder Stoß nur
vermittelst eines gleichen Gegenstoßes, jeder Druck vermittelst eines
gleichen Gegendrucks, imgleichen jeder [125/126] Zug nur durch einen gleichen
Gegenzug die Bewegung eines Körpers dem andern mittheilen könne.) *)
*) In der Phoronomie, da die Bewegung eines Körpers blos in
Ansehung des Raums, als Veränderung der Relation in demselben, betrachtet
wurde, war es ganz gleichgültig, ob ich den Körper im Raume, oder, an
statt dessen, dem relativen Raume eine gleiche aber entgegengesetzte Bewegung
zugestehen wollte; beides gab völlig einerley Erscheinung. Die Quantität
der Bewegung des Raums war blos die Geschwindigkeit, und daher die des Körpers
gleichfalls nichts als seine Geschwindigkeit (weswegen er als ein bloßer
beweglicher Punct betrachtet werden konnte). In der Mechanik aber, da ein Körper
in Bewegung gegen einen anderen betrachtet wird, gegen den er durch seine
Bewegung ein Caußalverhältnis hat, nämlich das, ihn selbst zu
bewegen, indem er entweder bey seiner Annäherung durch die Kraft der
Undurchdringlichkeit, oder seiner Entfernung durch die Kraft der Anziehung, mit
ihm in Gemeinschaft kommt, da ist es nicht mehr gleichgültig, ob ich einem
dieser Körper, oder dem Raume eine entgegengesetzte Bewegung zueignen will.
Denn nunmehro kommt ein anderer Begriff der Quantität der Bewegung ins
Spiel, nämlich nicht derjenigen, die blos in Ansehung des Raumes gedacht
wird und allein in der Geschwindigkeit besteht, sondern derjenigen, wobey
zugleich die Quantität der Substanz (als bewegende Ursache) in Anschlag
gebracht werden muß, und es ist hier nicht mehr beliebig, sondern
nothwendig, jeden der beiden Körper als bewegt anzunehmen, und zwar mit
gleicher Quantität der Bewegung in entgegengesetzter Richtung; [126/127]
Hieraus folgt das, für die allgemeine Mechanik nicht
unwichtige, Naturgesetz: daß ein jeder Körper, wie groß auch
seine Masse sey, durch den Stoß eines jeden anderen, wie klein auch seine
Masse oder Geschwindigkeit seyn mag, beweglich seyn müsse. Denn der
Bewegung von A in der Richtung AB correspon-
[Fortsetzung der Anmerkung von Seite 126] wenn aber der eine
relative in Ansehung des Raumes in Ruhe ist, ihm die erforderliche Bewegung
zusamt dem Raume beyzulegen. Denn einer kann auf den anderen durch seine eigene
Bewegung nicht wirken, als entweder bey der Annäherung vermittelst der Zurückstoßungskraft,
oder bey der Entfernung vermittelst der Anziehung. Da beide Kräfte nun
jederzeit beiderseitig in entgegengesetzten Richtungen und gleich wirken, so
kann kein Körper vermittelst ihrer durch seine Bewegung auf einen anderen
wirken, ohne gerade so viel, als der andere mit gleicher Quantität der
Bewegung entgegenwirkt. Also kann kein Körper einem schlechthin-ruhigen
durch seine Bewegung Bewegung ertheilen, sondern dieser muß gerade mit
derselben Quantität der Bewegung (zusamt dem Raume) in entgegengesetzter
Richtung bewegt seyn, als diejenige ist, die er durch die Bewegung des ersteren
und in der Richtung desselben erhalten soll. - Der Leser wird leicht inne
werden, daß unerachtet des etwas Ungewöhnlichen, welches diese
Vorstellungsart der Mittheilung der Bewegung an sich hat, sie sich dennoch in
das hellste Licht stellen lasse, wenn man die Weitläuftigkeit der Erläuterung
nicht scheuet. [127/128]
dirt nothwendiger Weise eine entgegengesetzte gleiche Bewegung
von B in der Richtung BA. Beide Bewegungen heben durch den Stoß einander
im absoluten Raume auf. Dadurch aber erhalten beide Körper eine
Geschwindigkeit Bd=Bc in der Richtung des Stoßenden, folglich ist der Körper
B für jede noch so kleine Kraft des Anstoßes beweglich.
Dies ist also das mechanische Gesetz der Gleichheit der Wirkung
und Gegenwirkung, welches darauf beruht: daß keine Mittheilung der
Bewegung stattfinde, ausser sofern eine Gemeinschaft dieser Bewegungen
vorausgesetzt wird; daß also kein Körper einen anderen stoße,
der in Ansehung seiner ruhig ist, sondern, ist dieser es in Ansehung des Raums,
nur so fern er zusamt diesem Raume in gleichem Maaße, aber in
entgegengesetzter Richtung bewegt, mit der Bewegung, die alsdenn dem ersteren zu
seinem relativen Antheil fällt, zusammen, allererst die Quantität der
Bewegung gebe, die wir dem ersten im absoluten Raume beylegen würden. Denn
keine Bewegung, die in Ansehung eines anderen Körpers bewegend seyn soll,
kann absolut seyn: ist sie aber relativ in Ansehung des letzteren, so giebts
keine Relation im Raume, die nicht wechselseitig und gleich sey. - Es giebt
aber noch ein anderes, nämlich ein dynamisches Gesetz der Gleichheit der
Wirkung und Gegenwirkung der Ma-[128/129]terien, nicht so fern eine der anderen
ihre Bewegung mittheilt, sondern dieser ursprünglich ertheilt und durch
deren Widerstreben zugleich in sich hervorbringt. Diese läßt sich auf
ähnliche Art leicht darthun. Denn, wenn die Materie A die Materie B zieht,
so nöthigt sie diese sich ihr zu nähern, oder, welches einerley ist,
jene widersteht der Kraft, womit diese sich zu entfernen trachten möchte.
Weil es aber einerley ist, ob B sich von A, oder A von B entferne: so ist dieser
Widerstand zugleich ein Widerstand, den der Körper B gegen A ausübt,
so fern er sich von ihm zu entfernen trachten möchte, mithin sind Zug und
Gegenzug einander gleich. Eben so, wenn A die Materie B zurückstößt,
so widersteht A der Annäherung von B. Da es aber einerley ist, ob sich B
dem A oder A dem B nähere, so widersteht B auch eben so viel der Annäherung
von A; Druck und Gegendruck sind also auch jederzeit einander gleich.
Dies ist also die Construction der Mittheilung der Bewegung,
welche zugleich das Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung, als
nothwendige Bedingung derselben, bey sich führet, welches Newton sich gar
nicht getrauete a priori zu beweisen, sondern sich deshalb auf Erfahrung berief,
welchem zu Gefallen andere eine besondere Kraft der Materie, unter dem von
Keplern zuerst angeführten Namen der Trägheitskraft (vis
iner-[129/130]tiae), in der Naturwissenschaft einführeten, und also im
Grunde es auch von Erfahrung ableiteten, endlich noch andere in dem Begriffe
einer bloßen Mittheilung der Bewegung setzten, welche sie, wie einen allmäligen
Uebergang der Bewegung des einen Körpers in den andern ansahen, wobey der
bewegende gerade so viel einbüßen müsse, als er dem bewegten
ertheilt, bis er dem letzteren keine weiter eindrückt, (wenn er nämlich
mit diesem schon bis zur Gleichheit der Geschwindigkeit in derselben Richtung
gekommen ist,) *) wodurch sie im Grunde alle Gegenwirkung aufho-
*) Die Gleichheit der Wirkung mit der in diesem Falle fälschlich
sogenannten Gegenwirkung kommt eben so wohl heraus, wenn man bey der Hypothese
der Transfusion der Bewegungen aus einem Körper in den anderen, den
bewegten Körper A dem ruhigen in einem Augenblicke seine ganze Bewegung überliefern
läßt, so, daß er nach dem Stoße selber ruhe, welcher Fall
unausbleiblich war, so bald man beide Körper als absolut-hart (welche
Eigenschaft von der Elasticität unterschieden werden muß) dachte. Da
dieses Bewegungsgesetz aber weder mit der Erfahrung, noch mit sich selbst in der
Anwendung zusammenstimmen wollte, so wußte man sich nicht anders zu
helfen, als dadurch daß man die Existenz absolut-harter Körper
leugnete, welches so viel hieß, als die Zufälligkeit dieses Gesetzes
zugestehen, indem es auf der besonderen Qualität der Materien beruhen
sollte, die einander bewegen. In unserer Darstellung dieses Gesetzes ist es
dagegen ganz einerley, ob man die Körper, die einander stoßen,
absolut-hart oder nicht denken will. Wie aber die [130/131]
ben, d. i. alle wirklich entgegenwirkende Kraft des gestoßenen
gegen den stoßenden (der etwa vermögend wäre, eine Springfeder
zu spannen), und außerdem, daß sie das nicht beweisen, was in dem
genannten Gesetze eigentlich gemeint ist, die Mittheilung der Bewegung selbst,
ihrer Möglichkeit nach, gar nicht erklärten. Denn der Name vom
Uebergang der Bewegung von einem Körper auf den andern erklärt nichts,
und wenn man ihn nicht etwa (dem Grundsatze accidentia non migrant e substantiis
in substantias zuwider) buchstäblich nehmen will, als wenn Bewegung von
einem Körper in einen anderen, wie Wasser aus einem Glase in das andere,
gegossen würde, so ist es hier eben die Aufgabe, wie diese Möglichkeit
begreiflich zu machen sey, deren Erklärung nun gerade auf demselben Grunde
beruht, woraus das Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung abgeleitet
wird. Man kann sich
[Fortsetzung der Anmerkung von Seite 130] Transfusionisten der
Bewegung die Bewegung elastischer Körper durch den Stoß nach ihrer
Art erklären wollen, ist mir ganz unbegreiflich. Denn da ist klar, daß
der ruhende Körper nicht als blos ruhend Bewegung bekomme, die der Stoßende
einbüßt, sondern, daß er im Stoße wirkliche Kraft in
entgegengesetzter Richtung gegen den Stoßenden ausübe, um gleichsam
die Feder zwischen beiden zusammen zu drücken, welches von seiner Seite
eben so wohl wirkliche Bewegung (aber in entgegengesetzter Richtung) erfodert,
als der bewegende Körper seiner Seits dazu nöthig hat. [131/132]
gar nicht denken, wie die Bewegung eines Körpers A mit der
Bewegung eines anderen B nothwendig verbunden seyn müsse, als so, daß
man sich Kräfte an beiden denkt, die ihnen (dynamisch) vor aller Bewegung
zukommen, z. B. Zurückstoßung, und nun beweisen kann, daß
die Bewegung des Körpers A durch Annäherung gegen B, mit der Annäherung
von B gegen A, und, wenn B als ruhig angesehen wird, mit der Bewegung desselben,
zusamt seinem Raume gegen A nothwendig verbunden sey, so fern ein Körper
mit ihren (ursprünglich) bewegenden Kräften blos relativ auf einander
in Bewegung betrachtet werden. Dieses letztere kann völlig a priori dadurch
eingesehen werden, daß, es mag nun der Körper B in Ansehung des
empirisch kennbaren Raumes ruhig, oder bewegt seyn, er doch in Ansehung des Körpers
A nothwendig als bewegt, und zwar in entgegengesetzter Richtung als bewegt,
angesehen werden müsse; weil sonst kein Einfluß desselben auf die
repulsive Kraft beider stattfinden würde, ohne welchen ganz und gar keine
mechanische Wirkung der Materien auf einander, d. i. keine Mittheilung der
Bewegung durch den Stoß, möglich ist.
Die Benennung der Trägheitskraft (vis inertiae) muß
also, unerachtet des berühmten Namens ihres Urhebers, aus der
Naturwissenschaft gänzlich weggeschafft werden, nicht allein weil sie einen
Widerspruch im Ausdrucke selbst bey sich führt, oder auch deswegen, weil
das Gesetz der [132/133] Trägheit (Leblosigkeit) dadurch leicht mit dem
Gesetze der Gegenwirkung in jeder mitgetheilten Bewegung verwechselt werden könnte,
sondern vornehmlich, weil dadurch die irrige Vorstellung derer, die der
mechanischen Gesetze nicht recht kundig sind, erhalten und bestärkt wird,
nach welcher die Gegenwirkung der Körper, von der unter dem Namen der Trägheitskraft
die Rede ist, darinn bestehe, daß die Bewegung dadurch in der Welt
aufgezehrt, vermindert oder vertilgt, nicht aber die bloße Mittheilung
derselben dadurch bewirkt werde, indem nämlich der bewegende Körper
einen Theil seiner Bewegung blos dazu aufwenden müßte, um die Trägheit
des ruhenden zu überwinden (welches denn reiner Verlust wäre), mit dem
übrigen Theile allein könne er den letzteren in Bewegung setzen;
bliebe ihm aber nichts übrig, so würde er durch seinen Stoß den
letzteren, seiner großen Masse wegen, gar nicht in Bewegung bringen. Einer
Bewegung kann nichts widerstehen, als entgegengesetzte Bewegung eines anderen,
keinesweges aber dessen Ruhe. Hier ist also nicht Trägheit der Materie, d. i.
bloßes Unvermögen sich von selbst zu bewegen, die Ursache eines
Widerstandes. Eine besondere ganz eigenthümliche Kraft, blos um zu
widerstehen, ohne einen Körper bewegen zu können, wäre unter dem
Namen einer Trägheitskraft ein Wort ohne alle Bedeutung. Man könnte
also die drey Gesetze der allgemeinen Mechanik schicklicher so benennen: das
Gesetz der Selbstständigkeit, der Trägheit, und der Gegenwirkung der
Mate-[133/134]rien (lex Subsistentiae, Inertiae, et Antagonismi) bey allen ihren
Veränderungen derselben. Daß diese, mithin die gesamten Lehrsätze
gegenwärtiger Wissenschaft, den Categorien der Substanz, der Caußalität
und der Gemeinschaft, so fern diese Begriffe auf Materie angewandt werden, genau
antworten, bedarf keiner weiteren Erörterung.
D
ie Mittheilung der Bewegung geschieht nur vermittelst solcher
bewegenden Kräfte, die einer Materie auch in Ruhe beywohnen
(Undurchdringlichkeit und Anziehung). Die Wirkung einer bewegenden Kraft auf
einen Körper in einem Augenblicke ist die Solicitation desselben, die
gewirkte Geschwindigkeit des letzteren durch die Solicitation, so fern sie in
gleichem Verhältnis mit der Zeit wachsen kann, ist das Moment der
Acceleration. (Das Moment der Acceleration muß also nur eine unendlich
kleine Geschwindigkeit enthalten, weil sonst der Körper durch dasselbe in
einer gegebenen Zeit eine unendliche Geschwindigkeit erlangen würde, welche
unmöglich ist. Uebrigens beruht die Möglichkeit der Beschleunigung überhaupt,
durch ein fortwährendes Moment derselben, auf dem Gesetze der Trägheit).
Die Solicitation der Materie durch expansive [134/135] Kraft (z. B. einer
zusammengedrückten Luft, die ein Gewicht trägt) geschieht jederzeit
mit einer endlichen Geschwindigkeit, die Geschwindigkeit aber, die dadurch einem
anderen Körper eingedrückt (oder entzogen) wird, kann nur unendlich
klein seyn; denn jene ist nur eine Flächenkraft, oder, welches einerley
ist, die Bewegung eines unendlich kleinen Quantum von Materie, die folglich mit
endlicher Geschwindigkeit geschehen muß, um der Bewegung eines Körpers
von endlicher Masse mit unendlich kleiner Geschwindigkeit (einem Gewichte)
gleich zu seyn. Dagegen ist die Anziehung eine durchdringende Kraft und als mit
einer solchen übt ein endliches Quantum der Materie auf ein gleichfalls
endliches Quantum einer andern bewegende Kraft aus. Die Solicitation der
Anziehung muß also unendlich klein seyn, weil sie dem Moment der
Acceleration (welches jederzeit unendlich klein seyn muß) gleich ist,
welches bey der Zurückstoßung, da ein unendlich kleiner Theil der
Materie einem endlichen ein Moment eindrücken soll, der Fall nicht ist. Es
läßt sich keine Anziehung mit einer endlichen Geschwindigkeit denken,
ohne daß die Materie durch ihre eigene Anziehungskraft sich selbst
durchdringen müßte. Denn die Anziehung, welche eine endliche Quantität
Materie auf eine endliche mit einer endlichen Geschwindigkeit ausübt, muß
eine jede endliche Geschwindigkeit, womit die Materie durch ihre
Undurchdringlichkeit, aber nur mit einem unendlich kleinen Theil der Quantität
ihrer Materie entgegenwirkt, in allen Puncten der Zusammendrückung
[135/136] überlegen seyn. Wenn die Anziehung nur eine Flächenkraft
ist, wie man sich den Zusammenhang denkt, so würde das Gegentheil von
diesem erfolgen. Allein es ist unmöglich ihn so zu denken, wenn er wahre
Anziehung (und nicht blos äußere Zusammendrückung) seyn soll.
Ein absolut-harter Körper würde derjenige seyn, dessen
Theile einander so stark zögen, daß sie durch kein Gewicht getrennt,
noch in ihrer Lage gegen einander verändert werden könnten. Weil nun
die Theile der Materie eines solchen Körpers sich mit einem Moment der
Acceleration ziehen müßten, welches gegen das der Schwere unendlich,
der Masse aber, welche dadurch getrieben wird, endlich seyn würde, so müßte
der Widerstand durch Undurchdringlichkeit, als expansive Kraft, da er jederzeit
mit einer unendlich-kleinen Quantität der Materie geschieht, mit mehr als
endlicher Geschwindigkeit der Solicitation geschehen, d. i. die Materie würde
sich mit unendlicher Geschwindigkeit auszudehnen trachten, welches unmöglich
ist. Also ist ein absolut-harter Körper, d. i. ein solcher, der einem
mit endlicher Geschwindigkeit bewegten Körper im Stoße einen
Widerstand, der der ganzen Kraft desselben gleich wäre, in einem Augenblick
entgegensetzte, unmöglich. Folglich leistet eine Materie durch ihre
Undurchdringlichkeit oder Zusammenhang, gegen die Kraft eines Körpers in
endlicher Bewegung, in einem Augenblicke nur unendlich kleinen Widerstand.
Hieraus folgt nun das mechanische Gesetz der Stetigkeit (lex continui
mechanica), nämlich: [136/137] an keinem Körper wird der Zustand der
Ruhe, oder der Bewegung, und an dieser, der Geschwindigkeit oder der Richtung,
durch den Stoß in einem Augenblicke verändert, sondern nur in einer
gewissen Zeit, durch eine unendliche Reihe von Zwischenzuständen, deren
Unterschied von einander kleiner ist, als der des ersten und letzten. Ein
bewegter Körper, der auf eine Materie stößt, wird also durch
deren Widerstand nicht auf einmal, sondern nur durch continuirliche Retardation
zur Ruhe, oder der, so in Ruhe war, nur durch continuirliche Acceleration in
Bewegung, oder aus einem Grade Geschwindigkeit in einen andern nur nach
derselben Regel versetzt; imgleichen wird die Richtung seiner Bewegung in eine
solche, die mit jener einen Winkel macht, nicht anders als vermittelst aller möglichen
dazwischen liegenden Richtungen, d. i. vermittelst der Bewegung in einer
krummen Linie, verändert (welches Gesetz aus einem ähnlichen Grunde
auch auf die Veränderung des Zustandes eines Körpers durch Anziehung
erweitert werden kann). Diese lex continui gründet sich auf dem Gesetze der
Trägheit der Materie, da hingegen das metaphysische Gesetz der Stetigkeit
auf alle Veränderung (innere so wohl als äussere) überhaupt
ausgedehnt seyn müßte, und also auf dem bloßen Begriffe einer
Veränderung überhaupt, als Größe, und der Erzeugung
derselben, (die nothwendig in einer gewissen Zeit continuirlich, so wie die Zeit
selbst, vorginge,) gegründet seyn würde, hier also keinen Platz
findet. [137/138]
M
aterie ist das Bewegliche, so fern es, als ein solches, ein
Gegenstand der Erfahrung seyn kann.
Bewegung ist, so wie alles, was durch Sinne vorgestellt wird,
nur als Erscheinung gegeben. Damit ihre Vorstellung Erfahrung werde, dazu wird
noch erfodert, daß etwas durch den Verstand gedacht werde, nämlich zu
der Art, wie die Vorstellung dem Subjecte inhärirt, noch die Bestimmung
eines Objects durch dieselbe. Also wird das Bewegliche, als ein solches, ein
Gegenstand der Erfahrung, wenn ein gewisses Object (hier also ein materielles
Ding) in Ansehung des Prädicats der Bewegung als bestimmt gedacht wird. Nun
ist aber Bewegung Veränderung der Relation im Raume. Es sind also hier
immer zwey Correlata, deren einem in der Erscheinung erstlich eben so gut wie
dem anderen die Veränderung beygelegt, und dasselbe entweder, oder das
andere bewegt genannt werden kann, weil beides gleichgültig ist, oder
[138/139] zweytens, deren eines in der Erfahrung mit Ausschliessung des anderen
als bewegt gedacht werden muß, oder drittens, deren beide nothwendig durch
Vernunft als zugleich bewegt vorgestellt werden müssen. In der Erscheinung,
die nichts als die Relation in der Bewegung (ihrer Veränderung nach) enthält,
ist nichts von diesen Bestimmungen enthalten; wenn aber das Bewegliche als ein
solches, nämlich seiner Bewegung nach, bestimmt gedacht werden soll, d. i.
zum Behuf einer möglichen Erfahrung, ist es nöthig die Bedingungen
anzuzeigen, unter welchen der Gegenstand (die Materie) auf eine oder andere Art
durch das Prädicat der Bewegung bestimmt werden müsse. Hier ist nicht
die Rede von Verwandlung des Scheins in Wahrheit, sondern der Erscheinung in
Erfahrung; denn beim Scheine ist der Verstand mit seinen einen Gegenstand
bestimmenden Urtheilen jederzeit im Spiele, obzwar er in Gefahr ist das
Subjective für objectiv zu nehmen; in der Erscheinung aber ist gar kein
Urtheil des Verstandes anzutreffen; welches nicht blos hier, sondern in der
ganzen Philosophie anzumerken nöthig ist, weil man sonst, wenn von
Erscheinungen die Rede ist, und man nimmt diesen Ausdruck für einerley der
Bedeutung nach mit dem des Scheins, jederzeit übel verstanden wird.
Die geradlinigte Bewegung einer Materie in Ansehung eines
empirischen Raumes ist, zum [139/140] Unterschiede von der entgegengesetzten
Bewegung des Raums, ein blos mögliches Prädicat. Eben dasselbe in gar
keiner Relation auf eine Materie ausser ihr, d. i. als absolute Bewegung
gedacht, ist unmöglich.
Ob ein Körper im relativen Raume bewegt, dieser aber ruhig
genannt werde, oder, umgekehrt, dieser in entgegengesetzter Richtung gleich
geschwinde bewegt, dagegen jener ruhig genannt werden solle, ist kein Streit über
das, was dem Gegenstande, sondern nur seinem Verhältnisse zum Subject,
mithin der Erscheinung und nicht der Erfahrung, zukommt. Denn, stellt sich der
Zuschauer in demselben Raume als ruhig, so heißt ihm der Körper
bewegt; stellt er sich (wenigstens in Gedanken) in einem andern und jenen
umfassenden Raum, in Ansehung dessen der Körper gleichfalls ruhig ist, so
heißt jener relative Raum bewegt. Also ist in der Erfahrung (einer
Erkenntnis, die das Object für alle Erscheinungen gültig bestimmt,)
gar kein Unterschied zwischen der Bewegung des Körpers im relativen Raume,
oder der Ruhe des Körpers im absoluten und der entgegengesetzten gleichen
Bewegung des relativen Raums. Nun ist die Vorstellung eines Gegenstandes durch
eines von zweyen Prädicaten, die in Ansehung des Objects gleichgeltend sind
[140/141] und sich nur in Ansehung des Subjects und seiner Vorstellungsart von
einander unterscheiden, nicht die Bestimmung nach einem disjunctiven, sondern
blos die Wahl nach einem alternativen Urtheile, (deren das erstere von zweyen
objectiv entgegengesetzten Prädicaten eines mit Ausschliessung des
Gegentheils, das andere aber von objectiv zwar gleichgeltenden, subjectiv aber
einander entgegengesetzten Urtheilen, ohne Ausschliessung des Gegentheils vom
Object, - also durch bloße Wahl - eines zur Bestimmung desselben
annimmt) *); das heißt: durch den Begrif der Bewegung, als
Gegenstandes der Erfahrung, ist es an sich unbestimmt, mithin gleichgeltend, ob
ein Körper im relativen Raume, oder dieser in Ansehung jenes als bewegt
vorgestellt werde. Nun ist dasjenige, was in Ansehung zweyer einander
entgegengesetzter Prädicate an sich unbestimmt ist, so fern blos möglich.
Also ist die geradlinigte Bewegung einer Materie im empirischen Raume, zum
Unterschiede von der entgegengesetzten gleichen Bewegung des Raumes, in der
Erfahrung ein blos mögliches Prädicat; welches das erste war.
Da ferner eine Relation, mithin auch eine Veränderung
derselben, d. i. Bewegung, nur so fern ein
*) Von diesem Unterschiede der disjunctiven und alternativen
Entgegensetzung ein Mehreres in der allgemeinen Anmerkung zu diesem Hauptstücke.
[141/142]
Gegenstand der Erfahrung seyn kann, als beide Correlate Gegenstände
der Erfahrung sind; der reine Raum aber, den man auch, im Gegensatze gegen den
relativen (empirischen), den absoluten Raum nennt, kein Gegenstand der Erfahrung
und überall nichts ist: so ist die geradlinigte Bewegung ohne Beziehung auf
irgend etwas Empirisches, d. i. die absolute Bewegung, schlechterdings unmöglich,
welches das zweyte war.
Dieser Lehrsatz bestimmt die Modalität der Bewegung in
Ansehung der Phoronomie.
Die Kreisbewegung einer Materie ist, zum Unterschiede von der
entgegengesetzten Bewegung des Raums, ein wirkliches Prädicat derselben;
dagegen ist die entgegengesetzte Bewegung eines relativen Raums, statt der
Bewegung des Körpers genommen, keine wirkliche Bewegung des letzteren,
sondern, wenn sie dafür gehalten wird, ein bloßer Schein.
Die Kreisbewegung ist (so wie jede krummlinigte) eine
continuirliche Veränderung der geradlinigten, und, da diese selbst eine
continuirliche Veränderung der Relation in Ansehung des äusseren
Raumes ist, [142/143] so ist die Kreisbewegung eine Veränderung der Veränderung
dieser äusseren Verhältnisse im Raume, folglich ein continuirliches
Entstehen neuer Bewegungen. Weil nun nach dem Gesetze der Trägheit eine
Bewegung, so fern sie entsteht, eine äussere Ursache haben muß,
gleichwol aber der Körper in jedem Puncte dieses Kreises (nach eben
demselben Gesetze) für sich in der den Kreis berührenden geraden Linie
fortzugehen bestrebt ist, welche Bewegung jener äusseren Ursache
entgegenwirkt, so beweiset jeder Körper in der Kreisbewegung durch seine
Bewegung eine bewegende Kraft. Nun ist die Bewegung des Raumes, zum Unterschiede
der Bewegung des Körpers blos phoronomisch, und hat keine bewegende Kraft.
Folglich ist das Urtheil, daß hier entweder der Körper, oder der
Raum, in entgegengesetzter Richtung bewegt sey, ein disjunctives Urtheil, durch
welches, wenn das eine Glied, nämlich die Bewegung des Körpers,
gesetzt ist, das andere, nämlich die des Raumes, ausgeschlossen wird; also
ist die Kreisbewegung eines Körpers, zum Unterschiede von der Bewegung des
Raums, wirkliche Bewegung, folglich die letztere, wenn sie gleich der
Erscheinung nach mit der ersteren übereinkommt, dennoch im Zusammenhange
aller Erscheinungen, d. i. der möglichen Erfahrung, dieser
widerstreitend, also nichts als bloßer Schein. [143/144]
Dieser Lehrsatz bestimmt die Modalität der Bewegung in
Ansehung der Dynamik; denn eine Bewegung, die nicht ohne den Einfluß einer
continuirlich wirkenden äussern bewegenden Kraft stattfinden kann, beweiset
mittelbar oder unmittelbar, ursprüngliche Bewegkräfte der Materie, es
sey der Anziehung oder Zurückstoßung. - Uebrigens kann Newtons
Scholium zu den Definitionen, die er seinen Princ. Phil. Nat. Math. vorangesetzt
hat, gegen das Ende, hierüber nachgesehen werden, aus welchem erhellet, daß
die Kreisbewegung zweyer Körper um einen gemeinschaftlichen Mittelpunct
(mithin auch die Achsendrehung der Erde) selbst im leeren Raume, also ohne alle
durch Erfahrung mögliche Vergleichung mit dem äusseren Raume, dennoch
vermittelst der Erfahrung könne erkannt werden, daß also eine
Bewegung, die eine Veränderung der äusseren Verhältnisse im Raume
ist, empirisch gegeben werden könne, obgleich dieser Raum selbst nicht
empirisch gegeben und kein Gegenstand der Erfahrung ist, welches Paradoxon
aufgelöset zu werden verdient.
In jeder Bewegung eines Körpers, wodurch er in Ansehung
eines anderen bewegend ist, ist eine entgegengesetzte gleiche Bewegung des
letzteren nothwendig. [144/145]
Nach dem dritten Gesetze der Mechanik (Lehrs. 4) ist die
Mittheilung der Bewegung der Körper nur durch die Gemeinschaft ihrer ursprünglich
bewegenden Kräfte und diese nur durch beiderseitige entgegengesetzte und
gleiche Bewegung möglich. Die Bewegung beider ist also wirklich. Da aber
die Wirklichkeit dieser Bewegung nicht (wie im zweyten Lehrsatze) auf dem
Einflusse äusserer Kräfte beruht, sondern aus dem Begriffe der
Relation des Bewegten im Raume zu jedem anderen dadurch Beweglichen unmittelbar
und unvermeidlich folgt, so ist die Bewegung des letzteren nothwendig.
Dieser Lehrsatz bestimmt die Modalität der Bewegung in
Ansehung der Mechanik. - Daß übrigens diese drey Lehrsätze
die Bewegung der Materie in Ansehung ihrer Möglichkeit, Wirklichkeit und
Nothwendigkeit, mithin in Ansehung aller dreyen Categorien der Modalität
bestimmen, fällt von selbst in die Augen.
E
s zeigen sich also hier drey Begriffe, deren Gebrauch in der
allgemeinen Naturwissenschaft unvermeidlich, deren [145/146] genaue Bestimmung
um deswillen nothwendig, obgleich eben nicht so leicht und faßlich ist, nämlich
der Begriff der Bewegung im relativen (beweglichen) Raume, zweytens der Begriff
der Bewegung im absoluten (unbeweglichen) Raume, drittens der Begriff der
relativen Bewegung überhaupt, zum Unterschiede von der absoluten. Allen
wird der Begriff des absoluten Raumes zum Grunde gelegt. Wie kommen wir aber zu
diesem sonderbaren Begriffe, und worauf beruht die Nothwendigkeit seines
Gebrauchs?
Er kann kein Gegenstand der Erfahrung seyn; denn der Raum ohne
Materie ist kein Object der Wahrnehmung, und dennoch ist er ein nothwendiger
Vernunftbegrif, mithin nichts weiter, als eine bloße Idee. Denn, damit
Bewegung auch nur als Erscheinung gegeben werden könne, dazu wird eine
empirische Vorstellung des Raums, in Ansehung dessen das Bewegliche sein Verhältnis
verändern soll, erfodert, der Raum aber, der wargenommen werden soll, muß
material, mithin, dem Begriffe einer Materie überhaupt zu Folge, selbst
beweglich seyn. Um ihn nun bewegt zu denken, darf man ihn nur als in einem Raume
von größerem Umfange enthalten denken und diesen als ruhig annehmen.
Mit diesem aber läßt sich eben dasselbe in Ansehung eines noch mehr
erweiterten Raumes veranstalten und so ins Unendliche, ohne jemals zu einem
unbeweglichen (unmateriellen) Raume durch Erfahrung zu [146/147] gelangen, in
Ansehung dessen irgend einer Materie schlechthin Bewegung oder Ruhe beygelegt
werden könne, sondern der Begriff dieser Verhältnisbestimmungen wird
beständig abgeändert werden müssen, nachdem man das Bewegliche
mit einem oder dem anderen dieser Räume in Verhältnis betrachten wird.
Da nun die Bedingung, etwas als ruhig oder bewegt anzusehen, im relativen Raume
ins Unendliche immer wiederum bedingt ist, so erhellt daraus erstlich: daß
alle Bewegung oder Ruhe blos relativ und keine absolut seyn könne, d. i.
daß Materie blos in Verhältnis auf Materie, niemals aber in Ansehung
des bloßen Raumes ohne Materie, als bewegt oder ruhig gedacht werden könne,
mithin absolute Bewegung, d. i. eine solche, die ohne alle Beziehung einer
Materie auf eine andere gedacht wird, schlechthin unmöglich sey; zweytens,
daß auch eben darum kein für alle Erscheinung gültiger Begriff
von Bewegung oder Ruhe im relativen Raume möglich sey, sondern man sich
einen Raum, in welchem dieser selbst als bewegt gedacht werden könne, der
aber seiner Bestimmung nach weiter von keinem anderen empirischen Raume abhängt
und daher nicht wiederum bedingt ist, d. i. einen absoluten Raum, auf den
alle relative Bewegungen bezogen werden können, denken müsse, in
welchem alles Empirische beweglich ist, eben darum, damit in demselben alle
Bewegung des Materiellen, als blos relativ gegen einander, als
alternativ-wechselsei-[147/148]tig *), keine aber als absolute Bewegung
oder Ruhe (da, indem das eine bewegt heißt, das andere, worauf in Be-
*) In der Logik bezeichnet das Entweder-Oder jederzeit ein
disjunctives Urtheil; da denn, wenn das eine wahr ist, daß andere falsch
seyn muß. Z. B. ein Körper ist entweder bewegt, oder nicht
bewegt, d. i. in Ruhe. Denn man redet da lediglich von dem Verhältnis
des Erkentnisses zum Objecte. In der Erscheinungslehre, wo es auf das Verhältnis
zum Subject ankommt, um darnach das Verhältnis der Objecte zu bestimmen,
ist es anders. Denn da ist der Satz: der Körper ist entweder bewegt und der
Raum ruhig, oder umgekehrt, nicht ein disjunctiver Satz in objectiver, sondern
nur in subjectiver Beziehung, und beide darin enthaltene Urtheile gelten
alternativ. In eben derselben Phänomenologie, wo die Bewegung nicht blos
phoronomisch, sondern vielmehr dynamisch betrachtet wird, ist dagegen der
disjunctive Satz in objectiver Bedeutung zu nehmen; d. i. an die Stelle der
Umdrehung eines Körpers kann ich nicht die Ruhe desselben und dagegen die
entgegengesetzte Bewegung des Raums annehmen. Wo aber die Bewegung sogar
mechanisch betrachtet wird, (wie wenn ein Körper gegen einen dem Scheine
nach ruhigen anläuft) ist sogar das der Form nach disjunctive Urtheil in
Ansehung des Objects distributiv zu gebrauchen, so daß die Bewegung nicht
entweder dem einen oder dem andern, sondern einem jeden ein gleicher Antheil
daran beygelegt werden muß. Diese Unterscheidung der alternativen,
disjunctiven und distributiven Bestimmung eines Begriffs, in Ansehung
entgegengesetzter Prädicate, hat ihre Wichtigkeit, kann aber hier nicht
weiter erörtert werden. [148/149]
ziehung jenes bewegt ist, gleichwol als schlechthin ruhig
vorgestellt wird) gelten möge. Der absolute Raum ist also nicht, als ein
Begriff von einem wirklichen Object, sondern als eine Idee, welche zur Regel
dienen soll, alle Bewegung in ihm blos als relativ zu betrachten, nothwendig,
und alle Bewegung und Ruhe muß auf den absoluten Raum reducirt werden,
wenn die Erscheinung derselben in einen bestimmten Erfahrungsbegriff (der alle
Erscheinungen vereinigt) verwandelt werden soll.
So wird die geradlinigte Bewegung eines Körpers im
relativen Raume auf den absoluten Raum reducirt, wenn ich den Körper als an
sich ruhig, jenen Raum aber im absoluten (der nicht in die Sinne fällt) in
entgegengesetzter Richtung bewegt, und diese Vorstellung als diejenige denke,
welche gerade dieselbe Erscheinung giebt, wodurch denn alle mögliche
Erscheinungen geradlinigter Bewegungen, die ein Körper allenfalls zugleich
haben mag, auf den Erfahrungsbegriff, der sie insgesamt vereinigt, nämlich
den der blos relativen Bewegung und Ruhe, zurückgeführt werden.
Die Kreisbewegung, weil sie nach dem zweyten Lehrsatze, auch
ohne Beziehung auf den äusseren empirisch-gegebenen Raum als wirkliche
Bewegung in der Erfahrung gegeben werden kann, scheint doch in der That absolute
Bewegung zu seyn. Denn die relative in Ansehung des äußeren Raums (z. B.
die Achsendrehung der Erde relativ auf die Sterne des Himmels), ist eine
Erscheinung, an [149/150] deren Stelle die entgegengesetzte Bewegung dieses
Raums (des Himmels) in derselben Zeit, als jener völlig gleichgeltend,
gesetzt werden kann, die aber nach diesem Lehrsatze in der Erfahrung durchaus
nicht an deren Stelle gesetzt werden darf, mithin auch jene Kreisdrehung nicht
als äußerlich relativ vorgestellt werden soll, welches so lautet, als
ob diese Art der Bewegung für absolut anzunehmen sey.
Allein es ist wohl zu merken: daß hier von der wahren
(wirklichen) Bewegung, die doch nicht als solche erscheint, die also, wenn man
sie blos nach empirischen Verhältnissen zum Raume beurtheilen wollte, für
Ruhe könnte gehalten werden, d. i. von der wahren Bewegung, zum
Unterschiede vom Schein, nicht aber von ihr als absoluten Bewegung im Gegensatze
der relativen die Rede sey, mithin die Kreisbewegung, ob sie zwar in der
Erscheinung keine Stellen-Veränderung, d. i. keine phoronomische, des
Verhältnisses des Bewegten zum (empirischen) Raume, zeigt, dennoch eine
durch Erfahrung erweisliche continuirliche dynamische Veränderung des Verhältnisses
der Materie in ihrem Raume, z. B. eine beständige Verminderung der
Anziehung durch eine Bestrebung zu entfliehen, als Wirkung der Kreisbewegung,
zeige und dadurch den Unterschied derselben vom Schein sicher bezeichne. Man
kann sich z. B. die Erde im unendlichen leeren Raum als um die Achse
gedreht vorstellen, und diese Bewegung auch durch Erfahrung darthun, obgleich
weder das Verhältnis [150/151] der Theile der Erde untereinander, noch zum
Raume außer ihr, phoronomisch, d. i. in der Erscheinung verändert
wird. Denn in Ansehung des ersteren als empirischen Raumes verändert nichts
auf und in der Erde seine Stelle, und in Beziehung des zweyten, der ganz leer
ist, kann überall kein äußeres verändertes Verhältnis,
mithin auch keine Erscheinung einer Bewegung stattfinden. Allein, wenn ich mir
eine zum Mittelpunct der Erde hingehende tiefe Höle vorstelle, und lasse
einen Stein darin fallen, finde aber, daß, obzwar in jeder Weite vom
Mittelpuncte die Schwere immer nach diesem hingerichtet ist, der fallende Stein
dennoch von seiner senkrechten Richtung im Fallen continuirlich und zwar von
West nach Ost abweiche, so schließe ich, die Erde sey von Abend gegen
Morgen um die Achse gedreht. Oder wenn ich auch außerhalb den Stein von
der Oberfläche der Erde weiter entferne, und er bleibt nicht über
demselben Puncte der Oberfläche, sondern entfernt sich von demselben von
Osten nach Westen, so werde ich auf eben dieselbe vorhergenannte Achsendrehung
der Erde schließen und beiderley Wahrnehmungen werden zum Beweise der
Wirklichkeit dieser Bewegung hinreichend seyn, wozu die Veränderung des
Verhältnisses zum äußeren Raume (dem bestirnten Himmel) nicht
hinreicht, weil sie bloße Erscheinung ist, die von zwey in der That
entgegengesetzten Gründen herrühren kann und nicht ein aus dem Erklärungsgrunde
aller Erscheinungen dieser Veränderung abgeleitetes Erkenntnis, d. i.
Erfahrung, ist. Daß aber diese Be-[151/152][we]gung, ob sie gleich keine
Veränderung des Verhältnisses zum empirischen Raume ist, dennoch keine
absolute Bewegung, sondern continuirliche Veränderung der Relationen der
Materien zu einander, obzwar im absoluten Raume vorgestellt, mithin wirklich nur
relative und sogar darum allein wahre Bewegung sey, das beruht auf der
Vorstellung der wechselseitigen continuirlichen Entfernung eines jeden Theils
der Erde (außerhalb der Achse) von jedem andern ihm in gleicher Entfernung
vom Mittelpuncte im Diameter gegenüber liegenden. Denn diese Bewegung ist
im absoluten Raume wirklich, indem dadurch der Abgang der gedachten Entfernung,
den die Schwere für sich allein dem Körper zuziehen würde, und
zwar ohne alle dynamische zurücktreibende Ursache (wie man aus dem von
Newton Prin. Ph. N. pag. 10. Edit. 1714. *) gewählten Beyspiele
ersehen kann), mithin durch wirkliche, aber auf den
*) Er sagt daselbst: Motus quidem veros corporum singulorum
cognoscere et ab apparentibus actu discriminare difficillimum est: propterea,
quod partes spatii illius immobilis, in quo corpora vere moventur, non incurrunt
in sensus. Caussa tamen non est prorsus desperata. Hierauf läßt er
zwey durch einen Faden verknüpfte Kugeln sich um ihren gemeinschaftlichen
Schwerpunct im leeren Raume drehen, und zeigt, wie die Wirklichkeit ihrer
Bewegung samt der Richtung derselben dennoch durch Erfahrung könne gefunden
werden. Ich habe dieses auch an der um ihre Achse bewegten Erde unter etwas veränderten
Umständen zu zeigen gesucht. [152/153]
innerhalb der bewegten Materie (nämlich das Centrum
derselben) beschlossenen, nicht aber auf den äußeren Raum bezogene
Bewegung, continuirlich ersetzt wird.
Was den Fall des dritten Lehrsatzes anlangt, so bedarf es, um
die Wahrheit der wechselseitig-entgegengesetzten und gleichen Bewegung beider Körper
auch ohne Rücksicht auf den empirischen Raum zu zeigen, nicht einmal des im
zweyten Fall nöthigen durch Erfahrung gegebenen thätigen dynamischen
Einflusses (der Schwere, oder eines gespannten Fadens), sondern die bloße
dynamische Möglichkeit eines solchen Einflusses, als Eigenschaft der
Materie, (die Zurückstoßung oder Anziehung) führt, bey der
Bewegung der einen, die gleiche und entgegengesetzte Bewegung der andern
zugleich mit sich, und zwar aus bloßen Begriffen einer relativen Bewegung,
wenn sie im absoluten Raume, d. i. nach der Wahrheit betrachtet wird, und
ist daher, wie alles was aus bloßen Begriffen hinreichend erweislich ist,
ein Gesetz einer schlechterdings nothwendigen Gegenbewegung.
Es ist also auch keine absolute Bewegung, wenn gleich ein Körper
im leeren Raume in Ansehung eines anderen als bewegt gedacht wird; die Bewegung
beider wird hier nicht relativ auf den sie umgebenden Raum, sondern nur auf den
zwischen ihnen, welcher ihr äußeres Verhältnis unter einander
allein bestimmt, als den absoluten Raum betrachtet, und ist also wiederum nur
relativ. Absolute Bewegung würde also nur diejenige seyn, die einem Kör-[153/154]per
ohne ein Verhältnis auf irgend eine andere Materie zukäme. Eine solche
wäre allein die geradlinigte Bewegung des Weltganzen, d. i. des
Systems aller Materie. Denn, wenn außer einer Materie noch irgend eine
andere, selbst durch den leeren Raum getrennte Materie wäre, so würde
die Bewegung schon relativ seyn. Um deswillen ist ein jeder Beweis eines
Bewegungsgesetzes, der darauf hinausläuft, daß das Gegentheil
desselben eine geradlinigte Bewegung des ganzen Weltgebäudes zur Folge
haben müßte, ein apodictischer Beweis der Wahrheit desselben; blos
weil daraus absolute Bewegung folgen würde, die schlechterdings unmöglich
ist. Von der Art ist das Gesetz des Antagonisms in aller Gemeinschaft der
Materie durch Bewegung. Denn eine jede Abweichung von demselben würde den
gemeinschaftlichen Mittelpunct der Schwere aller Materie, mithin das ganze
Weltgebäude aus der Stelle rücken, welches dagegen, wenn man dieses
sich als um seine Achse gedreht vorstellen wollte, nicht geschehen würde,
welche Bewegung also immer noch zu denken möglich, obzwar anzunehmen, so
viel man absehen kann, ganz ohne begreiflichen Nutzen seyn würde.
Auf die verschiedenen Begriffe der Bewegung und bewegenden Kräfte
haben auch die verschiedenen Begriffe vom leeren Raume ihre Beziehung. Der leere
Raum in phoronomischer Rücksicht, der auch der absolute Raum heißt,
sollte billig nicht ein leerer Raum genannt werden; denn er ist nur die Idee von
einem Raume, in welchem [154/155] ich von aller besonderen Materie, die ihn zum
Gegenstande der Erfahrung macht, abstrahire, um in ihm den materiellen, oder
jeden empirischen Raum, noch als beweglich und dadurch die Bewegung nicht blos
einseitig, als absolutes, sondern jederzeit wechselseitig, als blos relatives Prädicat
zu denken. Er ist also gar nichts, was zur Existenz der Dinge, sondern blos zur
Bestimmung der Begriffe gehört und so fern existirt kein leerer Raum. Der
Leere Raum in dynamischer Rücksicht ist der, der nicht erfüllt ist, d. i.
worin dem Eindringen des Beweglichen nichts anderes Bewegliches widersteht,
folglich keine repulsive Kraft wirkt, und er kann entweder der leere Raum in der
Welt (vacuum mundanum), oder, wenn diese als begrenzt vorgestellt wird, der
leere Raum außer der Welt (vacuum extramundanum) seyn; der erstere auch
entweder als zerstreuter (vacuum disseminatum, der nur einen Theil des Volumens
der Materie ausmacht), oder als gehäufter leerer Raum (vacuum coaceruatum,
der die Körper, z. B. Weltkörper, von einander absondert)
vorgestellt werden, welche Unterscheidung, da sie nur auf den Unterschied der Plätze,
die man dem leeren Raum in der Welt anweiset, beruht, eben nicht wesentlich ist,
aber doch in verschiedener Absicht gebraucht wird, der erste, um den
specifischen Unterschied der Dichtigkeit, der zweyte, um die Möglichkeit
einer von allem äußeren Widerstande freyen Bewegung im Weltraume
davon abzuleiten. Daß den leeren Raum in der ersteren Absicht anzunehmen
nicht [155/156] nöthig sey, ist schon in der allgemeinen Anmerkung zur
Dynamik gezeigt worden; daß er aber unmöglich sey, kann aus seinem
Begriffe allein, nach dem Satze des Widerspruchs, keinesweges bewiesen werden.
Gleichwol, wenn hier auch kein blos logischer Grund der Verwerfung desselben
anzutreffen wäre, könnte doch ein allgemeiner physischer Grund, ihn
aus der Naturlehre zu verweisen, nämlich der von der Möglichkeit der
Zusammensetzung einer Materie überhaupt, daseyn, wenn man die letztere nur
besser einsähe. Denn wenn die Anziehung, die man zur Erklärung des
Zusammenhanges der Materie annimmt, nur scheinbare, nicht wahre Anziehung,
vielmehr etwa blos die Wirkung einer Zusammendrückung durch äußere,
im Weltraume allenthalben verbreitete Materie (den Aether), welche selbst nur
durch eine allgemeine und ursprüngliche Anziehung, nämlich die
Gravitation, zu diesem Drucke gebracht wird, seyn sollte, welche Meinung manche
Gründe für sich hat, so würde der leere Raum innerhalb den
Materien, wenn gleich nicht logisch, doch dynamisch und also physisch unmöglich
seyn, weil jede Materie sich in die leeren Räume, die man innerhalb
derselben annähme, (da ihrer expansiven Kraft hier nichts widersteht) von
selbst ausbreiten und sie jederzeit erfüllet erhalten würde. Ein
leerer Raum außer der Welt würde, wenn man unter dieser den Inbegriff
aller vorzüglich attractiven Materien (der großen Weltkörper)
versteht, aus eben denselben Gründen unmöglich seyn, weil nach dem Maaße
als die Entfernung von diesen zunimmt, auch die An-[156/157]ziehungskraft auf
den Aether, (der jene Körper alle einschließt und, von jener
getrieben, sie in ihrer Dichtigkeit durch Zusammendrückung erhält) in
umgekehrtem Verhältnisse abnimmt, dieser also selbst nur ins Unendliche an
Dichtigkeit abnehmen, nirgend aber den Raum ganz leer lassen würde. Daß
es indessen mit dieser Wegschaffung des leeren Raums ganz hypothetisch zugeht,
darf niemand befremden; geht es doch mit der Behauptung desselben nicht besser
zu. Diejenige, welche diese Streitfrage dogmatisch zu entscheiden wagen, sie mögen
es bejahend oder verneinend thun, stützen sich zuletzt auf lauter
metaphysische Voraussetzungen, wie aus der Dynamik zu ersehen ist, und es war
wenigstens nöthig, hier zu zeigen, daß diese über gedachte
Aufgabe gar nicht entscheiden können. Was drittens den leeren Raum in
mechanischer Absicht betrift, so ist dieser das gehäufte Leere innerhalb
dem Weltganzen, um den Weltkörpern freye Bewegung zu verschaffen. Man
siehet leicht, daß die Möglichkeit oder Unmöglichkeit desselben
nicht auf metaphysischen Gründen, sondern dem schwer aufzuschließenden
Naturgeheimnisse, auf welche Art die Materie ihrer eigenen ausdehnenden Kraft
Schranken setze, beruhe. Gleichwol, wenn das, was in der allgem. Anmerk. zur
Dynamik von der ins Unendliche möglichen größeren Ausdehnung
specifisch verschiedener Stoffe, bey derselben Quantität der Materie (ihrem
Gewichte nach) gesagt worden, eingeräumt wird, so möchte wol, um der
freyen und daurenden Bewegung der Weltkörper willen, einen leeren [157/158]
Raum anzunehmen, unnöthig seyn, weil der Widerstand, selbst bey gänzlich
erfülleten Räumen, alsdenn doch so klein, als man will, gedacht werden
kann.
Und so endigt sich die metaphysische Körperlehre mit dem
Leeren und eben darum Unbegreiflichen, worin sie einerley Schicksal mit allen übrigen
Versuchen der Vernunft hat, wenn sie im Zurückgehen zu Principien den
ersten Gründen der Dinge nachstrebt, da, weil es ihre Natur so mit sich
bringt, niemals etwas anders, als so fern es unter gegebenen Bedingungen
bestimmt ist, zu begreifen, folglich sie weder beym Bedingten stehen bleiben,
noch sich das Unbedingte faßlich machen kann, ihr, wenn Wißbegierde
sie auffodert, das absolute Ganze aller Bedingungen zu fassen, nichts übrig
bleibt, als von den Gegenständen auf sich selbst zurückzukehren, um,
anstatt der letzten Grenze der Dinge, die letzte Grenze ihres eigenen sich
selbst überlassenen Vermögens zu erforschen und zu bestimmen.
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