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Metaphysische Anfangsgründe



der



Naturwissenschaft



von



I m m a n u e l K a n t







Riga,


bey Johann Friedrich Hartknoch


1786.




[I/II] [II leer] [II/III]




Vorrede.




W enn das Wort Natur blos in formaler Bedeutung genommen wird, da es das erste innere Princip alles dessen bedeutet, was zum Daseyn eines Dinges gehört, *) so kann es so vielerley Naturwissenschaften geben, als es specifisch verschiedene Dinge giebt, deren jedes sein eigenthümliches inneres Princip der zu seinem Daseyn gehörigen Bestimmungen enthalten muß. Sonst wird aber auch Natur in materieller Bedeutung genommen, nicht als eine Beschaffenheit, sondern als der Inbegriff aller Dinge, so fern sie Gegenstände unserer Sinne, mithin auch der Erfahrung seyn können, worunter also das Ganze aller Erscheinungen, d. i. die Sinnenwelt, mit Ausschließung aller nicht sinnlichen Objecte, verstanden wird. Die Natur, in die-

*) Wesen ist das erste, innere Princip alles dessen, was zur Möglichkeit eines Dinges gehört. Daher kann man den geometrischen Figuren, (da in ihrem Begriffe nichts, was ein Daseyn ausdrückte, gedacht wird) nur ein Wesen, nicht aber eine Natur beyzulegen. [III/IV]

ser Bedeutung des Worts genommen, hat nun, nach der Hauptverschiedenheit unserer Sinne, zwey Haupttheile, deren der eine die Gegenstände äußerer, der andere den Gegenstand des inneren Sinnes enthält, mithin ist von ihr eine zwiefache Naturlehre, die Körperlehre und Seelenlehre möglich, wovon die erste die ausgedehnte, die zweyte die denkende Natur in Erwägung zieht.
Eine jede Lehre, wenn sie ein System, d. i. ein nach Principien geordnetes Ganze der Erkenntnis, seyn soll, heißt Wissenschaft, und, da jene Principien entweder Grundsätze der empirischen oder der rationalen Verknüpfung der Erkenntnisse in einem Ganzen seyn können, so würde auch die Naturwissenschaft, sie mag nun Körperlehre oder Seelenlehre seyn, in historische oder rationale Naturwissenschaft eingetheilt werden müssen, wenn nur nicht das Wort Natur (weil dieses eine Ableitung des Mannigfaltigen zum Daseyn der Dinge gehörigen aus ihren inneren Princip bezeichnet) eine Erkenntnis durch Vernunft von ihrem Zusammenhange nothwendig machte, wofern sie den Namen von Naturwissenschaft verdienen soll. Daher wird die Naturlehre besser in historische Naturlehre, welche nichts als systematisch geordnete Facta der Naturdinge enthält (und wiederum aus Naturbeschreibung, als einem Classensystem derselben nach Aehnlichkeiten, und Naturgeschichte, als einer syste-[IV/V]matischen Darstellung derselben in verschiedenen Zeiten und Oertern, bestehen würde), und Naturwissenschaft eingetheilt werden können. Die Naturwissenschaft würde nun wiederum entweder eigentlich, oder uneigentlich so genannte Naturwissenschaft seyn, wovon die erstere ihren Gegenstand gänzlich nach Principien a priori, die zweyte nach Erfahrungsgesetzen behandelt.
Eigentliche Wissenschaft kann nur diejenige genannt werden, deren Gewißheit apodictisch ist; Erkenntnis, die blos empirische Gewißheit enthalten kann, ist ein nur uneigentlich so genanntes Wissen. Dasjenige Ganze der Erkenntnis, was systematisch ist, kann schon darum Wissenschaft heißen, und, wenn die Verknüpfung der Erkenntnis in diesem System ein Zusammenhang von Gründen und Folgen ist, sogar rationale Wissenschaft. Wenn aber diese Gründe oder Principien in ihr, wie z. B. in der Chymie, doch zuletzt blos empirisch sind, und die Gesetze, aus denen die gegebene Facta durch die Vernunft erklärt werden, blos Erfahrungsgesetze sind, so führen sie kein Bewußtseyn ihrer Nothwendigkeit bey sich (sind nicht apodictisch-gewiß), und alsdenn verdient das Ganze in strengem Sinne nicht den Namen einer Wissenschaft, und Chymie sollte daher eher systematische Kunst, als Wissenschaft [V/VI] heißen.
Eine rationale Naturlehre verdient also den Namen einer Naturwissenschaft nur alsdenn, wenn die Naturgesetze, die in ihr zum Grunde liegen, a priori erkannt werden, und nicht bloße Erfahrungsgesetze sind. Man nennt eine Naturerkenntnis von der ersteren Art rein; die von der zweyten Art aber wird angewandte Vernunfterkenntnis genannt. Da das Wort Natur schon den Begriff von Gesetzen bey sich führt, dieser aber den Begriff der Nothwendigkeit aller Bestimmungen eines Dinges, die zu seinem Daseyn gehören, bey sich führt, so sieht man leicht, warum Naturwissenschaft die Rechtmäßigkeit dieser Benennung nur von einem reinen Theil derselben, der nämlich die Principien a priori aller übrigen Naturerklärungen enthält, ableiten müsse und nur kraft dieses reinen Theils eigentliche Wissenschaft sey, imgleichen daß, nach Foderungen der Vernunft, jede Naturlehre zuletzt auf Naturwissenschaft hinausgehen und darin sich endigen müsse, weil jene Nothwendigkeit der Gesetze dem Begriffe der Natur unzertrennlich anhängt und daher durchaus eingesehen seyn will; daher die vollständigste Erklärung gewisser Erscheinungen aus chymischen Principien noch immer eine Unzufriedenheit zurückläßt, weil man von diesen, als zufälligen Gesetzen, die blos Erfahrung gelehrt hat, keine Gründe a priori anführen kann.
Alle eigentliche Naturwissenschaft bedarf also einen reinen Theil, auf dem sich die apodictische Gewiß-[VI/VII]heit, die die Vernunft in ihr sucht, gründen könne, und weil dieser, seinen Principien nach, in Vergleichung mit denen, die nur empirisch sind, ganz ungleichartig ist, so ist es zugleich von der größten Zuträglichkeit, ja, der Natur der Sache nach, von unerlaßlicher Pflicht in Ansehung der Methode, jenen Theil abgesondert, und von dem andern ganz unbemengt, so viel möglich in seiner ganzen Vollständigkeit vorzutragen, damit man genau bestimmen könne, was die Vernunft für sich zu leisten vermag, und wo ihr Vermögen anhebt der Beyhülfe der Erfahrungsprincipien nöthig zu haben. Reine Vernunfterkenntniß aus bloßen Begriffen heißt reine Philosophie, oder Metaphysik; dagegen wird die, welche nur auf der Construction der Begriffe, vermittelst Darstellung des Gegenstandes in einer Anschauung a priori, ihr Erkenntnis gründet, Mathematik genannt.
Eigentlich so zu nennende Naturwissenschaft setzt zuerst Metaphysik der Natur voraus; denn Gesetze, d. i. Principien der Nothwendigkeit dessen, was zum Daseyn eines Dinges gehört, beschäftigen sich mit einem Begriffe, der sich nicht construiren läßt, weil das Daseyn in keiner Anschauung a priori dargestellt werden kann. Daher setzt eigentliche Naturwissenschaft Metaphysik der Natur voraus. Diese muß nun zwar jederzeit lauter Principien, die nicht empirisch sind, enthalten (denn darum führt sie eben den [VII/VIII] Namen einer Metaphysik), aber sie kann doch entweder sogar ohne Beziehung auf irgend ein bestimmtes Erfahrungsobject, mithin unbestimmt in Ansehung der Natur dieses oder jenes Dinges der Sinnenwelt, von den Gesetzen, die den Begriff einer Natur überhaupt möglich machen, handeln, und alsdenn ist es der transscendentale Theil der Metaphysik der Natur: oder sie beschäftigt sich mit einer besonderen Natur dieser oder jener Art Dinge, von denen ein empirischer Begriff gegeben ist, doch so, daß außer dem, was in diesem Begriffe liegt, kein anderes empirisches Princip zur Erkenntnis derselben gebraucht wird (z. B. sie legt den empirischen Begriff einer Materie, oder eines denkenden Wesens, zum Grunde, und sucht den Umfang der Erkenntnis, deren die Vernunft über diese Gegenstände a priori fähig ist) und da muß eine solche Wissenschaft noch immer eine Metaphysik der Natur, nämlich der körperlichen oder denkenden Natur, heißen, aber es ist alsdenn keine allgemeine, sondern besondere metaphysische Naturwissenschaft, (Physik und Psychologie) in der jene transscendentale Principien auf die zwey Gattungen der Gegenstände unserer Sinne angewandt werden.
Ich behaupte aber, daß in jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin Mathematik anzutreffen ist. Denn nach dem Vorhergehenden erfodert ei-[VIII/IX]gentliche Wissenschaft, vornehmlich der Natur, einen reinen Theil, der dem empirischen zum Grunde liegt und der auf Erkenntnis der Naturdinge a priori beruht. Nun heißt etwas a priori erkennen, es aus seiner bloßen Möglichkeit erkennen. Die Möglichkeit bestimmter Naturdinge, kann aber nicht aus ihren bloßen Begriffen erkannt werden; denn aus diesen kann zwar die Möglichkeit des Gedankens, (daß er sich selbst nicht widerspreche) aber nicht des Objects, als Naturdinges erkannt werden, welches außer dem Gedanken (als existirend) gegeben werden kann. Also wird, um die Möglichkeit bestimmter Naturdinge, mithin um diese a priori zu erkennen, noch erfodert, daß die dem Begriffe correspondirende Anschauung a priori gegeben werde, d. i. daß der Begriff construirt werde. Nun ist die Vernunfterkenntnis durch Construction der Begriffe mathematisch. Also mag zwar eine reine Philosophie der Natur überhaupt, d. i. diejenige, die nur das, was den Begriff einer Natur im Allgemeinen ausmacht, untersucht, auch ohne Mathematik möglich seyn, aber eine reine Naturlehre über bestimmte Naturdinge (Körperlehre und Seelenlehre) ist nur vermittelst der Mathematik möglich, und, da in jeder Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen wird, als sich darin Erkenntnis a priori befindet, so wird Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft enthalten, als Mathematik in ihr angewandt werden kann. [IX/X]
So lange also noch für die chymischen Wirkungen der Materien auf einander kein Begriff ausgefunden wird, der sich construiren läßt, d. i. kein Gesetz der Annäherung oder Entfernung der Theile angeben läßt, nach welchem etwa in Proportion ihrer Dichtigkeiten u. d. g. ihre Bewegungen samt ihren Folgen sich im Raume a priori anschaulich machen und darstellen lassen, (eine Foderung, die schwerlich jemals erfüllt werden wird) so kann Chymie nichts mehr als systematische Kunst, oder Experimentallehre, niemals aber eigentliche Wissenschaft werden, weil die Principien derselben blos empirisch sind und keine Darstellung a priori in der Anschauung erlauben, folglich die Grundsätze chymischer Erscheinungen ihrer Möglichkeit nach nicht im mindesten begreiflich machen, weil sie der Anwendung der Mathematik unfähig sind.
Noch weiter aber, als selbst Chymie, muß empirische Seelenlehre jederzeit von dem Range einer eigentlich so zu nennenden Naturwissenschaft entfernt bleiben, erstlich weil Mathematik auf die Phänomene des inneren Sinnes und ihre Gesetze nicht anwendbar ist, man müßte denn allein das Gesetz der Stetigkeit in dem Abflusse der inneren Veränderungen desselben in Anschlag bringen wollen, welches aber eine Erweiterung der Erkenntnis seyn würde, die sich zu der, welche die Mathematik der Körperlehre verschafft, ohngefähr so verhalten würde, wie die Lehre von den Eigen-[X/XI]schaften der geraden Linie, zur ganzen Geometrie. Denn die reine innere Anschauung, in welcher die Seelen-Erscheinungen construirt werden sollen, ist die Zeit, die nur eine Dimension hat. Aber auch nicht einmal als systematische Zergliederungskunst, oder Experimentallehre, kann sie der Chymie jemals nahe kommen, weil sich in ihr das Mannigfaltige der inneren Beobachtung nur durch bloße Gedankentheilung von einander absondern, nicht aber abgesondert aufbehalten und beliebig wiederum verknüpfen, noch weniger aber ein anderes denkendes Subject sich unseren Versuchen der Absicht angemessen von uns unterwerfen läßt, und selbst die Beobachtung an sich schon den Zustand des beobachteten Gegenstandes alterirt und verstellt. Sie kann daher niemals etwas mehr als eine historische, und, als solche, so viel möglich systematische Naturlehre des inneren Sinnes, d. i. eine Naturbeschreibung der Seele, aber nicht Seelenwissenschaft, ja nicht einmal psychologische Experimentallehre werden; welches denn auch die Ursache ist, weswegen wir uns zum Titel dieses Werks, welches eigentlich die Grundsätze der Körperlehre enthält, dem gewöhnlichen Gebrauche gemäß des allgemeinen Namens der Naturwissenschaft bedient haben, weil ihr diese Benennung im eigentlichen Sinne allein zukommt und also hiedurch keine Zweydeutigkeit veranlaßt wird. [XI/XII]
Damit aber die Anwendung der Mathematik auf die Körperlehre, die durch sie allein Naturwissenschaft werden kann, möglich werde, so müssen Principien der Construction der Begriffe, welche zur Möglichkeit der Materie überhaupt gehören, vorangeschickt werden; mithin wird eine vollständige Zergliederung des Begriffs von einer Materie überhaupt zum Grunde gelegt werden müssen, welches ein Geschäfte der reinen Philosophie ist, die zu dieser Absicht sich keiner besonderen Erfahrungen, sondern nur dessen, was sie im abgesonderten (obzwar an sich empirischen) Begriffe selbst antrifft, in Beziehung auf die reinen Anschauungen im Raume und der Zeit (nach Gesetzen, welche schon dem Begriffe der Natur überhaupt wesentlich anhängen) bedient, mithin eine wirkliche Metaphysik der körperlichen Natur ist.
Alle Naturphilosophen, welche in ihrem Geschäfte mathematisch verfahren wollten, haben sich daher jederzeit (obschon sich selbst unbewußt) metaphysischer Principien bedient und bedienen müssen, wenn sie sich gleich sonst wider allen Anspruch der Metaphysik auf ihre Wissenschaft feyerlich verwahrten. Ohne Zweifel verstanden sie unter der letzteren den Wahn, sich Möglichkeiten nach Belieben auszudenken und mit Begriffen zu spielen, die sich in der Anschauung vielleicht gar nicht darstellen lassen, und keine andere Beglaubigung ihrer objectiven Realität haben, als daß sie blos [XII/XIII] mit sich selbst nicht im Widerspruche stehen. Alle wahre Metaphysik ist aus dem Wesen des Denkungsvermögens selbst genommen, und keinesweges darum erdichtet, weil sie nicht von der Erfahrung entlehnt ist, sondern enthält die reinen Handlungen des Denkens, mithin Begriffe und Grundsätze a priori, welche das Mannigfaltige empirischer Vorstellungen allererst in die gesetzmäßige Verbindung bringt, dadurch es empirisches E r k e n n t n i s, d. i. Erfahrung, werden kann. So konnten also jene mathematische Physiker metaphysischer Principien gar nicht entbehren, und unter diesen auch nicht solcher, welche den Begriff ihres eigentlichen Gegenstandes, nämlich der Materie, a priori zur Anwendung auf äußere Erfahrung tauglich machen, als des Begriffs der Bewegung, der Erfüllung des Raums, der Trägheit, u. s. w. Darüber aber blos empirische Grundsätze gelten zu lassen, hielten sie mit Recht der apodictischen Gewißheit, die sie ihren Naturgesetzen geben wollten, gar nicht gemäß, daher sie solche lieber postulirten, ohne nach ihren Quellen a priori zu forschen.
Es ist aber von der größten Wichtigkeit zum Vortheil der Wissenschaften ungleichartige Principien von einander zu scheiden, jede in ein besonderes System zu bringen, damit sie eine Wissenschaft ihrer eigenen Art ausmachen, um dadurch die Ungewißheit zu verhüten, die aus der Vermengung entspringt, da [XIII/XIV] man nicht wohl unterscheiden kann, welcher von beiden theils die Schranken, theils auch die Verirrungen, die sich im Gebrauche derselben zutragen möchten, beyzumessen seyn dürften. Um deswillen habe ich für nöthig gehalten, von dem reinen Theile der Naturwissenschaft (physica generalis), wo metaphysische und mathematische Constructionen durch einander zu laufen pflegen, die erstere, und mit ihnen zugleich die Principien der Construction dieser Begriffe, also der Möglichkeit einer mathematischen Naturlehre selbst, in einem System darzustellen. Diese Absonderung hat, außer dem schon erwähnten Nutzen, den sie schafft, noch einen besonderen Reiz, den die Einheit der Erkenntnis bey sich führt, wenn man verhütet, daß die Grenzen der Wissenschaften nicht in einander laufen, sondern ihre gehörig abgetheilte Felder einnehmen.
Es kann noch zu einem zweyten Anpreisungsgrunde dieses Verfahrens dienen: daß in Allem, was Metaphysik heißt, die absolute Vollständigkeit der Wissenschaften gehofft werden kann, dergleichen man sich in keiner anderen Art von Erkenntnissen versprechen darf, mithin eben so, wie in der Metaphysik der Natur überhaupt, also auch hier die Vollständigkeit der Metaphysik der körperlichen Natur zuversichtlich erwartet werden kann; wovon die Ursache ist, daß in der Metaphysik der Gegenstand nur, wie er blos nach den allgemeinen Gesetzen des Denkens, in andern Wis-[XIV/XV]senschaften aber, wie er nach datis der Anschauung (der reinen sowohl, als empirischen) vorgestellt werden muß, betrachtet wird, da denn jene, weil der Gegenstand in ihr jederzeit mit allen nothwendigen Gesetzen des Denkens verglichen werden muß, eine bestimmte Zahl von Erkenntnissen geben muß, die sich völlig erschöpfen läßt, diese aber, weil sie eine unendliche Mannigfaltigkeit von Anschauungen (reinen oder empirischen), mithin Objecten des Denkens darbieten; niemals zur absoluten Vollständigkeit gelangen, sondern ins Unendliche erweitert werden können; wie reine Mathematik und empirische Naturlehre. Auch glaube ich diese metaphysische Körperlehre so weit, als sie sich immer nur erstreckt, vollständig erschöpft, dadurch aber doch eben kein großes Werk zu Stande gebracht zu haben.
Das Schema aber zur Vollständigkeit eines metaphysischen Systems, es sey der Natur überhaupt, oder der körperlichen Natur insbesondere, ist die Tafel der Categorien. *) Denn mehr giebt es nicht rei-

*) Nicht wider diese Tafel der reinen Verstandesbegriffe, sondern die daraus gezogenen Schlüsse auf die Grenzbestimmung des ganzen reinen Vernunftvermögens, mithin auch aller Metaphysik, finde ich in der Allgem. Litt. Zeit. Nr. 295, in der Recension der Institutiones Logicae et Metaph. des Herrn Prof. Ulrich Zweifel, in welchen der tiefforschende Recensent mit seinem nicht minder prüfenden Verfasser übereinzukommen sich erklärt, und [XV/XVI]

ne Verstandesbegriffe, die die Natur der Dinge betreffen können. Unter die vier Classen derselben, die der

[Fortsetzung der Anmerkung von Seite XV] zwar Zweifel, die, weil sie gerade das Hauptfundament meines in der Critik aufgestellten Systems treffen sollen, Ursache wären, daß dieses in Ansehung seines Hauptzieles noch lange nicht diejenige apodictische Ueberzeugung bey sich führe, welche zur Abnöthigung einer uneingeschränkten Annahme erforderlich ist; dieses Hauptfundament sey meine, theils dort, theils in den Prolegomenen, vorgetragene Deduction der reinen Verstandesbegriffe, die aber in dem Theile der Critik, welcher gerade der helleste seyn müßte, am meisten dunkel wäre, oder wol gar sich im Cirkel herumdrehete etc. Ich richte meine Beantwortung dieser Einwürfe nur auf den Hauptpunct derselben, daß nämlich, ohne eine ganz klare und genugthuende Deduction der Categorien, das System der Critik der reinen Vernunft in seinem Fundamente wanke. Dagegen behaupte ich, daß für denjenigen, der meine Sätze von der Sinnlichkeit aller unserer Anschauung und der Zulänglichkeit der Tafel der Categorien, als von den logischen Functionen in Urtheilen überhaupt entlehnter Bestimmungen unseres Bewußtseyns, unterschreibt, (wie dieses denn der Recensent thut) das System der Critik apodictische Gewißheit bey sich führen müsse, weil dieses auf dem Satze erbauet ist: daß der ganze speculative Gebrauch unserer Vernunft niemals weiter als auf Gegenstände möglicher Erfahrung reiche. Denn wenn bewiesen werden kann: d a ß die Categorien, deren sich die Vernunft in allem ihrem Erkenntnis bedienen muß, gar keinen anderen Gebrauch, als blos in Beziehung auf Gegenstände der Erfahrung haben können (dadurch daß sie in dieser blos die Form des Denkens möglich machen), so ist die Beantwortung der Frage, w i e sie solche möglich machen, zwar wichtig genug, um diese Deduction, wo möglich, zu vollenden, aber in Beziehung auf [XVI/XVII]

Größe, der Qualität, der Relation und endlich der Modalität, müssen sich auch alle Bestimmungen des allge-

[Fortsetzung der Anmerkung von Seite XVI] den Hauptzweck des Systems, nemlich die Grenzbestimmung der reinen Vernunft, keinesweges nothwendig, sondern blos verdienstlich. Denn in dieser Absicht ist die Deduction schon alsdenn weit genug geführt, wenn sie zeigt, daß gedachte Categorien nichts anders als bloße Formen der Urtheile sind, so fern sie auf Anschauungen (die bey uns immer nur sinnlich sind) angewandt werden, dadurch aber allererst Objecte bekommen und Erkenntniße werden; weil dieses schon hinreicht das ganze System der eigentlichen Critik darauf mit völliger Sicherheit zu gründen. So steht Newtons System der allgemeinen Gravitäten fest, ob es gleich die Schwierigkeit bey sich führt, daß man nicht erklären kann, wie Anziehung in die Ferne möglich sey; aber Schwierigkeiten sind nicht Zweifel. Daß nun jenes Hauptfundament auch ohne vollständige Deduction der Categorien fest stehe, beweise ich aus dem Zugestandenen also:
1. Zugestanden: daß die Tafel der Categorien alle reine Verstandesbegriffe vollständig enthalte und eben so alle formale Verstandeshandlungen in Urtheilen, von welchen sie abgeleitet und auch in nichts unterschieden sind, als daß durch den Verstandesbegriff ein Object in Ansehung einer oder der andern Function der Urtheile als bestimmt gedacht wird; (z. B. so wird in dem kategorischen Urtheile, der Stein ist hart, der Stein für Subject und hart als Prädicat gebraucht, so doch, daß es dem Verstande unbenommen bleibt, die logische Function dieser Begriffe umzutauschen und zu sagen: einiges Harte ist ein Stein; dagegen wenn ich es mir im Objecte als bestimmt vorstelle, daß der Stein in jeder möglichen Bestimmung eines Gegenstandes, nicht des bloßen Begrifs, nur als Subject, die Härte aber nur als Prädicat gedacht werden [XVII/XVIII]

meinen Begrifs einer Materie überhaupt, mithin auch alles, was a priori von ihr gedacht, was in der mathemati-

[Fortsetzung der Anmerkung von Seite XVII] müsse, dieselbe logische Functionen nun reine Verstandesbegriffe von Objecten, nemlich als Substanz und Accidens, werden;)
2. zugestanden: daß der Verstand durch seine Natur synthetische Grundsätze a priori bey sich führe, durch die er alle Gegenstände, die ihm gegeben werden mögen, jenen Categorien unterwirft, mithin es auch Anschauungen a priori geben müsse, welche die zur Anwendung jener reinen Verstandesbegriffe erfoderliche Bedingungen enthalten, weil ohne Anschauung kein Object, in Ansehung dessen die logische Function als Categorie bestimmt werden könnte, mithin auch keine Erkenntnis irgend eines Gegenstandes und also auch ohne reine Anschauung kein Grundsatz, der sie a priori in dieser Absicht bestimmte, stattfindet;
3. zugestanden: daß diese reine Anschauungen niemals etwas anders, als bloße Formen der Erscheinungen äußerer oder des innern Sinnes (Raum und Zeit), folglich nur allein der Gegenstände möglicher Erfahrungen seyn können;
So folgt: daß aller Gebrauch der reinen Vernunft niemals worauf anders, als auf Gegenstände der Erfahrung gehen könne, und, weil in Grundsätzen a priori nichts Empirisches die Bedingung seyn kann, sie nichts weiter als Principien der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt seyn können. Dieses allein ist das wahre und hinlängliche Fundament der Grenzbestimmung der reinen Vernunft, aber nicht die Auflösung der Aufgabe: w i e nun Erfahrung vermittelst jener Categorien und nur allein durch dieselbe möglich sey. Die letztere Aufgabe, obgleich auch ohne sie das Gebäude fest steht, hat indessen große Wichtigkeit, und, wie ich es jetzt einsehe, eben so große Leichtigkeit, da sie beynahe durch einen einzigen Schluß aus der genau be-[XVIII/XIX]

schen Construction dargestellt, oder in der Erfahrung, als bestimmter Gegenstand derselben, gegeben werden mag,

[Fortsetzung der Anmerkung von Seite XVIII] stimmten Definition eines Urtheils überhaupt (einer Handlung, durch die gegebene Vorstellungen zuerst Erkenntnisse eines Objects werden) verrichtet werden kann. Die Dunkelheit, die in diesem Theile der Deduction meinen vorigen Verhandlungen anhängt, und die ich nicht in Abrede ziehe, ist dem gewöhnlichen Schicksale des Verstandes im Nachforschen beyzumessen, dem der kürzeste Weg gemeiniglich nicht der erste ist, den er gewahr wird. Daher ich die nächste Gelegenheit ergreifen werde, diesen Mangel (welcher auch nur die Art der Darstellung, nicht den dort schon richtig angegebenen Erklärungsgrund, betrifft) zu ergänzen, ohne daß der scharfsinnige Recensent in die ihm gewiß selbst unangenehm fallende Nothwendigkeit versetzt werden darf, wegen der befremdlichen Einstimmung der Erscheinungen zu den Verstandesgesetzen, ob diese gleich von jenen ganz verschiedene Quellen haben, zu einer prästabilirten Harmonie seine Zuflucht zu nehmen; einem Rettungsmittel, welches weit schlimmer wäre, als das Uebel, dawider es helfen soll, und das dagegen doch wirklich nichts helfen kann. Denn auf diese kommt doch jene objective Nothwendigkeit nicht heraus, welche die reinen Verstandesbegriffe (und die Grundsätze ihrer Anwendung auf Erscheinungen) characterisirt, z. B. in dem Begriffe der Ursache in Verknüpfung mit der Wirkung, sondern alles bleibt blos subjectiv-nothwendige, objectiv aber blos zufällige Zusammenstellung, gerade wie es H u m e will, wenn er sie bloße Täuschung aus Gewohnheit nennt. Auch kann kein System in der Welt diese Nothwendigkeit wo anders herleiten, als aus den a priori zum Grunde liegenden Principien der Möglichkeit des Denkens selbst, wodurch allein die Erkenntnis der Objecte, deren Erscheinung uns gegeben ist, d. i. [XIX/XX]

bringen lassen. Mehr ist hier nicht zu thun, zu entdecken oder hinzuzusetzen, sondern allenfalls, wo in der Deutlichkeit oder Gründlichkeit gefehlt seyn möchte, es besser zu machen.
Der Begriff der Materie mußte daher durch alle vier genannte Functionen der Verstandesbegriffe (in vier Hauptstücken) durchgeführt werden, in deren jedem eine neue Bestimmung desselben hinzu kam. Die Grundbestimmung eines Etwas, das ein Gegenstand äußerer Sinne seyn soll, mußte Bewegung seyn; denn dadurch allein können diese Sinne afficirt werden. Auf diese führt auch der Verstand alle übrige Prädicate der Materie, die zu ihrer Natur gehören, zurück, und so ist die Naturwissenschaft durchgängig eine entweder reine oder angewandte Bewegungslehre. Die metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft sind also unter vier Hauptstücke zu bringen, deren e r s t e s die Bewegung als ein reines Quantum, nach seiner Zusammensetzung, ohne alle Qualität des Beweglichen, betrachtet, und P h o r o n o m i e genannt werden kann, das zweyte sie als

[Fortsetzung der Anmerkung von Seite XIX] Erfahrung, möglich wird, und gesetzt, die Art, w i e Erfahrung dadurch allererst möglich werde, könnte niemals hinreichend erklärt werden, so bleibt es doch unwidersprechlich gewiß, d a ß sie blos durch jene Begriffe möglich, und jene Begriffe umgekehrt auch in keiner anderen Beziehung, als auf Gegenstände der Erfahrung, einer Bedeutung und irgend eines Gebrauchs fähig sind. [XX/XXI]

zur Qualität der Materie gehörig, unter dem Namen einer ursprünglich bewegenden Kraft, in Erwägung zieht, und daher D y n a m i k heißt, das dritte die Materie mit dieser Qualität durch ihre eigene Bewegung gegen einander in Relation betrachtet, und unter dem Namen M e c h a n i k vorkommt, das v i e r t e aber ihre Bewegung oder Ruhe blos in Beziehung auf die Vorstellungsart, oder M o d a l i t ä t, mithin als Erscheinung äußerer Sinne, bestimmt, und P h ä n o m e n o l o g i e genannt wird.
Aber außer jener inneren Nothwendigkeit, die metaphysischen Anfangsgründe der Körperlehre nicht allein von der Physik, welche empirische Principien braucht, sondern selbst von den rationalen Prämissen derselben, die den Gebrauch der Mathematik in ihr betreffen, abzusondern, ist noch ein äußerer, zwar nur zufälliger, aber gleichwol wichtiger Grund da, ihre ausführliche Bearbeitung von dem allgemeinen System der Metaphysik abzutrennen und sie als ein besonderes Ganze systematisch darzustellen. Denn, wenn es erlaubt ist, die Grenzen einer Wissenschaft nicht blos nach der Beschaffenheit des Objects und der specifischen Erkenntnisart desselben, sondern auch nach dem Zwecke, den man mit der Wissenschaft selbst zum anderweitigen Gebrauche vor Augen hat, zu zeichnen, und findet, daß Metaphysik so viel Köpfe bisher nicht darum beschäftigt hat und sie ferner beschäftigen [XXI/XXII] wird, um Naturkenntnisse dadurch zu erweitern, (welches viel leichter und sicherer durch Beobachtung, Experiment und Anwendung der Mathematik auf äußere Erscheinungen geschieht,) sondern um zur Erkenntnis dessen, was gänzlich über alle Grenzen der Erfahrung hinausliegt, von Gott, Freyheit und Unsterblichkeit zu gelangen; so gewinnt man in Beförderung dieser Absicht, wenn man sie von einem zwar aus ihrer Wurzel sprossenden, aber doch ihrem regelmäßigen Wuchse nur hinderlichen, Sprößlinge befreyet, diesen besonders pflanzt, ohne dennoch dessen Abstammung aus jener zu verkennen und sein völliges Gewächs aus dem System der allgemeinen Metaphysik wegzulassen. Dieses thut der Vollständigkeit der letzteren keinen Abbruch und erleichtert doch den gleichförmigen Gang dieser Wissenschaft zu ihrem Zwecke, wenn man in allen Fällen, wo man der allgemeinen Körperlehre bedarf, sich nur auf das abgesonderte System derselben berufen darf, ohne jenes größere mit diesem anzuschwellen. Es ist auch in der That sehr merkwürdig, (kann aber hier nicht ausführlich vor Augen gelegt werden) daß die allgemeine Metaphysik in allen Fällen, wo sie Beyspiele (Anschauungen) bedarf, um ihren reinen Verstandesbegriffen Bedeutung zu verschaffen, diese jederzeit aus der allgemeinen Körperlehre, mithin von der Form und den Principien der äußeren Anschauung hernehmen müsse, und, wenn die-[XXII/XXIII]se nicht vollendet darliegen, unter lauter Sinnleeren Begriffen unstät und schwankend herumtappe. Daher die bekannten Streitigkeiten, wenigstens die Dunkelheit in den Fragen: über die Möglichkeit eines Widerstreits der Realitäten, die der intensiven Größe u. a. m. bey welchen der Verstand nur durch Beyspiele aus der körperlichen Natur belehrt wird, welches die Bedingungen sind, unter denen jene Begriffe allein objective Realität, d. i. Bedeutung und Wahrheit haben können. Und so thut eine abgesonderte Metaphysik der körperlichen Natur der allgemeinen vortreffliche und unentbehrliche Dienste, indem sie Beyspiele (Fälle in Concreto) herbeyschafft, die Begriffe und Lehrsätze der letzteren (eigentlich der Transscendentalphilosophie) zu realisiren, d. i. einer bloßen Gedankenform Sinn und Bedeutung unterzulegen.
Ich habe in dieser Abhandlung die mathematische Methode, wenn gleich nicht mit aller Strenge befolgt, (wozu mehr Zeit erfoderlich gewesen wäre, als ich darauf zu verwenden hätte) dennoch nachgeahmt, nicht, um ihr durch ein Gepränge von Gründlichkeit besseren Eingang zu verschaffen, sondern weil ich glaube, daß ein solches System deren wohl fähig sey und diese Vollkommenheit auch mit der Zeit von geschickterer Hand wohl erlangen könne, wenn, durch diesen Entwurf veranlaßt, mathematische Naturforscher es nicht unwichtig finden sollten, den metaphysischen Theil, des-[XXIII/XXIV]sen sie ohnedem nicht entübrigt seyn können, in ihrer allgemeinen Physik als einen besonderen Grundtheil zu behandeln und mit der mathematischen Bewegungslehre in Vereinigung zu bringen.
Newton sagt in der Vorrede zu seinen mathem. Grundlehren der Nat. Wiss., (nachdem er angemerkt hatte, daß die Geometrie von den mechanischen Handgriffen, die sie postulirt, nur zweyer bedürfe, nemlich eine gerade Linie und einen Cirkel zu beschreiben). Die Geometrie ist stolz darauf, daß sie mit so wenigem, was sie anderwerts hernimmt, so viel zu leisten vermag. *) Von der Metaphysik könnte man dagegen sagen: sie steht bestürzt, daß sie mit so vielem, als ihr die reine Mathematik darbietet, doch nur so wenig ausrichten kann. Indessen ist doch dieses Wenige etwas, das selbst die Mathematik in ihrer Anwendung auf Naturwissenschaft unumgänglich braucht, die sich also, da sie hier von der Metaphysik nothwendig borgen muß, auch nicht schämen darf, sich mit ihr in Gemeinschaft sehen zu lassen.

*) Gloriatur Geometria, quod tam paucis principiis aliunde petitis tam multa praestet. Newton Princ. Phil. Nat. Math. Praefat. [XXIV/1]




Erstes Hauptstück.


Metaphysische Anfangsgründe


der


Phoronomie.



Erklärung 1.



M aterie ist das Bewegliche im Raume. Der Raum, der selbst beweglich ist, heißt der materielle, oder auch der relative Raum; der, in welchem alle Bewegung zuletzt gedacht werden muß, (der mithin selbst schlechterdings unbeweglich ist) heißt der reine, oder auch absolute Raum.

Anmerkung 1.



Da in der Phoronomie von nichts als Bewegung geredet werden soll, so wird dem Subject derselben, nämlich der Materie, hier keine andere Eigenschaft beigelegt, als die Beweglichkeit. Sie selbst kann also so lange auch für einen Punct gelten, und man abstrahirt in der Phoronomie von aller innern Beschaffenheit, mithin auch der Grösse des Beweglichen, und hat es nur mit der Bewegung und dem, was in dieser als Grösse betrachtet werden [1/2] kann, (Geschwindigkeit und Richtung) zu thun. - Wenn gleichwol der Ausdruck eines Körpers hier bisweilen gebraucht werden sollte, so geschieht es nur um die Anwendung der Principien der Phoronomie auf die noch folgende bestimmtere Begriffe der Materie gewissermaaßen zu anticipiren, damit der Vortrag weniger abstract und faßlicher sey.

Anmerkung 2.



Wenn ich den Begrif der Materie nicht durch ein Prädicat, was ihr selbst als Object zukommt, sondern nur durch das Verhältnis zum Erkenntnisvermögen, in welchem mir die Vorstellung allererst gegeben werden kann, erklären soll, so ist Materie ein jeder Gegenstand äusserer Sinne, und dieses wäre die blos metaphysische Erklärung derselben. Der Raum aber wäre blos die Form aller äusseren sinnlichen Anschauung, (ob eben dieselbe auch dem äusseren Object, das wir Materie nennen, an sich selbst zukomme, oder nur in der Beschaffenheit unseres Sinnes bleibe, davon ist hier gar nicht die Frage). Die Materie wäre, im Gegensatz der Form, das, was in der äusseren Anschauung ein Gegenstand der Empfindung ist, folglich das Eigentlich-empirische der sinnlichen und äusseren Anschauung, weil es gar nicht a priori gegeben werden kann. In aller Erfahrung muß etwas empfunden werden, und das ist das Reale der sinnlichen Anschauung, folglich muß auch der Raum, in welchem wir über die Bewegungen Erfahrung anstellen sollen, empfindbar, d. i. [2/3] durch das, was empfunden werden kann, bezeichnet seyn, und dieser, als der Inbegrif aller Gegenstände der Erfahrung und selbst ein Object derselben, heißt der empirische Raum. Dieser aber, als materiel, ist selbst beweglich. Ein beweglicher Raum aber, wenn seine Bewegung soll wahrgenommen werden können, setzt wiederum einen anderen, erweiterten materiellen Raum voraus, in welchem er beweglich ist, dieser eben sowohl einen andern, und so forthin ins Unendliche.
Also ist alle Bewegung, die ein Gegenstand der Erfahrung ist, blos relativ; der Raum, in dem sie wahrgenommen wird, ist ein relativer Raum, der selbst wiederum, und vielleicht in entgegengesetzter Richtung, in einem erweiterten Raume bewegt, mithin auch die in Beziehung auf den erstern bewegte Materie in Verhältniß auf den zweyten Raum ruhig genannt werden kann, und diese Abänderungen des Begrifs der Bewegungen gehen mit der Veränderung des relativen Raums so ins Unendliche fort. Einen absoluten Raum, d. i. einen solchen, der, weil er nicht materiell ist, auch kein Gegenstand der Erfahrung seyn kann, als für sich gegeben annehmen, heißt etwas, das weder an sich, noch in seinen Folgen (der Bewegung im absoluten Raum) wahrgenommen werden kann, um der Möglichkeit der Erfahrung willen annehmen, die doch jederzeit ohne ihn angestellt werden muß. Der absolute Raum ist also an sich nichts und gar kein Object, sondern bedeutet nur einen jeden andern relativen Raum, den ich [3/4] mir ausser dem gegebenen jederzeit denken kann, und den ich nur über jeden gegebenen ins Unendliche hinausrücke, als einen solchen, der diesen einschließt und in welchem ich den ersteren als bewegt annehmen kann. Weil ich den erweiterten, obgleich immer noch materiellen, Raum nur in Gedanken habe und mir von der Materie, die ihn bezeichnet, nichts bekannt ist, so abstrahire ich von dieser, und er wird daher wie ein reiner, nicht empirischer und absoluter Raum vorgestellt, mit dem ich jeden empirischen vergleichen und diesen in ihm als beweglich vorstellen kann, der also jederzeit als unbeweglich gilt. Ihn zum wirklichen Dinge zu machen, heißt die logische Allgemeinheit irgend eines Raums, mit dem ich jeden empirischen als darin eingeschlossen vergleichen kann, in eine physische Allgemeinheit des wirklichen Umfanges verwechseln, und die Vernunft in ihrer Idee misverstehen.

Schließlich merke ich noch an: daß, da die Beweglichkeit eines Gegenstandes im Raum a priori und ohne Belehrung durch Erfahrung nicht erkannt werden kann, sie von mir eben darum in der Critik der r. V. auch nicht unter die reine Verstandesbegriffe gezählt werden konnte, und daß dieser Begrif, als empirisch, nur in einer Naturwissenschaft, als angewandter Metaphysik, welche sich mit einem durch Erfahrung gegebenen Begriffe, obwohl nach Principien a priori, beschäftigt, Platz finden könne. [4/5]

Erklärung 2.



Bewegung eines Dinges ist die Veränderung der äusseren Verhältnisse desselben zu einem gegebenen Raum.

Anmerkung 1.



Vorher habe ich dem Begriffe der Materie schon den Begriff der Bewegung zum Grunde gelegt. Denn, da ich denselben selbst unabhängig vom Begriffe der Ausdehnung bestimmen wollte, und die Materie also auch in einem Puncte betrachten könnte, so durfte ich einräumen, daß man sich daselbst der gemeinen Erklärung der Bewegung als Veränderung des Orts bedienete. Jetzt, da der Begrif einer Materie allgemein, mithin auch auf bewegte Körper passend, erklärt werden soll, so reicht jene Definition nicht zu. Denn der Ort eines jeden Körpers ist ein Punct. Wenn man die Weite des Mondes von der Erde bestimmen will, so will man die Entfernung ihrer Oerter wissen, und zu diesem Ende mißt man nicht von einem beliebigen Puncte der Oberfläche, oder des Inwendigen der Erde, zu jedem beliebigen Puncte des Mondes, sondern nimmt die kürzeste Linie vom Mittelpuncte der einen zum Mittelpuncte des andern, mithin ist von jedem dieser Körper nur ein Punct, der seinen Ort ausmacht. Nun kann sich ein Körper bewegen, ohne seinen Ort zu verändern, wie die Erde, indem sie sich um ihre Axe dreht. Aber ihr Verhältnis zum äusseren Raume verändert sich hiebey [5/6] doch; denn sie kehrt z. B. in 24 Stunden dem Monde ihre verschiedene Seiten zu, woraus denn auch allerley wandelbare Wirkungen auf der Erde erfolgen. Nur von einem beweglichen, d. i. physischen Puncte kann man sagen: Bewegung sey jederzeit Veränderung des Orts. Man könnte wider diese Erklärung erinnern: daß die innere Bewegung z. B. einer Gährung nicht in ihr mit eingeschlossen sey; aber das Ding, was man bewegt nennt, muß so fern als Einheit betrachtet werden. Die Materie, als z. B. ein Faß Bier, ist bewegt, bedeutet also etwas anderes, als das Bier im Fasse ist in Bewegung. Die Bewegung eines Dinges ist mit der Bewegung in diesem Dinge nicht einerley, von der ersteren aber ist hier nur die Rede. Dieses Begrifs Anwendung aber auf den zweyten Fall ist nachher leicht.

Anmerkung 2.



Die Bewegungen können drehend (ohne Veränderung des Orts) oder fortschreitend, diese aber entweder den Raum erweiternd, oder auf einen gegebenen Raum eingeschränkte Bewegungen seyn. Von der ersteren Art sind die geradlinigte, oder auch krummlinigte, in sich nicht zurückkehrende Bewegungen. Die von der zweyten sind die in sich zurückkehrende. Die letztern sind wiederum entweder circulirende oder oscillirende d. i. Kreis-, oder schwankende Bewegungen. Die erstern legen eben denselben Raum immer in derselben Richtung, die zweyten immer wechselsweise in entgegengesetzter Rich-[6/7]tung zurück, wie schwankende Penduln. Zu beiden gehört noch Bebung (motus tremulus), welche nicht eine fortschreitende Bewegung eines Körpers, dennoch aber eine reciprocirende Bewegung einer Materie ist, die dabey ihre Stelle im Ganzen nicht verändert, wie die Zitterungen einer geschlagenen Glocke, oder die Bebungen einer durch den Schall in Bewegung gesetzten Luft. Ich thue dieser verschiedenen Arten der Bewegung blos darum in einer Phoronomie Erwähnung, weil man bey allen, die nicht fortschreitend sind, sich des Worts Geschwindigkeit gemeiniglich in anderer Bedeutung bedient, als bey den fortschreitenden, wie die folgende Anmerkung zeigt.

Anmerkung 3.



In jeder Bewegung sind Richtung und Geschwindigkeit die beiden Momente der Erwägung derselben, wenn man von allen anderen Eigenschaften des Beweglichen abstrahirt. Ich setze hier die gewöhnliche Definition beider voraus: Allein die der Richtung bedarf noch verschiedener Einschränkungen. Ein im Kreise bewegter Körper verändert seine Richtung continuirlich, so, daß er bis zu seiner Rückkehr zum Puncte, von dem er ausging, alle in einer Fläche nur mögliche Richtungen eingeschlagen ist, und doch sagt man: er bewege sich immer in derselben Richtung, z. B. der Planet von Abend gegen Morgen.
Allein, was ist hier die Seite, nach der die Bewegung gerichtet ist? Eine Frage, die mit der eine Ver-[7/8]wandtschaft hat, worauf beruht der innere Unterschied der Schnecken; die sonst ähnlich und sogar gleich, aber davon eine Species rechts, die andere links gewunden ist; oder des Windens der Schwerdtbohnen und des Hopfens, deren die erstere wie ein Pfropfenzieher, oder, wie die Seeleute es ausdrücken würden, wider die Sonne, der andere mit der Sonne um ihre Stange laufen? Ein Begrif, der sich zwar construiren, aber als Begrif, für sich durch allgemeine Merkmale und in der discursiven Erkenntnisart gar nicht deutlich machen läßt, und der in den Dingen selbst (z. B. an den seltenen Menschen, bey denen die Leicheneröffnung alle Theile nach der physiologischen Regel mit andern Menschen einstimmig, nur alle Eingeweide links oder rechts, wider die gewöhnliche Ordnung versetzt fand) keinen erdenklichen Unterschied in den innern Folgen geben kann und demnach ein wahrhafter mathematischer und zwar innerer Unterschied ist, womit der, von dem Unterschiede zweyer sonst in allen Stücken gleichen, der Richtung nach aber verschiedenen Kreisbewegungen, obgleich nicht völlig einerley, dennoch aber zusammenhängend ist. Ich habe anderwerts gezeigt, daß, da sich dieser Unterschied zwar in der Anschauung geben, aber gar nicht auf deutliche Begriffe bringen, mithin nicht verständlich erklären (dari, non intelligi) läßt, er einen guten bestätigenden Beweisgrund zu dem Satze abgebe: daß der Raum überhaupt nicht zu den Eigenschaften oder Verhältnissen der Dinge an sich selbst, die sich nothwendig [8/9] auf objective Begriffe müßten bringen lassen, sondern blos zu der subjectiven Form unserer sinnlichen Anschauung von Dingen oder Verhältnissen, die uns, nach dem, was sie an sich seyn mögen, völlig unbekannt bleiben, gehöre. Doch dies ist eine Abschweifung von unserem jetzigen Geschäfte, in welchem wir den Raum ganz nothwendig als Eigenschaft der Dinge, die wir in Betrachtung ziehen, nämlich Körperlicher Wesen, behandeln müssen, weil diese selbst nur Erscheinnngen [Erscheinungen] äusserer Sinne sind und nur als solche hier erklärt zu werden bedürfen. Was den Begriff der Geschwindigkeit betrifft, so bekommt dieser Ausdruck im Gebrauche auch bisweilen eine abweichende Bedeutung. Wir sagen: die Erde dreht sich geschwinder um ihre Achse als die Sonne, weil sie es in kürzerer Zeit thut; obgleich die Bewegung der letzteren viel geschwinder ist. Der Blutumlauf eines kleinen Vogels ist viel geschwinder, als der eines Menschen, obgleich seine strömende Bewegung im ersteren ohne Zweifel weniger Geschwindigkeit hat, und so auch bey den Bebungen elastischer Materien. Die Kürze der Zeit der Wiederkehr, es sey der circulirenden oder oscillirenden Bewegung, macht den Grund dieses Gebrauchs aus, an welchem, wenn sonst nur die Mißdeutung vermieden wird, man auch nicht unrecht thut. Denn diese bloße Vergrösserung der Eile in der Wiederkehr, ohne Vergrösserung der räumlichen Geschwindigkeit, hat ihre eigene und sehr erhebliche Wirkungen in der Natur, worauf in dem Cirkellauf der Säf-[9/10]te der Thiere, vielleicht noch nicht gnug Rücksicht genommen worden. In der Phoronomie brauchen wir das Wort Geschwindigkeit blos in räumlicher Bedeutung C = S/T.

Erklärung 3.



Ruhe ist die beharrliche Gegenwart (praesentia perdurabilis) an demselben Orte; beharrlich aber ist das, was eine Zeit hindurch existirt d. i. dauret.

Anmerkung.



Ein Körper, der in Bewegung ist, ist in jedem Puncte der Linie, die er durchläuft, einen Augenblick. Es frägt sich nun, ob er darin ruhe, oder sich bewege. Ohne Zweifel wird man das letztere sagen; denn er ist in diesem Puncte nur so fern, als er sich bewegt, gegenwärtig. Man nehme aber die Bewegung desselben so an: daß der Körper mit gleichförmiger Geschwindigkeit die Linie AB vorwerts und rückwerts von B nach A zurücklege, so daß, weil der Augenblick, da er in B ist, beiden Bewegungen gemein ist, die Bewegungen von A nach B in ½ Sec., die von B nach A aber auch in ½ Sec., beide zusammen aber in einer ganzen Secunde zurückgelegt worden, so daß auch nicht der kleinste Theil der Zeit auf die Gegenwart des Körpers in B aufgewandt worden: so wird, ohne den mindesten Zuwachs dieser Bewegungen, [10/11] die letztere, die in der Richtung BA geschahe, in die nach der Richtung Ba, welches mit AB in einer geraden Linie liegt, verwandelt werden können, wo denn der Körper, indem er in B ist, darin nicht als ruhig, sondern als bewegt angesehen werden muß. Er mußte daher auch in der ersteren in sich selbst wiederkehrenden Bewegung in dem Puncte B als bewegt angesehen werden, welches aber unmöglich ist; weil, nach dem, was angenommen worden, es nur ein Augenblick ist, der zur Bewegung AB und zugleich zur gleichen Bewegung BA gehört, die der vorigen entgegengesetzt und mit ihr in einem und demselben Augenblicke verbunden ist, völligen Mangel der Bewegung, folglich, wenn dieser den Begrif der Ruhe ausmachte, auch in der gleichförmigen Bewegung Aa Ruhe des Körpers in jedem Puncte, z. B. in B, beweisen müßte, welches der obigen Behauptung widerspricht. Man stelle sich dagegen die Linie AB als über den Punct A aufgerichtet vor, so, daß ein Körper von A nach B steigend, nachdem er durch die Schwere im Puncte B seine Bewegung verlohren hat, von B nach A eben so wiederum zurückfalle; so frage ich, ob der Körper in B als bewegt, oder als ruhig angesehen werden könne. Ohne Zweifel wird man sagen, als ruhig: weil ihm alle vorherige Bewegung genommen worden, nachdem er diesen Punct erreicht hat, und hernach eine gleichmäßige Bewegung zurück allererst folgen soll, folglich noch nicht da ist; der Mangel aber der Bewegung, wird man hinzusetzen, ist Ruhe. Aber in dem ersteren [11/12] Falle einer angenommenen gleichförmigen Bewegung konnte die Bewegung BA auch nicht anders eintreten, als dadurch, daß vorher die Bewegung AB aufgehört hatte und die von B nach A noch nicht war, folglich, daß in B ein Mangel aller Bewegung, und, nach der gewöhnlichen Erklärung, Ruhe müßte angenommen werden, aber man durfte sie doch nicht annehmen, weil bey einer gegebenen Geschwindigkeit, kein Körper in einem Puncte seiner gleichförmigen Bewegung als ruhend gedacht werden muß. Worauf beruht denn im zweyten Falle die Anmaßung des Begrifs der Ruhe, da doch dieses Steigen und Fallen gleichfalls nur durch einen Augenblick von einander getrennt wird. Der Grund davon liegt darin, daß die letztere Bewegung nicht als gleichförmig mit gegebener Geschwindigkeit gedacht wird, sondern zuerst als gleichförmig verzögert und hernach als gleichförmig beschleunigt, so doch, daß die Geschwindigkeit im Puncte B nicht gänzlich, sondern nur bis zu einem Grad, der kleiner ist als jede nur anzugebende Geschwindigkeit, mit welcher, wenn, anstatt zurück zu fallen, die Linie seines Falles BA in die Richtung Ba gestellet, mithin der Körper immer noch als steigend betrachtet würde, er, als mit einem bloßen Moment der Geschwindigkeit, (der Widerstand der Schwere wird alsdenn bey Seite gesetzt), in jeder noch so großen anzugebenden Zeit gleichförmig doch nur einen Raum, der kleiner ist als jeder anzugebende Raum, zurücklegen, mithin seinen Ort (für irgend eine mögliche Erfahrung) in alle Ewigkeit gar [12/13] nicht verändern würde. Folglich wird er in den Zustand einer daurenden Gegenwart an demselben Orte, d. i. der Ruhe, versetzt, ob sie gleich wegen der continuirlichen Einwirkung der Schwere, d. i. der Veränderung dieses Zustandes, sofort aufgehoben wird. In einem beharrlichen Zustande seyn und darin beharren (wenn nichts anderes ihn verrückt) sind zwey verschiedene Begriffe, deren einer dem anderen keinen Abbruch thut. Also kann die Ruhe nicht durch den Mangel der Bewegung, der sich als = 0, gar nicht construiren läßt, sondern muß durch die beharrliche Gegenwart an demselben Orte erklärt werden, da denn dieser Begrif auch durch die Vorstellung einer Bewegung mit unendlich kleiner Geschwindigkeit, eine endliche Zeit hindurch construirt, mithin zu nachheriger Anwendung der Mathematik auf Naturwissenschaft genutzt werden kann.

Erklärung 4.



Den Begrif einer zusammengesetzten Bewegung c o n s t r u i r e n heißt eine Bewegung, so fern sie aus zweyen oder mehreren gegebenen in einem Beweglichen vereinigt entspringt, a priori in der Anschauung darstellen.

Anmerkung.



Zur Construction der Begriffe wird erfodert: daß die Bedingung ihrer Darstellung nicht von der Erfahrung entlehnt sey, also auch nicht gewisse Kräfte voraussetze, [13/14] deren Existenz nur von der Erfahrung abgeleitet werden kann, oder überhaupt, daß die Bedingung der Construction nicht selbst ein Begrif seyn müsse, der gar nicht a priori in der Anschauung gegeben werden kann, wie z. B. der von Ursache und Wirkung, Handlung und Widerstand etc. Hier ist nun vorzüglich zu bemerken: daß Phoronomie durchaus zuerst Construction der Bewegungen überhaupt als Grössen, und, da sie die Materie blos als Etwas Bewegliches, mithin an welchem gar auf keine Grösse derselben Rücksicht genommen wird, zum Gegenstande hat, diese Bewegungen allein als Grössen, so wohl ihrer Geschwindigkeit als Richtung nach, und zwar ihrer Zusammensetzung nach a priori zu bestimmen habe. Denn so viel muß gänzlich a priori und zwar anschauend zum Behuf der angewandten Mathematik ausgemacht werden. Denn die Regeln der Verknüpfung der Bewegungen durch physische Ursachen, d. i. Kräfte, lassen sich, ehe die Grundsätze ihrer Zusammensetzung überhaupt vorher rein mathematisch zum Grunde gelegt worden, niemals gründlich vortragen.

Grundsatz 1.



Eine jede Bewegung, als Gegenstand einer möglichen Erfahrung, kann nach Belieben, als Bewegung des Körpers in einem ruhigen Raume, oder als Ruhe des Körpers und dagegen Bewegung des Raumes in entgegengesetzter [14/15] Richtung mit gleicher Geschwindigkeit angesehen werden.

Anmerkung.



Von der Bewegung eines Körpers eine Erfahrung zu machen, dazu wird erfodert: daß nicht allein der Körper, sondern auch der Raum, darin er sich bewegt, Gegenstände der äussern Erfahrung, mithin materiell seyn. Eine absolute Bewegung also, d. i. in Beziehung auf einen nicht materiellen Raum, ist gar keiner Erfahrung fähig und für uns also nichts (wenn man gleich einräumen wollte, der absolute Raum sey an sich etwas). Aber auch in aller relativen Bewegung kann der Raum selbst, weil er als materiell angenommen wird, wiederum als ruhig oder bewegt vorgestellt werden. Das erstere geschieht, wenn mir über den Raum, in Beziehung auf welchen ich einen Körper als bewegt ansehe, kein mehr erweiterter und ihn einschließender gegeben ist, (wie wenn ich in der Cajüte eines Schiffs eine Kugel auf dem Tische bewegt sehe); das zweyte, wenn mir über diesen Raum hinaus noch ein anderer Raum, der ihn einschließt, (wie im genannten Falle das Ufer des Flusses) gegeben ist, da ich denn in Ansehung des letzteren den nächsten Raum (die Cajüte) als bewegt und den Körper selbst allenfalls als ruhig ansehen kann. Da es nun schlechterdings unmöglich ist, von einem empirisch gegebenen Raume, wie erweitert er auch sey, auszumachen, ob er nicht in Ansehung eines in einem noch grösseren [15/16] Umfange ihn einschließenden Raumes selbst wiederum bewegt sey, oder nicht, so muß es aller Erfahrung und jeder Folge aus den Erfahrung völlig einerley seyn, ob ich einen Körper als bewegt, oder ihn als ruhig, den Raum aber in entgegengesetzter Richtung mit gleicher Geschwindigkeit bewegt ansehen will. Noch mehr; da der absolute Raum für alle mögliche Erfahrung nichts ist, so sind auch die Begriffe einerley, ob ich sage: ein Körper bewegt sich in Ansehung dieses gegebenen Raumes in dieser Richtung mit dieser Geschwindigkeit, oder ob ich ihn mir als ruhig denken, und dem Raum alles dieses, aber in entgegengesetzter Richtung, beylegen will. Denn ein jeder Begrif ist mit demjenigen, von dessen Unterschiede vom ersteren gar kein Beyspiel möglich ist, völlig einerley und nur in Beziehung auf die Verknüpfung, die wir ihm im Verstande geben wollen, verschieden.
Auch sind wir gar nicht im Stande, in irgend einer Erfahrung einen festen Punct anzugeben, in Beziehung auf welchen, was Bewegung und Ruhe absolut heissen sollte, bestimmt würde; denn alles, was uns auf die Art gegeben wird, ist materiell, also auch beweglich, und (da wir im Raume keine äusserste Grenze möglicher Erfahrung kennen,) vielleicht auch wirklich bewegt, ohne daß wir diese Bewegung woran warnehmen können. - Von dieser Bewegung eines Körpers im empirischen Raume kann ich nun einen Theil der gegebenen Geschwindigkeit dem Körper, den andern dem Raume, aber in entgegengesetz-[16/17]ter Richtung, geben, und die ganze mögliche Erfahrung in Ansehung der Folgen dieser zwey verbundenen Bewegungen ist völlig einerley mit derjenigen, da ich den Körper mit der ganzen Geschwindigkeit allein bewegt, oder ihn als ruhig und den Raum mit derselben Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung bewegt denke. Ich nehme hier aber alle Bewegungen als geradlinigt an. Denn, was die krummlinigte betrifft, da es nicht in allen Stücken einerley ist, ob ich den Körper (z. B. die Erde in ihrer täglichen Umdrehung) als bewegt und den umgebenden Raum (den bestirnten Himmel) als ruhig, oder diesen als bewegt und jenen als ruhig anzusehen befugt bin, davon wird in der Folge besonders gehandelt werden. In der Phoronomie also, wo ich die Bewegung eines Körpers nur mit dem Raume, (auf dessen Ruhe oder Bewegung jener gar keinen Einfluß hat,) in Verhältnis betrachte, ist es an sich ganz unbestimmt und beliebig, ob und wie viel ich Geschwindigkeit dem einen oder dem andern von der gegebenen Bewegung beylegen will; künftig in der Mechanik, da ein bewegter Körper in wirksamer Beziehung auf andere Körper im Raume seiner Bewegung betrachtet werden soll, wird dieses nicht mehr so völlig einerley seyn, wie es an seinem Orte gezeigt werden soll.

Erklärung 5.



Die Zusammensetzung der Bewegung ist die Vorstellung der Bewegung eines Puncts [17/18] als einerley mit zweyen oder mehreren Bewegungen desselben zusammen verbunden.

Anmerkung.



In der Phoronomie, da ich die Materie durch keine andere Eigenschaft als ihre Beweglichkeit kenne, mithin sie selbst nur als einen Punct betrachten darf, kann die Bewegung nur als Beschreibung eines Raumes betrachtet werden, doch so, daß ich nicht blos, wie in der Geometrie, auf den Raum, der beschrieben wird, sondern auch auf die Zeit darinn, mithin auf die Geschwindigkeit, womit ein Punct den Raum beschreibt, Acht habe. Phoronomie ist also die reine Größenlehre (Mathesis) der Bewegungen. Der bestimmte Begrif von einer Größe ist der Begrif der Erzeugung der Vorstellung eines Gegenstandes durch die Zusammensetzung des Gleichartigen. Da nun der Bewegung nichts gleichartig ist, als wiederum Bewegung, so ist die Phoronomie eine Lehre der Zusammensetzung der Bewegungen eben desselben Puncts nach ihrer Richtung und Geschwindigkeit, d. i. die Vorstellung einer einzigen Bewegung, als einer solchen, die zwey und so mehrere Bewegungen zugleich in sich enthält, oder zweyer Bewegungen eben desselben Puncts zugleich, so ferne sie zusammen eine ausmachen, d. i. mit dieser einerley sind, und nicht etwa so fern sie die letztere, als Ursachen ihre Wirkung, hervorbringen. Um die Bewegung zu finden, die aus der Zusammensetzung von mehreren, so viel man will, [18/19] entspringt, darf man nur, wie bey aller Größenerzeugung, zuerst diejenige suchen, die unter gegebenen Bedingungen aus zweyen zusammengesetzt ist; darauf diese mit einer dritten verbunden u. s. w. Folglich läßt die Lehre der Zusammensetzung aller Bewegungen sich auf die von zweyen zurückführen. Zwey Bewegungen aber eines und desselben Puncts, die zugleich an demselben angetroffen werden, können auf zwiefache Weise unterschieden seyn, und, als solche, auf dreyfache Art an ihm verbunden werden. Erstlich geschehen sie entweder in einer und derselben Linie, oder in verschiedenen Linien zugleich; die letztere sind Bewegungen, die einen Winkel einschließen. Die, so in einer und derselben Linie geschehen, sind nun der Richtung nach entweder einander entgegengesetzt, oder halten einerley Richtung. Da alle diese Bewegungen als zugleich geschehend betrachtet werden, so ergiebt sich aus dem Verhältnis der Linien, d. i. der beschriebenen Räume der Bewegung, in gleicher Zeit, so fort auch das Verhältniß der Geschwindigkeit. Also sind der Fälle drey. 1) Da zwey Bewegungen (sie mögen von gleichen oder ungleichen Geschwindigkeiten seyn) in einem Körper in derselben Richtung verbunden, eine daraus zusammengesetzte Bewegung ausmachen sollen. 2) Da zwey Bewegungen desselben Puncts (von gleicher oder ungleicher Geschwindigkeit) in entgegengesetzter Richtung verbunden durch ihre Zusammensetzung eine dritte Bewegung in derselben Linie ausmachen sollen. 3) Da zwey Bewegungen [19/20] eines Puncts, mit gleichen oder ungleichen Geschwindigkeiten, aber in verschiedenen Linien, die einen Winkel einschließen, als zusammengesetzt betrachtet werden.

Lehrsatz 1.



Die Zusammensetzung zweyer Bewegungen eines und desselben Puncts kann nur dadurch gedacht werden, daß die eine derselben im absoluten Raume, statt der anderen aber eine mit der gleichen Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung geschehende Bewegung des relativen Raums, als mit derselben einerley, vorgestellt wird.

Beweis.



Erster Fall. Da zwey Bewegungen in eben derselben Linie und Richtung einem und demselben Puncte zugleich zukommen.


Es sollen in einer Geschwindigkeit der Bewegung zwey Geschwindigkeiten AB und ab als enthalten vorgestellt werden. Man nehme diese Geschwindigkeiten für diesmal als gleich an, so daß AB=ab ist, so sage ich, sie können in einem und demselben Raum, (dem absoluten oder dem relativen) an demselben Puncte nicht zugleich vorgestellt werden. Denn, weil die [20/21] Linien AB und ab, welche die Geschwindigkeiten bezeichnen, eigentlich die Räume sind, welche sie in gleichen Zeiten durchlaufen, so würde die Zusammensetzung dieser Räume AB und ab=BC, mithin die Linie AC, als die Summe der Räume, die Summe beider Geschwindigkeiten ausdrücken müssen. Aber die Theile AB und BC stellen, jeder für sich, nicht die Geschwindigkeit =ab vor; denn sie werden nicht in der gleichen Zeit wie ab zurückgelegt. Also stellt auch die doppelte Linie AC, die in derselben Zeit zurückgelegt wird, wie die Linie ab, nicht die zwiefache Geschwindigkeit der letztern vor, welches doch verlangt wurde. Also läßt sich die Zusammensetzung zweyer Geschwindigkeiten in einer Richtung in demselben Raume nicht anschaulich darstellen.

Dagegen, wenn der Körper A mit der Geschwindigkeit AB im absoluten Raume als bewegt vorgestellt wird, und ich gebe überdem dem relativen Raume eine Geschwindigkeit ab=AB in entgegengesetzter Richtung ba=CB, so ist dieses eben dasselbe, als ob ich die letztere Geschwindigkeit dem Körper in der Richtung AB ertheilt hätte (Grundsatz 1.). Der Körper bewegt sich aber alsdenn in derselben Zeit durch die Summe der Linien AB und BC=2ab, in welcher er die Linie ab=AB allein würde zurückgelegt haben, und seine Geschwindigkeit ist doch als die Summe der [21/22] zweyen gleichen Geschwindigkeiten AB und ab vorgestellt, welches das ist, was verlangt wurde.

Zweyter Fall. Da zwey Bewegungen in gerade entgegengesetzten Richtungen an einem und demselben Puncte sollen verbunden werden.


Es sey AB die eine dieser Bewegungen und AC die andere in entgegengesetzter Richtung, deren Geschwindigkeit wir hier der ersten gleich annehmen wollen: so würde der Gedanke selbst, zwey solche Bewegungen in einem und demselben Raume an eben demselben Puncte als zugleich vorzustellen, mithin der Fall einer solchen Zusammensetzung der Bewegungen selbst unmöglich seyn, welches der Voraussetzung zuwider ist.

Dagegen denket euch die Bewegung AB im absoluten Raume, statt der Bewegung AC aber in demselben absoluten Raume, die entgegengesetzte CA des relativen Raumes mit eben derselben Geschwindigkeit, die (nach Grundsatz 1.) der Bewegung AC völlig gleich gilt und also gänzlich an die Stelle derselben gesetzt werden kann: so lassen sich zwey gerade entgegengesetzte und gleiche Bewegungen desselben Puncts zu gleicher Zeit gar wohl darstellen. Weil nun der relative Raum mit derselben Geschwindigkeit CA=AB [22/23] in derselben Richtung mit dem Puncte A bewegt ist, so verändert dieser Punct, oder der in ihm befindliche Körper, in Ansehung des relativen Raumes seinen Ort nicht, d. i. ein Körper, der nach zwey einander gerade entgegengesetzten Richtungen mit gleicher Geschwindigkeit bewegt wird, ruhet, oder, allgemein ausgedrückt: seine Bewegung ist der Differenz der Geschwindigkeiten in der Richtung der größeren gleich (welches sich aus dem Bewiesenen leicht folgern läßt).
Dritter Fall. Da zwey Bewegungen eben desselben Puncts, nach Richtungen, die einen Winkel einschließen, verbunden vorgestellt werden.


Die zwey gegebenen Bewegungen sind AB und AC, deren Geschwindigkeit und Richtungen durch diese Linien, der Winkel aber, den die letztere einschließen, durch BAC ausgedruckt wird, (er mag, wie hier, ein rechter, aber auch ein jeder beliebiger schiefer Winkel seyn). Wenn nun diese zwey Bewegungen zugleich [23/24] in den Richtungen AB und AC und zwar in einem und demselben Raume geschehen sollen: so würde sie doch nicht in diesen beiden Linien AB und AC zugleich geschehen können, sondern nur in Linien, die diesen parallel laufen. Es würde also angenommen werden müssen: daß eine dieser Bewegungen in der anderen eine Veränderung (nämlich die Abbringung von der gegebenen Bahn) wirkte, wenn gleich beiderseits Richtungen dieselbe blieben. Dieses ist aber der Voraussetzung des Lehrsatzes zuwider, welche unter dem Worte Zusammensetzung andeutet: daß beide gegebene Bewegungen in einer dritten enthalten, mithin mit dieser einerley seyn, und nicht, daß indem eine die andere verändert, sie eine dritte hervorbringen.
Dagegen nehme man die Bewegung AC als im absoluten Raume vor sich gehend an, anstatt der Bewegung AB aber die Bewegung des relativen Raumes in entgegengesetzter Richtung. Die Linie AC sey in drey gleiche Theile AE, EF, FC getheilt. Während daß nun der Körper A im absoluten Raume die Linie AE durchläuft, durchläuft der relative Raum, und mit ihm der Punct E, den Raum Ee=MA; während daß der Körper die zwey Theile zusammen =AF durchläuft, beschreibt der relative Raum, und mit ihm der Punct F, die Linie Ff=NA; während daß der Körper endlich die ganze Linie AC durchläuft, so beschreibt der Raum, und mit ihm der Punct C, die Li-[24/25]nie Cc=BA; welches alles eben dasselbe ist, als ob der Körper A in diesen drey Zeittheilen die Linien Em. Fn, und CD=AM, AN, AB und in der ganzen Zeit, darin er AC durchläuft, die Linie CD=AB durchlaufen hätte. Also ist er im letzten Augenblicke im Puncte D und in dieser ganzen Zeit nach und nach in allen Puncten der Diagonallinie AD, welche also sowohl die Richtung, als Geschwindigkeit der zusammengesetzten Bewegung ausdrückt. -

Anmerkung 1.



Die geometrische Construction erfodert, daß eine Größe mit der andern, oder zwey Größen in der Zusammensetzung mit einer dritten einerley seyn, nicht daß sie als Ursachen die dritte hervorbringen, welches die mechanische Construction seyn würde. Die völlige Aehnlichkeit und Gleichheit, so fern sie nur in der Anschauung erkannt werden kann, ist die Congruenz. Alle geometrische Construction der völligen Identität beruht auf Congruenz. Diese Congruenz zweyer zusammenverbundenen Bewegungen mit einer dritten (als dem motu composito selbst) kann nun niemals Statt haben, wenn jene beide in einem und demselben Raume z. B. dem relativen vorgestellt werden. Daher sind alle Versuche, obigen Lehrsatz in seinen drey Fällen zu beweisen, immer nur mechanische Auflösungen gewesen, da man nämlich bewegende Ursachen durch die eine gegebene Bewegung mit einer andern verbunden eine drit-[25/26]te hervorbringen ließ, nicht aber Beweise, daß jene mit dieser einerley sind, und sich als solche, in der reinen Anschauung a priori darstellen lassen.

Anmerkung 2.



Wenn z. B. eine Geschwindigkeit AB [recte AC] doppelt genannt wird: so kann darunter nichts anders verstanden werden, als daß sie aus zwey einfachen und gleichen AB und BC (siehe Fig. 1) bestehe. Erklärt man aber eine doppelte Geschwindigkeit dadurch, daß man sagt, sie sey eine Bewegung, dadurch in derselben Zeit ein doppelt so großer Raum zurückgelegt wird, so wird hier etwas angenommen, was sich nicht von selbst versteht, nämlich: daß sich zwey gleiche Geschwindigkeiten eben so verbinden lassen, als zwey gleiche Räume, und es ist nicht für sich klar, daß eine gegebene Geschwindigkeit aus kleinern und eine Schnelligkeit aus Langsamkeiten eben so bestehe, wie ein Raum aus kleineren; denn die Theile der Geschwindigkeit sind nicht ausserhalb einander, wie die Theile des Raumes, und wenn jene als Größe betrachtet werden soll, so muß der Begrif ihrer Größe, da sie intensiv ist, auf andere Art construirt werden, als der der extensiven Größe des Raumes. Diese Construction ist aber auf keine andere Art möglich, als durch die mittelbare Zusammensetzung zweyer gleichen Bewegungen, deren eine die des Körpers, die andere des relativen Raumes in entgegengesetzter Richtung, aber eben darum mit einer ihr gleichen Bewegung des Körpers in der vorigen Richtung völlig einerley ist. [26/27] Denn in derselben Richtung lassen sich zwey gleiche Geschwindigkeiten in einem Körper gar nicht zusammensetzen, als nur durch äußere bewegende Ursachen, z. B. ein Schiff, welches den Körper mit einer dieser Geschwindigkeiten trägt, indessen daß eine andere, mit dem Schiffe unbeweglich verbundene bewegende Kraft dem Körper die zweyte, der vorigen gleiche, Geschwindigkeit eindrückt; wobey doch immer vorausgesetzt werden muß: daß der Körper sich mit der ersten Geschwindigkeit in freyer Bewegung erhalte, indem die zweyte hinzukommt; welches ein Naturgesetz bewegender Kräfte ist, wovon gar nicht die Rede seyn kann, wenn die Frage lediglich ist, wie der Begrif der Geschwindigkeit als einer Größe construirt werde. So viel von der Hinzuthuung der Geschwindigkeiten zu einander. Wenn aber von der Abziehung einer von der anderen die Rede ist, so läßt sich zwar diese letztere leicht denken, wenn einmal die Möglichkeit einer Geschwindigkeit als Größe durch Hinzuthuung eingeräumt worden, aber jener Begrif läßt sich nicht so leicht construiren. Denn zu dem Ende müssen zwey entgegengesetzte Bewegungen in einem Körper verbunden werden; aber wie soll dieses geschehen? Unmittelbar d. i. in Ansehung eben desselben ruhenden Raumes ist es unmöglich, sich zwey gleiche Bewegungen in entgegengesetzter Richtung an demselben Körper zu denken; aber die Vorstellung der Unmöglichkeit dieser beiden Bewegungen in einem Körper ist nicht der Begrif von der Ruhe desselben, sondern der Unmöglich-[27/28]keit der Construction dieser Zusammensetzung entgegengesetzter Bewegungen, die doch im Lehrsatz als möglich angenommen wird. Diese Construction ist aber nicht anders möglich, als durch die Verbindung der Bewegung des Körpers mit der Bewegung des Raums, wie gewiesen worden. Endlich, was die Zusammensetzung zweyer Bewegungen, deren Richtung einen Winkel einschließt, betrift, so läßt sie sich an dem Körper in Beziehung auf einen und denselben Raum gleichfalls nicht denken, wenn man nicht gar eine derselben durch äußere, continuirlich einfließende Kraft (z. E. ein den Körper forttragendes Fahrzeug) gewirkt, die andern als sich selbst hiebey unverändert erhaltend, annimmt, oder überhaupt, man muß bewegende Kräfte und Erzeugung einer dritten Bewegung aus zwey vereinigten Kräften zum Grunde legen, welches zwar die mechanische Ausführung dessen, was ein Begrif enthält, aber nicht die mathematische Construction derselben ist, die nur anschaulich machen soll, was das Object (als Quantum) sey, nicht wie es durch Natur oder Kunst vermittelst gewisser Werkzeuge und Kräfte hervorgebracht werden könne. - Die Zusammensetzung der Bewegungen, um ihr Verhältniß zu andern als Größe zu bestimmen, muß nach den Regeln der Congruenz geschehen, welches in allen dreyen Fällen nur vermittelst der Bewegung des Raums, die mit einer der zwey gegebenen Bewegungen congruirt, und dadurch beide mit der zusammengesetzten congruiren, möglich ist. [28/29]

Anmerkung 3.



Phoronomie, nicht als reine Bewegungslehre, sondern blos als reine Größenlehre der Bewegung, in welcher die Materie nach keiner Eigenschaft mehr als der bloßen Beweglichkeit gedacht wird, enthält also nichts mehr als blos diesen einzigen, durch die angeführte drey Fälle geführten Lehrsatz von der Zusammensetzung der Bewegung und zwar von der Möglichkeit der geradlinigten Bewegung allein, nicht der krummlinigten. Denn, weil in dieser die Bewegung continuirlich (der Richtung nach) verändert wird, so muß eine Ursache dieser Veränderung, welche nun nicht der bloße Raum seyn kann, herbeygezogen werden. Daß man aber gewöhnlich unter der Benennung der zusammengesetzten Bewegung nur den einzigen Fall, da die Richtungen derselben einen Winkel einschließen, verstand, dadurch ward zwar wol eben nicht der Physik, wol aber dem Princip der Eintheilung einer reinen philosophischen Wissenschaft überhaupt einiger Abbruch gethan. Denn was die erstere betrift, so lassen sich alle im obigen Lehrsatze behandelte drey Fälle im dritten allein hinreichend darstellen. Denn; wenn der Winkel, den die zwey gegebenen Bewegungen einschließen, als unendlich klein gedacht wird, so enthält er den ersten; wird er aber als von einer einzigen geraden Linie nur unendlich wenig unterschieden vorgestellt, so enthält er den zweyten Fall; so daß sich freylich in dem bekannten Lehrsatze der zusammengesetzten Bewegung alle drey von uns genannte Fälle, [29/30] als in einer allgemeinen Formel, geben lassen. Man konnte aber auf diese Art nicht wohl die Größenlehre der Bewegung nach ihren Theilen a priori einsehen lernen, welches in mancher Absicht auch seinen Nutzen hat.
Hat jemand Lust die gedachten drey Theile des allgemeinen phoronomischen Lehrsatzes an das Schema der Eintheilung aller reinen Verstandesbegriffe, namentlich hier der des Begriffs der Größe zu halten, so wird er bemerken: daß, da der Begriff einer Größe jederzeit den der Zusammensetzung des Gleichartigen enthält, die Lehre der Zusammensetzung der Bewegungen zugleich die reine Größenlehre derselben sey, und zwar nach allen drey Momenten, die der Raum an die Hand giebt, der Einheit der Linie und Richtung, der Vielheit der Richtungen in einer und derselben Linie, endlich der Allheit der Richtungen sowohl als der Linien, nach denen die Bewegung geschehen mag, welches die Bestimmung aller möglichen Bewegung als eines Quantum enthält, wiewohl die Quantität derselben (an einem beweglichen Puncte) blos in der Geschwindigkeit besteht. Diese Bemerkung hat nur in der Transscendentalphilosophie ihren Nutzen. [30/31]




Zweytes Hauptstück


der


Metaphysischen Anfangsgründe


der


Dynamik.



Erklärung 1.



M aterie ist das Bewegliche, so fern es einen Raum erfüllt. Einen Raum erfüllen, heißt allem Beweglichen widerstehen, das durch seine Bewegung in einen gewissen Raum einzudringen bestrebt ist. Ein Raum, der nicht erfüllt ist, ist ein leerer Raum.

Anmerkung.



Dieses ist nun die dynamische Erklärung des Begriffs der Materie. Sie setzt die phoronomische voraus, aber thut eine Eigenschaft hinzu, die sich als Ursache auf eine Wirkung bezieht, nämlich das Vermögen, einer Bewegung innerhalb eines gewissen Raumes zu widerstehen, wovon in der vorhergehenden Wissenschaft gar nicht die Rede seyn mußte, selbst nicht, wenn man es mit Bewegungen eines und desselben Punctes in entgegengesetzten Richtungen zu thun hatte. Diese Erfüllung des Raums hält einen gewissen Raum von dem Eindringen irgend eines anderen be-[31/32]weglichen frey, wenn seine Bewegung auf irgend einen Ort in diesem Raume hingerichtet ist. Worauf nun der nach allen Seiten gerichtete Widerstand der Materie beruhe und was er sey, muß noch untersucht werden. So viel sieht man aber schon aus der obigen Erklärung: daß die Materie hier nicht so betrachtet wird, wie sie widersteht, wenn sie aus ihrem Orte getrieben und also selbst bewegt werden soll, (dieser Fall wird künftig, als mechanischer Widerstand, noch in Erwägung kommen) sondern wenn blos der Raum ihrer eigenen Ausdehnung verringert werden soll. Man bedient sich des Worts: einen Raum einnehmen, d. i. in allen Puncten desselben unmittelbar gegenwärtig seyn, um die Ausdehnung eines Dinges im Raume dadurch zu bezeichnen. Weil aber in diesem Begriffe nicht bestimmt ist, welche Wirkung oder ob gar überall eine Wirkung aus dieser Gegenwart entspringe, ob andern zu widerstehen, die hineinzudringen bestrebt seyn, oder ob es blos einen Raum ohne Materie bedeute, so fern er ein Inbegriff mehrerer Räume ist, wie man von jeder geometrischen Figur sagen kann, sie nimmt einen Raum ein (sie ist ausgedehnt), oder ob wol gar im Raume etwas sey, was ein anderes bewegliche nöthigt, tiefer in denselben einzudringen (andere anzieht), weil, sage ich, durch den Begriff des Einnehmens eines Raumes dieses alles unbestimmt ist, so ist: einen Raum erfüllen, eine nähere Bestimmung des Begriffs: einen Raum einnehmen. [32/33]

Lehrsatz 1.



Die Materie erfüllt einen Raum, nicht durch ihre bloße Existenz, sondern durch eine besondere bewegende Kraft.

Beweis.



Das Eindringen in einen Raum (im Anfangsaugenblicke heißt solches die Bestrebung einzudringen) ist eine Bewegung. Der Widerstand gegen Bewegung ist die Ursache der Verminderung, oder auch Veränderung derselben in Ruhe. Nun kann mit keiner Bewegung etwas verbunden werden, was sie vermindert oder aufhebt, als eine andere Bewegung eben desselben Beweglichen in entgegengesetzter Richtung (Phoron. Lehrs.). Also ist der Widerstand, den eine Materie in dem Raum, den sie erfüllt, allem Eindringen anderer leistet, eine Ursache der Bewegung der letzteren in entgegengesetzter Richtung. Die Ursache einer Bewegung heißt aber bewegende Kraft. Also erfüllet die Materie ihren Raum durch bewegende Kraft, und nicht durch ihre bloße Existenz.

Anmerkung.



Lambert und andere nannten die Eigenschaft der Materie, da sie einen Raum erfüllt, die Solidität, (ein ziemlich vieldeutiger Ausdruck) und wollen, man müsse sie an jedem Dinge, was existirt, (Substanz) annehmen, wenigstens in der äußeren Sinnenwelt. Nach ihren Begrif-[33/34]fen müßte die Anwesenheit von etwas Reellem im Raume, diesen Widerstand schon durch seinen Begriff, mithin nach dem Satze des Widerspruchs bey sich führen, und es machen, daß nichts anderes in dem Raume der Anwesenheit eines solchen Dinges zugleich seyn könne. Allein der Satz des Widerspruchs treibt keine Materie zurück, welche anrückt um in einen Raum einzudringen, in welchem eine andere anzutreffen ist. Nur alsdann, wenn ich dem, was einen Raum einnimmt, eine Kraft beylege, alles äußere Bewegliche, welches sich annähert, zurück zu treiben, verstehe ich, wie es einen Widerspruch enthalte, daß in den Raum, den ein Ding einnimmt, noch ein anderes von derselben Art eindringe. Hier hat der Mathematiker etwas als ein erstes Datum der Construction des Begriffs einer Materie, welches sich selbst nicht weiter construiren lasse, angenommen. Nun kann er zwar von jedem beliebigen Dato seine Construction eines Begrifs anfangen; ohne sich darauf einzulassen, dieses Datum auch wiederum zu erklären; darum aber ist er doch nicht befugt, jenes für etwas aller mathematischen Construction ganz unfähiges zu erklären, um dadurch das Zurückgehen zu den ersten Principien in der Naturwissenschaft zu hemmen.

Erklärung 2.



Anziehungskraft ist diejenige bewegende Kraft, wodurch eine Materie die Ursache der Annäherung anderer zu ihr seyn kann (oder, wel-[34/35]ches einerley ist, dadurch sie der Entfernung anderer von ihr widersteht).
Zurückstoßungskraft ist diejenige, wodurch eine Materie Ursache seyn kann, andere von sich zu entfernen (oder, welches einerley ist, wodurch sie der Annäherung anderer zu ihr widersteht). Die letztere werden wir auch zuweilen treibende, so wie die erstere ziehende Kräfte nennen.

Zusatz.



Es lassen sich nur diese zwey bewegende Kräfte der Materie denken. Denn alle Bewegung, die eine Materie einer anderen eindrücken kann, da in dieser Rücksicht jede derselben nur wie ein Punct betrachtet wird, muß jederzeit als in der geraden Linie zwischen zweyen Puncten ertheilt angesehen werden. In dieser geraden Linie aber sind nur zweyerley Bewegungen möglich: die eine, dadurch sich jene Puncte von einander entfernen, die zweyte, dadurch sie sich einander nähern. Die Kraft aber, die die Ursache der ersteren Bewegung ist, heißt Zurückstoßungs- und die der zweyten Anziehungskraft. Also können nur diese zwey Arten von Kräften, als solche, worauf alle Bewegungskräfte in der materiellen Natur zurückgeführt werden müssen, gedacht werden. [35/36]

Lehrsatz 2.



Die Materie erfüllet ihre Räume durch repulsive Kräfte aller ihrer Theile, d. i. durch eine ihr eigene Ausdehnungskraft, die einen bestimmten Grad hat, über den kleinere oder größere ins Unendliche können gedacht werden.

Beweis.



Die Materie erfüllet einen Raum nur durch bewegende Kraft (Lehrs. 2. [recte 1.]) und zwar eine solche, die dem Eindringen anderer, d. i. der Annäherung, widersteht. Nun ist diese eine zurückstoßende Kraft. (Erklärung 2.) Also erfüllt die Materie ihren Raum nur durch zurückstoßende Kräfte und zwar aller ihrer Theile, weil sonst ein Theil ihres Raums (wider die Voraussetzung) nicht erfüllet, sondern nur eingeschlossen seyn würde. Die Kraft aber eines Ausgedehnten vermöge der Zurückstoßung aller seiner Theile ist eine Ausdehnungskraft (expansive). Also erfüllet die Materie ihren Raum nur durch eine ihr eigene Ausdehnungskraft; welches das erste war. Ueber jede gegebene Kraft muß eine größere gedacht werden können, denn die, über welche keine größere möglich ist, würde eine solche seyn, wodurch in einer endlichen Zeit ein unendlicher Raum zurückgelegt werden würde (welches unmöglich ist). Es muß ferner unter jeder gegebenen bewegenden Kraft eine kleinere gedacht wer-[36/37]den können, (denn die kleinste würde die seyn, durch deren unendliche Hinzuthuung zu sich selbst eine jede gegebene Zeit hindurch keine endliche Geschwindigkeit erzeugt werden könnte, welches aber den Mangel aller bewegenden Kraft bedeutet). Also muß unter einem jeden gegebenen Grad einer bewegenden Kraft immer noch ein kleinerer gegeben werden können, welches das zweyte ist. Mithin hat die Ausdehnungskraft, womit jede Materie ihren Raum erfüllt, ihren Grad, der niemals der gröste oder kleinste ist, sondern über den ins Unendliche sowohl größere als kleinere können gefunden werden.

Zusatz 1.



Die expansive Kraft einer Materie nennt man auch Elasticität. Da nun jene der Grund ist, worauf die Erfüllung des Raumes, als eine wesentliche Eigenschaft aller Materie, beruht, so muß diese Elasticität ursprünglich heißen; weil sie von keiner anderen Eigenschaft der Materie abgeleitet werden kann. Alle Materie ist demnach ursprünglich elastisch.

Zusatz 2.



Weil über jede ausdehnende Kraft eine größere bewegende Kraft gefunden werden kann: diese aber auch jener entgegen würken kann, wodurch sie alsdenn den Raum der letzteren verengen würde, den diese zu erweitern trachtet, in welchem Falle die erstere eine [37/38] zusammendrückende Kraft heißen würde, so muß auch für jede Materie eine zusammendrückende Kraft gefunden werden können, die sie von einem jeden Raum, den sie erfüllt, in einen engeren Raum zu treiben vermag.

Erklärung 3.



Eine Materie durchdringt in ihrer Bewegung eine andere, wenn sie durch Zusammendrückung den Raum ihrer Ausdehnung völlig aufhebt.

Anmerkung.



Wenn in einem mit Luft angefüllten Stiefel einer Luftpumpe der Kolben dem Boden immer näher getrieben wird, so wird die Luftmaterie zusammengedrückt. Könnte nun diese Zusammendrückung so weit getrieben werden, daß der Kolben den Boden völlig berührte, (ohne daß das mindeste von Luft entwischt wäre) so würde die Luftmaterie durchdrungen seyn; denn die Materien, zwischen denen sie ist, lassen keinen Raum für sie übrig, und sie wäre also zwischen dem Kolben und Boden anzutreffen, ohne doch einen Raum einzunehmen. Diese Durchdringlichkeit der Materie durch äußere zusammendrückende Kräfte, wenn jemand eine solche annehmen oder auch nur denken wollte, würde die mechanische heißen können. Ich habe Ursache, durch eine solche Einschränkung diese Durchdringlichkeit der Materie von einer andern zu unterschei-[38/39]den, deren Begriff vielleicht eben so unmöglich, als der erstere ist, von der ich aber doch künftig etwas anzumerken Anlaß haben möchte.

Lehrsatz 3.



Die Materie kann ins Unendliche zusammengedrückt, aber niemals von einer Materie, wie groß auch die drückende Kraft derselben sey, durchdrungen werden.

Beweis.



Eine ursprüngliche Kraft, womit eine Materie sich über einen gegebenen Raum, den sie einnimmt, allerwärts auszudehnen trachtet, muß, in einen kleineren Raum eingeschlossen, größer, und, in einen unendlich kleinen Raum zusammengepreßt, unendlich seyn. Nun kann für gegebene ausdehnende Kraft der Materie eine größere zusammendrückende gefunden werden, die diese in einen engeren Raum zwingt, und so ins Unendliche; welches das Erste war. Zum Durchdringen der Materie aber würde eine Zusammentreibung derselben in einen unendlich kleinen Raum, mithin eine unendlich zusammendrückende Kraft erfodert, welche unmöglich ist. Also kann eine Materie durch Zusammendrückung von keiner anderen durchdrungen werden; welches das Zweyte ist.

Anmerkung.



Ich habe in diesem Beweise gleich zu Anfangs angenommen, daß eine ausdehnende Kraft, je mehr sie in die [39/40] Enge getrieben worden, desto stärker entgegenwirken müsse. Dieses würde nun zwar nicht so für jede Art elastischer Kräfte, die nur abgeleitet sind, gelten; aber bey der Materie, so fern ihr als Materie überhaupt, die einen Raum erfüllt, wesentliche Elasticität zukommt, läßt sich dieses postuliren. Denn expansive Kraft, aus allen Puncten nach allen Seiten hin ausgeübt, macht sogar den Begriff derselben aus. Eben dasselbe Quantum aber von ausspannenden Kräften in einen engeren Raum gebracht, muß in jedem Puncte desselben so viel stärker zurücktreiben, so viel umgekehrt der Raum kleiner ist, in welchem ein gewisses Quantum von Kraft seine Wirksamkeit verbreitet.

Erklärung 4.



Die Undurchdringlichkeit der Materie, die auf dem Widerstande beruht, der mit den Graden der Zusammendrückung proportionirlich wächst, nenne ich die relative; diejenige aber, welche auf der Voraussetzung beruht, daß die Materie, als solche, gar keiner Zusammendrückung fähig sey, heißt die absolute Undurchdringlichkeit. Die Erfüllung des Raumes mit absoluter Undurchdringlichkeit kann die mathematische, die mit blos relativer die dynamische Erfüllung des Raums heißen. [40/41]

Anmerkung 1.



Nach dem blos mathematischen Begriffe der Undurchdringlichkeit (der keine bewegende Kraft als ursprünglich der Materie eigen voraussetzt) ist keine Materie einer Zusammendrückung fähig, als so fern sie leere Räume in sich enthält; mithin die Materie als Materie widersteht allem Eindringen schlechterdings und mit absoluter Nothwendigkeit. Nach unserer Erörterung dieser Eigenschaft aber beruht die Undurchdringlichkeit auf einem physischen Grunde; denn die ausdehnende Kraft macht sie selbst, als ein Ausgedehntes, das seinen Raum erfüllt, allererst möglich. Da aber diese Kraft einen Grad hat, welcher überwältigt, mithin der Raum der Ausdehnung verringert, d. i. in denselben bis auf ein gewisses Maß von einer gegebenen zusammendrückenden Kraft eingedrungen werden kann, doch so, daß die gänzliche Durchdringung, weil sie eine unendliche zusammendrückende Kraft erfordern würde, unmöglich ist: so muß die Erfüllung des Raums nur als relative Undurchdringlichkeit angesehen werden.

Anmerkung 2.



Die absolute Undurchdringlichkeit ist in der That nichts mehr, oder weniger, als qualitas occulta. Denn man frägt, was die Ursache sey, daß Materien einander in ihrer Bewegung nicht durchdringen können, und bekommt die Antwort: weil sie undurchdringlich sind. Die Berufung auf zurücktreibende Kraft ist von diesem Vorwurfe frey. Denn, ob diese gleich ihrer Möglichkeit nach [41/42] auch nicht weiter erklärt werden kann, mithin als Grundkraft gelten muß, so giebt sie doch einen Begriff von einer wirkenden Ursache und ihren Gesetzen, nach welchen die Wirkung, nämlich der Widerstand in dem erfüllten Raum, ihren Graden nach geschätzt werden kann.

Erklärung 5.



Materielle Substanz ist dasjenige im Raume, was für sich, d. i. abgesondert von allem anderen, was außer ihm im Raume existirt, beweglich ist. Die Bewegung eines Theils der Materie, dadurch sie aufhört ein Theil zu seyn, ist die Trennung. Die Trennung der Theile einer Materie ist die physische Theilung.

Anmerkung.



Der Begriff einer Substanz bedeutet das letzte Subject der Existenz, d. i. dasjenige, was selbst nicht wiederum blos als Prädicat zur Existenz eines anderen gehört. Nun ist Materie das Subject alles dessen, was im Raume zur Existenz der Dinge gezählt werden mag; denn außer ihr würde sonst kein Subject gedacht werden können, als der Raum selbst; welcher aber ein Begriff ist, der noch gar nichts Existirendes, sondern blos die nothwendigen Bedingungen der äußeren Relation möglicher Gegenstände äußerer Sinne enthält. Also ist Materie, als das Bewegliche im Raume, die Substanz in demselben. Aber eben so werden auch alle Theile derselben, so fern man von ihnen [42/43] nur sagen kann, daß sie selbst Subjecte und nicht blos Prädicate von anderen Materien seyn, Substanzen, mithin selbst wiederum Materie heißen müssen. Sie sind aber selbst Subjecte, wenn sie für sich beweglich und also auch außer der Verbindung mit anderen Nebentheilen etwas im Raume Existirendes sind. Also ist die eigene Beweglichkeit der Materie, oder irgend eines Theils derselben, zugleich ein Beweis dafür, daß dieses Bewegliche, und ein jeder beweglicher Theil desselben, Substanz sey.

Lehrsatz 4.



Die Materie ist ins Unendliche theilbar, und zwar in Theile, deren jeder wiederum Materie ist.

Beweis.



Die Materie ist undurchdringlich, und zwar durch ihre ursprüngliche Ausdehnungskraft (Lehrs. 3), diese aber ist nur die Folge der repulsiven Kräfte eines jeden Puncts in einem von Materie erfüllten Raum. Nun ist der Raum, den die Materie erfüllet, ins Unendliche mathematisch theilbar, d. i. seine Theile können ins Unendliche unterschieden, obgleich nicht bewegt, folglich auch nicht getrennt werden, (nach Beweisen der Geometrie). In einem mit Materie erfülleten Raume aber enthält jeder Theil desselben repulsive Kraft, allen übrigen nach allen Seiten entgegen zu wirken, mithin sie zurück zu treiben und von [43/44] ihnen eben so wohl zurückgetrieben, d. i. zur Entfernung von denselben bewegt zu werden. Mithin ist ein jeder Theil eines durch Materie erfüllten Raums für sich selbst beweglich, folglich trennbar von den übrigen als materielle Substanz durch physische Theilung. So weit sich also die mathematische Theilbarkeit des Raumes, den eine Materie erfüllt, erstreckt, so weit erstreckt sich auch die mögliche physische Theilung der Substanz, die ihn erfüllt. Die mathematische Theilbarkeit aber geht ins Unendliche, folglich auch die physische, d. i. alle Materie ist ins Unendliche theilbar, und zwar in Theile, deren jeder selbst wiederum materielle Substanz ist.

Anmerkung 1.



Durch den Beweis der unendlichen Theilbarkeit des Raums ist die der Materie lange noch nicht bewiesen, wenn nicht vorher dargethan worden: daß in jedem Theile des Raumes materielle Substanz sey, d. i. für sich bewegliche Theile anzutreffen sind. Denn, wollte ein Monadist annehmen, die Materie bestände aus physischen Puncten, deren ein jeder zwar (eben darum) keine bewegliche Theile habe, aber dennoch durch bloße repulsive Kraft einen Raum erfüllete: so würde er gestehen können, daß zwar dieser Raum, aber nicht die Substanz, die in ihm wirkt, mithin zwar die Sphäre der Wirksamkeit der letzteren, aber nicht das wirkende bewegliche Subject selbst durch die Theilung des Raums zugleich getheilt werde. [44/45] Also würde er die Materie aus physisch untheilbaren Theilen zusammensetzen, und sie doch auf dynamische Art einen Raum einnehmen lassen.

Durch den obigen Beweis aber ist dem Monadisten diese Ausflucht gänzlich benommen. Denn daraus ist klar: daß in einem erfüllten Raume kein Punct seyn könne, der nicht selbst nach allen Seiten Zurückstoßung ausübete, so wie er zurückgestoßen wird, mithin als ein außer jedem anderen zurückstoßenden Puncte befindliches gegenwirkendes Subject an sich selbst beweglich wäre, und daß die Hypothese eines Puncts, der durch bloße treibende Kraft, und nicht vermittelst anderer, gleichfalls zurückstoßenden Kräfte, einen Raum erfüllete, gänzlich unmöglich sey. Um dieses und dadurch auch den Beweis des vorhergehenden Lehrsatzes anschaulich zu machen


nehme man an, A sey der Ort einer Monas im Raume, ab sey der Durchmesser der Sphäre ihrer repulsiven Kraft, mithin aA der Halbmesser derselben, so ist zwischen a, wo dem Eindringen einer äußeren Monade in den Raum, den jene Sphäre einnimmt, widerstanden wird, und dem Mittelpuncte derselben A, ein Punct c anzugeben möglich (laut der unendlichen Theilbarkeit des Raumes). Wenn nun A demjenigen, was in a einzudringen trachtet, widersteht, so muß auch c den beiden Puncten A und a wi-[45/46]derstehen. Denn wäre dieses nicht, so würden sie sich einander ungehindert nähern, folglich A und a im Puncte c zusammentreffen, d. i. der Raum würde durchdrungen werden. Also muß in c etwas seyn, was dem Eindringen von A und a widersteht und also die Monas A zurücktreibt, so wie es auch von ihr zurückgetrieben wird. Da nun Zurücktreiben ein Bewegen ist, so ist c etwas bewegliches, im Raum mithin Materie, und der Raum zwischen A und a konnte nicht durch die Sphäre der Wirksamkeit einer einzigen Monade angefüllt seyn, also auch nicht der Raum zwischen c und A, und so ins Unendliche.
Wenn Mathematiker die repulsiven Kräfte der Theile elastischer Materien, bey größerer oder kleinerer Zusammendrückung derselben, als nach einer gewissen Proportion ihrer Entfernungen von einander abnehmend oder zunehmend sich vorstellen, z. B. daß die kleinsten Theile der Luft sich in umgekehrtem Verhältnis ihrer Entfernungen von einander zurücktreiben, weil die Elasticität derselben in umgekehrtem Verhältnis der Räume steht, darin sie zusammengedrückt werden: so verfehlt man gänzlich ihren Sinn und misdeutet ihre Sprache, wenn man das, was zum Verfahren der Construction eines Begriffs nothwendig gehört, dem Begriffe im Object selbst beylegt. Denn nach jenem kann eine jede Berührung als eine unendlich kleine Entfernung vorgestellt werden; welches in solchen Fällen auch nothwendig geschehen muß, wo ein großer oder kleiner Raum durch eben dieselbe Quantität der Materie, [46/47] d. i. einerley Quantum repulsiver Kräfte, als ganz erfüllt vorgestellt werden soll. Bey einem ins Unendliche Theilbaren darf darum dennoch keine wirkliche Entfernung der Theile, die bey aller Erweiterung des Raums des Ganzen immer ein Continuum ausmachen, angenommen werden, obgleich die Möglichkeit dieser Erweiterung nur unter der Idee einer unendlich kleinen Entfernung anschaulich gemacht werden kann.

Anmerkung 2.



Die Mathematik kann zwar in ihrem inneren Gebrauche in Ansehung der Chicane einer verfehlten Metaphysik ganz gleichgültig seyn, und im sicheren Besitz ihrer evidenten Behauptungen von der unendlichen Theilbarkeit des Raumes beharren, was für Einwürfe auch eine an bloßen Begriffen klaubende Vernünfteley dagegen auf die Bahn bringen mag; allein in der Anwendung ihrer Sätze, die vom Raume gelten, auf Substanz, die ihn erfüllt, muß sie sich doch auf Prüfung nach bloßen Begriffen, mithin auf Metaphysik einlassen. Obiger Lehrsatz ist schon ein Beweis davon. Denn es folgt nicht nothwendig, daß Materie ins Unendliche physisch theilbar sey, wenn sie es gleich in mathematischer Absicht ist, wenn gleich ein jeder Theil des Raums wiederum ein Raum ist, und also immer Theile außerhalb einander in sich faßt, woferne nicht bewiesen werden kann, daß in jedem aller möglichen Theile dieses erfülleten Raumes auch Substanz sey, die folglich auch, abgesondert von allen übrigen, als für sich [47/48] beweglich existire. Also fehlete doch bisher dem mathematischen Beweise noch etwas, ohne welches er auf die Naturwissenschaft keine sichere Anwendung haben konnte, und diesem Mangel ist in obstehendem Lehrsatz abgeholfen worden. Was nun aber die übrigen Angriffe der Metaphysik auf den nunmehr physischen Lehrsatz der unendlichen Theilbarkeit der Materie betrift, so muß sie der Mathematiker gänzlich dem Philosophen überlassen, der ohnedem durch diese Einwürfe sich selbst in ein Labyrinth begiebt, woraus es ihm schwer wird, auch in den ihn unmittelbar angehenden Fragen, herauszufinden, und also mit sich selbst genug zu thun hat, ohne daß der Mathematiker sich in dieses Geschäfte dürfte einflechten lassen. Wenn nämlich die Materie ins Unendliche theilbar ist, so (schließt der dogmatische Metaphysiker) besteht sie aus einer unendlichen Menge von Theilen; denn ein Ganzes muß doch alle die Theile zum voraus insgesamt schon in sich enthalten, in die es getheilt werden kann. Der letztere Satz ist auch von einem jeden Ganzen, als Dinge an sich selbst, ungezweifelt gewiß, mithin, da man doch nicht einräumen kann, die Materie, ja gar selbst nicht einmal der Raum, bestehe aus unendlich viel Theilen, (weil es ein Widerspruch ist, eine unendliche Menge, deren Begriff es schon mit sich führt, daß sie niemals vollendet vorgestellt werden könne, sich als ganz vollendet zu denken) so müsse man sich zu einem entschließen, entweder dem Geometer zum Trotz zu sagen: der Raum ist nicht ins Unendliche [48/49] theilbar, oder dem Metaphysiker zur Aergernis: der Raum ist keine Eigenschaft eines Dinges an sich selbst, und also die Materie kein Ding an sich selbst, sondern bloße Erscheinung unserer äußeren Sinne überhaupt, so wie der Raum die wesentliche Form derselben.
Hier geräth nun der Philosoph in ein Gedränge zwischen den Hörnern eines gefährlichen Dilemms. Den ersteren Satz: daß der Raum ins Unendliche theilbar sey, abzuleugnen, ist ein leeres Unterfangen, denn Mathematik läßt sich nichts wegvernünfteln; Materie aber als Ding an sich selbst, mithin den Raum als Eigenschaft der Dinge an sich selbst ansehen, und dennoch jenen Satz ableugnen, ist einerley. Er sieht sich also nothgedrungen, von der letzteren Behauptung, so gemein und dem gemeinen Verstande gemäß sie auch sey, abzugehen, aber natürlicher Weise nur unter dem Beding, daß man ihn auf den Fall, daß er Materie und Raum nur zur Erscheinung (mithin letzteren nur zur Form unserer äußerer sinnlichen Anschauung, also beide nicht zu Sachen an sich, sondern nur zu subjectiven Vorstellungsarten uns an sich unbekannter Gegenstände) machte, alsdenn auch aus jener Schwierigkeit, wegen unendlicher Theilbarkeit der Materie, wobey sie doch nicht aus unendlich viel Theilen bestehe, heraushelfe. Dieses letztere läßt sich nun ganz wol durch die Vernunft denken, obgleich unmöglich anschaulich machen und construiren. Denn, was nur dadurch wirklich ist, daß es in der Vorstellung gegeben ist, davon ist auch [49/50] nicht mehr gegeben, als so viel in der Vorstellung angetroffen wird, d. i. so weit der Progressus der Vorstellungen reicht. Also von Erscheinungen, deren Theilung ins Unendliche geht, kann man nur sagen, daß der Theile der Erscheinung so viel sind, als wir deren nur geben, d. i. so weit wir nur immer theilen mögen. Denn die Theile, als zur Existenz einer Erscheinung gehörig, existiren nur in Gedanken, nämlich in der Theilung selbst. Nun geht zwar die Theilung ins Unendliche, aber sie ist doch niemals als unendlich gegeben: also folgt daraus nicht, daß das Theilbare eine unendliche Menge Theile an sich selbst und außer unserer Vorstellung in sich enthalte, darum weil seine Theilung ins Unendliche geht. Denn es ist nicht das Ding, sondern nur diese Vorstellung desselben, deren Theilung, ob sie zwar ins Unendliche fortgesetzt werden kann, und im Objecte (das an sich unbekannt ist) dazu auch ein Grund ist, dennoch niemals vollendet, folglich ganz gegeben werden kann, und also auch keine wirkliche unendliche Menge im Objecte (als die ein ausdrücklicher Widerspruch seyn würde,) beweiset. Ein großer Mann, der, vielleicht mehr als sonst jemand, das Ansehen der Mathematik in Deutschland zu erhalten beyträgt, hat mehrmalen die metaphysischen Anmaßungen, Lehrsätze der Geometrie von der unendlichen Theilbarkeit des Raums umzustoßen, durch die gegründete Erinnerung abgewiesen: daß der Raum nur zu der Erscheinung äußerer Dinge gehöre; allein er ist nicht verstanden worden. Man nahm diesen Satz so, [50/51] als ob er sagen wollte: der Raum erscheine uns selbst, sonst sey er eine Sache oder Verhältnis der Sachen an sich selbst, der Mathematiker betrachtete ihn aber nur, wie er erscheint; anstatt daß sie darunter hätten verstehen sollen, der Raum sey gar keine Eigenschaft, die irgend einem Dinge außer unseren Sinnen an sich anhängt, sondern nur die subjective Form unserer Sinnlichkeit, unter welcher uns Gegenstände äußerer Sinne, die wir, wie sie an sich beschaffen sind, nicht kennen, erscheinen, welche Erscheinung wir denn Materie nennen. Bey jener Misdeutung dachte man sich den Raum immer noch als eine den Dingen auch außer unserer Vorstellungskraft anhängende Beschaffenheit, die sich aber der Mathematiker nur nach gemeinen Begriffen, d. i. verworren denkt, (denn so erklärt man gemeinhin Erscheinung) und schrieb also den mathematischen Lehrsatz von der unendlichen Theilbarkeit der Materie, einen Satz, der die höchste Deutlichkeit in dem Begriffe des Raums voraussetzt, einer verworrenen Vorstellung vom Raume, die der Geometer zum Grunde legte, zu, wobey es denn dem Metaphysiker unbenommen blieb, den Raum aus Puncten und die Materie aus einfachen Theilen zusammen zu setzen und so (seiner Meinung nach) Deutlichkeit in diesen Begriff zu bringen. Der Grund dieser Verirrung liegt in einer übelverstandenen Monadologie, die gar nicht zur Erklärung der Naturerscheinungen gehört, sondern ein von Leibnitzen ausgeführter, an sich richtiger platonischer Begriff von der Welt ist, so [51/52] fern sie gar nicht als Gegenstand der Sinne, sondern als Ding an sich selbst betrachtet, blos ein Gegenstand des Verstandes ist, der aber doch den Erscheinungen der Sinne zum Grunde liegt. Nun muß freylich das Zusammengesetzte der Dinge an sich selbst aus dem Einfachen bestehen; denn die Theile müssen hier vor aller Zusammensetzung gegeben seyn. Aber das Zusammengesetzte in der Erscheinung besteht nicht aus dem Einfachen, weil in der Erscheinung, die niemals anders als zusammengesetzt (ausgedehnt) gegeben werden kann, die Theile nur durch Theilung und also nicht vor dem Zusammengesetzten, sondern nur in demselben gegeben werden können. Daher war Leibnitzens Meinung, so viel ich einsehe, nicht, den Raum durch die Ordnung einfacher Wesen neben einander zu erklären, sondern ihm vielmehr diese als correspondirend, aber zu einer blos intelligibeln (für uns unbekannten) Welt gehörig zur Seite zu setzen, und nichts anders zu behaupten, als was anderwerts gezeigt worden, nämlich daß der Raum, samt der Materie, davon er die Form ist, nicht die Welt von Dingen an sich selbst, sondern nur die Erscheinung derselben enthalte, und selbst nur die Form unserer äußern sinnlichen Anschauung sey.

Lehrsatz 5.



Die Möglichkeit der Materie erfodert eine Anziehungskraft als die zweyte wesentliche Grundkraft derselben. [52/53]

Beweis.



Die Undurchdringlichkeit, als die Grundeigenschaft der Materie, wodurch sie sich als etwas Reales im Raume unseren äußeren Sinnen zuerst offenbaret, ist nichts, als das Ausdehnungsvermögen der Materie (Lehrsatz). Nun kann eine wesentliche bewegende Kraft, dadurch die Theile der Materie einander fliehen, erstlich nicht durch sich selbst eingeschränkt werden, weil die Materie dadurch vielmehr bestrebt ist, den Raum, den sie erfüllt, continuirlich zu erweitern, zweytens auch nicht durch den Raum allein auf eine gewisse Grenze der Ausdehnung gesetzt werden; denn dieser kann zwar den Grund davon enthalten, daß bey Erweiterung des Volumens einer sich ausdehnenden Materie die ausdehnende Kraft in umgekehrtem Verhältnisse schwächer werde, aber, weil von einer jeden bewegenden Kraft ins Unendliche kleinere Grade möglich sind, niemals den Grund enthalten, daß sie irgendwo aufhöre. Also würde die Materie durch ihre repulsive Kraft (welche den Grund der Undurchdringlichkeit enthält) allein, und, wenn ihr nicht eine andere bewegende Kraft entgegenwirkte, innerhalb keinen Grenzen der Ausdehnung gehalten seyn, d. i. sich ins Unendliche zerstreuen, und in keinem anzugebenden Raume würde eine anzugebende Quantität Materie anzutreffen seyn. Folglich würden, bey blos repellirenden Kräften der Materie, alle Räume leer, mithin ei-[53/54]gentlich gar keine Materie daseyn. Es erfodert also alle Materie zu ihrer Existenz Kräfte, die der ausdehnenden entgegengesetzt sind, d. i. zusammendrückende Kräfte. Diese können aber ursprünglich nicht wiederum in der Entgegenstrebung einer anderen Materie gesucht werden; denn diese bedarf, damit sie Materie sey, selbst einer zusammendrückenden Kraft. Also muß irgendwo eine ursprüngliche Kraft der Materie, welche in entgegengesetzter Direction der repulsiven, mithin zur Annäherung wirkt, d. i. eine Anziehungskraft, angenommen werden. Da nun diese Anziehungskraft zur Möglichkeit einer Materie, als Materie, überhaupt gehört, folglich vor allen Unterschieden derselben vorhergeht, so darf sie nicht blos einer besonderen Gattung derselben, sondern muß jeder Materie überhaupt und zwar ursprünglich beygelegt werden. Also kommt aller Materie eine ursprüngliche Anziehung, als zu ihrem Wesen gehörige Grundkraft, zu.

Anmerkung.



Bey diesem Uebergange von einer Eigenschaft der Materie zu einer andern specifisch davon unterschiedenen, die zum Begriffe der Materie eben sowol gehört, obgleich in demselben nicht enthalten ist, muß das Verhalten unseres Verstandes in nähere Erwägung gezogen werden. Wenn Anziehungskraft selbst zur Möglichkeit der Materie ursprünglich erfodert wird, warum bedienen wir uns ihrer [54/55] nicht eben sowol, als der Undurchdringlichkeit, zum ersten Kennzeichen einer Materie? warum wird die letztere unmittelbar mit dem Begriffe einer Materie gegeben, die erstere aber nicht in dem Begriffe gedacht, sondern nur durch Schlüsse ihm beygefügt? Daß unsere Sinne uns diese Anziehung nicht so unmittelbar wahrnehmen lassen, als die Zurückstoßung und das Widerstreben der Undurchdringlichkeit, kann die Schwierigkeit noch nicht hinlänglich beantworten. Denn, wenn wir auch ein solches Vermögen hätten, so ist doch leicht einzusehen, daß unser Verstand sich nichts destoweniger die Erfüllung des Raumes wählen würde, um dadurch die Substanz im Raume, d. i. die Materie zu bezeichnen, wie denn eben in dieser Erfüllung, oder, wie man sie sonst nennt, der Solidität das Characteristische der Materie, als eines vom Raume unterschiedenen Dinges, gesetzt wird. Anziehung, wenn wir sie auch noch so gut empfänden, würde uns doch niemals eine Materie von bestimmtem Volumen und Gestalt offenbaren, sondern nichts als die Bestrebung unseres Organs, sich einem Puncte außer uns (dem Mittelpunct des anziehenden Körpers) zu nähern. Denn die Anziehungskraft aller Theile der Erde kann auf uns nichts mehr, auch nichts anderes wirken, als wenn sie gänzlich in dem Mittelpuncte derselben vereinigt wäre, und dieser allein auf unsern Sinn einflösse, eben so die Anziehung eines Berges, oder jeden Steins etc. Nun bekommen wir dadurch keinen bestimmten Begriff von irgend einem Objecte im Raume, [55/56] da weder Gestalt, noch Größe, ja nicht einmal der Ort, wo er sich befände, in unsere Sinne fallen kann (die bloße Direction der Anziehung würde wargenommen werden können, wie bey der Schwere: der anziehende Punct würde unbekannt seyn, und ich sehe nicht einmal wohl ein, wie er selbst durch Schlüsse ohne Warnehmung der Materie, so fern sie den Raum erfüllt, sollte ausgemittelt werden). Also ist klar: daß die erste Anwendung unserer Begriffe von Größen auf Materie, durch die es uns zuerst möglich wird, unsere äußere Wahrnehmungen in dem Erfahrungsbegriffe einer Materie als Gegenstandes überhaupt zu verwandeln, nur auf ihrer Eigenschaft, dadurch sie einen Raum erfüllt, gegründet sey, welche, vermittelst des Sinnes des Gefühls, uns die Größe und Gestalt eines ausgedehnten, mithin von einem bestimmten Gegenstande im Raume einen Begriff verschafft, der allem übrigen, was man von diesem Dinge sagen kann, zum Grunde gelegt wird. Eben dieses ist ohne Zweifel die Ursache, weswegen man bey den klärsten anderweitigen Beweisen, daß Anziehung eben so wol zu den Grundkräften der Materie gehören müsse, als Zurückstoßung, sich gleichwol gegen die erstere so sehr sträubt, und gar keine bewegende Kräfte, als nur durch Stoß und Druck (beides vermittelst der Undurchdringlichkeit) einräumen will. Denn, wodurch der Raum erfüllet ist, das ist die Substanz, sagt man, und das hat auch seine gute Richtigkeit. Da aber diese Substanz ihr Daseyn uns nicht anders, als durch den Sinn, [56/57] wodurch wir ihre Undurchdringlichkeit wahrnehmen, nämlich das Gefühl, offenbart, mithin nur in Beziehung auf Berührung, deren Anfang (in der Annäherung einer Materie zur andern) der Stoß, die Fortdauer aber ein Druck heißt: so scheint es, als ob alle unmittelbare Wirkung einer Materie auf die andere, niemals was anders, als Druck, oder Stoß seyn könne, zwey Einflüsse, die wir allein unmittelbar empfinden können, dagegen Anziehung, die uns an sich entweder gar keine Empfindung, oder doch keinen bestimmten Gegenstand derselben geben kann, uns als Grundkraft so schwer in den Kopf will.

Lehrsatz 6.



Durch bloße Anziehungskraft, ohne Zurückstoßung, ist keine Materie möglich.

Beweis.



Anziehungskraft ist die bewegende Kraft der Materie, wodurch sie eine andere treibt, sich ihr zu nähern, folglich, wenn sie zwischen allen Theilen der Materie angetroffen wird, ist die Materie vermittelst ihrer bestrebt die Entfernung ihrer Theile von einander, mithin auch den Raum, den sie zusammen einnehmen, zu verringern. Nun kann nichts die Wirkung einer bewegenden Kraft hindern, als eine andere ihr entgegengesetzte bewegende Kraft; diese aber, welche der Attraction entgegengesetzt ist, ist die repulsive Kraft. Also würden, ohne repulsive Kräfte durch bloße An-[57/58]näherung, alle Theile der Materie sich ohne Hindernis einander nähern, und den Raum, den diese einnimmt, verringern. Da nun in dem angenommenen Falle keine Entfernung der Theile ist, in welcher eine größere Annäherung durch Anziehung vermittelst einer zurückstoßenden Kraft unmöglich gemacht wurde, so würden sie sich so lange zu einander bewegen, bis gar keine Entfernung zwischen ihnen angetroffen würde, d. i. sie würden in einen mathematischen Punct zusammenfließen, und der Raum würde leer, mithin ohne alle Materie seyn. Dennoch ist Materie durch bloße Anziehungskräfte ohne zurückstoßende unmöglich.

Zusatz.



Diejenige Eigenschaft, auf welcher als Bedingung selbst die innere Möglichkeit eines Dinges beruht, ist ein wesentliches Stück derselben. Also gehört die Zurückstoßungskraft zum Wesen der Materie eben so wohl, wie die Anziehungskraft, und keine kann von der anderen im Begriff der Materie getrennt werden.

Anmerkung.



Weil überall nur zwey bewegende Kräfte im Raum gedacht werden können, die Zurückstoßung und Anziehung, so war es, um beider ihre Vereinigung im Begriffe einer Materie überhaupt a priori zu beweisen, vorher nöthig, daß jede für sich allein erwogen würde, um zu sehen, was [58/59] sie, allein genommen, zur Darstellung einer Materie leisten könnte. Es zeigt sich nun, daß, sowol wenn man keine von beiden zum Grunde legt, als auch wenn man blos eine von ihnen annimmt, der Raum allemal leer bleibe und keine Materie in demselben angetroffen werde.

Erklärung 6.



Berührung im physischen Verstande ist die unmittelbare Wirkung und Gegenwirkung der Undurchdringlichkeit. Die Wirkung einer Materie auf die andere außer der Berührung ist die Wirkung in die Ferne (actio in distans). Diese Wirkung in die Ferne, die auch ohne Vermittelung zwischen inne liegender Materie möglich ist, heißt die unmittelbare Wirkung in die Ferne, oder auch die Wirkung der Materien auf einander durch den leeren Raum.

Anmerkung.



Die Berührung in mathematischer Bedeutung ist die gemeinschaftliche Grenze zweyer Räume, die also weder innerhalb dem einen, noch dem anderen Raume ist. Daher können gerade Linien einander nicht berühren, sondern, wenn sie einen Punct gemein haben, so gehört er sowohl innerhalb die eine, als die andere dieser Linien, wenn sie fortgezogen werden, d. i. sie schneiden sich. Aber Cirkel und gerade Linie, Cirkel und Cirkel, berühren [59/60] sich in einem Puncte, Flächen in einer Linie und Körper in Flächen. Die mathematische Berührung wird bey der physischen zum Grunde gelegt, aber sie macht sie allein noch nicht aus, zu ihr muß, damit die letztere daraus entspringe, noch ein dynamisches Verhältnis und zwar nicht der Anziehungskräfte, sondern der zurückstoßenden, d. i. der Undurchdringlichkeit hinzugedacht werden. Physische Berührung ist Wechselwirkung der repulsiven Kräfte in der gemeinschaftlichen Grenze zweyer Materien.

Lehrsatz 7.



Die aller Materie wesentliche Anziehung ist eine unmittelbare Wirkung derselben auf andere durch den leeren Raum.

Beweis.



Die ursprüngliche Anziehungskraft enthält selbst den Grund der Möglichkeit der Materie, als desjenigen Dinges, was einen Raum in bestimmtem Grade erfüllt, mithin selbst sogar von der Möglichkeit einer physischen Berührung derselben. Sie muß also vor dieser vorhergehen, und ihre Wirkung muß folglich von der Bedingung der Berührung unabhängig seyn. Nun ist die Wirkung einer bewegenden Kraft, die von aller Berührung unabhängig ist, auch von der Erfüllung des Raums zwischen dem bewegenden und dem bewegten unabhängig, d. i. sie muß auch, ohne daß der Raum zwischen beiden erfüllt ist, Statt fin-[60/61]den, mithin als Wirkung durch den leeren Raum. Also ist die ursprüngliche und aller Materie wesentliche Anziehung eine unmittelbare Wirkung derselben auf andere durch den leeren Raum.

Anmerkung 1.



Daß man die Möglichkeit der Grundkräfte begreiflich machen sollte, ist eine ganz unmögliche Foderung; denn sie heißen eben darum Grundkräfte, weil sie von keiner anderen abgeleitet d. i. gar nicht begriffen werden können. Es ist aber die ursprüngliche Anziehungskraft nicht im mindesten unbegreiflicher, als die ursprüngliche Zurückstoßung. Sie bietet sich nur nicht so unmittelbar den Sinnen dar, als die Undurchdringlichkeit, uns Begriffe von bestimmten Objecten im Raume zu liefern. Weil sie also nicht gefühlt, sondern nur geschlossen werden will, so hat sie so fern den Anschein einer abgeleiteten Kraft, gleich als ob sie nur ein verstecktes Spiel der bewegenden Kräfte durch Zurückstoßung wäre. Näher erwogen sehen wir: daß sie gar nicht weiter irgend wovon abgeleitet werden könne, am wenigsten von der bewegenden Kraft der Materien durch ihre Undurchdringlichkeit, da ihre Wirkung gerade das Widerspiel der letzteren ist. Der gemeinste Einwurf wider die unmittelbare Wirkung in die Ferne ist: daß eine Materie doch nicht da, wo sie nicht ist, unmittelbar wirken könne. Wenn die Erde den Mond unmittelbar treibt, sich ihr zu nähern, so wirkt die Erde auf ein Ding, das viele tausend Meilen von ihr ent-[61/62]fernt ist, und dennoch unmittelbar; der Raum zwischen ihr und dem Monde mag auch als völlig leer angesehen werden. Denn obgleich zwischen beiden Körpern Materie läge, so thut diese doch nichts zu jener Anziehung. Sie wirkt also an einem Orte, wo sie nicht ist, unmittelbar: etwas was dem Anscheine nach widersprechend ist. Allein es ist so wenig widersprechend, daß man vielmehr sagen kann, ein jedes Ding im Raume wirkt auf ein anderes nur an einem Ort, wo das Wirkende nicht ist. Denn sollte es an demselben Orte, wo es selbst ist, wirken, so würde das Ding, worauf es wirkt, gar nicht außer ihm seyn; denn dieses Außerhalb bedeutet die Gegenwart in einem Orte, darin das andere nicht ist. Wenn Erde und Mond einander auch berührten, so wäre doch der Punct der Berührung ein Ort, in dem weder die Erde noch der Mond ist; denn beide sind um die Summe ihrer Halbmesser von einander entfernt. Auch würde im Puncte der Berührung sogar kein Theil, weder der Erde, noch des Mondes, anzutreffen seyn, denn dieser Punct liegt in der Grenze beider erfüllten Räume, die keinen Theil, weder von dem einen noch dem anderen ausmacht. Daß also Materien in einander in der Entfernung nicht unmittelbar wirken können, würde so viel sagen, als, sie können in einander nicht unmittelbar wirken, ohne Vermittelung der Kräfte der Undurchdringlichkeit. Nun würde dieses eben so viel seyn, als ob ich sagte: die repulsiven Kräfte sind die einzigen, damit Materien wirksam seyn können, oder [62/63] sie sind wenigstens die nothwendigen Bedingungen, unter denen allein Materien auf einander wirken können, welches entweder die Anziehungskraft für ganz unmöglich oder doch immer von der Wirkung der repulsiven Kräfte abhängig erklären würde; beides sind aber Behauptungen ohne allen Grund. Die Verwechselung der mathematischen Berührung der Räume und der physischen durch zurücktreibende Kräfte, macht hier den Grund des Misverstandes aus. Sich unmittelbar außer der Berührung anziehen, heißt sich einander nach einem beständigen Gesetze nähern, ohne daß eine Kraft der Zurückstoßung dazu die Bedingung enthalte, welches doch eben so gut sich muß denken lassen, als einander unmittelbar zurückstoßen, d. i. sich einander nach einem beständigen Gesetze fliehen, ohne daß die Anziehungskraft daran irgend einigen Antheil habe. Denn beide bewegende Kräfte sind von ganz verschiedener Art, und es ist nicht der mindeste Grund dazu, eine von der anderen abhängig zu machen, und ihr ohne Vermittelung der andern, die Möglichkeit abzustreiten.

Anmerkung 2.



Aus der Anziehung in der Berührung kann gar keine Bewegung entspringen; denn die Berührung ist Wechselwirkung der Undurchdringlichkeit, welche also alle Bewegung abhält. Also muß doch irgend eine unmittelbare Anziehung außer der Berührung und mithin in der Entfernung angetroffen werden; denn sonst könnten selbst die drückenden und stoßenden Kräfte, welche die Bestrebung [63/64] zur Annäherung hervorbringen sollen, da sie in entgegengesetzter Richtung mit der repulsiven Kraft der Materie wirken, keine, wenigstens nicht in der Natur der Materie ursprünglich liegende, Ursache haben. Man kann diejenige Anziehung, die ohne Vermittelung der repulsiven Kräfte geschieht, die wahre Anziehung, diejenige, welche blos auf jene Art vor sich geht, die scheinbare nennen; denn eigentlich übt der Körper, dem ein anderer sich blos darum zu nähern bestrebt ist, weil dieser anderweitig durch Stoß zu ihm getrieben worden, gar keine Anziehungskraft auf diesen aus. Aber selbst diese scheinbare Anziehungen müssen doch zuletzt eine wahre zum Grunde haben, weil Materie, deren Druck oder Stoß statt Anziehung dienen soll, ohne anziehende Kräfte nicht einmal Materie seyn würde (Lehrsatz 5.) und folglich die Erklärungsart aller Phänomenen der Annäherung durch blos scheinbare Anziehung sich im Cirkel herumdreht. Man hält gemeiniglich dafür, Newton habe zu seinem System gar nicht nöthig gefunden, eine unmittelbare Attraction der Materien anzunehmen, sondern, mit der strengsten Enthaltsamkeit der reinen Mathematik, hierin den Physikern volle Freyheit gelassen, die Möglichkeit derselben zu erklären, wie sie es gut finden möchten, ohne seine Sätze mit ihrem Hypothesenspiel zu bemengen. Allein wie konnte er den Satz gründen, daß die allgemeine Anziehung der Körper, die sie in gleichen Entfernungen um sich ausüben, der Quantität ihrer Materie proportionirt sey, wenn er nicht an-[64/65]nahm, daß alle Materie, mithin blos als Materie und durch ihre wesentliche Eigenschaft, diese Bewegungskraft ausübe? Denn obgleich freylich zwischen zwey Körpern, sie mögen der Materie nach gleichartig seyn, oder nicht, wenn der eine den anderen zieht, die wechselseitige Annäherung (nach dem Gesetze der Gleichheit der Wechselwirkung) immer in umgekehrtem Verhältniß der Quantität der Materie geschehen muß, so macht dieses Gesetz doch nur ein Princip der Mechanik, aber nicht der Dynamik, d. i. es ist ein Gesetz der Bewegungen, die aus anziehenden Kräften folgen, nicht der Proportion der Anziehungskräfte selbst, und gilt von allen bewegenden Kräften überhaupt. Wenn daher ein Magnet einmal durch einen anderen gleichen Magnet, ein andermal durch eben denselben, der aber in einer zweymal schwereren hölzernen Büchse eingeschlossen wäre, gezogen wird, so wird dieser im letzteren Falle dem ersteren mehr relative Bewegung ertheilen, als im ersteren, obgleich das Holz, welches die Quantität der Materie des letzteren vermehrt, zur Anziehungskraft desselben gar nichts hinzuthut und keine magnetische Anziehung der Büchse beweiset. Newton sagt (Cor. 2. Prop. 6. Lib. III. Princip. Phil. N.) „wenn der Aether, oder irgend ein anderer Körper ohne Schwere wäre, so würde, da jener von jeder anderen Materie doch in nichts, als der Form, unterschieden ist, er nach und nach durch allmälige Veränderung dieser Form in eine Materie von der Art, wie die, so auf Erden die meiste [65/66] Schwere haben, verwandelt werden können, und diese letztere also umgekehrt durch allmälige Veränderung ihrer Form, alle ihre Schwere verlieren können, welches der Erfahrung zuwider ist etc." Er schloß also selbst nicht den Aether (wieviel weniger andere Materien) vom Gesetze der Anziehung aus. Was konnte ihm denn nun noch für eine Materie übrigbleiben, um durch deren Stoß die Annäherung der Körper zu einander als bloße scheinbare Anziehung anzusehen? Also kann man diesen großen Stifter der Attractionstheorie nicht als seinen Vorgänger anführen, wenn man sich die Freyheit nimmt, der wahren Anziehung, die dieser behauptete, eine scheinbare zu unterschieben, und die Nothwendigkeit des Antriebs durch den Stoß anzunehmen, um das Phänomen der Annäherung zu erklären. Er abstrahirte mit Recht von allen Hypothesen, die Frage wegen der Ursache der allgemeinen Attraction der Materie zu beantworten; denn diese Frage ist physisch, oder metaphysisch, nicht aber mathematisch, und ob er gleich in der Vorerinnerung zur zweyten Ausgabe seiner Optik sagt: ne quis gravitatem inter essentiales corporum proprietates me habere existimet, quaestionem unam de ejus causa investiganda subjeci, so merkt man wol, daß der Anstoß, den seine Zeitgenossen, und vielleicht er selbst, am Begriffe einer ursprünglichen Anziehung nahmen, ihn mit sich selbst uneinig machte: denn er konnte schlechterdings nicht sagen, daß sich die Anziehungskräfte zweyer Planeten, z. B. des Jupiters und [66/67] Saturns, die sie in gleichen Entfernungen ihrer Trabanten (deren Masse man nicht kennt) beweisen, wie die Quantität der Materie jener Weltkörper verhalten, wenn er nicht annahm, daß sie blos als Materie, mithin nach einer allgemeinen Eigenschaft derselben, andere Materie anzögen.

Erklärung 7.



Eine bewegende Kraft, dadurch Materien nur in der gemeinschaftlichen Fläche der Berührung unmittelbar auf einander wirken können, nenne ich eine Flächenkraft; diejenige aber, wodurch eine Materie auf die Theile der andern auch über die Fläche der Berührung hinaus unmittelbar wirken kann, eine durchdringende Kraft.

Zusatz.



Die Zurückstoßungskraft, vermittelst deren die Materie einen Raum erfüllt, ist eine bloße Flächenkraft. Denn die einander berührende Theile begrenzen einer den Wirkungsraum der anderen, und die repulsive Kraft kann keinen entferntern Theil bewegen, ohne vermittelst der dazwischen liegenden, und eine quer durch diese gehende unmittelbare Wirkung einer Materie auf eine andere durch Ausdehnungskräfte ist unmöglich. Dagegen einer Anziehungskraft, vermittelst deren eine Materie einen Raum einnimmt, ohne ihn zu erfüllen, dadurch sie also auf andere, entfernte [67/68] wirkt durch den leeren Raum, deren Wirkung setzt keine Materie, die dazwischen liegt, Grenzen. So muß nun die ursprüngliche Anziehung, welche die Materie selbst möglich macht, gedacht werden, und also ist sie eine durchdringende Kraft, und dadurch allein jederzeit der Quantität der Materie proportionirt.

Lehrsatz 8.



Die ursprüngliche Anziehungskraft, worauf selbst die Möglichkeit der Materie, als einer solchen beruht, erstreckt sich im Weltraume von jedem Theile derselben auf jeden andern unmittelbar ins Unendliche.

Beweis.



Weil die ursprüngliche Anziehungskraft zum Wesen der Materie gehört, so kommt sie auch jedem Theil derselben zu, nämlich unmittelbar auch in die Ferne zu wirken. Setzet nun: es sey eine Entfernung, über welche heraus sie sich nicht erstreckte, so würde diese Begrenzung der Sphäre ihrer Wirksamkeit entweder auf der innerhalb dieser Sphäre liegenden Materie, oder blos auf der Größe des Raumes, auf welchen sie diesen Einfluß verbreitet, beruhen. Das Erstere findet nicht statt; denn diese Anziehung ist eine durchdringende Kraft, und wirkt unmittelbar in der Entfernung, unerachtet aller dazwischen liegenden Materien, durch jeden Raum, als einen lee-[68/69]ren Raum. Das Zweyte findet gleichfalls nicht statt. Denn, weil eine jede Anziehung eine bewegende Kraft ist, die einen Grad hat, unter dem ins Unendliche noch immer kleinere gedacht werden können: so würde in der größeren Entfernung zwar ein Grund liegen, den Grad der Attraction, nach dem Maaße der Ausbreitung der Kraft, in umgekehrtem Verhältnisse zu vermindern, niemals aber sie völlig aufzuheben. Da nun also nichts ist, was die Sphäre der Wirksamkeit der ursprünglichen Anziehung jedes Theils der Materie irgendwo begrenzte, so erstreckt sie sich über alle anzugebende Grenzen auf jede andere Materie, mithin im Weltraume ins Unendliche.

Zusatz 1.



Aus dieser ursprünglichen Anziehungskraft, als einer durchdringenden, von aller Materie, mithin in Proportion der Quantität derselben, ausgeübten, und auf alle Materie, in alle mögliche Weiten, ihre Wirkung erstreckenden Kraft, müßte nun, in Verbindung mit der ihr entgegenwirkenden, nämlich zurücktreibenden Kraft, die Einschränkung der letzteren, mithin die Möglichkeit eines in einem bestimmten Grade erfülleten Raumes, abgeleitet werden können, und so würde der dynamische Begriff der Materie, als des Beweglichen, das seinen Raum (in bestimmtem Grade) erfüllt, construirt werden. Aber hiezu bedarf man eines Gesetzes des Verhältnisses, sowohl der ursprüng-[69/70]lichen Anziehung, als Zurückstoßung, in verschiedenen Entfernungen der Materie und ihrer Theile von einander, welches, da es nun lediglich auf dem Unterschiede der Richtung dieser beiden Kräfte (da ein Punct getrieben wird, sich entweder andern zu nähern, oder sich von ihnen zu entfernen) und auf der Größe des Raumes beruht, in den sich jede dieser Kräfte in verschiedenen Weiten verbreitet, eine reine mathematische Aufgabe ist, die nicht mehr für die Metaphysik gehört, selbst nicht was die Verantwortung betrift, wenn es etwa nicht gelingen sollte, den Begriff der Materie auf diese Art zu construiren. Denn sie verantwortet blos die Richtigkeit der unserer Vernunfterkenntnis vergönneten Elemente der Construction, die Unzulänglichkeit und die Schranken unserer Vernunft in der Ausführung verantwortet sie nicht.

Zusatz 2.



Da alle gegebene Materie mit einem bestimmten Grade der repulsiven Kraft ihren Raum erfüllen muß, um ein bestimmtes materielles Ding auszumachen, so kann nur eine ursprüngliche Anziehung im Conflict mit der ursprünglichen Zurückstoßung einen bestimmten Grad der Erfüllung des Raums, mithin Materie möglich machen; es mag nun seyn, daß der erstere von der eigenen Anziehung der Theile der zusammengedrückten Materie unter einander, oder von [70/71] der Vereinigung derselben mit der Anziehung aller Weltmaterie herrühre.
Die ursprüngliche Anziehung ist der Quantität der Materie proportional und erstreckt sich ins Unendliche. Also kann die dem Maaße nach bestimmte Erfüllung eines Raumes durch Materie am Ende nur von der ins Unendliche sich erstreckenden Anziehung derselben bewirkt, und jeder Materie nach dem Maaße ihrer Zurückstoßungskraft ertheilt werden.
Die Wirkung von der allgemeinen Anziehung, die alle Materie auf alle und in allen Entfernungen unmittelbar ausübt, heißt die Gravitation; die Bestrebung in der Richtung der größeren Gravitation sich zu bewegen ist die Schwere. Die Wirkung von der durchgängigen repulsiven Kraft der Theile jeder gegebenen Materie heißt dieser ihre ursprüngliche Elasticität. Diese also und die Schwere machen die einzigen a priori einzusehenden allgemeinen Charactere der Materie, jene innerlich, diese im äußeren Verhältnisse aus; denn auf den Gründen beider beruht die Möglichkeit der Materie selbst: Zusammenhang, wenn er als die wechselseitige Anziehung der Materie, die lediglich auf die Bedingung der Berührung eingeschränkt ist, erklärt wird, gehört nicht zur Möglichkeit der Materie überhaupt, und kann daher a priori als damit verbunden nicht erkannt werden. Diese Eigenschaft würde also nicht metaphysisch, sondern [71/72] physisch seyn, und daher nicht zu unsern gegenwärtigen Betrachtungen gehören.

Anmerkung 1.



Eine kleine Vorerinnerung zum Behufe des Versuchs einer solchen vielleicht möglichen Construction kann ich doch nicht unterlassen beyzufügen.
1) Von einer jeden Kraft, die in verschiedene Welten [Weiten] unmittelbar wirkt, und in Ansehung des Grades, womit sie auf einen jeden in gewisser Weite gegebenen Punct bewegende Kraft ausübet, nur durch die Größe des Raumes, in welchem sie sich ausbreiten muß, um auf jenen Punct zu wirken, eingeschränkt wird, kann man sagen: daß sie in allen Räumen, in die sie sich verbreitet, so klein oder so groß sie auch seyn mögen, immer ein gleiches Quantum ausmache, daß aber der Grad ihrer Wirkung auf jenen Punct in diesem Raume jederzeit im umgekehrten Verhältnis des Raumes stehe, in welchen sie sich hat verbreiten müssen, um auf ihn wirken zu können. So breitet sie z. B. von einem leuchtenden Punct das Licht allerwerts in Kugelflächen aus, die mit den Quadraten der Entfernung immer wachsen, und das Quantum der Erleuchtung ist in allen diesen ins Unendliche größeren Kugelflächen im Ganzen immer dasselbe, woraus aber folgt: daß ein in dieser Kugelfläche angenommener gleicher Theil dem Grade nach desto weniger erleuchtet seyn müsse, als jene Fläche der Verbreitung eben desselben Lichtquantum größer ist, und so bey allen anderen Kräften und Gesetzen, [72/73] nach welchen sie sich entweder in Flächen, oder auch körperlichen Raum verbreiten müssen, um ihrer Natur nach auf entfernte Gegenstände zu wirken. Es ist besser, die Verbreitung einer bewegenden Kraft aus einem Punct in alle Weiten so vorzustellen, als auf die gewöhnliche Art, wie es unter andern in der Optik geschieht, durch von einem Mittelpunct auseinander laufende Cirkelstrahlen. Denn da auf solche Art gezogene Linien niemals den Raum, durch den sie gehen, und also auch nicht die Fläche, auf die sie treffen, füllen können, so viel deren auch gezogen oder angelegt werden, welches die unvermeidliche Folge ihrer Divergenz ist, so geben sie nur zu beschwerlichen Folgerungen, diese aber zu Hypothesen Anlaß, die gar wohl vermieden werden könnten, wenn man blos die Größe der ganzen Kugelfläche in Betrachtung zöge, die von derselben Quantität Licht gleichförmig erleuchtet werden soll, und den Grad der Erleuchtung derselben in jeder Stelle, wie natürlich, in umgekehrtem Verhältnisse ihrer Größe zum Ganzen nimmt, und so bey aller anderen Verbreitung einer Kraft durch Räume von verschiedener Größe.
2) Wenn die Kraft eine unmittelbare Anziehung in der Ferne ist, so muß um desto mehr die Richtungslinie der Anziehung nicht, als ob sie von dem ziehenden Puncte wie Strahlen ausliefen, sondern so wie sie von allen Puncten der umgebenden Kugelfläche (deren Halbmesser jene gegebene Weite ist) zum ziehenden Punct zusammenlaufen, vorgestellt werden. Denn selbst die Richtungslinie der [73/74] Bewegung zum Puncte hin, der die Ursache und Ziel derselben ist, giebt schon den terminus a quo an, von wo die Linien anfangen müssen, nämlich von allen Puncten der Oberfläche, von dem sie zum ziehenden Mittelpuncte und nicht umgekehrt ihre Richtung haben: denn jene Größe der Fläche bestimmt allein die Menge der Linien, der Mittelpunct läßt sie unbestimmt. *)

*) Es ist unmöglich nach Linien, die sich strahlenweise aus einem Puncte ausbreiten, Flächen in gegebenen Entfernungen als mit der Wirkung derselben, sie sey Erleuchtung oder Anziehung, ganz erfüllt vorzustellen. So würde bey solchen auslaufenden Lichtstrahlen die geringere Erleuchtung einer entferneten Fläche blos darauf beruhen, daß zwischen den erleuchteten Stellen unerleuchtete, und diese desto größer, je weiter die Fläche entfernt, übrig bleiben. Eulers Hypothese vermeidet diese Unschicklichkeit, hat aber freylich desto mehr Schwierigkeit die geradlinigte Bewegung des Lichts begreiflich zu machen. Diese Schwierigkeit aber rührt von einer gar wohl vermeidlichen mathematischen Vorstellung der Lichtmaterie, als einer Anhäufung von Kügelchen her, die freylich, nach ihrer verschiedentlich schiefen Lage gegen die Richtung des Stoßes, Seitenbewegung des Lichts geben würde, da an dessen Statt nichts hindert, diese Materie als ein ursprünglich Flüssiges und zwar durch und durch, ohne in feste Körperchen zertheilt zu seyn, zu denken. Will der Mathematiker die Abnahme des Lichts bey zunehmender Entfernung anschaulich machen, so bedient er sich auslaufender Cirkelstrahlen, um auf der Kugelflä-[74/75]

3) Wenn die Kraft eine unmittelbare Zurückstoßung ist, dadurch ein Punct (in der blos mathematischen Darstellung) einen Raum dynamisch erfüllt, und es ist die Frage, nach welchem Gesetze der unendlich kleinen Entfernungen (die hier den Berührungen gleich gelten) eine ursprüngliche repulsive Kraft (deren Einschränkung folglich lediglich auf dem Raum beruht, in dem sie verbreitet worden) in verschiedenen Entfernungen wirke: so kann man noch weniger diese Kraft durch divergirende Zurückstoßungsstrahlen aus dem angenommenen repellirenden Pun-

[Fortsetzung der Anmerkung von Seite 74]che ihrer Verbreitung die Größe des Raumes, darin dieselbe Quantität des Lichts zwischen diesen Cirkelstrahlen gleichförmig verbreitet werden soll, mithin die Verringerung des Grades der Erleuchtung darzustellen; er will aber nicht, daß man diese Strahlen als die einzig erleuchtenden ansehen solle, gleich als ob immer lichtleere Plätze, die bey größerer Weite größer würden, zwischen ihnen anzutreffen wären. Will man jede solcher Flächen als durchaus erleuchtet sich vorstellen, so muß dieselbe Quantität der Erleuchtung, die die kleinere bedeckt, auf der größeren als gleichförmig gedacht werden, und müssen also, um die geradlinigte Richtung anzuzeigen, von der Fläche und allen ihren Puncten zu dem leuchtenden gerade Linien gezogen werden. Die Wirkung und ihre Größe muß vorher gedacht seyn und darauf die Ursache verzeichnet werden. Eben dieses gilt von den Anziehungsstrahlen, wenn man sie so nennen will, ja von allen Richtungen der Kräfte, die von einem Puncte aus, einen Raum, und wäre er auch ein körperlicher, erfüllen sollen. [75/76]

cte vorstellig machen, obgleich die Richtung der Bewegung ihn zum terminus a quo hat, weil der Raum, in welchem die Kraft verbreitet werden muß, um in der Entfernung zu wirken, ein körperlicher Raum ist, der als erfüllt gedacht werden soll (wovon die Art, wie nämlich ein Punct durch bewegende Kraft dieses, d. i. dynamisch, einen Raum körperlich erfüllen könne, freylich keiner weiteren mathematischen Darstellung fähig ist) und divergirende Strahlen aus einem Puncte die repellirende Kraft eines körperlichen erfülleten Raumes unmöglich vorstellig machen können: sondern man würde die Zurückstoßung, bey verschiedenen unendlich kleinen Entfernungen dieser einander treibenden Puncte, schlechterdings blos in umgekehrtem Verhältnisse der körperlichen Räume, die jeder dieser Puncte dynamisch erfüllt, mithin des Cubus der Entfernungen derselben von einander, schätzen, ohne sie construiren zu können.

4) Also würde die ursprüngliche Anziehung der Materie in umgekehrtem Verhältnis der Quadrate der Entfernung in alle Weiten, die ursprüngliche Zurückstoßung in umgekehrtem Verhältnis der Würfel der unendlich kleinen Entfernungen wirken, und durch eine solche Wirkung und Gegenwirkung beider Grundkräfte würde Materie von einem bestimmten Grade der Erfüllung ihres Raumes möglich seyn; weil, da die Zurückstoßung bey Annäherung der Theile in größerem Maaße wächst, als die Anziehung, die Grenze der Annäherung, über die durch gegebene Anzie-[76/77]hung keine größere möglich ist, mithin auch jener Grad der Zusammendrückung bestimmt ist, der das Maaß der intensiven Erfüllung des Raumes ausmacht.

Anmerkung 2.



Ich sehe wohl die Schwierigkeit dieser Erklärungsart, der Möglichkeit einer Materie überhaupt, die darin besteht, daß, wenn ein Punct durch repulsive Kraft unmittelbar keinen anderen treiben kann, ohne zugleich den ganzen körperlichen Raum bis zu der gegebenen Entfernung durch seine Kraft zu erfüllen, dieser alsdenn, wie zu folgen scheint, mehrere treibende Puncte enthalten müßte, welches der Voraussetzung widerspricht, und oben (Lehrsatz 4.) unter dem Namen einer Sphäre der Zurückstoßung des Einfachen im Raume, widerlegt waren. Es ist aber ein Unterschied zwischen dem Begriffe eines wirklichen Raumes, der gegeben werden kann, und der bloßen Idee von einem Raume, der lediglich zur Bestimmung des Verhältnisses gegebener Räume gedacht wird, in der That aber kein Raum ist, zu machen. In dem angeführten Falle einer vermeinten physischen Monadologie sollten es wirkliche Räume seyn, welche von einem Puncte dynamisch, nämlich durch Zurückstoßung, erfüllt wären; denn sie existirten, als Puncte, vor aller daraus möglichen Erzeugung der Materie, und bestimmten durch die ihnen eigene Sphäre ihrer Wirksamkeit den Theil des zu erfüllenden Raumes, der ihnen angehören könnte. Daher kann in gedachter Hypothese die Materie auch nicht als ins Un-[77/78]endliche theilbar und als Quantum continuum angesehen werden; denn die Theile, die unmittelbar einander zurückstoßen, haben doch eine bestimmte Entfernung von einander (die Summe der Halbmesser der Sphäre ihrer Zurückstoßung); dagegen, wenn wir, wie es wirklich geschieht, die Materie als stetige Größe denken, ganz und gar keine Entfernung der einander unmittelbar zurückstoßenden Theile stattfindet, folglich auch keine größer oder kleiner werdende Sphäre ihrer unmittelbaren Wirksamkeit. Nun können sich aber Materien ausdehnen, oder zusammengedrückt werden (wie die Luft), und da stellt man sich eine Entfernung ihrer nächsten Theile vor, die da wachsen und abnehmen können. Weil aber die nächsten Theile einer stetigen Materie einander berühren, sie mag nun weiter ausgedehnt oder zusammengedrückt seyn, so denkt man sich jene Entfernungen von einander als unendlich-klein, und diesen unendlich kleinen Raum als im größeren oder kleineren Grade von ihrer Zurückstoßungskraft erfüllt vor. Der unendlich kleine Zwischenraum ist aber von der Berührung gar nicht unterschieden, also nur die Idee vom Raume, die dazu dient, um die Erweiterung einer Materie, als stetiger Größe, anschaulich zu machen, ob sie zwar wirklich, so, gar nicht begriffen werden kann. Wenn es also heißt: die zurückstoßenden Kräfte der einander unmittelbar treibenden Theile der Materie stehen in umgekehrtem Verhältnisse der Würfel ihrer Entfernungen, so bedeutet das nur: sie stehen in umgekehrtem Verhältnisse der körperlichen Räu-[78/79]me, die man sich zwischen Theilen denkt, die einander dennoch unmittelbar berühren, und deren Entfernung eben darum unendlich klein genannt werden muß, damit sie von aller wirklichen Entfernung unterschieden werde. Man muß also aus den Schwierigkeiten der Construction eines Begriffs, oder vielmehr aus der Misdeutung derselben, keinen Einwurf wider den Begriff selber machen; denn sonst würde er die mathematische Darstellung der Proportion, mit welcher die Anziehung in verschiedenen Entfernungen geschieht, eben so wohl, als diejenigen, wodurch ein jeder Punct in einem sich ausdehnenden oder zusammengedrückten Ganzen von Materie den andern unmittelbar zurückstößt, treffen. Das allgemeine Gesetz der Dynamik würde in beiden Fällen dieses seyn: die Wirkung der bewegenden Kraft, die von einem Puncte auf jeden anderen außer ihm ausgeübt wird, verhält sich umgekehrt wie der Raum, in welchem dasselbe Quantum der bewegenden Kraft sich hat ausbreiten müssen, um auf diesen Punct unmittelbar in der bestimmten Entfernung zu wirken.
Aus dem Gesetze der ursprünglich einander zurückstoßenden Theile der Materie in umgekehrtem cubischen Verhältnisse ihrer unendlich kleinen Entfernungen müßte also nothwendig ein ganz anderes Gesetz der Ausdehnung und Zusammendrückung derselben, als das mariottische der Luft, folgen; denn dieses beweiset fliehende Kräfte ihrer nächsten Theile, die in umgekehrtem Verhältnisse ihrer Entfernungen stehen, wie Newton darthut (Princ. Ph. N. [79/80] Lib. II. Propos. 23. Schol.) Allein man kann die Ausspannungskraft der letzteren auch nicht als die Wirkung ursprünglich zurückstoßender Kräfte ansehen, sondern sie beruht auf der Wärme, die nicht blos als eine in sie eingedrungene Materie, sondern allem Ansehen nach durch ihre Erschütterungen die eigentlichen Lufttheile (denen man überdem wirkliche Entfernungen von einander zugestehen kann) nöthigt, einander zu fliehen. Daß aber diese Bebungen den einander nächsten Theile eine Fliehkraft, die in umgekehrtem Verhältnisse ihrer Entfernungen steht, ertheilen müssen, läßt sich nach den Gesetzen der Mittheilung der Bewegung durch Schwingung elastischer Materien wol begreiflich machen.
Noch erkläre ich, daß ich nicht wolle, daß gegenwärtige Exposition des Gesetzes einer ursprünglichen Zurückstoßung als zur Absicht meiner metaphysischen Behandlung der Materie nothwendig gehörig angesehen, noch die letztere (welcher es genug ist, die Erfüllung des Raums als dynamische Eigenschaft derselben dargestellt zu haben) mit den Streitigkeiten und Zweifeln, welche die erste treffen könnten, bemengt werde.

Allgemeiner Zusatz zur Dynamik.



Wenn wir nach allen Verhandlungen derselben zurücksehen, so werden wir bemerken: daß darin zuerst das Reelle im Raume, (sonst genannt das Solide) in der Erfüllung desselben durch Zurückstoßungskraft, [80/81] zweytens das, was in Ansehung des ersteren, als des eigentlichen Objects unserer äußeren Wahrnehmung, n e g a t i v ist, nämlich die Anziehungskraft, durch welche, so viel an ihr ist, aller Raum würde durchdrungen, mithin das Solide ganzlich aufgehoben werden, drittens die E i n s c h r ä n k u n g der ersteren Kraft durch die zweyte und die daher rührende Bestimmung des Grades einer Erfüllung des Raumes in Betrachtung gezogen, mithin die Qualität der Materie unter den Titeln der Realität, Negation und Limitation, so viel es einer metaphysischen Dynamik zukommt, vollständig abgehandelt worden.

Allgemeine Anmerkung



zur



Dynamik.



D as allgemeine Princip der Dynamik der materiellen Natur ist: daß alles Reale der Gegenstände äusserer Sinne, die das, was nicht blos Bestimmung des Raums (Ort, Ausdehnung und Figur) ist, als bewegende Kraft angesehen werden müsse; wodurch also das so genannte Solide oder die absolute Undurchdringlichkeit, als ein leerer Begriff, aus der Naturwissenschaft verwiesen und an ihrer Statt zurücktreibende Kraft gesetzt, dagegen aber die wahre und unmittelbare Anziehung gegen alle Vernünfteleyen ei-[81/82]ner sich selbst mißverstehenden Metaphysik vertheidigt, und, als Grundkraft, selbst zur Möglichkeit des Begriffs von Materie für nothwendig erklärt wird. Hieraus entspringt nun die Folge: daß der Raum, wenn man es nöthig finden sollte, auch ohne leere Zwischenräume innerhalb der Materie auszustreuen, allenfalls durchgängig und gleichwol in verschiedenem Grade erfüllt angenommen werden könne. Denn es kann nach dem ursprünglich verschiedenen Grade der repulsiven Kräfte, auf denen die erste Eigenschaft der Materie, nämlich die, einen Raum zu erfüllen, beruht, ihr Verhältniß zur ursprünglichen Anziehung (es sey einer jeden Materie für sich selbst, oder zur vereinigten Anziehung aller Materie des Universum) unendlich verschieden gedacht werden; weil die Anziehung auf der Menge der Materie in einem gegebenen Raume beruht, da hingegen die expansive Kraft derselben auf dem Grade ihn zu erfüllen, der specifisch sehr unterschieden seyn kann; (wie etwa dieselbe Quantität Luft in demselben Volumen nach ihrer größeren oder minderen Erwägung mehr oder weniger Elasticität beweiset) wovon der allgemeine Grund dieser ist: daß durch wahre Anziehung alle Theile der Materie unmittelbar auf alle Theile der andern, durch expansive Kraft aber nur die in der Berührungsfläche wirken, wobey es einerley ist, ob hinter dieser viel oder wenig von dieser Materie angetroffen werde. Hieraus allein entspringt nun schon ein großer Vortheil für die Naturwissenschaft, weil ihr dadurch die Last abgenommen [82/83] wird, aus dem Vollen und Leeren eine Welt blos nach der Phantasie zu zimmern, vielmehr alle Räume voll und doch in verschiednem Maaße erfüllt gedacht werden können, wodurch der leere Raum wenigstens seine Nothwendigkeit verliert und auf den Werth einer Hypothese zurückgesetzt wird, da er sonst, unter dem Vorwande einer zu Erklärung der verschiedentlichen Grade der Erfüllung des Raums nothwendigen Bedingung, sich des Titels eines Grundsatzes anmaaßen konnte.
Bey allem diesem ist der Vortheil einer hier methodisch-gebrauchten Metaphysik, in Abstellung gleichfalls metaphysischer, aber nicht auf die Probe der Critik gebrachter Principien, augenscheinlich nur negativ. Indirect wird gleichwohl dadurch dem Naturforscher sein Feld erweitert; weil die Bedingungen, durch die er es vorher selbst einschränkte, und wodurch alle ursprüngliche Bewegungskräfte wegphilosophirt wurden, jetzt ihre Gültigkeit verlieren. Man hüte sich aber über das, was den allgemeinen Begriff einer Materie überhaupt möglich macht, hinaus zu gehen, und die besondere oder so gar specifische Bestimmung und Verschiedenheit derselben a priori erklären zu wollen. Der Begriff der Materie wird auf lauter bewegende Kräfte zurückgeführt, welches man auch nicht anders erwarten konnte, weil im Raume keine Thätigkeit, keine Veränderung, als blos Bewegung gedacht werden kann. Allein wer will die Möglichkeit der Grundkräfte einsehen? sie können nur angenommen werden, wenn sie [83/84] zu einem Begriff, von dem es erweislich ist, daß er ein Grundbegriff sey, der von keinem anderen weiter abgeleitet werden kann (wie der der Erfüllung des Raums), unvermeidlich gehören, und dieses sind Zurückstoßungs- und ihnen entgegenwirkende Anziehungskräfte überhaupt. Von dieser ihren Verknüpfung und Folgen können wir allenfalls noch wol a priori urtheilen, welche Verhältnisse derselben untereinander man sich, ohne sich selbst zu widersprechen, denken könne, aber sich darum doch nicht anmaaßen, eine derselben als wirklich anzunehmen, weil zur Befugnis eine Hypothese zu errichten unnachlaßlich gefodert wird: daß die Möglichkeit dessen, was man annimmt, völlig gewiß sey, bey Grundkräften aber die Möglichkeit derselben niemals eingesehen werden kann. Und hierin hat die mathematisch-mechanische Erklärungsart über die metaphysisch-dynamische einen Vortheil, der ihr nicht abgewonnen werden kann, nämlich aus einem durchgehends gleichartigen Stoffe, durch die mannigfaltige Gestalt der Theile, vermittelst eingestreuter leerer Zwischenräume, eine große specifische Mannigfaltigkeit der Materien, so wohl ihrer Dichtigkeit, als Wirkungsart nach, (wenn fremde Kräfte hinzukommen) zu Stande zu bringen. Denn die Möglichkeit der Gestalten sowohl als der leeren Zwischenräume läßt sich mit mathematischer Evidenz darthun; dagegen, wenn der Stoff selbst in Grundkräfte verwandelt wird (deren Gesetze a priori zu bestimmen, noch weniger aber eine Mannigfaltigkeit derselben, welche zu Erklärung der speci-[84/85]fischen Verschiedenheit der Materie zureichte, zuverlässig anzugeben, wir nicht im Stande sind), uns alle Mittel abgehen, diesen Begriff der Materie zu construiren, und, was wir allgemein dachten, in der Anschauung als möglich darzustellen. Aber jenen Vortheil büßet dagegen eine blos mathematische Physik auf der anderen Seite doppelt ein, indem sie erstlich einen leeren Begriff (der absoluten Undurchdringlichkeit) zum Grunde legen, zweytens alle der Materie eigene Kräfte aufgeben muß, und überdem noch mit ihren ursprünglichen Configurationen des Grundstoffs und Einstreuung der leeren Räume, nachdem es das Bedürfnis zu Erklären erfodert, der Einbildungskraft im Felde der Philosophie mehr Freyheit, ja gar rechtmäßigen Anspruch verstatten muß, als sich wol mit der Behutsamkeit der letzteren zusammen reimen läßt.
Statt einer hinreichenden Erklärung der Möglichkeit der Materie und ihrer specifischen Verschiedenheit aus jenen Grundkräften, die ich nicht zu leisten vermag, will ich die Momente, worauf ihre specifische Verschiedenheit sich insgesamt a priori bringen (obgleich nicht eben so ihrer Möglichkeit nach begreifen) lassen muß, wie ich hoffe, vollständig darstellen. Die zwischen die Definitionen geschobene Anmerkungen werden die Anwendung derselben erläutern.
1. Ein K ö r p e r, in physischer Bedeutung, ist eine Materie zwischen bestimmten Grenzen (die also eine Figur hat). Der Raum zwischen diesen Grenzen, [85/86] seiner Größe nach betrachtet, ist der R a u m e s i n h a l t (volumen). Der Grad der Erfüllung eines Raumes von bestimmtem Inhalt heißt D i c h t i g k e i t. Sonst wird der Ausdruck dicht auch absolut gebraucht, für das, was nicht hohl (blasigt, löchericht) ist. In dieser Bedeutung giebt es eine absolute Dichtigkeit in dem System der absoluten Undurchdringlichkeit, und zwar, wenn eine Materie gar keine leere Zwischenräume enthält. Nach diesem Begriffe von Erfüllung des Raumes stellt man Vergleichungen an, und nennt eine Materie dichter als die andere, die weniger Leeres in sich enthält, bis endlich die, in der kein Theil des Raumes leer ist, vollkommen dicht heißt. Des letzteren Ausdrucks kann man sich nur nach dem blos mathematischen Begriffe der Materie bedienen, allein im dynamischen System einer blos relativen Undurchdringlichkeit giebt es kein Maximum oder Minimum der Dichtigkeit, und gleichwol kann jede noch so dünne Materie doch völlig dicht heißen, wenn sie ihren Raum ganz erfüllt, ohne leere Zwischenräume zu enthalten, mithin ein Continuum, nicht ein Interruptum ist; allein sie ist doch in Vergleichung mit einer andern weniger dicht, in dynamischer Bedeutung, wenn sie ihren Raum zwar ganz, aber nicht in gleichem Grade erfüllt. Allein auch in dem letzteren System ist es unschicklich, sich ein Verhältnis der Materien ihrer Dichtigkeit nach zu denken, wenn man sie sich nicht untereinander als specifisch gleichartig vorstellt, so daß eine aus der andern durch bloße Zusammendrückung erzeugt werden kann. Da nun das letztere nicht eben nothwendig [86/87] zur Natur aller Materie an sich erforderlich zu seyn scheint, so kann zwischen ungleichartigen Materien keine Vergleichung in Ansehung ihrer Dichtigkeit füglich stattfinden, z. B. zwischen Wasser und Quecksilber, obzwar es im Gebrauche ist.
2. Anziehung, so fern sie blos als in der Berührung wirksam gedacht wird, heißt Z u s a m m e n h a n g (Zwar thut man durch sehr gute Versuche dar, daß dieselbe Kraft, die in der Berührung Zusammenhang heißt, auch in sehr kleiner Entfernung wirksam befunden werde; allein die Anziehung heißt doch nur Zusammenhang, so fern ich sie blos in der Berührung denke, der gemeinen Erfahrung gemäß, bey welcher sie in kleinen Entfernungen kaum wahrgenommen wird. Zusammenhang wird gemeinhin für eine ganz allgemeine Eigenschaft der Materie angenommen, nicht als ob man zu ihr schon durch den Begriff einer Materie geleitet würde, sondern weil die Erfahrung sie allerwerts darthut. Allein diese Allgemeinheit muß nicht collectiv verstanden werden, als ob jede Materie durch diese Art der Anziehung auf jede andere im Weltraume zugleich wirkte, - dergleichen die der Gravitation ist - sondern blos disjunctiv, nämlich auf eine oder die andere, von welcher Art Materien sie auch seyn mag, die mit ihr in Berührung kommt. Um deswillen, und da diese Anziehung, wie es verschiedene Beweisgründe darthun können, nicht durchdringend, sondern nur Flächenkraft ist, da sie selbst als solche nicht einmal allerwerts nach der Dich-[87/88]tigkeit sich richtet, da zur völligen Stärke des Zusammenhanges ein vorhergehender Zustand der Flüssigkeit der Materien und der nachmaligen Erstarrung derselben erfoderlich ist und die allergenauste Berührung gebrochener fester Materien in eben denselben Flächen, mit denen sie vorher so stark zusammenhingen, z. B. eines Spiegelglases, wo es einen Riß hat, dennoch bey weitem den Grad der Anziehung nicht mehr verstattet, den es von seiner Erstarrung nach dem Flusse her hatte, so halte ich diese Attraction in der Berührung für keine Grundkraft der Materie, sondern eine nur abgeleitete; wovon weiter unten ein Mehreres). Eine Materie, deren Theile, unerachtet ihres noch so starken Zusammenhanges unter einander, dennoch von jeder noch so kleinen bewegenden Kraft an einander können verschoben werden, ist f l ü s s i g. Theile einer Materie werden aber an einander v e r s c h o b e n, wenn sie ohne das Quantum der Berührung zu vermindern, nur genöthigt werden, diese unter einander zu verwechseln. Theile, mithin auch Materien, werden g e t r e n n t, wenn die Berührung nicht blos mit andern verwechselt, sondern aufgehoben, oder ihr Quantum vermindert wird. Ein f e s t e r  - besser ein s t a r r e r  - Körper (corpus rigidum) ist der, dessen Theile nicht durch jede Kraft an einander verschoben werden können - die folglich mit einem gewissen Grade von Kraft dem Verschieben widerstehen - Das Hindernis des Verschiebens der Ma-[88/89]terien an einander ist die R e i b u n g. Der Widerstand gegen die Trennung sich berührender Materien ist der Zusammenhang. Flüssige Materien erleiden also in ihrer Theilung keine Reibung, sondern, wo diese angetroffen wird, werden die Materien als starr - in grösserem oder minderem Grade, deren der letzte Klebrigkeit (viscositas) heißt, wenigstens ihren kleineren Theilen nach, angenommen. Der starre Körper ist s p r ö d e, wenn seine Theile nicht können an einander verschoben werden, ohne zu reißen - mithin wenn der Zusammenhang derselben nicht kann verändert, ohne zugleich aufgehoben zu werden. (Man setzt sehr unrichtig den Unterschied der flüssigen und festen Materien in dem verschiedenen Grade des Zusammenhanges ihrer Theile. Denn, um eine Materie flüssig zu nennen, kommt es nicht auf den Grad des Widerstandes an, den sie dem Zerreißen, sondern nur dem Vorschieben ihrer Theile an einander entgegensetzt. Jener kann so groß seyn, als man will, so ist dieser doch jederzeit in einer flüssigen Materie = 0. Man betrachte einen Tropfen Wasser. Wenn ein Theilchen innerhalb demselben durch eine noch so große Attraction der Nebentheile, die es berühren, nach der einen Seite gezogen wird, so wird eben dasselbe doch auch gerade eben so viel nach der entgegengesetzten gezogen, und, da die Attractionen beiderseitig ihre Wirkungen aufheben, ist das Partikelchen eben so leicht beweglich, als ob es im leeren Raume sich befände, nämlich die Kraft, die es bewegen soll, hat keinen Zusammen-[89/90]hang zu überwinden, sondern nur die sogenannte Trägheit, die sie bey aller Materie, wenn sie gleich gar nicht womit zusammenhinge, überwinden müßte. Daher wird ein kleines mikroscopisches Thierchen sich so leicht darin bewegen, als ob gar kein Zusammenhang zu trennen wäre. Denn es hat wirklich keinen Zusammenhang des Wassers aufzuheben und die Berührung desselben unter sich zu vermindern, sondern nur zu verändern. Denket euch aber eben dieses Thierchen, als ob es sich durch die äussere Oberfläche des Tropfens durcharbeiten wollte, so ist erstlich zu merken, daß die wechselseitige Anziehung der Theile dieses Wasserklümpchens es macht, daß sie sich so lange bewegen, bis sie in die größte Berührung untereinander, mithin in die kleinste Berührung mit dem leeren Raum gekommen sind, d. i. eine Kugelgestalt gebildet haben. Wenn nun das genannte Insect sich über die Oberfläche des Tropfens hinaus zu arbeiten bestrebt ist, so muß es die Kugelgestalt verändern, folglich mehr Berührung des Wassers mit dem leeren Raum und also auch weniger Berührung der Theile desselben untereinander bewirken, d. i. ihren Zusammenhang vermindern, und da widersteht ihm das Wasser allererst durch seinen Zusammenhang, aber nicht innerhalb dem Tropfen, wo die Berührung der Theile untereinander gar nicht vermindert, sondern nur in die Berührung mit andern Theilen verändert wird, mithin diese nicht im mindesten getrennt, sondern nur verschoben worden. Auch kann man auf das mikroscopische Thierchen und zwar aus ähnli-[90/91]chen Gründen anwenden, was Newton vom Lichtstrahl sagt, daß er nicht durch die dichte Materie, sondern nur durch den leeren Raum zurückgeschlagen werde. Es ist also klar: daß die Vergrösserung des Zusammenhanges der Theile einer Materie ihrer Flüssigkeit nicht den mindesten Abbruch thue. Wasser hängt in seinen Theilen weit stärker zusammen, als man gemeiniglich glaubt, wenn man sich auf den Versuch einer von der Oberfläche des Wassers losgerissenen metallenen Platte verläßt, welcher nichts entscheidet, weil hier das Wasser nicht in der ganzen Fläche der ersten Berührung, sondern in einer viel kleineren reißt, zu welcher es nämlich durch das Verschieben seiner Theile endlich gelangt ist, wie etwa ein Stab von weichem Wachse sich durch ein angehängt Gewicht erstlich dünner ziehen läßt, und alsdenn in einer weit kleineren Fläche reißen muß, als man anfänglich annahm. Was aber in Ansehung unsers Begriffs der Flüssigkeit ganz entscheidend ist; ist dieses: daß flüssige Materien auch als solche erklärt werden können, deren jeder Punct nach allen Directionen mit eben derselben Kraft sich zu bewegen trachtet, mit welcher er nach irgend einer gedrückt wird; eine Eigenschaft, auf der das erste Gesetz der Hydrodynamik beruht, die aber einer Anhäufung von glatten und dabey festen Körperchen, wie eine ganz leichte Auflösung ihres Drucks nach Gesetzen der zusammengesetzten Bewegung zeigen kann, niemals beigelegt werden kann, und dadurch die Originalität der Eigenschaft der Flüssigkeit [91/92] beweiset. Würde nun die flüssige Materie das mindeste Hindernis des Verschiebens, mithin auch nur die kleinste Reibung erleiden, so würde diese mit der Stärke des Druckes, womit die Theile derselben an einander gepreßt werden, wachsen und endlich ein Druck stattfinden, bey welchem die Theile dieser Materie sich nicht an einander durch jede kleine Kraft verschieben lassen; z. B. in einer gebogenen Röhre von zwey Schenkeln, deren der eine so weit seyn mag, als man will, der andere so enge als man will, außer daß er nur nicht ein Haarröhrchen ist - würde, wenn man beide Schenkel einige hundert Fuß hoch denkt, die flüssige Materie in der engen eben so hoch stehen als in der weiten, nach Gesetzen der Hydrostatik. Weil aber der Druck auf den Boden der Röhren und also auch auf den Theil, der beide in Gemeinschaft stehende Röhren verbindet, in Proportion der Höhen ins Unendliche immer grösser gedacht werden kann, so müßte, wenn die mindeste Reibung zwischen den Theilen des Flüssigen stattfände, eine Höhe der Röhren gefunden werden können, bey der eine kleine Quantität Wasser, in die engere Röhre gegossen, das in der weiteren nicht aus seiner Lage verrücken, mithin die Wasserseule in dieser höher zu stehen kommen würde, als in jener, weil sich die unteren Theile, bey so großem Drucke derselben gegen einander, nicht mehr durch so kleine bewegende Kraft, als das zugesetzte Gewicht Wasser ist, verschieben ließen, welches der Erfahrung und selbst dem Begriffe des Flüssigen zuwider ist. Eben das-[92/93]selbe gilt, wenn man statt des Drucks durch die Schwere den Zusammenhang der Theile setzt, er mag so groß seyn wie er will. Die angeführte zweyte Definition der Flüssigkeit, worauf das Grundgesetz der Hydrostatik beruht, nämlich daß sie die Eigenschaft einer Materie sey, da ein jeder Theil derselben sich nach allen Seiten mit eben derselben Kraft zu bewegen bestrebt ist, womit er in einer gegebenen Direction gedrückt wird, folgt aus der ersten Definition, wenn man damit den Grundsatz der allgemeinen Dynamik verbindet, daß alle Materie ursprünglich elastisch sey, da denn diese nach jeder Seite des Raums, darin sie zusammengedrückt ist, mit derselben Kraft sich zu erweitern, d. i. (wenn die Theile einer Materie sich an einander durch jede Kraft ohne Hindernis verschieben lassen, wie es bey der flüssigen so wirklich ist,) sich zu bewegen bestrebt seyn muß, womit der Druck in einer jeden Richtung, welche es auch sey, geschiehet. Also sind es eigentlich nur die starren Materien, (deren Möglichkeit noch außer dem Zusammenhange der Theile eines anderen Erklärungsgrundes bedarf) denen man Reibung beylegen darf, und die Reibung setzt schon die Eigenschaft der Rigidität voraus. Warum aber gewisse Materien, ob sie gleich vielleicht nicht grössere, vielleicht wol gar kleinere Kraft des Zusammenhanges haben, als andere flüssige, dennoch dem Verschieben der Theile so mächtig widerstehen, und daher nicht anders, als durch Aufhebung des Zusammenhanges aller Theile in einer gegebenen Fläche zugleich, sich trennen lassen, welches denn den [93/94] Schein eines vorzüglichen Zusammenhanges giebt, wie also starre Körper möglich seyn, das ist immer noch ein unaufgelösetes Problem, so leicht als auch die gemeine Naturlehre damit fertig zu werden glaubt.
3. E l a s t i c i t ä t (Springkraft) ist das Vermögen einer Materie, ihre durch eine andere bewegende Kraft veränderte Größe oder Gestalt, bey Nachlassung derselben wiederum anzunehmen. Sie ist entweder expansive, oder attractive Elasticität; jene, um nach der Zusammendrückung das vorige grössere, diese, um nach der Ausdehnung das vorige kleinere Volumen anzunehmen. (Die attractive Elasticität ist, wie es schon der Ausdruck zeigt, offenbar abgeleitet. Ein eiserner Drath, durch angehängte Gewichte gedehnt, springt, wenn man das Band abschneidet, in sein Volumen zurück. Vermöge derselben Attraction, die die Ursache seines Zusammenhanges ist, oder bey flüssigen Materien, wenn die Wärme dem Quecksilber plötzlich entzogen würde, würde die Materie desselben eilen, um das vorige kleinere Volumen wieder anzunehmen. Die Elasticität, die blos in Herstellung der vorigen Figur besteht, ist jederzeit attractiv, wie an einer gebogenen Degenklinge, da die Theile, auf der convexen Fläche auseinander gezerrt, ihre vorige Nahheit anzunehmen trachten, und so kann auch ein kleiner Tropfen Quecksilber elastisch genannt werden. Aber die expansive Elasticität kann eine ursprüngliche, sie kann aber auch eine abgeleitete seyn. So hat die Luft eine abgeleitete Elasticität, vermit-[94/95]telst der Materie der Wärme, welche mit ihr innigst vereinigt ist, und deren Elasticität vielleicht ursprünglich ist. Dagegen muß der Grundstoff des Flüssigen, welches wir Luft nennen, dennoch als Materie überhaupt schon an sich Elasticität haben, welche ursprünglich heißt. Von welcher Art eine wahrgenommene Elasticität sey, ist in vorkommenden Fällen nicht möglich mit Gewißheit zu entscheiden.)
4. Die Wirkung bewegter Körper auf einander durch Mittheilung ihrer Bewegung heißt mechanisch; die der Materien aber, so fern sie auch in Ruhe durch eigene Kräfte wechselseitig die Verbindung ihrer Theile verändern, heißt chemisch. Dieser chemische Einfluß heißt A u f l ö s u n g, so fern er die Trennung der Theile einer Materie zur Wirkung hat (die mechanische Theilung, z. B. durch einen Keil, der zwischen die Theile einer Materie getrieben wird, ist also, weil der Keil nicht durch eigene Kraft wirkt, von einer chemischen gänzlich unterschieden): derjenige aber, der die Absonderung zweyer durch einander aufgelöseten Materien zur Wirkung hat, ist die S c h e i d u n g. Die Auflösung specifisch verschiedener Materien durch einander, darinn kein Theil der einen angetroffen wird, der nicht mit einem Theil der andern von ihr specifisch unterschiedenen in derselben Proportion, wie die Ganzen, vereinigt wäre, ist die absolute Auflösung, und kann auch die chemische Durchdringung genannt werden. (Ob die auflösenden Kräfte, die [95/96] in der Natur wirklich anzutreffen sind, eine vollständige Auflösung zu bewirken vermögen, mag unausgemacht bleiben. Hier ist nur die Frage davon, ob sich eine solche nur denken lasse. Nun ist offenbar, daß, so lange die Theile einer aufgelöseten Materie noch Klümpchen (moleculae) sind, nicht minder eine Auflösung derselben möglich sey, als die der grösseren, ja daß diese wirklich so lange fortgehen müsse, wenn die auflösende Kraft bleibt, bis kein Theil mehr da ist, der nicht aus dem Auflösungsmittel und der aufzulösenden Materie, in der Proportion, darin beide zu einander im Ganzen stehen, zusammengesetzt wäre. Weil also in solchem Falle kein Theil von dem Volumen der Auflösung seyn kann, der nicht einen Theil des auflösenden Mittels enthielte, so muß dieses, als ein Continuum, das Volumen ganz erfüllen. Eben so, weil kein Theil eben desselben Volumens der Solution seyn kann, der nicht einen proportionirlichen Theil der aufgelöseten Materie enthielte, so muß diese auch als ein Continuum den ganzen Raum, der das Volumen der Mischung ausmacht, erfüllen. Wenn aber zwey Materien, und zwar jede derselben ganz, einen und denselben Raum erfüllen, so durchdringen sie einander. Also würde eine vollkommene chemische Auflösung eine Durchdringung der Materien seyn, welche dennoch von der mechanischen gänzlich unterschieden wäre, indem bey der letzten gedacht wird, daß bey der größern Annäherung bewegter Materien die repulsive Kraft der einen die der andern gänzlich überwiegen, und [96/97] eine, oder beide ihre Ausdehnung auf nichts bringen können; da hingegen hier die Ausdehnung bleibt, nur daß die Materien nicht außer einander, sondern in einander d. i. durch Intussusception (wie man es zu nennen pflegt,) zusammen einen der Summe ihrer Dichtigkeit gemäßen Raum einnehmen. Gegen die Möglichkeit dieser vollkommenen Auflösung und also der chemischen Durchdringung ist schwerlich etwas einzuwenden, obgleich sie eine vollendete Theilung ins Unendliche enthält, die in diesem Falle doch keinen Widerspruch in sich faßt, weil die Auflösung eine Zeit hindurch continuirlich, mithin gleichfalls durch eine unendliche Reihe Augenblicke mit Acceleration geschieht, überdem durch die Theilung die Summe der Oberflächen der noch zu theilenden Materien wachsen, und, da die auflösende Kraft continuirlich wirkt, die gänzliche Auflösung in einer anzugebenden Zeit vollendet werden kann. Die Unbegreiflichkeit einer solchen chemischen Durchdringung zweyer Materien ist auf Rechnung der Unbegreiflichkeit der Theilbarkeit eines jeden Continuum überhaupt ins Unendliche zu schreiben. Geht man von dieser vollständigen Auflösung ab, so muß man annehmen, sie ginge nur bis zu gewissen kleinen Klumpen der aufzulösenden Materie, die in dem Auflösungsmittel in gesetzten Weiten von einander schwimmen, ohne daß man den mindesten Grund angeben kann, warum diese Klümpchen, da sie doch immer theilbare Materien sind, nicht gleichfalls aufgelöset werden. Denn, daß das Auflösungsmittel nicht weiter wir-[97/98]ke, mag immer in der Natur, so weit Erfahrung reicht, seine gute Richtigkeit haben; es ist hier aber nur die Rede von der Möglichkeit einer auflösenden Kraft, die auch dieses Klümpchen und so ferner jedes andere, was noch übrig bleibt, auflöse, bis die Solution vollendet ist. Das Volumen, was die Auflösung einnimmt, kann der Summe der Räume, die die einander auflösende Materien vor der Mischung einnahmen, gleich, oder kleiner, oder auch größer seyn, nachdem die anziehenden Kräfte gegen die Zurückstoßungen in Verhältnis stehen. Sie machen in der Auflösung jede für sich und beide vereinigt ein elastisches Medium aus. Dieses kann auch allein einen hinreichenden Grund angeben, warum die aufgelösete Materie sich durch ihre Schwere nicht wiederum vom auflösenden Mittel scheide. Denn die Anziehung des letzteren, da sie nach allen Seiten gleich stark geschieht, hebt ihren Widerstand selbst auf, und eine gewisse Klebrigkeit im Flüssigen anzunehmen, stimmt auch gar nicht mit der großen Kraft, die dergleichen aufgelösete Materien, z. B. die Säuren mit Wasser verdünnt, auf metallische Körper ausüben, an die sie sich nicht blos anlegen, wie es Geschehen müßte, wenn sie blos in ihrem Medium schwömmen, sondern die sie mit großer Anziehungskraft von einander trennen, und im ganzen Raume des Vehikels verbreiten. Gesetzt auch, daß die Kunst keine chemische Auflösungskräfte dieser Art, die eine vollständige Auflösung bewirkten, in ihrer Gewalt hätte, so könnte doch vielleicht die Natur sie in ihren vege-[98/99]tabilischen und animalischen Operationen beweisen, und dadurch vielleicht Materien erzeugen, die, ob sie zwar gemischt sind, doch keine Kunst wiederum scheiden kann. Diese chemische Durchdringung könnte auch selbst da angetroffen werden, wo die eine beider Materien durch die andere eben nicht zertrennt und im buchstäblichen Sinne aufgelöset wird, so wie etwa der Wärmestoff die Körper durchdringt, da, wenn er sich nur in leere Zwischenräume derselben vertheilete, die feste Substanz selbst kalt bleiben würde, weil diese nichts von ihr einnehmen könnte. Imgleichen könnte man sich sogar einen scheinbarlich freyen Durchgang gewisser Materien durch andere auf solche Weise denken, z. B. der magnetischen Materie, ohne ihr dazu offene Gänge und leere Zwischenräume in allen selbst den dichtesten Materien vorzubereiten. Doch es ist hier nicht der Ort, Hypothesen zu besonderen Erscheinungen, sondern nur das Princip, wornach sie alle zu beurtheilen sind, ausfindig zu machen. Alles was uns des Bedürfnis überhebt, zu leeren Räumen unsere Zuflucht zu nehmen, ist wirklicher Gewinn für die Naturwissenschaft. Denn diese geben gar zu viel Freyheit der Einbildungskraft, den Mangel der inneren Naturkenntnis durch Erdichtung zu ersetzen. Das absolut Leere und das absolut Dichte sind in der Naturlehre ohngefehr das, was der blinde Zufall und das blinde Schicksal in der metaphysischen Weltwissenschaft sind, nämlich ein Schlagbaum für die herrschende Vernunft, damit entweder Erdichtung ihre Stelle einnehme, oder sie [99/100] auf dem Polster dunkler Qualitäten zur Ruhe gebracht werde.
Was nun aber das Verfahren in der Naturwissenschaft in Ansehung der vornehmsten aller ihrer Aufgaben, nämlich der Erklärung einer ins Unendliche möglichen specifischen Verschiedenheit der Materien betrift, so kann man dabey nur zwey Wege einschlagen: den mechanischen, durch die Verbindung des Absolutvollen mit dem Absolutleeren, oder einen ihm entgegengesetzten dynamischen Weg, durch die bloße Verschiedenheit in der Verbindung der ursprünglichen Kräfte der Zurückstoßung und Anziehung alle Verschiedenheiten der Materien zu erklären. Der erste hat zu Materialien seiner Ableitung die Atomen und das Leere. Ein Atom ist ein kleiner Theil der Materie, der physisch untheilbar ist. Physisch untheilbar ist eine Materie, deren Theile mit einer Kraft zusammenhängen, die durch keine in der Natur befindliche bewegende Kraft überwältigt werden kann. Ein Atom, so fern er sich durch seine Figur von andern specifisch unterscheidet, heißt ein erstes Körperchen. Ein Körper (oder Körperchen), dessen bewegende Kraft von seiner Figur abhängt, heißt Maschine. Die Erklärungsart der specifischen Verschiedenheit der Materien durch die Beschaffenheit und Zusammensetzung ihrer kleinsten Theile, als Maschinen, ist die mechanische Naturphilosophie: diejenige aber, welche aus Materien, nicht als Maschinen, d. i. bloßen Werkzeugen äußerer bewegenden Kräfte, sondern [100/101] ihnen ursprünglich eigenen bewegenden Kräften der Anziehung und Zurückstoßung die specifische Verschiedenheit der Materie ableitet, kann die dynamische Naturphilosophie genannt werden. (Die mechanische Erklärungsart, da sie der Mathematik am fugsamsten ist, hat unter dem Namen der Atomistik oder Corpuscularphilosophie mit weniger Abänderung vom alten Demokrit an bis auf Cartesen und selbst bis zu unseren Zeiten immer ihr Ansehen und Einfluß auf die Principien der Naturwissenschaft erhalten. Das Wesentliche derselben besteht in der Voraussetzung der absoluten Undurchdringlichkeit der primitiven Materie, in der absoluten Gleichartigkeit dieses Stoffs und dem allein übrig gelassenen Unterschiede in der Gestalt, und in der absoluten Unüberwindlichkeit des Zusammenhanges der Materie in diesen Grundkörperchen selbst. Dies waren die Materialien zu Erzeugung der specifisch verschiedenen Materien, um nicht allein zu der Unveränderlichkeit der Gattungen und Arten einen unveränderlichen und gleichwol verschiedentlich gestalteten Grundstoff bey Hand zu haben, sondern auch aus der Gestalt dieser ersten Theile, als Maschinen, (denen nichts weiter, als eine äußerlich eingedrückte Kraft fehlte) die mancherley Naturwirkungen mechanisch zu erklären. Die erste und vornehmste Beglaubigung dieses Systems aber beruht auf der vorgeblich unvermeidlichen Nothwendigkeit, zum specifischen Unterschiede der Dichtigkeit der Materien leere Räume zu brauchen, die man innerhalb der Mate-[101/102]rien und zwischen jenen Partikeln vertheilt, in einer Proportion, wie man sie nöthig fand, zum Behuf einiger Erscheinungen gar so groß, daß der erfüllte Theil des Volumens, auch der dichtesten Materie, gegen den leeren beynahe für nichts zu halten ist, annahm. - Um nun eine dynamische Erklärungsart einzuführen, (die der Experimentalphilosophie weit angemessener und beförderlicher ist, indem sie geradezu darauf leitet, die den Materien eigene bewegende Kräfte und deren Gesetze auszufinden, die Freyheit dagegen einschränkt, leere Zwischenräume und Grundkörperchen von bestimmten Gestalten anzunehmen, die sich beide durch kein Experiment bestimmen und ausfindig machen lassen,) ist es gar nicht nöthig neue Hypothesen zu schmieden, sondern allein das Postulat der blos mechanischen Erklärungsart: daß es unmöglich sey, sich einen specifischen Unterschied der Dichtigkeit der Materien ohne Beymischung leerer Räume zu denken, durch die bloße Anführung einer Art, wie er sich ohne Widerspruch denken lasse, zu widerlegen. Denn wenn das gedachte Postulat, worauf die blos mechanische Erklärungsart fußet, nur erst als Grundsatz für ungültig erkläret worden, so versteht es sich von selbst, daß man es als Hypothese in der Naturwissenschaft nicht aufnehmen müsse, so lange noch eine Möglichkeit übrig bleibt, den specifischen Unterschied der Dichtigkeiten sich auch ohne alle leere Zwischenräume zu denken. Diese Nothwendigkeit aber beruht darauf, daß die Materie nicht (wie blos mechanische Naturforscher annehmen) [102/103] durch absolute Undurchdringlichkeit ihren Raum erfüllt, sondern durch repulsive Kraft, die ihren Grad hat, der in verschiedenen Materien verschieden seyn kann, und, da er für sich nichts mit der Anziehungskraft, welche der Quantität der Materie gemäß ist, gemein hat, sie bey einerley Anziehungskraft in verschiedenen Materien dem Grade nach ursprünglich verschieden seyn könne, folglich auch der Grad der Ausdehnung dieser Materien bey derselben Quantität der Materie und umgekehrt die Quantität der Materie unter demselben Volumen, d. i. die Dichtigkeit derselben ursprünglich gar große specifische Verschiedenheiten zulasse. Auf diese Art würde man es nicht unmöglich finden, sich eine Materie zu denken, (wie man sich etwa den Aether vorstellt) die ihren Raum ohne alles Leere ganz erfüllete und doch mit ohne Vergleichung minderer Quantität der Materie unter gleichem Volumen, als alle Körper, die wir unseren Versuchen unterwerfen können. Die repulsive Kraft muß am Aether in Verhältnis auf die eigene Anziehungskraft desselben, ohne Vergleichung größer gedacht werden, als an allen andern uns bekannten Materien. Und das ist denn auch das einzige, was wir blos darum annehmen, weil es sich denken läßt, nur zum Widerspiel einer Hypothese (der leeren Räume), die sich allein auf das Vorgeben stützt, daß sich dergleichen ohne leere Räume nicht denken lasse. Denn außer diesem darf, weder irgend ein Gesetz der anziehenden, noch zurückstoßenden Kraft, auf Muthmaßungen a priori gewagt, son-[103/104]dern alles, selbst die allgemeine Attraction, als Ursache der Schweren, muß samt ihrem Gesetze aus Datis der Erfahrung geschlossen werden. Noch weniger wird dergleichen bey den chemischen Verwandtschaften anders, als durch den Weg des Experiments versucht werden dürfen. Denn es ist überhaupt über den Gesichtskreis unserer Vernunft gelegen, ursprüngliche Kräfte a priori ihrer Möglichkeit nach einzusehen, vielmehr besteht alle Naturphilosophie in der Zurückführung gegebener, dem Anscheine nach verschiedener, Kräfte auf eine geringere Zahl Kräfte und Vermögen, die zu Erklärung der Wirkungen der ersten zulangen, welche Reduction aber nur bis zu Grundkräften fortgeht, über die unsere Vernunft nicht hinaus kann. Und so ist Nachforschung der Metaphysik, hinter dem, was dem empirischen Begriffe der Materie zum Grunde liegt, nur zu der Absicht nützlich, die Naturphilosophie, so weit als es immer möglich ist, auf die Erforschung der dynamischen Erklärungsgründe zu leiten, weil diese allein bestimmte Gesetze, folglich wahren Vernunftzusammenhang der Erklärungen, hoffen lassen.
Dies ist nun alles, was Metaphysik zur Construction des Begrifs der Materie, mithin zum Behuf der Anwendung der Mathematik auf Naturwissenschaft, in Ansehung der Eigenschaften, wodurch Materie einen Raum in bestimmtem Maaße erfüllet, nur immer leisten kann, nämlich diese Eigenschaften als dynamisch anzusehen und nicht als unbedingte ursprüngliche Positionen, wie sie et-[104/105]wan eine blos mathematische Behandlung postuliren würde.
Den Beschluß kann die bekannte Frage, wegen der Zulässigkeit leerer Räume in der Welt, machen. Die Möglichkeit derselben läßt sich nicht streiten. Denn zu allen Kräften der Materie wird Raum erfodert, und, da [da] dieser auch die Bedingungen der Gesetze der Verbreitung jener enthält, nothwendig vor aller Materie vorausgesetzt. So wird der Materie Attractionskraft beygelegt, so fern sie einen Raum um sich durch Anziehung einnimmt, ohne ihn gleichwol zu erfüllen, der also selbst da, wo Materie wirksam ist, als leer gedacht werden kann, weil sie da nicht durch Zurückstoßungskräfte wirksam ist und ihn also nicht erfüllt. Allein leere Räume als wirklich anzunehmen, dazu kann uns keine Erfahrung, oder Schluß aus derselben, oder nothwendige Hypothesis sie zu erklären, berechtigen. Denn alle Erfahrung giebt uns nur comparativ-leere Räume zu erkennen, welche, nach allen beliebigen Graden aus der Eigenschaft der Materie, ihren Raum mit größerer oder bis ins Unendliche immer kleinerer Ausspannungskraft zu erfüllen, vollkommen erklärt werden können, ohne leere Räume zu bedürfen. [105/106]



Drittes Hauptstück.


Metaphysische Anfangsgründe


der


Mechanik.



Erklärung 1.



M aterie ist das Bewegliche, so fern es, als ein solches, bewegende Kraft hat.

Anmerkung.



Dieses ist nun die dritte Definition von einer Materie. Der blos dynamische Begriff konnte die Materie auch als in Ruhe betrachten; die bewegende Kraft, die da in Erwägung gezogen wurde, betraf blos die Erfüllung eines gewissen Raumes, ohne daß die Materie, die ihn erfüllete, selbst als bewegt angesehen werden durfte. Die Zurückstoßung war daher eine ursprünglich-bewegende Kraft, um Bewegung zu ertheilen; dagegen wird in der Mechanik die Kraft einer in Bewegung gesetzten Materie betrachtet, um diese Bewegung einer anderen mitzutheilen. Es ist aber klar, daß das Bewegliche durch seine Bewegung keine bewegende Kraft haben würde, wenn es nicht ursprünglich-bewegende Kräfte besäße, dadurch es vor aller eigener Bewegung in jedem Orte, da es sich befindet, wirksam ist, und daß keine Materie eine andere, [106/107] die ihrer Bewegung in der geraden Linie vor ihr im Wege liegt, gleichmäßige Bewegung eindrücken würde, wenn beide nicht ursprüngliche Gesetze der Zurückstoßung besäßen, noch daß sie eine andere durch ihre Bewegung nöthigen könne in der geraden Linie ihr zu folgen, (sie nachschleppen könnte) wenn beide nicht Anziehungskräfte besäßen. Also setzen alle mechanische Gesetze die dynamische voraus, und eine Materie, als bewegt, kann keine bewegende Kraft haben, als nur vermittelst ihrer Zurückstoßung oder Anziehung, auf welche und mit welchen sie in ihrer Bewegung unmittelbar wirkt und dadurch ihre eigene Bewegung einer anderen mittheilt. Man wird es mir nachsehen, daß ich der Mittheilung der Bewegung durch Anziehung (z. B. wenn etwa ein Comet, von stärkerem Anziehungsvermögen als die Erde, im Vorbeygehen vor derselben sie nach sich fortschleppte) hier nicht weiter Erwähnung thun werde, sondern nur der Vermittelung der repulsiven Kräfte, also durch Druck, (wie vermittelst gespannter Federn,) oder durch Stoß, da ohnedem die Anwendung der Gesetze der einen auf die der anderen nur in Ansehung der Richtungslinie verschieden, übrigens aber in beiden Fällen einerley ist.

Erklärung 2.



Die Quantität der Materie ist die Menge des Beweglichen in einem bestimmten Raum. Dieselbe, so fern alle ihre Theile in ihrer Bewe-[107/108]gung als zugleich wirkend (bewegend) betrachtet werden, heißt die Masse, und man sagt, eine Materie wirke in Masse, wenn alle ihre Theile in einerley Richtung bewegt ausser sich zugleich ihre bewegende Kraft ausüben. Eine Masse von bestimmter Gestalt, heißt ein Körper (in mechanischer Bedeutung). Die Grösse der Bewegung (mechanisch geschätzt) ist diejenige, die durch die Quantität der bewegten Materie und ihre Geschwindigkeit zugleich geschätzt wird; Phoronomisch besteht sie blos in dem Grade der Geschwindigkeit.

Lehrsatz 1.



Die Quantität der Materie kann in Vergleichung mit jeder anderen nur durch die Quantität der Bewegung bey gegebener Geschwindigkeit geschätzt werden.

Beweis.



Die Materie ist ins Unendliche theilbar, folglich kann keiner ihre Quantität durch eine Menge ihrer Theile unmittelbar bestimmt werden. Denn wenn dieses auch in der Vergleichung der gegebenen Materie mit einer gleichartigen geschieht, in welchem Falle die Quantität der Materie der Größe des Volumens [108/109] proportional ist, so ist dieses doch der Foderung des Lehrsatzes, daß sie in Vergleichung mit jeder anderen (auch specifisch verschiedenen) geschätzt werden soll, zuwider. Also kann die Materie, weder unmittelbar, noch mittelbar, in Vergleichung mit jeder andern gültig geschätzt werden, so lange man von ihrer eigenen Bewegung abstrahirt. Folglich ist kein anderes allgemein gültiges Maaß derselben als die Quantität ihrer Bewegung übrig. In dieser aber kann der Unterschied der Bewegung, der auf der verschiedenen Quantität der Materien beruht, nur alsdenn gegeben werden, wenn die Geschwindigkeit unter den verglichenen Materien als gleich angenommen wird, folglich u. s. w.

Zusatz.



Die Quantität der Bewegung der Körper ist in zusammengesetztem Verhältnis aus dem der Quantität ihrer Materie und ihrer Geschwindigkeit, d. i. es ist einerley, ob ich die Quantität der Materie eines Körpers doppelt so groß mache, und die Geschwindigkeit behalte, oder ob ich die Geschwindigkeit verdoppele und eben diese Masse behalte. Denn der bestimmte Begriff von einer Größe ist nur durch die Construction des Quantum möglich. Diese ist aber in Ansehung des Begrifs der Quantität nichts als die Zusammensetzung des Gleichgeltenden; folglich ist die Construction der Quantität einer Bewegung die Zusammensetzung vieler einander gleichgeltender Bewegungen. [109/110] Nun ist es nach den phoronomischen Lehrsätzen einerley, ob ich einem Beweglichen einen gewissen Grad Geschwindigkeit oder vielen gleich beweglichen alle kleinere Grade der Geschwindigkeit ertheile, die aus der durch die Menge des Beweglichen dividirten gegebenen Geschwindigkeit herauskommen. Hieraus entspringt zuerst ein, dem Anscheine nach, phoronomischer Begriff von der Quantität einer Bewegung, als zusammengesetzt aus viel Bewegungen ausser einander, aber doch in einem Ganzen vereinigter, beweglicher Puncte. Werden nun diese Puncte als etwas gedacht, was durch seine Bewegung bewegende Kraft hat, so entspringt daraus der mechanische Begriff von der Quantität der Bewegung. In der Phoronomie aber ist es nicht thunlich, sich eine Bewegung als aus vielen ausserhalb einander befindlichen zusammengesetzt vorzustellen, weil das Bewegliche, da es daselbst ohne alle bewegende Kraft vorgestellt wird, in aller Zusammensetzung mit mehreren seiner Art keinen Unterschied der Grösse der Bewegung giebt, als die mithin blos in der Geschwindigkeit besteht. Wie die Quantität der Bewegung eines Körpers zu der eines anderen, so verhält sich auch die Grösse ihrer Wirkung, aber wohl zu verstehen, der ganzen Wirkung. Diejenige, welche blos die Grösse eines mit Widerstande erfülleten Raums (z. B. die Höhe, zu welcher ein Körper mit einer gewissen Geschwindigkeit wider die Schwere steigen, oder [110/111] die Tiefe, zu der derselbe in weiche Materien dringen kann,) zum Maasse der ganzen Wirkung annahmen, brachten ein anderes Gesetz der bewegenden Kräfte bey wirklichen Bewegungen heraus, nämlich das des zusammengesetzten Verhältnisses aus dem der Quantität der Materien und der Quadrate ihrer Geschwindigkeiten; allein sie übersahen die Grösse der Wirkung in der gegebenen Zeit, in welcher der Körper seinen Raum mit kleinerer Geschwindigkeit zurücklegt, und diese kann doch allein das Maaß einer durch einen gegebenen gleichförmigen Widerstand erschöpften Bewegung seyn. Es kann also auch kein Unterschied zwischen lebendigen und todten Kräften stattfinden, wenn die bewegende Kräfte mechanisch, d. i. als diejenige, die die Körper haben so fern sie selbst bewegt sind, betrachtet werden, es mag nun die Geschwindigkeit ihrer Bewegung endlich oder unendlich klein seyn (bloße Bestrebung zur Bewegung); vielmehr würde man weit schicklicher diejenigen Kräfte, womit die Materie, wenn man auch von ihrer eigenen Bewegung, auch so gar von der Bestrebung sich zu bewegen gänzlich abstrahirt, in andere wirkt, folglich die ursprünglich bewegende Kräfte der Dynamik todte Kräfte, alle mechanisch d. i. durch eigene Bewegung bewegende Kräfte dagegen, lebendige Kräfte nennen können, ohne auf den Unterschied der Geschwindigkeit zu sehen, deren Grad auch unend-[111/112]lich klein seyn darf, wenn ja noch diese Benennungen todter und lebendiger Kräfte beybehalten zu werden verdienten.

Anmerkung.



Wir wollen, um Weitläuftigkeit zu vermeiden, die Erläuterung der vorstehenden drey Sätze in einer Anmerkung zusammenfassen.
Daß die Quantität der Materie nur als die Menge des Beweglichen (ausserhalb einander) könne gedacht werden, wie die Definition es aussagt, ist ein merkwürdiger und Fundamentalsatz der allgemeinen Mechanik. Denn dadurch wird angezeigt: daß Materie keine andere Grösse habe, als die, welche in der Menge des Mannigfaltigen ausserhalb einander besteht, folglich auch keinen Grad der bewegenden Kraft mit gegebener Geschwindigkeit, der von dieser Menge unabhängig wäre und blos als intensive Grösse betrachtet werden könnte, welches allerdings stattfinden würde, wenn die Materie aus Monaden bestände, deren Realität in aller Beziehung einen Grad haben muß, welcher größer oder kleiner seyn kann, ohne von einer Menge der Theile ausser einander abzuhängen. Was den Begriff der Masse in eben derselben Erklärung betrift, so kann man ihn nicht, wie gewöhnlich, mit dem der Quantität für einerley halten. Flüssige Materien können durch ihre eigene Bewegung in Masse, sie können aber auch im Flusse wirken. Im sogenannten Wasserhammer wirkt das anstoßende Wasser in Masse, d. i. mit allen seinen Theilen zugleich; eben [112/113] das geschieht auch im Wasser, welches, in einem Gefäße eingeschlossen, durch sein Gewicht auf die Wagschale, darauf es steht, drückt. Dagegen wirkt das Wasser eines Mühlbachs auf die Schaufel des unterschlägigen Wasserrades nicht in Masse, d. i. mit allen seinen Theilen, die gegen diese anlaufen, zugleich, sondern nur nach einander. Wenn also hier die Quantität der Materie, die, mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt, die bewegende Kraft hat, bestimmt werden soll, so muß man allererst den Wasserkörper, d. i. diejenige Quantität der Materie, die, wenn sie in Masse mit einer gewissen Geschwindigkeit wirkt (mit ihrer Schwere), dieselbe Wirkung hervorbringen kann, suchen. Daher versteht man auch gewöhnlich unter dem Worte Masse die Quantität der Materie eines festen Körpers (das Gefäß, darin ein Flüssiges eingeschlossen ist, vertritt auch die Stelle der Festigkeit desselben). Was endlich den Lehrsatz mit dem angehängten Zusatz zusammen betrifft, so liegt darin etwas befremdliches: daß, nach dem ersteren, die Quantität der Materie durch die Quantität der Bewegung mit gegebener Geschwindigkeit, nach dem zweyten aber wiederum die Quantität der Bewegung (eines Körpers; denn die eines Puncts besteht blos aus dem Grade der Geschwindigkeit) bey derselben Geschwindigkeit durch die Quantität der bewegten Materie geschätzt werden müsse, welches im Cirkel herum zu gehen und weder von einem noch dem anderen einen bestimmten Begriff zu versprechen scheint. Allein dieser vermeinte Cirkel würde [113/114] es würklich seyn, wenn er eine wechselseitige Ableitung zweyer identischen Begriffe von einander wäre. Nun aber enthält er nur einerseits die Erklärung eines Begriffs, anderer Seits die der Anwendung desselben auf Erfahrung. Die Quantität des Beweglichen im Raume ist die Quantität der Materie; aber diese Quantität der Materie (die Menge des Beweglichen) beweiset sich in der Erfahrung nur allein durch die Quantität der Bewegung bey gleicher Geschwindigkeit (z. B. durchs Gleichgewicht).
Noch ist zu merken, daß die Quantität der Materie die Quantität der Substanz im Beweglichen sey, folglich nicht die Größe einer gewissen Qualität derselben (der Zurückstoßung, oder Anziehung, die in der Dynamik angeführt werden), und daß das Quantum der Substanz hier nichts anderes als die bloße Menge des Beweglichen bedeute, welches die Materie ausmacht. Denn nur diese Menge des Bewegten kann bey derselben Geschwindigkeit einen Unterschied in der Quantität der Bewegung geben. Daß aber die bewegende Kraft, die eine Materie in ihrer eigenen Bewegung hat, allein die Quantität der Substanz beweise, beruht auf dem Begriffe der letzteren als dem letzten Subject (das weiter kein Prädicat von einem andern ist) im Raume, welches eben darum keine andere Größe haben kann, als die der Menge des Gleichartigen außerhalb einander. Da nun die eigene Bewegung der Materie ein Prädicat ist, welches ihr Subjekt (das Bewegliche) bestimmt, und an einer Materie, als einer Menge des Be-[114/115]weglichen, die Vielheit der bewegten Subjecte (bey gleicher Geschwindigkeit auf gleiche Art) angiebt, welches bey dynamischen Eigenschaften, deren Größe auch die Größe der Wirkung von einem einzigen Subjecte seyn kann (z. B. da ein Lufttheilchen mehr oder weniger Elasticität haben kann), nicht der Fall ist, so erhellet daraus, wie die Quantität der Substanz an einer Materie nur mechanisch, d. i. durch die Quantität der eigenen Bewegung derselben, und nicht dynamisch, durch die Größe der ursprünglich bewegenden Kräfte, geschätzt werden müsse. Gleichwohl kann die ursprüngliche Anziehung, als die Ursache der allgemeinen Gravitation, doch ein Maaß der Quantität der Materie und ihrer Substanz abgeben (wie das wirklich in der Vergleichung der Materien durch Abwiegen geschieht), obgleich hier nicht eigene Bewegung der anziehenden Materie, sondern ein dynamisch Maaß, nämlich Anziehungskraft, zum Grunde gelegt zu seyn scheint. Aber, weil bey dieser Kraft die Wirkung einer Materie mit allen ihren Theilen unmittelbar auf alle Theile einer andern, geschieht, und also (bey gleichen Entfernungen) offenbar der Menge der Theile proportionirt ist, der ziehende Körper sich dadurch auch selbst eine Geschwindigkeit der eigenen Bewegung ertheilt (durch den Widerstand des Gezogenen), welche, in gleichen äusseren Umständen, gerade der Menge seiner Theile proportionirt ist, so geschieht die Schäztung hier, obzwar nur indirect, doch in der That mechanisch. [115/116]

Lehrsatz 2.



Erstes Gesetz der Mechanik. Bey allen Veränderungen der körperlichen Natur bleibt die Quantität der Materie im Ganzen dieselbe, unvermehrt und unvermindert.

Beweis.



(Aus der allgemeinen Metaphysik wird der Satz zum Grunde gelegt, daß bey allen Veränderungen der Natur keine Substanz weder entstehe noch vergehe, und hier wird nur dargethan, was in der Materie die Substanz sey.) In jeder Materie ist das Bewegliche im Raume das letzte Subject aller der Materie inhärirenden Accidenzen, und die Menge dieses Beweglichen außerhalb einander die Quantität der Substanz. Also ist die Größe der Materie, der Substanz nach, nichts anders, als die Menge der Substanzen, daraus sie besteht. Es kann also die Quantität der Materie nicht vermehrt oder vermindert werden, als dadurch, daß neue Substanz derselben entsteht oder vergeht. Nun entsteht und vergeht bey allem Wechsel der Materie die Substanz niemals; also wird auch die Quantität der Materie dadurch weder vermehrt, noch vermindert, sondern bleibt immer dieselbe und zwar im Ganzen, d. i. so, daß sie irgend in der Welt in derselben Quantität fortdauert, obgleich diese oder jene [116/117] Materie durch Hinzukunft oder Absonderung der Theile vermehrt oder vermindert werden kann.

Anmerkung.



Das Wesentliche, was in diesem Beweise die Substanz, die nur im Raume und nach Bedingungen desselben, folglich als Gegenstand äußerer Sinne möglich ist, characterisirt, ist, daß ihre Größe nicht vermehrt oder vermindert werden kann, ohne daß Substanz entstehe, oder vergehe, darum, weil alle Größe eines blos im Raum möglichen Objects aus Theilen außerhalb einander bestehen muß, diese also, wenn sie real (etwas bewegliches) sind, nothwendig Substanzen seyn müssen. Dagegen kann das, was als Gegenstand des inneren Sinnes betrachtet wird, als Substanz eine Größe haben, die nicht aus Theilen außerhalb einander besteht, deren Theile also auch nicht Substanzen sind, deren Entstehen oder Vergehen folglich auch nicht ein Entstehen oder Vergehen einer Substanz seyn darf, deren Vermehrung oder Verminderung daher, dem Grundsatze von der Beharrlichkeit der Substanz unbeschadet, möglich ist. So hat nämlich das Bewußtseyn, mithin die Klarheit der Vorstellungen meiner Seele, und, derselben zu Folge, auch das Vermögen des Bewußtseyns, die Apperception, mit diesem aber selbst die Substanz der Seele einen Grad, der größer oder kleiner werden kann, ohne daß irgend eine Substanz zu diesem Behuf entstehen oder vergehen dürfte. Weil aber, bey allmäliger Verminderung dieses Vermögens der Apper-[117/118]ception, endlich ein gänzliches Verschwinden derselben erfolgen müßte, so würde doch selbst die Substanz der Seele einem allmäligen Vergehen unterworfen seyn, ob sie schon einfacher Natur wäre, weil dieses Verschwinden ihrer Grundkraft nicht durch Zertheilung (Absonderung der Substanz von einem Zusammengesetzten), sondern gleichsam durch Erlöschen, und auch dieses nicht in einem Augenblicke, sondern durch allmälige Nachlassung des Grades derselben, es sey aus welcher Ursache es wolle, erfolgen könnte. Das Ich, das allgemeine Correlat der Apperception und selbst blos ein Gedanke, bezeichnet als ein bloßes Vorwort, ein Ding von unbestimmter Bedeutung, nämlich das Subject aller Prädicate, ohne irgend eine Bedingung, die diese Vorstellung des Subjects von dem eines Etwas überhaupt unterschiede, also Substanz, von der man, was sie sey, durch diesen Ausdruck keinen Begriff hat. Dagegen der Begriff einer Materie als Substanz der Begriff des Beweglichen im Raume ist. Es ist daher kein Wunder, wenn von der letzteren die Beharrlichkeit der Substanz bewiesen werden kann, von der ersteren aber nicht, weil bey der Materie schon aus ihrem Begriffe, nämlich daß sie das Bewegliche sey, das nur im Raume möglich ist, fließt, daß das, was in ihr Größe hat, eine Vielheit des Realen außer einander, mithin der Substanzen, enthalte, und folglich die Quantität derselben nur durch Zertheilung, welche kein Verschwinden ist, vermindert werden könne, und das letztere in ihr nach dem Gesetze der Stetigkeit auch unmög-[118/119]lich seyn würde. Der Gedanke Ich ist dagegen gar kein Begriff, sondern nur innere Wahrnehmung, aus ihm kann also auch gar nichts, (ausser der gänzliche Unterschied eines Gegenstandes des inneren Sinnes von dem was blos als Gegenstand äußerer Sinne gedacht wird) folglich auch nicht die Beharrlichkeit der Seele, als Substanz, gefolgert werden.

Lehrsatz 3.



Zweytes Gesetz der Mechanik. Alle Veränderung der Materie hat eine äussere Ursache. (Ein jeder Körper beharrt in seinem Zustande der Ruhe oder Bewegung, in derselben Richtung und mit derselben Geschwindigkeit, wenn er nicht durch eine äußere Ursache genöthigt wird, diesen Zustand zu verlassen.)

Beweis.



(Aus der allgemeinen Metaphysik wird der Satz zum Grunde gelegt, daß alle Veränderung eine Ursache habe; hier soll von der Materie nur bewiesen werden, daß ihre Veränderung jederzeit eine äußere Ursache haben müsse.) Die Materie, als bloßer Gegenstand äußerer Sinne, hat keine andere Bestimmungen, als die der äußeren Verhältnisse im Raume, und erleidet also auch keine Veränderungen, als durch Bewegung. In Ansehung dieser, als Wechsels einer Bewegung mit einer andern, oder derselben mit der [119/120] Ruhe, und umgekehrt, muß eine Ursache derselben angetroffen werden (nach Princ. der Metaph.) Diese Ursache aber kann nicht innerlich seyn, denn die Materie hat keine schlechthin innere Bestimmungen und Bestimmungsgründe. Also ist alle Veränderung einer Materie auf äußere Ursache gegründet (d. i. ein Körper beharret, u. s. w.).

Anmerkung.



Dieses mechanische Gesetz muß allein das Gesetz der Trägheit (lex inertiae) genannt werden, das Gesetz der einer jeden Wirkung entgegengesetzten gleichen Gegenwirkung kann diesen Namen nicht führen. Denn dieses sagt, was die Materie thut, jenes aber nur was sie nicht thut, welches dem Ausdrucke der Trägheit besser angemessen ist. Die Trägheit der Materie ist und bedeutet nichts anders, als ihre Leblosigkeit, als Materie an sich selbst. Leben heißt das Vermögen einer Substanz sich aus einem inneren Princip zum Handeln, einer endlichen Substanz sich zur Veränderung, und einer materiellen Substanz sich zur Bewegung oder Ruhe, als Veränderung ihres Zustandes, zu bestimmen. Nun kennen wir kein anderes inneres Princip einer Substanz, ihren Zustand zu verändern, als das Begehren, und überhaupt keine andere innere Thätigkeit, als Denken, mit dem, was davon abhängt, Gefühl der Lust oder Unlust und Begierde oder Willen. Diese Bestimmungsgründe aber und Handlungen gehören gar nicht zu den Vorstellungen äußerer Sinne und also auch [120/121] nicht zu den Bestimmungen der Materie als Materie. Also ist alle Materie als solche leblos. Das sagt der Satz der Trägheit, und nichts mehr. Wenn wir die Ursache irgend einer Veränderung der Materie im Leben suchen, so werden wir es auch so fort in einer anderen, von der Materie verschiedenen, obzwar mit ihr verbundenen Substanz zu suchen haben. Denn in der Naturkenntniß ist es nöthig, zuvor die Gesetze der Materie als einer solchen zu kennen und sie von dem Beytritte aller anderen wirkenden Ursachen zu läutern, ehe man sie damit verknüpft, um wohl zu unterscheiden, was, und wie jede derselben für sich allein wirke. Auf dem Gesetze der Trägheit (neben dem der Beharrlichkeit der Substanz) beruht die Möglichkeit einer eigentlichen Naturwissenschaft ganz und gar. Das Gegentheil des erstern, und daher auch der Tod aller Naturphilosophie, wäre der Hylozoism. Aus eben demselben Begriffe der Trägheit, als bloßer Leblosigkeit, fließt von selbst, daß sie nicht ein positives Bestreben seinen Zustand zu erhalten bedeute. Nur lebende Wesen werden in diesem letzteren Verstande träg genannt, weil sie eine Vorstellung von einem anderen Zustande haben, den sie verabscheuen, und ihre Kraft dagegen anstrengen.

Lehrsatz 4.



Drittes mechanisches Gesetz. In aller Mittheilung der Bewegung sind Wirkung und Gegenwirkung einander jederzeit gleich. [121/122]

Beweis.



(Aus der allgemeinen Metaphysik muß der Satz entlehnt werden, daß alle äußere Wirkung in der Welt Wechselwirkung sey. Hier soll, um in den Schranken der Mechanik zu bleiben, nur gezeigt werden, daß diese Wechselwirkung (actio mutua) zugleich Gegenwirkung (reactio) sey; allein ich kann, ohne der Vollständigkeit der Einsicht Abbruch zu thun, jenes metaphysische Gesetz der Gemeinschaft hier doch nicht ganz weglassen.) Alle thätige Verhältnisse der Materien im Raume und alle Veränderungen dieser Verhältnisse, so fern sie Ursachen von gewissen Wirkungen seyn können, müssen jederzeit als wechselseitig vorgestellt werden, d. i. weil alle Veränderung derselben Bewegung ist, so kann keine Bewegung eines Körpers in Beziehung auf einen absolut-ruhigen, der dadurch auch in Bewegung gesetzt werden soll, gedacht werden, vielmehr muß dieser nur als relativ-ruhig in Ansehung des Raums, auf den man ihn bezieht, zusamt diesem Raume aber in entgegengesetzter Richtung als mit eben derselben Quantität der Bewegung im absoluten Raume bewegt vorgestellt werden, als der Bewegte in eben demselben gegen ihn hat. Denn die Veränderung des Verhältnisses (mithin die Bewegung) ist zwischen beiden durchaus wechselseitig; so viel der eine Körper jedem Theile des anderen näher kommt, so viel nähert sich der andere jedem Theil des ersteren, [122/123] und, weil es hier nicht auf den empirischen Raum, der beide Körper umgiebt, sondern nur auf die Linie, die zwischen ihnen liegt, ankommt, (indem diese Körper lediglich in Relation auf einander, nach dem Einflusse, den die Bewegung des einen auf die Veränderung des Zustandes des anderen, mit Abstraction von aller Relation zum empirischen Raume, haben kann, betrachtet werden,) so wird ihre Bewegung als blos im absoluten Raume bestimmbar betrachtet, in welchem jeder der beiden Körper an der Bewegung, die dem einen im relativen Raume beygelegt wird, gleichen Antheil haben muß, indem kein Grund da ist, einem von beiden mehr davon, als dem anderen, beyzulegen. Auf diesem Fuß wird die Bewegung eines Körpers A gegen einen anderen, ruhigen B, in Ansehung dessen er dadurch bewegend seyn kann, auf den absoluten Raum reducirt, d. i. als Verhältnis wirkender Ursachen blos auf einander bezogen, so betrachtet, wie beide an der Bewegung, welche in der Erscheinung dem Körper A allein beygelegt wird, gleichen Antheil haben, welches nicht anders geschehen kann, als so, daß die Geschwindigkeit, die im relativen Raume blos dem Körper A beygelegt wird, unter A und B in umgekehrtem Verhältniß der Massen, dem A allein die seinige im absoluten Raume, dem B dagegen zusamt dem relativen Raume, worin er ruht, in entgegengesetzter Richtung ausgetheilt werde, wodurch dieselbe Erscheinung der Be-[123/124]wegung vollkommen beybehalten, die Wirkung aber in der Gemeinschaft beider Körper auf folgende Art construirt wird.


Es sey ein Körper A mit einer Geschwindigkeit = AB in Ansehung des relativen Raumes gegen den Körper B, der in Ansehung eben desselben Raums ruhig ist, im Anlaufe. Man theile die Geschwindigkeit AB in zwey Theile, Ac und Bc, die sich umgekehrt wie die Massen B und A gegen einander verhalten, und stelle sich A mit der Geschwindigkeit Ac im absoluten Raume, B aber mit der Geschwindigkeit Bc in entgegengesetzter Richtung zusamt dem relativen Raume bewegt vor: so sind beide Bewegungen einander entgegengesetzt und gleich, und, da sie einander wechselseitig aufheben, so versetzen sich beide Körper beziehungsweise auf einander, d. i. im absoluten Raume, in Ruhe. Nun war aber B mit der Geschwindigkeit Bc in der Richtung BA, die der des Körpers A, nämlich AB, gerade entgegengesetzt ist, zusamt dem relativen Raume in Bewegung. Wenn also die Bewegung des Körpers B durch den Stoß aufgehoben wird, so wird darum doch die Bewegung des relativen Raums nicht aufgehoben. Also bewegt sich nach dem Stoße der relative Raum in Ansehung beider Körper A und B, [124/125] (die nunmehr im absoluten Raume ruhen,) in der Richtung BA mit der Geschwindigkeit Bc, oder, welches einerley ist, beide Körper bewegen sich nach dem Stoße mit gleicher Geschwindigkeit Bd=Bc in der Richtung des Stoßenden AB. Nun ist aber, nach dem vorigen, die Quantität der Bewegung des Körpers B in der Richtung und mit der Geschwindigkeit Bc, mithin auch die in der Richtung Bd mit derselben Geschwindigkeit, der Quantität der Bewegung des Körpers A mit der Geschwindigkeit und in der Richtung Ac gleich: folglich ist die Wirkung, d. i. die Bewegung Bd, die der Körper B durch den Stoß im relativen Raume erhält, und also auch die Handlung des Körpers A mit der Geschwindigkeit Ac der Gegenwirkung Bc jederzeit gleich. Da eben dasselbe Gesetz (wie die mathematische Mechanik lehrt) keine Abänderung erleidet, wenn, anstatt des Stoßes auf einen ruhigen, ein Stoß desselben Körpers auf einen gleichfalls bewegten Körper angenommen wird, imgleichen die Mittheilung der Bewegung durch den Stoß von der durch den Zug nur in der Richtung, nach welcher die Materien einander in ihren Bewegungen widerstehen, unterschieden ist: so folgt, daß in aller Mittheilung der Bewegung Wirkung und Gegenwirkung einander jederzeit gleich seyn (daß jeder Stoß nur vermittelst eines gleichen Gegenstoßes, jeder Druck vermittelst eines gleichen Gegendrucks, imgleichen jeder [125/126] Zug nur durch einen gleichen Gegenzug die Bewegung eines Körpers dem andern mittheilen könne.) *)

*) In der Phoronomie, da die Bewegung eines Körpers blos in Ansehung des Raums, als Veränderung der Relation in demselben, betrachtet wurde, war es ganz gleichgültig, ob ich den Körper im Raume, oder, an statt dessen, dem relativen Raume eine gleiche aber entgegengesetzte Bewegung zugestehen wollte; beides gab völlig einerley Erscheinung. Die Quantität der Bewegung des Raums war blos die Geschwindigkeit, und daher die des Körpers gleichfalls nichts als seine Geschwindigkeit (weswegen er als ein bloßer beweglicher Punct betrachtet werden konnte). In der Mechanik aber, da ein Körper in Bewegung gegen einen anderen betrachtet wird, gegen den er durch seine Bewegung ein Caußalverhältnis hat, nämlich das, ihn selbst zu bewegen, indem er entweder bey seiner Annäherung durch die Kraft der Undurchdringlichkeit, oder seiner Entfernung durch die Kraft der Anziehung, mit ihm in Gemeinschaft kommt, da ist es nicht mehr gleichgültig, ob ich einem dieser Körper, oder dem Raume eine entgegengesetzte Bewegung zueignen will. Denn nunmehro kommt ein anderer Begriff der Quantität der Bewegung ins Spiel, nämlich nicht derjenigen, die blos in Ansehung des Raumes gedacht wird und allein in der Geschwindigkeit besteht, sondern derjenigen, wobey zugleich die Quantität der Substanz (als bewegende Ursache) in Anschlag gebracht werden muß, und es ist hier nicht mehr beliebig, sondern nothwendig, jeden der beiden Körper als bewegt anzunehmen, und zwar mit gleicher Quantität der Bewegung in entgegengesetzter Richtung; [126/127]

Zusatz 1.



Hieraus folgt das, für die allgemeine Mechanik nicht unwichtige, Naturgesetz: daß ein jeder Körper, wie groß auch seine Masse sey, durch den Stoß eines jeden anderen, wie klein auch seine Masse oder Geschwindigkeit seyn mag, beweglich seyn müsse. Denn der Bewegung von A in der Richtung AB correspon-

[Fortsetzung der Anmerkung von Seite 126] wenn aber der eine relative in Ansehung des Raumes in Ruhe ist, ihm die erforderliche Bewegung zusamt dem Raume beyzulegen. Denn einer kann auf den anderen durch seine eigene Bewegung nicht wirken, als entweder bey der Annäherung vermittelst der Zurückstoßungskraft, oder bey der Entfernung vermittelst der Anziehung. Da beide Kräfte nun jederzeit beiderseitig in entgegengesetzten Richtungen und gleich wirken, so kann kein Körper vermittelst ihrer durch seine Bewegung auf einen anderen wirken, ohne gerade so viel, als der andere mit gleicher Quantität der Bewegung entgegenwirkt. Also kann kein Körper einem schlechthin-ruhigen durch seine Bewegung Bewegung ertheilen, sondern dieser muß gerade mit derselben Quantität der Bewegung (zusamt dem Raume) in entgegengesetzter Richtung bewegt seyn, als diejenige ist, die er durch die Bewegung des ersteren und in der Richtung desselben erhalten soll. - Der Leser wird leicht inne werden, daß unerachtet des etwas Ungewöhnlichen, welches diese Vorstellungsart der Mittheilung der Bewegung an sich hat, sie sich dennoch in das hellste Licht stellen lasse, wenn man die Weitläuftigkeit der Erläuterung nicht scheuet. [127/128]

dirt nothwendiger Weise eine entgegengesetzte gleiche Bewegung von B in der Richtung BA. Beide Bewegungen heben durch den Stoß einander im absoluten Raume auf. Dadurch aber erhalten beide Körper eine Geschwindigkeit Bd=Bc in der Richtung des Stoßenden, folglich ist der Körper B für jede noch so kleine Kraft des Anstoßes beweglich.

Zusatz 2.



Dies ist also das mechanische Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung, welches darauf beruht: daß keine Mittheilung der Bewegung stattfinde, ausser sofern eine Gemeinschaft dieser Bewegungen vorausgesetzt wird; daß also kein Körper einen anderen stoße, der in Ansehung seiner ruhig ist, sondern, ist dieser es in Ansehung des Raums, nur so fern er zusamt diesem Raume in gleichem Maaße, aber in entgegengesetzter Richtung bewegt, mit der Bewegung, die alsdenn dem ersteren zu seinem relativen Antheil fällt, zusammen, allererst die Quantität der Bewegung gebe, die wir dem ersten im absoluten Raume beylegen würden. Denn keine Bewegung, die in Ansehung eines anderen Körpers bewegend seyn soll, kann absolut seyn: ist sie aber relativ in Ansehung des letzteren, so giebts keine Relation im Raume, die nicht wechselseitig und gleich sey. - Es giebt aber noch ein anderes, nämlich ein dynamisches Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung der Ma-[128/129]terien, nicht so fern eine der anderen ihre Bewegung mittheilt, sondern dieser ursprünglich ertheilt und durch deren Widerstreben zugleich in sich hervorbringt. Diese läßt sich auf ähnliche Art leicht darthun. Denn, wenn die Materie A die Materie B zieht, so nöthigt sie diese sich ihr zu nähern, oder, welches einerley ist, jene widersteht der Kraft, womit diese sich zu entfernen trachten möchte. Weil es aber einerley ist, ob B sich von A, oder A von B entferne: so ist dieser Widerstand zugleich ein Widerstand, den der Körper B gegen A ausübt, so fern er sich von ihm zu entfernen trachten möchte, mithin sind Zug und Gegenzug einander gleich. Eben so, wenn A die Materie B zurückstößt, so widersteht A der Annäherung von B. Da es aber einerley ist, ob sich B dem A oder A dem B nähere, so widersteht B auch eben so viel der Annäherung von A; Druck und Gegendruck sind also auch jederzeit einander gleich.

Anmerkung 1.



Dies ist also die Construction der Mittheilung der Bewegung, welche zugleich das Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung, als nothwendige Bedingung derselben, bey sich führet, welches Newton sich gar nicht getrauete a priori zu beweisen, sondern sich deshalb auf Erfahrung berief, welchem zu Gefallen andere eine besondere Kraft der Materie, unter dem von Keplern zuerst angeführten Namen der Trägheitskraft (vis iner-[129/130]tiae), in der Naturwissenschaft einführeten, und also im Grunde es auch von Erfahrung ableiteten, endlich noch andere in dem Begriffe einer bloßen Mittheilung der Bewegung setzten, welche sie, wie einen allmäligen Uebergang der Bewegung des einen Körpers in den andern ansahen, wobey der bewegende gerade so viel einbüßen müsse, als er dem bewegten ertheilt, bis er dem letzteren keine weiter eindrückt, (wenn er nämlich mit diesem schon bis zur Gleichheit der Geschwindigkeit in derselben Richtung gekommen ist,) *) wodurch sie im Grunde alle Gegenwirkung aufho-

*) Die Gleichheit der Wirkung mit der in diesem Falle fälschlich sogenannten Gegenwirkung kommt eben so wohl heraus, wenn man bey der Hypothese der Transfusion der Bewegungen aus einem Körper in den anderen, den bewegten Körper A dem ruhigen in einem Augenblicke seine ganze Bewegung überliefern läßt, so, daß er nach dem Stoße selber ruhe, welcher Fall unausbleiblich war, so bald man beide Körper als absolut-hart (welche Eigenschaft von der Elasticität unterschieden werden muß) dachte. Da dieses Bewegungsgesetz aber weder mit der Erfahrung, noch mit sich selbst in der Anwendung zusammenstimmen wollte, so wußte man sich nicht anders zu helfen, als dadurch daß man die Existenz absolut-harter Körper leugnete, welches so viel hieß, als die Zufälligkeit dieses Gesetzes zugestehen, indem es auf der besonderen Qualität der Materien beruhen sollte, die einander bewegen. In unserer Darstellung dieses Gesetzes ist es dagegen ganz einerley, ob man die Körper, die einander stoßen, absolut-hart oder nicht denken will. Wie aber die [130/131]

ben, d. i. alle wirklich entgegenwirkende Kraft des gestoßenen gegen den stoßenden (der etwa vermögend wäre, eine Springfeder zu spannen), und außerdem, daß sie das nicht beweisen, was in dem genannten Gesetze eigentlich gemeint ist, die Mittheilung der Bewegung selbst, ihrer Möglichkeit nach, gar nicht erklärten. Denn der Name vom Uebergang der Bewegung von einem Körper auf den andern erklärt nichts, und wenn man ihn nicht etwa (dem Grundsatze accidentia non migrant e substantiis in substantias zuwider) buchstäblich nehmen will, als wenn Bewegung von einem Körper in einen anderen, wie Wasser aus einem Glase in das andere, gegossen würde, so ist es hier eben die Aufgabe, wie diese Möglichkeit begreiflich zu machen sey, deren Erklärung nun gerade auf demselben Grunde beruht, woraus das Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung abgeleitet wird. Man kann sich

[Fortsetzung der Anmerkung von Seite 130] Transfusionisten der Bewegung die Bewegung elastischer Körper durch den Stoß nach ihrer Art erklären wollen, ist mir ganz unbegreiflich. Denn da ist klar, daß der ruhende Körper nicht als blos ruhend Bewegung bekomme, die der Stoßende einbüßt, sondern, daß er im Stoße wirkliche Kraft in entgegengesetzter Richtung gegen den Stoßenden ausübe, um gleichsam die Feder zwischen beiden zusammen zu drücken, welches von seiner Seite eben so wohl wirkliche Bewegung (aber in entgegengesetzter Richtung) erfodert, als der bewegende Körper seiner Seits dazu nöthig hat. [131/132]

gar nicht denken, wie die Bewegung eines Körpers A mit der Bewegung eines anderen B nothwendig verbunden seyn müsse, als so, daß man sich Kräfte an beiden denkt, die ihnen (dynamisch) vor aller Bewegung zukommen, z. B. Zurückstoßung, und nun beweisen kann, daß die Bewegung des Körpers A durch Annäherung gegen B, mit der Annäherung von B gegen A, und, wenn B als ruhig angesehen wird, mit der Bewegung desselben, zusamt seinem Raume gegen A nothwendig verbunden sey, so fern ein Körper mit ihren (ursprünglich) bewegenden Kräften blos relativ auf einander in Bewegung betrachtet werden. Dieses letztere kann völlig a priori dadurch eingesehen werden, daß, es mag nun der Körper B in Ansehung des empirisch kennbaren Raumes ruhig, oder bewegt seyn, er doch in Ansehung des Körpers A nothwendig als bewegt, und zwar in entgegengesetzter Richtung als bewegt, angesehen werden müsse; weil sonst kein Einfluß desselben auf die repulsive Kraft beider stattfinden würde, ohne welchen ganz und gar keine mechanische Wirkung der Materien auf einander, d. i. keine Mittheilung der Bewegung durch den Stoß, möglich ist.

Anmerkung 2.



Die Benennung der Trägheitskraft (vis inertiae) muß also, unerachtet des berühmten Namens ihres Urhebers, aus der Naturwissenschaft gänzlich weggeschafft werden, nicht allein weil sie einen Widerspruch im Ausdrucke selbst bey sich führt, oder auch deswegen, weil das Gesetz der [132/133] Trägheit (Leblosigkeit) dadurch leicht mit dem Gesetze der Gegenwirkung in jeder mitgetheilten Bewegung verwechselt werden könnte, sondern vornehmlich, weil dadurch die irrige Vorstellung derer, die der mechanischen Gesetze nicht recht kundig sind, erhalten und bestärkt wird, nach welcher die Gegenwirkung der Körper, von der unter dem Namen der Trägheitskraft die Rede ist, darinn bestehe, daß die Bewegung dadurch in der Welt aufgezehrt, vermindert oder vertilgt, nicht aber die bloße Mittheilung derselben dadurch bewirkt werde, indem nämlich der bewegende Körper einen Theil seiner Bewegung blos dazu aufwenden müßte, um die Trägheit des ruhenden zu überwinden (welches denn reiner Verlust wäre), mit dem übrigen Theile allein könne er den letzteren in Bewegung setzen; bliebe ihm aber nichts übrig, so würde er durch seinen Stoß den letzteren, seiner großen Masse wegen, gar nicht in Bewegung bringen. Einer Bewegung kann nichts widerstehen, als entgegengesetzte Bewegung eines anderen, keinesweges aber dessen Ruhe. Hier ist also nicht Trägheit der Materie, d. i. bloßes Unvermögen sich von selbst zu bewegen, die Ursache eines Widerstandes. Eine besondere ganz eigenthümliche Kraft, blos um zu widerstehen, ohne einen Körper bewegen zu können, wäre unter dem Namen einer Trägheitskraft ein Wort ohne alle Bedeutung. Man könnte also die drey Gesetze der allgemeinen Mechanik schicklicher so benennen: das Gesetz der Selbstständigkeit, der Trägheit, und der Gegenwirkung der Mate-[133/134]rien (lex Subsistentiae, Inertiae, et Antagonismi) bey allen ihren Veränderungen derselben. Daß diese, mithin die gesamten Lehrsätze gegenwärtiger Wissenschaft, den Categorien der Substanz, der Caußalität und der Gemeinschaft, so fern diese Begriffe auf Materie angewandt werden, genau antworten, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Allgemeine Anmerkung



zur



Mechanik.



D ie Mittheilung der Bewegung geschieht nur vermittelst solcher bewegenden Kräfte, die einer Materie auch in Ruhe beywohnen (Undurchdringlichkeit und Anziehung). Die Wirkung einer bewegenden Kraft auf einen Körper in einem Augenblicke ist die Solicitation desselben, die gewirkte Geschwindigkeit des letzteren durch die Solicitation, so fern sie in gleichem Verhältnis mit der Zeit wachsen kann, ist das Moment der Acceleration. (Das Moment der Acceleration muß also nur eine unendlich kleine Geschwindigkeit enthalten, weil sonst der Körper durch dasselbe in einer gegebenen Zeit eine unendliche Geschwindigkeit erlangen würde, welche unmöglich ist. Uebrigens beruht die Möglichkeit der Beschleunigung überhaupt, durch ein fortwährendes Moment derselben, auf dem Gesetze der Trägheit). Die Solicitation der Materie durch expansive [134/135] Kraft (z. B. einer zusammengedrückten Luft, die ein Gewicht trägt) geschieht jederzeit mit einer endlichen Geschwindigkeit, die Geschwindigkeit aber, die dadurch einem anderen Körper eingedrückt (oder entzogen) wird, kann nur unendlich klein seyn; denn jene ist nur eine Flächenkraft, oder, welches einerley ist, die Bewegung eines unendlich kleinen Quantum von Materie, die folglich mit endlicher Geschwindigkeit geschehen muß, um der Bewegung eines Körpers von endlicher Masse mit unendlich kleiner Geschwindigkeit (einem Gewichte) gleich zu seyn. Dagegen ist die Anziehung eine durchdringende Kraft und als mit einer solchen übt ein endliches Quantum der Materie auf ein gleichfalls endliches Quantum einer andern bewegende Kraft aus. Die Solicitation der Anziehung muß also unendlich klein seyn, weil sie dem Moment der Acceleration (welches jederzeit unendlich klein seyn muß) gleich ist, welches bey der Zurückstoßung, da ein unendlich kleiner Theil der Materie einem endlichen ein Moment eindrücken soll, der Fall nicht ist. Es läßt sich keine Anziehung mit einer endlichen Geschwindigkeit denken, ohne daß die Materie durch ihre eigene Anziehungskraft sich selbst durchdringen müßte. Denn die Anziehung, welche eine endliche Quantität Materie auf eine endliche mit einer endlichen Geschwindigkeit ausübt, muß eine jede endliche Geschwindigkeit, womit die Materie durch ihre Undurchdringlichkeit, aber nur mit einem unendlich kleinen Theil der Quantität ihrer Materie entgegenwirkt, in allen Puncten der Zusammendrückung [135/136] überlegen seyn. Wenn die Anziehung nur eine Flächenkraft ist, wie man sich den Zusammenhang denkt, so würde das Gegentheil von diesem erfolgen. Allein es ist unmöglich ihn so zu denken, wenn er wahre Anziehung (und nicht blos äußere Zusammendrückung) seyn soll.
Ein absolut-harter Körper würde derjenige seyn, dessen Theile einander so stark zögen, daß sie durch kein Gewicht getrennt, noch in ihrer Lage gegen einander verändert werden könnten. Weil nun die Theile der Materie eines solchen Körpers sich mit einem Moment der Acceleration ziehen müßten, welches gegen das der Schwere unendlich, der Masse aber, welche dadurch getrieben wird, endlich seyn würde, so müßte der Widerstand durch Undurchdringlichkeit, als expansive Kraft, da er jederzeit mit einer unendlich-kleinen Quantität der Materie geschieht, mit mehr als endlicher Geschwindigkeit der Solicitation geschehen, d. i. die Materie würde sich mit unendlicher Geschwindigkeit auszudehnen trachten, welches unmöglich ist. Also ist ein absolut-harter Körper, d. i. ein solcher, der einem mit endlicher Geschwindigkeit bewegten Körper im Stoße einen Widerstand, der der ganzen Kraft desselben gleich wäre, in einem Augenblick entgegensetzte, unmöglich. Folglich leistet eine Materie durch ihre Undurchdringlichkeit oder Zusammenhang, gegen die Kraft eines Körpers in endlicher Bewegung, in einem Augenblicke nur unendlich kleinen Widerstand. Hieraus folgt nun das mechanische Gesetz der Stetigkeit (lex continui mechanica), nämlich: [136/137] an keinem Körper wird der Zustand der Ruhe, oder der Bewegung, und an dieser, der Geschwindigkeit oder der Richtung, durch den Stoß in einem Augenblicke verändert, sondern nur in einer gewissen Zeit, durch eine unendliche Reihe von Zwischenzuständen, deren Unterschied von einander kleiner ist, als der des ersten und letzten. Ein bewegter Körper, der auf eine Materie stößt, wird also durch deren Widerstand nicht auf einmal, sondern nur durch continuirliche Retardation zur Ruhe, oder der, so in Ruhe war, nur durch continuirliche Acceleration in Bewegung, oder aus einem Grade Geschwindigkeit in einen andern nur nach derselben Regel versetzt; imgleichen wird die Richtung seiner Bewegung in eine solche, die mit jener einen Winkel macht, nicht anders als vermittelst aller möglichen dazwischen liegenden Richtungen, d. i. vermittelst der Bewegung in einer krummen Linie, verändert (welches Gesetz aus einem ähnlichen Grunde auch auf die Veränderung des Zustandes eines Körpers durch Anziehung erweitert werden kann). Diese lex continui gründet sich auf dem Gesetze der Trägheit der Materie, da hingegen das metaphysische Gesetz der Stetigkeit auf alle Veränderung (innere so wohl als äussere) überhaupt ausgedehnt seyn müßte, und also auf dem bloßen Begriffe einer Veränderung überhaupt, als Größe, und der Erzeugung derselben, (die nothwendig in einer gewissen Zeit continuirlich, so wie die Zeit selbst, vorginge,) gegründet seyn würde, hier also keinen Platz findet. [137/138]



Viertes Hauptstück.


Metaphysische Anfangsgründe


der


Phänomenologie.



Erklärung.



M aterie ist das Bewegliche, so fern es, als ein solches, ein Gegenstand der Erfahrung seyn kann.

Anmerkung.



Bewegung ist, so wie alles, was durch Sinne vorgestellt wird, nur als Erscheinung gegeben. Damit ihre Vorstellung Erfahrung werde, dazu wird noch erfodert, daß etwas durch den Verstand gedacht werde, nämlich zu der Art, wie die Vorstellung dem Subjecte inhärirt, noch die Bestimmung eines Objects durch dieselbe. Also wird das Bewegliche, als ein solches, ein Gegenstand der Erfahrung, wenn ein gewisses Object (hier also ein materielles Ding) in Ansehung des Prädicats der Bewegung als bestimmt gedacht wird. Nun ist aber Bewegung Veränderung der Relation im Raume. Es sind also hier immer zwey Correlata, deren einem in der Erscheinung erstlich eben so gut wie dem anderen die Veränderung beygelegt, und dasselbe entweder, oder das andere bewegt genannt werden kann, weil beides gleichgültig ist, oder [138/139] zweytens, deren eines in der Erfahrung mit Ausschliessung des anderen als bewegt gedacht werden muß, oder drittens, deren beide nothwendig durch Vernunft als zugleich bewegt vorgestellt werden müssen. In der Erscheinung, die nichts als die Relation in der Bewegung (ihrer Veränderung nach) enthält, ist nichts von diesen Bestimmungen enthalten; wenn aber das Bewegliche als ein solches, nämlich seiner Bewegung nach, bestimmt gedacht werden soll, d. i. zum Behuf einer möglichen Erfahrung, ist es nöthig die Bedingungen anzuzeigen, unter welchen der Gegenstand (die Materie) auf eine oder andere Art durch das Prädicat der Bewegung bestimmt werden müsse. Hier ist nicht die Rede von Verwandlung des Scheins in Wahrheit, sondern der Erscheinung in Erfahrung; denn beim Scheine ist der Verstand mit seinen einen Gegenstand bestimmenden Urtheilen jederzeit im Spiele, obzwar er in Gefahr ist das Subjective für objectiv zu nehmen; in der Erscheinung aber ist gar kein Urtheil des Verstandes anzutreffen; welches nicht blos hier, sondern in der ganzen Philosophie anzumerken nöthig ist, weil man sonst, wenn von Erscheinungen die Rede ist, und man nimmt diesen Ausdruck für einerley der Bedeutung nach mit dem des Scheins, jederzeit übel verstanden wird.

Lehrsatz 1.



Die geradlinigte Bewegung einer Materie in Ansehung eines empirischen Raumes ist, zum [139/140] Unterschiede von der entgegengesetzten Bewegung des Raums, ein blos mögliches Prädicat. Eben dasselbe in gar keiner Relation auf eine Materie ausser ihr, d. i. als absolute Bewegung gedacht, ist unmöglich.

Beweis.



Ob ein Körper im relativen Raume bewegt, dieser aber ruhig genannt werde, oder, umgekehrt, dieser in entgegengesetzter Richtung gleich geschwinde bewegt, dagegen jener ruhig genannt werden solle, ist kein Streit über das, was dem Gegenstande, sondern nur seinem Verhältnisse zum Subject, mithin der Erscheinung und nicht der Erfahrung, zukommt. Denn, stellt sich der Zuschauer in demselben Raume als ruhig, so heißt ihm der Körper bewegt; stellt er sich (wenigstens in Gedanken) in einem andern und jenen umfassenden Raum, in Ansehung dessen der Körper gleichfalls ruhig ist, so heißt jener relative Raum bewegt. Also ist in der Erfahrung (einer Erkenntnis, die das Object für alle Erscheinungen gültig bestimmt,) gar kein Unterschied zwischen der Bewegung des Körpers im relativen Raume, oder der Ruhe des Körpers im absoluten und der entgegengesetzten gleichen Bewegung des relativen Raums. Nun ist die Vorstellung eines Gegenstandes durch eines von zweyen Prädicaten, die in Ansehung des Objects gleichgeltend sind [140/141] und sich nur in Ansehung des Subjects und seiner Vorstellungsart von einander unterscheiden, nicht die Bestimmung nach einem disjunctiven, sondern blos die Wahl nach einem alternativen Urtheile, (deren das erstere von zweyen objectiv entgegengesetzten Prädicaten eines mit Ausschliessung des Gegentheils, das andere aber von objectiv zwar gleichgeltenden, subjectiv aber einander entgegengesetzten Urtheilen, ohne Ausschliessung des Gegentheils vom Object, - also durch bloße Wahl - eines zur Bestimmung desselben annimmt) *); das heißt: durch den Begrif der Bewegung, als Gegenstandes der Erfahrung, ist es an sich unbestimmt, mithin gleichgeltend, ob ein Körper im relativen Raume, oder dieser in Ansehung jenes als bewegt vorgestellt werde. Nun ist dasjenige, was in Ansehung zweyer einander entgegengesetzter Prädicate an sich unbestimmt ist, so fern blos möglich. Also ist die geradlinigte Bewegung einer Materie im empirischen Raume, zum Unterschiede von der entgegengesetzten gleichen Bewegung des Raumes, in der Erfahrung ein blos mögliches Prädicat; welches das erste war.
Da ferner eine Relation, mithin auch eine Veränderung derselben, d. i. Bewegung, nur so fern ein

*) Von diesem Unterschiede der disjunctiven und alternativen Entgegensetzung ein Mehreres in der allgemeinen Anmerkung zu diesem Hauptstücke. [141/142]

Gegenstand der Erfahrung seyn kann, als beide Correlate Gegenstände der Erfahrung sind; der reine Raum aber, den man auch, im Gegensatze gegen den relativen (empirischen), den absoluten Raum nennt, kein Gegenstand der Erfahrung und überall nichts ist: so ist die geradlinigte Bewegung ohne Beziehung auf irgend etwas Empirisches, d. i. die absolute Bewegung, schlechterdings unmöglich, welches das zweyte war.

Anmerkung.



Dieser Lehrsatz bestimmt die Modalität der Bewegung in Ansehung der Phoronomie.

Lehrsatz 2.



Die Kreisbewegung einer Materie ist, zum Unterschiede von der entgegengesetzten Bewegung des Raums, ein wirkliches Prädicat derselben; dagegen ist die entgegengesetzte Bewegung eines relativen Raums, statt der Bewegung des Körpers genommen, keine wirkliche Bewegung des letzteren, sondern, wenn sie dafür gehalten wird, ein bloßer Schein.

Beweis.



Die Kreisbewegung ist (so wie jede krummlinigte) eine continuirliche Veränderung der geradlinigten, und, da diese selbst eine continuirliche Veränderung der Relation in Ansehung des äusseren Raumes ist, [142/143] so ist die Kreisbewegung eine Veränderung der Veränderung dieser äusseren Verhältnisse im Raume, folglich ein continuirliches Entstehen neuer Bewegungen. Weil nun nach dem Gesetze der Trägheit eine Bewegung, so fern sie entsteht, eine äussere Ursache haben muß, gleichwol aber der Körper in jedem Puncte dieses Kreises (nach eben demselben Gesetze) für sich in der den Kreis berührenden geraden Linie fortzugehen bestrebt ist, welche Bewegung jener äusseren Ursache entgegenwirkt, so beweiset jeder Körper in der Kreisbewegung durch seine Bewegung eine bewegende Kraft. Nun ist die Bewegung des Raumes, zum Unterschiede der Bewegung des Körpers blos phoronomisch, und hat keine bewegende Kraft. Folglich ist das Urtheil, daß hier entweder der Körper, oder der Raum, in entgegengesetzter Richtung bewegt sey, ein disjunctives Urtheil, durch welches, wenn das eine Glied, nämlich die Bewegung des Körpers, gesetzt ist, das andere, nämlich die des Raumes, ausgeschlossen wird; also ist die Kreisbewegung eines Körpers, zum Unterschiede von der Bewegung des Raums, wirkliche Bewegung, folglich die letztere, wenn sie gleich der Erscheinung nach mit der ersteren übereinkommt, dennoch im Zusammenhange aller Erscheinungen, d. i. der möglichen Erfahrung, dieser widerstreitend, also nichts als bloßer Schein. [143/144]

Anmerkung.



Dieser Lehrsatz bestimmt die Modalität der Bewegung in Ansehung der Dynamik; denn eine Bewegung, die nicht ohne den Einfluß einer continuirlich wirkenden äussern bewegenden Kraft stattfinden kann, beweiset mittelbar oder unmittelbar, ursprüngliche Bewegkräfte der Materie, es sey der Anziehung oder Zurückstoßung. - Uebrigens kann Newtons Scholium zu den Definitionen, die er seinen Princ. Phil. Nat. Math. vorangesetzt hat, gegen das Ende, hierüber nachgesehen werden, aus welchem erhellet, daß die Kreisbewegung zweyer Körper um einen gemeinschaftlichen Mittelpunct (mithin auch die Achsendrehung der Erde) selbst im leeren Raume, also ohne alle durch Erfahrung mögliche Vergleichung mit dem äusseren Raume, dennoch vermittelst der Erfahrung könne erkannt werden, daß also eine Bewegung, die eine Veränderung der äusseren Verhältnisse im Raume ist, empirisch gegeben werden könne, obgleich dieser Raum selbst nicht empirisch gegeben und kein Gegenstand der Erfahrung ist, welches Paradoxon aufgelöset zu werden verdient.

Lehrsatz 3.



In jeder Bewegung eines Körpers, wodurch er in Ansehung eines anderen bewegend ist, ist eine entgegengesetzte gleiche Bewegung des letzteren nothwendig. [144/145]

Beweis.



Nach dem dritten Gesetze der Mechanik (Lehrs. 4) ist die Mittheilung der Bewegung der Körper nur durch die Gemeinschaft ihrer ursprünglich bewegenden Kräfte und diese nur durch beiderseitige entgegengesetzte und gleiche Bewegung möglich. Die Bewegung beider ist also wirklich. Da aber die Wirklichkeit dieser Bewegung nicht (wie im zweyten Lehrsatze) auf dem Einflusse äusserer Kräfte beruht, sondern aus dem Begriffe der Relation des Bewegten im Raume zu jedem anderen dadurch Beweglichen unmittelbar und unvermeidlich folgt, so ist die Bewegung des letzteren nothwendig.

Anmerkung.



Dieser Lehrsatz bestimmt die Modalität der Bewegung in Ansehung der Mechanik. - Daß übrigens diese drey Lehrsätze die Bewegung der Materie in Ansehung ihrer Möglichkeit, Wirklichkeit und Nothwendigkeit, mithin in Ansehung aller dreyen Categorien der Modalität bestimmen, fällt von selbst in die Augen.

Allgemeine Anmerkung



zur



Phänomenologie.



E s zeigen sich also hier drey Begriffe, deren Gebrauch in der allgemeinen Naturwissenschaft unvermeidlich, deren [145/146] genaue Bestimmung um deswillen nothwendig, obgleich eben nicht so leicht und faßlich ist, nämlich der Begriff der Bewegung im relativen (beweglichen) Raume, zweytens der Begriff der Bewegung im absoluten (unbeweglichen) Raume, drittens der Begriff der relativen Bewegung überhaupt, zum Unterschiede von der absoluten. Allen wird der Begriff des absoluten Raumes zum Grunde gelegt. Wie kommen wir aber zu diesem sonderbaren Begriffe, und worauf beruht die Nothwendigkeit seines Gebrauchs?
Er kann kein Gegenstand der Erfahrung seyn; denn der Raum ohne Materie ist kein Object der Wahrnehmung, und dennoch ist er ein nothwendiger Vernunftbegrif, mithin nichts weiter, als eine bloße Idee. Denn, damit Bewegung auch nur als Erscheinung gegeben werden könne, dazu wird eine empirische Vorstellung des Raums, in Ansehung dessen das Bewegliche sein Verhältnis verändern soll, erfodert, der Raum aber, der wargenommen werden soll, muß material, mithin, dem Begriffe einer Materie überhaupt zu Folge, selbst beweglich seyn. Um ihn nun bewegt zu denken, darf man ihn nur als in einem Raume von größerem Umfange enthalten denken und diesen als ruhig annehmen. Mit diesem aber läßt sich eben dasselbe in Ansehung eines noch mehr erweiterten Raumes veranstalten und so ins Unendliche, ohne jemals zu einem unbeweglichen (unmateriellen) Raume durch Erfahrung zu [146/147] gelangen, in Ansehung dessen irgend einer Materie schlechthin Bewegung oder Ruhe beygelegt werden könne, sondern der Begriff dieser Verhältnisbestimmungen wird beständig abgeändert werden müssen, nachdem man das Bewegliche mit einem oder dem anderen dieser Räume in Verhältnis betrachten wird. Da nun die Bedingung, etwas als ruhig oder bewegt anzusehen, im relativen Raume ins Unendliche immer wiederum bedingt ist, so erhellt daraus erstlich: daß alle Bewegung oder Ruhe blos relativ und keine absolut seyn könne, d. i. daß Materie blos in Verhältnis auf Materie, niemals aber in Ansehung des bloßen Raumes ohne Materie, als bewegt oder ruhig gedacht werden könne, mithin absolute Bewegung, d. i. eine solche, die ohne alle Beziehung einer Materie auf eine andere gedacht wird, schlechthin unmöglich sey; zweytens, daß auch eben darum kein für alle Erscheinung gültiger Begriff von Bewegung oder Ruhe im relativen Raume möglich sey, sondern man sich einen Raum, in welchem dieser selbst als bewegt gedacht werden könne, der aber seiner Bestimmung nach weiter von keinem anderen empirischen Raume abhängt und daher nicht wiederum bedingt ist, d. i. einen absoluten Raum, auf den alle relative Bewegungen bezogen werden können, denken müsse, in welchem alles Empirische beweglich ist, eben darum, damit in demselben alle Bewegung des Materiellen, als blos relativ gegen einander, als alternativ-wechselsei-[147/148]tig *), keine aber als absolute Bewegung oder Ruhe (da, indem das eine bewegt heißt, das andere, worauf in Be-

*) In der Logik bezeichnet das Entweder-Oder jederzeit ein disjunctives Urtheil; da denn, wenn das eine wahr ist, daß andere falsch seyn muß. Z. B. ein Körper ist entweder bewegt, oder nicht bewegt, d. i. in Ruhe. Denn man redet da lediglich von dem Verhältnis des Erkentnisses zum Objecte. In der Erscheinungslehre, wo es auf das Verhältnis zum Subject ankommt, um darnach das Verhältnis der Objecte zu bestimmen, ist es anders. Denn da ist der Satz: der Körper ist entweder bewegt und der Raum ruhig, oder umgekehrt, nicht ein disjunctiver Satz in objectiver, sondern nur in subjectiver Beziehung, und beide darin enthaltene Urtheile gelten alternativ. In eben derselben Phänomenologie, wo die Bewegung nicht blos phoronomisch, sondern vielmehr dynamisch betrachtet wird, ist dagegen der disjunctive Satz in objectiver Bedeutung zu nehmen; d. i. an die Stelle der Umdrehung eines Körpers kann ich nicht die Ruhe desselben und dagegen die entgegengesetzte Bewegung des Raums annehmen. Wo aber die Bewegung sogar mechanisch betrachtet wird, (wie wenn ein Körper gegen einen dem Scheine nach ruhigen anläuft) ist sogar das der Form nach disjunctive Urtheil in Ansehung des Objects distributiv zu gebrauchen, so daß die Bewegung nicht entweder dem einen oder dem andern, sondern einem jeden ein gleicher Antheil daran beygelegt werden muß. Diese Unterscheidung der alternativen, disjunctiven und distributiven Bestimmung eines Begriffs, in Ansehung entgegengesetzter Prädicate, hat ihre Wichtigkeit, kann aber hier nicht weiter erörtert werden. [148/149]

ziehung jenes bewegt ist, gleichwol als schlechthin ruhig vorgestellt wird) gelten möge. Der absolute Raum ist also nicht, als ein Begriff von einem wirklichen Object, sondern als eine Idee, welche zur Regel dienen soll, alle Bewegung in ihm blos als relativ zu betrachten, nothwendig, und alle Bewegung und Ruhe muß auf den absoluten Raum reducirt werden, wenn die Erscheinung derselben in einen bestimmten Erfahrungsbegriff (der alle Erscheinungen vereinigt) verwandelt werden soll.
So wird die geradlinigte Bewegung eines Körpers im relativen Raume auf den absoluten Raum reducirt, wenn ich den Körper als an sich ruhig, jenen Raum aber im absoluten (der nicht in die Sinne fällt) in entgegengesetzter Richtung bewegt, und diese Vorstellung als diejenige denke, welche gerade dieselbe Erscheinung giebt, wodurch denn alle mögliche Erscheinungen geradlinigter Bewegungen, die ein Körper allenfalls zugleich haben mag, auf den Erfahrungsbegriff, der sie insgesamt vereinigt, nämlich den der blos relativen Bewegung und Ruhe, zurückgeführt werden.
Die Kreisbewegung, weil sie nach dem zweyten Lehrsatze, auch ohne Beziehung auf den äusseren empirisch-gegebenen Raum als wirkliche Bewegung in der Erfahrung gegeben werden kann, scheint doch in der That absolute Bewegung zu seyn. Denn die relative in Ansehung des äußeren Raums (z. B. die Achsendrehung der Erde relativ auf die Sterne des Himmels), ist eine Erscheinung, an [149/150] deren Stelle die entgegengesetzte Bewegung dieses Raums (des Himmels) in derselben Zeit, als jener völlig gleichgeltend, gesetzt werden kann, die aber nach diesem Lehrsatze in der Erfahrung durchaus nicht an deren Stelle gesetzt werden darf, mithin auch jene Kreisdrehung nicht als äußerlich relativ vorgestellt werden soll, welches so lautet, als ob diese Art der Bewegung für absolut anzunehmen sey.
Allein es ist wohl zu merken: daß hier von der wahren (wirklichen) Bewegung, die doch nicht als solche erscheint, die also, wenn man sie blos nach empirischen Verhältnissen zum Raume beurtheilen wollte, für Ruhe könnte gehalten werden, d. i. von der wahren Bewegung, zum Unterschiede vom Schein, nicht aber von ihr als absoluten Bewegung im Gegensatze der relativen die Rede sey, mithin die Kreisbewegung, ob sie zwar in der Erscheinung keine Stellen-Veränderung, d. i. keine phoronomische, des Verhältnisses des Bewegten zum (empirischen) Raume, zeigt, dennoch eine durch Erfahrung erweisliche continuirliche dynamische Veränderung des Verhältnisses der Materie in ihrem Raume, z. B. eine beständige Verminderung der Anziehung durch eine Bestrebung zu entfliehen, als Wirkung der Kreisbewegung, zeige und dadurch den Unterschied derselben vom Schein sicher bezeichne. Man kann sich z. B. die Erde im unendlichen leeren Raum als um die Achse gedreht vorstellen, und diese Bewegung auch durch Erfahrung darthun, obgleich weder das Verhältnis [150/151] der Theile der Erde untereinander, noch zum Raume außer ihr, phoronomisch, d. i. in der Erscheinung verändert wird. Denn in Ansehung des ersteren als empirischen Raumes verändert nichts auf und in der Erde seine Stelle, und in Beziehung des zweyten, der ganz leer ist, kann überall kein äußeres verändertes Verhältnis, mithin auch keine Erscheinung einer Bewegung stattfinden. Allein, wenn ich mir eine zum Mittelpunct der Erde hingehende tiefe Höle vorstelle, und lasse einen Stein darin fallen, finde aber, daß, obzwar in jeder Weite vom Mittelpuncte die Schwere immer nach diesem hingerichtet ist, der fallende Stein dennoch von seiner senkrechten Richtung im Fallen continuirlich und zwar von West nach Ost abweiche, so schließe ich, die Erde sey von Abend gegen Morgen um die Achse gedreht. Oder wenn ich auch außerhalb den Stein von der Oberfläche der Erde weiter entferne, und er bleibt nicht über demselben Puncte der Oberfläche, sondern entfernt sich von demselben von Osten nach Westen, so werde ich auf eben dieselbe vorhergenannte Achsendrehung der Erde schließen und beiderley Wahrnehmungen werden zum Beweise der Wirklichkeit dieser Bewegung hinreichend seyn, wozu die Veränderung des Verhältnisses zum äußeren Raume (dem bestirnten Himmel) nicht hinreicht, weil sie bloße Erscheinung ist, die von zwey in der That entgegengesetzten Gründen herrühren kann und nicht ein aus dem Erklärungsgrunde aller Erscheinungen dieser Veränderung abgeleitetes Erkenntnis, d. i. Erfahrung, ist. Daß aber diese Be-[151/152][we]gung, ob sie gleich keine Veränderung des Verhältnisses zum empirischen Raume ist, dennoch keine absolute Bewegung, sondern continuirliche Veränderung der Relationen der Materien zu einander, obzwar im absoluten Raume vorgestellt, mithin wirklich nur relative und sogar darum allein wahre Bewegung sey, das beruht auf der Vorstellung der wechselseitigen continuirlichen Entfernung eines jeden Theils der Erde (außerhalb der Achse) von jedem andern ihm in gleicher Entfernung vom Mittelpuncte im Diameter gegenüber liegenden. Denn diese Bewegung ist im absoluten Raume wirklich, indem dadurch der Abgang der gedachten Entfernung, den die Schwere für sich allein dem Körper zuziehen würde, und zwar ohne alle dynamische zurücktreibende Ursache (wie man aus dem von Newton Prin. Ph. N. pag. 10. Edit. 1714. *) gewählten Beyspiele ersehen kann), mithin durch wirkliche, aber auf den

*) Er sagt daselbst: Motus quidem veros corporum singulorum cognoscere et ab apparentibus actu discriminare difficillimum est: propterea, quod partes spatii illius immobilis, in quo corpora vere moventur, non incurrunt in sensus. Caussa tamen non est prorsus desperata. Hierauf läßt er zwey durch einen Faden verknüpfte Kugeln sich um ihren gemeinschaftlichen Schwerpunct im leeren Raume drehen, und zeigt, wie die Wirklichkeit ihrer Bewegung samt der Richtung derselben dennoch durch Erfahrung könne gefunden werden. Ich habe dieses auch an der um ihre Achse bewegten Erde unter etwas veränderten Umständen zu zeigen gesucht. [152/153]

innerhalb der bewegten Materie (nämlich das Centrum derselben) beschlossenen, nicht aber auf den äußeren Raum bezogene Bewegung, continuirlich ersetzt wird.
Was den Fall des dritten Lehrsatzes anlangt, so bedarf es, um die Wahrheit der wechselseitig-entgegengesetzten und gleichen Bewegung beider Körper auch ohne Rücksicht auf den empirischen Raum zu zeigen, nicht einmal des im zweyten Fall nöthigen durch Erfahrung gegebenen thätigen dynamischen Einflusses (der Schwere, oder eines gespannten Fadens), sondern die bloße dynamische Möglichkeit eines solchen Einflusses, als Eigenschaft der Materie, (die Zurückstoßung oder Anziehung) führt, bey der Bewegung der einen, die gleiche und entgegengesetzte Bewegung der andern zugleich mit sich, und zwar aus bloßen Begriffen einer relativen Bewegung, wenn sie im absoluten Raume, d. i. nach der Wahrheit betrachtet wird, und ist daher, wie alles was aus bloßen Begriffen hinreichend erweislich ist, ein Gesetz einer schlechterdings nothwendigen Gegenbewegung.
Es ist also auch keine absolute Bewegung, wenn gleich ein Körper im leeren Raume in Ansehung eines anderen als bewegt gedacht wird; die Bewegung beider wird hier nicht relativ auf den sie umgebenden Raum, sondern nur auf den zwischen ihnen, welcher ihr äußeres Verhältnis unter einander allein bestimmt, als den absoluten Raum betrachtet, und ist also wiederum nur relativ. Absolute Bewegung würde also nur diejenige seyn, die einem Kör-[153/154]per ohne ein Verhältnis auf irgend eine andere Materie zukäme. Eine solche wäre allein die geradlinigte Bewegung des Weltganzen, d. i. des Systems aller Materie. Denn, wenn außer einer Materie noch irgend eine andere, selbst durch den leeren Raum getrennte Materie wäre, so würde die Bewegung schon relativ seyn. Um deswillen ist ein jeder Beweis eines Bewegungsgesetzes, der darauf hinausläuft, daß das Gegentheil desselben eine geradlinigte Bewegung des ganzen Weltgebäudes zur Folge haben müßte, ein apodictischer Beweis der Wahrheit desselben; blos weil daraus absolute Bewegung folgen würde, die schlechterdings unmöglich ist. Von der Art ist das Gesetz des Antagonisms in aller Gemeinschaft der Materie durch Bewegung. Denn eine jede Abweichung von demselben würde den gemeinschaftlichen Mittelpunct der Schwere aller Materie, mithin das ganze Weltgebäude aus der Stelle rücken, welches dagegen, wenn man dieses sich als um seine Achse gedreht vorstellen wollte, nicht geschehen würde, welche Bewegung also immer noch zu denken möglich, obzwar anzunehmen, so viel man absehen kann, ganz ohne begreiflichen Nutzen seyn würde.
Auf die verschiedenen Begriffe der Bewegung und bewegenden Kräfte haben auch die verschiedenen Begriffe vom leeren Raume ihre Beziehung. Der leere Raum in phoronomischer Rücksicht, der auch der absolute Raum heißt, sollte billig nicht ein leerer Raum genannt werden; denn er ist nur die Idee von einem Raume, in welchem [154/155] ich von aller besonderen Materie, die ihn zum Gegenstande der Erfahrung macht, abstrahire, um in ihm den materiellen, oder jeden empirischen Raum, noch als beweglich und dadurch die Bewegung nicht blos einseitig, als absolutes, sondern jederzeit wechselseitig, als blos relatives Prädicat zu denken. Er ist also gar nichts, was zur Existenz der Dinge, sondern blos zur Bestimmung der Begriffe gehört und so fern existirt kein leerer Raum. Der Leere Raum in dynamischer Rücksicht ist der, der nicht erfüllt ist, d. i. worin dem Eindringen des Beweglichen nichts anderes Bewegliches widersteht, folglich keine repulsive Kraft wirkt, und er kann entweder der leere Raum in der Welt (vacuum mundanum), oder, wenn diese als begrenzt vorgestellt wird, der leere Raum außer der Welt (vacuum extramundanum) seyn; der erstere auch entweder als zerstreuter (vacuum disseminatum, der nur einen Theil des Volumens der Materie ausmacht), oder als gehäufter leerer Raum (vacuum coaceruatum, der die Körper, z. B. Weltkörper, von einander absondert) vorgestellt werden, welche Unterscheidung, da sie nur auf den Unterschied der Plätze, die man dem leeren Raum in der Welt anweiset, beruht, eben nicht wesentlich ist, aber doch in verschiedener Absicht gebraucht wird, der erste, um den specifischen Unterschied der Dichtigkeit, der zweyte, um die Möglichkeit einer von allem äußeren Widerstande freyen Bewegung im Weltraume davon abzuleiten. Daß den leeren Raum in der ersteren Absicht anzunehmen nicht [155/156] nöthig sey, ist schon in der allgemeinen Anmerkung zur Dynamik gezeigt worden; daß er aber unmöglich sey, kann aus seinem Begriffe allein, nach dem Satze des Widerspruchs, keinesweges bewiesen werden. Gleichwol, wenn hier auch kein blos logischer Grund der Verwerfung desselben anzutreffen wäre, könnte doch ein allgemeiner physischer Grund, ihn aus der Naturlehre zu verweisen, nämlich der von der Möglichkeit der Zusammensetzung einer Materie überhaupt, daseyn, wenn man die letztere nur besser einsähe. Denn wenn die Anziehung, die man zur Erklärung des Zusammenhanges der Materie annimmt, nur scheinbare, nicht wahre Anziehung, vielmehr etwa blos die Wirkung einer Zusammendrückung durch äußere, im Weltraume allenthalben verbreitete Materie (den Aether), welche selbst nur durch eine allgemeine und ursprüngliche Anziehung, nämlich die Gravitation, zu diesem Drucke gebracht wird, seyn sollte, welche Meinung manche Gründe für sich hat, so würde der leere Raum innerhalb den Materien, wenn gleich nicht logisch, doch dynamisch und also physisch unmöglich seyn, weil jede Materie sich in die leeren Räume, die man innerhalb derselben annähme, (da ihrer expansiven Kraft hier nichts widersteht) von selbst ausbreiten und sie jederzeit erfüllet erhalten würde. Ein leerer Raum außer der Welt würde, wenn man unter dieser den Inbegriff aller vorzüglich attractiven Materien (der großen Weltkörper) versteht, aus eben denselben Gründen unmöglich seyn, weil nach dem Maaße als die Entfernung von diesen zunimmt, auch die An-[156/157]ziehungskraft auf den Aether, (der jene Körper alle einschließt und, von jener getrieben, sie in ihrer Dichtigkeit durch Zusammendrückung erhält) in umgekehrtem Verhältnisse abnimmt, dieser also selbst nur ins Unendliche an Dichtigkeit abnehmen, nirgend aber den Raum ganz leer lassen würde. Daß es indessen mit dieser Wegschaffung des leeren Raums ganz hypothetisch zugeht, darf niemand befremden; geht es doch mit der Behauptung desselben nicht besser zu. Diejenige, welche diese Streitfrage dogmatisch zu entscheiden wagen, sie mögen es bejahend oder verneinend thun, stützen sich zuletzt auf lauter metaphysische Voraussetzungen, wie aus der Dynamik zu ersehen ist, und es war wenigstens nöthig, hier zu zeigen, daß diese über gedachte Aufgabe gar nicht entscheiden können. Was drittens den leeren Raum in mechanischer Absicht betrift, so ist dieser das gehäufte Leere innerhalb dem Weltganzen, um den Weltkörpern freye Bewegung zu verschaffen. Man siehet leicht, daß die Möglichkeit oder Unmöglichkeit desselben nicht auf metaphysischen Gründen, sondern dem schwer aufzuschließenden Naturgeheimnisse, auf welche Art die Materie ihrer eigenen ausdehnenden Kraft Schranken setze, beruhe. Gleichwol, wenn das, was in der allgem. Anmerk. zur Dynamik von der ins Unendliche möglichen größeren Ausdehnung specifisch verschiedener Stoffe, bey derselben Quantität der Materie (ihrem Gewichte nach) gesagt worden, eingeräumt wird, so möchte wol, um der freyen und daurenden Bewegung der Weltkörper willen, einen leeren [157/158] Raum anzunehmen, unnöthig seyn, weil der Widerstand, selbst bey gänzlich erfülleten Räumen, alsdenn doch so klein, als man will, gedacht werden kann.


Und so endigt sich die metaphysische Körperlehre mit dem Leeren und eben darum Unbegreiflichen, worin sie einerley Schicksal mit allen übrigen Versuchen der Vernunft hat, wenn sie im Zurückgehen zu Principien den ersten Gründen der Dinge nachstrebt, da, weil es ihre Natur so mit sich bringt, niemals etwas anders, als so fern es unter gegebenen Bedingungen bestimmt ist, zu begreifen, folglich sie weder beym Bedingten stehen bleiben, noch sich das Unbedingte faßlich machen kann, ihr, wenn Wißbegierde sie auffodert, das absolute Ganze aller Bedingungen zu fassen, nichts übrig bleibt, als von den Gegenständen auf sich selbst zurückzukehren, um, anstatt der letzten Grenze der Dinge, die letzte Grenze ihres eigenen sich selbst überlassenen Vermögens zu erforschen und zu bestimmen.



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