PHILOSOPHISCHE VORTRÄGE

VERÖFFENTLICHT VON DER KANT-GESELLSCHAFT.

UNTER MITWIRKUNG VON H. VAIHINGER UND M. FRISCHEISEN-KÖHLER



HERAUSGEGEBEN VON ARTHUR LIEBERT. Nr. 18.






Über den Zufall




von





D. Dr. Adolf Lasson


weil. Professor an der Universität Berlin





Zweite unveränderte Auflage










Berlin


Verlag von Reuther & Reichard


1918





Vortrag,


gehalten in der Berliner Abteilung der Kant-Gesellschaft


am 11. April 1916.





Alle Rechte vorbehalten.




Vorwort.




Durch schwere Krankheit war Adolf Lasson lange verhindert gewesen, den von ihm am 11. April 1916 in der Berliner Abteilung der Kant-Gesellschaft gehaltenen Vortrag über den Zufall für den Druck vorzubereiten, Während des Novembers 1917 wurde es ihm möglich, ihn in erweiterter Form zu diktieren; eigenes längeres Schreiben war ihm durch die Schwäche des Augenlichtes versagt. Vor dem Drucke des Manuskripts ereilte ihn der Tod. Dem Unterzeichneten hat es obgelegen, die Korrektur zu lesen und nach den Angaben des Entschlafenen das Inhaltsverzeichnis beizufügen.
Adolf Lasson hat sich über den Zufall schon einmal in einer Diskussionsrede öffentlich geäußert (Philos. Vorträge, herausg. von der Philos. Gesellsch. in Berlin, N. F., 1887). Diesen gelegentlichen witzsprühenden Ausführungen folgt hier die zwar knappe, aber doch systematisch durchgearbeitete zusammenfassende Darstellung. Es ist ein merkwürdiger Zufall, daß seine letzte wissenschaftliche Arbeit diesem Gegenstande gegolten hat, der ihm stets besonders am Herzen lag, weil er in seiner Behandlung den Beweis geliefert sah, daß der von ihm verfochtene Idealismus dem tatsächlichen Befunde der Wirklichkeit mehr gerecht werde als jede sich empirisch und realistisch nennende Denkweise. Möge seine Deutung des Zufalls denen, die den schmerzlichen, aber unvermeidlichen Zufall seines Todes beklagen, den Trost der Erhebung zu dem ewigen Sinn und der hohen Vernünftigkeit alles Geschehens gewähren.

Berlin NO 43, d. 17. Januar 1918.
Georg Lasson.
[3/4]



Inhalt.



Seite

Vorbemerkung1-2

I. Arten des Grundes2-13

II. Begriffe der Modalität14-20

III. Das Spiel des Zufalls20-30

IV. Die geistige Ordnung30-37

V. Die Dienstbarkeit des Zufalls37-44

VI. Vernunft und Freiheit44-47

VII. Die Harmonie47-52

VIII. Allgemeinheit und Einzelheit52-59

IX. Das Universum als lebendige Einheit.59-68

[4/5]



V om Zufall denken und sprechen die Menschen im allgemeinen nicht so, wie es angemessen wäre. Und zwar ist es eine dreifache Beziehung, in der ihre Auffassung dem Gegenstande nicht Genüge leistet. Zunächst machen sie sich Wesen und Begriff des Zufalls nicht genügend klar. Sodann beachten sie nicht die Unterschiede, die am umfassenden Begriff des Zufalls hervortreten und die Zufälligkeit in Arten gliedern. Und endlich ermessen sie nicht die entscheidende Bedeutung, die der Zufall im Zusammenhange alles dessen was ist, und dessen, was geschieht, für das sinnliche wie für das geistige Universum besitzt und immer wieder zur Geltung bringt. In all diesen drei Beziehungen wollen wir im Folgenden versuchen, zu größerer Klarheit und Bestimmtheit zu gelangen, ohne indessen unsern Gang an diese Aufeinanderfolge ängstlich zu binden. Ein minder strenger Gang scheint dem Gegenstande sich anzupassen, und nichts hindert, das Ziel auf bequemerem Wege zu erreichen. Bei der großen Bedeutung des Zufalls für alles Menschliche wie für alles Äußere ist es natürlich, daß sehr viele ausdrücklich oder bei Gelegenheit über den Zufall gesprochen haben. Wir werden uns auf eine Bekämpfung fremder Auslassungen nicht einlassen, sondern den Gegenstand, wie wir es vermögen, behandeln, als ob wir zuerst über ihn Licht zu verbreiten die Aufgabe übernommen hätten.
Es ist kein Zufall, daß ich hier vor Ihnen rede. Es war lange das Ziel meines Ehrgeizes, an dieser Stelle zu einer andächtigen und verständnisvollen Versammlung zu sprechen, und ich bin dankbar, daß mir dieser Wunsch freundlich erfüllt worden ist. Ebensowenig ist es ein Zufall, daß ich über den Zufall zu Ihnen spreche. Es ist neuer-[5/6]dings wieder der Versuch gemacht worden, dem Zufall irgendwie durch Berechnung von Wahrscheinlichkeiten eine Art von Beleuchtung abzugewinnen. Man nennt das auch wohl naturwissenschaftliches Verfahren. Aber mit Natur hat es schlechterdings gar nichts zu tun, nur mit Mathematik. Zu diesem Zwecke wählt man sich gewisse Glücksspiele oder das Ziehen von Gegenständen verschiedener Art aus einer Urne als Beispiele der Zufälligkeit aus. Aber diese Beispiele können nicht als echte Vertreter reiner Zufälligkeit dienen. Solange es sich um eine bestimmte Anzahl von Elementen, um eine bestimmte Beschaffenheit von Gegenständen und um bestimmte Regeln in der Abwechslung handelt, ist die Zufälligkeit nicht in ihrem vollen Sinne vorhanden. Bei den Glücksspielen, auch abgesehen davon, daß meistens auf eine Art von Geschicklichkeit und Berechnung des Spielenden gezählt wird, ist die Vielheit der möglichen Abwechslungen, die sich ergeben, sehr groß; aber sie ist nicht im vollen Sinne des Worts unendlich. Wirklichen Zufall haben wir erst, wo die durcheinander wirbelnden Elemente an Zahl völlig unbestimmbar sind und ebenso unbestimmbar der Zahl nach die etwaigen Gesetze und Regeln, die das Ergebnis der durcheinander wirbelnden Bewegungen zur Folge haben.

I.



Wir wollen versuchen, uns zunächst über einige grundlegende Gedanken miteinander zu verständigen, um allmählich der Sache näher zu kommen.
Zufällig nennen wir etwas, was ist, und was doch ebensowohl nicht sein könnte. Zufällig ist gleicherweise die Beschaffenheit eines Gegenstandes, der ebensowohl auch anders sein könnte, und gleicherweise ein Ereignis, das ebensowohl auch hätte ausbleiben können. Der Gegenstand, die Beschaffenheit, das Ereignis ist wirklich da; es war also möglich, und unter den vielen Möglichkeiten, die hätten wirklich werden können, ist diese eine zur Verwirklichung gelangt. Ist [6/7] dies der Charakter der Zufälligkeit, so ist natürlich die Ansicht völlig ausgeschlossen, daß das Zufällige ein Grundloses sei. Auch das Zufällige hat seinen Grund.
In der Welt, in der wir leben und. die der Gegenstand unseres wissenschaftlichen Nachdenkens ist, kann es nichts geben, was schlechthin vereinzelt und ohne Verbindung mit anderem wäre. Jegliches ist von anderem verschieden und von ihm getrennt, aber in dieser seiner Eigenheit und Trennung bleibt es mit anderem verbunden. Dies Verhältnis denken wir als das Verhältnis von Grund und Folge. Jegliches, was wirklich ist, ist Folge eines Grundes und selbst wieder Grund einer Folge. Auf diese Weise zieht sich eine Verbindung durch alle Einzelheiten, wie sie in der Welt, die uns umgibt, uns verwirklicht entgegentreten, und durch diese Beziehung von Grund und Folge zwischen allen ihren Einzelheiten bildet die Welt, die sinnliche und die geistige, ein einheitliches Universum. Zu diesem gehört alles, was ist, jeder Gegenstand, jede Beschaffenheit eines Gegenstandes, jedes Geschehen und jedes Ereignis als integrierender Bestandteil.
Es wird gut sein, gleich an dieser Stelle uns über einige grundlegende Überzeugungen zu verständigen, die für das Folgende von entscheidender Bedeutung sind. Es gibt Wissenschaft und Erkenntnis der Gegenstände. Der Satz ist durch sich selber klar und unwiderleglich. Denn gäbe es keine Wissenschaft und keine Wahrheit, so wäre es auch nicht wahr, daß es keine Wissenschaft und keine Wahrheit gibt. Gibt es aber Wissenschaft und Wahrheit, so ist diese Welt, die Gegenstand unseres wissenschaftlichen Nachdenkens ist, aufgebaut auf der Grundlage der Stammbegriffe unseres menschlichen Verstandes. Und indem wir die Erscheinungen, die die Welt bilden, mit unserem Erkenntnisvermögen uns zum Verständnis zu bringen suchen, zeigen wir in diesen Erscheinungen eben diese Begriffe, begrifflichen Zusammenhänge und Gesetze auf, die das unveräußerliche Grundwesen unseres Geistes ausmachen. Es ist eine und dieselbe Vernunft, die unserem Geiste inne-[7/8]wohnt und in unserem Denken wirksam ist, die auch in allen Erscheinungen des sinnlichen und geistigen Universums unserem wissenschaftlichen Nachdenken sich zur Erscheinung bringt. Nur in diesem Sinne kann von Wissenschaft, Erkenntnis und Wahrheit die Rede sein. Nichts in der uns umgebenden Welt hat die Macht, sich der Nachforschung des wissenschaftlichen Denkens zu entziehen; denn es ist von derselben Vernunft bestimmt, die auch in unserem Denken tätig ist. In diesem Kreise wird es unnötig sein, sich dafür auf den ehrwürdigen Namen Immanuel Kants zu berufen. Entzieht sich der strengen Folgerichtigkeit des Denkens keine Erscheinung dieser Welt, die uns umgibt, so ist auch der Zufall von der Durchdringbarkeit durch das wissenschaftliche Nachdenken nicht ausgeschlossen. Der Zufall insbesondere steht unter dem Gesetze des Zusammenhanges von Grund und Folge.
Wo von Grund und Folge die Rede ist, da handelt es sich um zwei getrennte, ungleiche Gegenstände, zwischen denen ein Gemeinsames, was in beiden erhalten geblieben ist, die Verbindung bildet. Die Lehre von diesem Verhältnis ist noch wenig ausgebildet, und die Begriffe, die man damit verbindet, sind meistens sehr unbestimmt. Wir wollen darüber nur in aller Kürze Folgendes bemerken. Das Verhältnis von Grund und Folge zeigt uns in seinem einfachen Begriffe eine Vielheit von Unterschieden, die zugleich aufeinanderfolgende Stufen bezeichnen. jede niedere Stufe weist auf die höhere hin und ist in dieser mitenthalten. Alle diese Stufen zusammen finden in einer höchsten ihren Abschluß und bilden dadurch ein in sich geschlossenes Ganzes.
Dem Gedankengange des gemeinen Bewußtseins am nächsten liegt die niederste und abstrakteste Form dieses Verhältnisses. Ihr Wesen besteht darin, daß Grund und Folge, beide von äußerer dinglicher Art gedacht werden, räumliches Dasein und zeitliche Bewegung, und daß das Verhältnis von Grund und Folge nicht als aus inneren Kräften hervorgehend gedacht wird, sondern als auf äußerem [8/9] Anstoß beruhend. Beachtet wird dabei nicht sowohl die Verschiedenheit des Grundes von der Folge, als vielmehr das, was sich in beiden als das Gemeinsame erhält. Es 'bleibt das Quantum in dem Wechsel der Form. Das Quantum einerseits der Substanz, die als von dinglicher Art, als Materie vorgestellt wird, und zweitens das Quantum der Energie als der Summe der in Spannung befindlichen und der in tatsächlicher Arbeit sich äußernden Kräfte. Wir wollen dies Verhältnis, das in der mechanistischen Ansicht als die einzige und ausschließliche gültige Form des Verhältnisses von Grund und Folge gilt, als das der Verursachung bezeichnen, und wir gebrauchen den Ausdruck Ursache und Wirkung ausdrücklich nur für dieses rein äußerliche, mechanische Verhältnis.
Würde dieses mechanische Verhältnis allein in der Welt bestehen, so würde eigentlich in der Welt nichts sich ereignen und keine Verschiedenheit zur Erscheinung kommen können. Das Quantum der Substanz und das Quantum der Energie, beide erhalten sich. Wie aus dieser Erhaltung die Verschiedenheit des Geschehens hervorgeht, bleibt unerklärt und wird nicht einmal zum Gegenstande der Untersuchung gemacht. Aber Grund und Folge sind ja getrennt, sie sind der Qualität nach verschieden, und gerade in dieser Verschiedenheit der Qualitäten liegt das eigentliche Geschehen. Es erzeugt sich immer wieder Schall, Wärme, Licht und Farbe, alles dies mit der Fülle seiner Unterschiede. Soll die Welt verstanden werden, so bedarf es also für das Verhältnis von Ursache und Wirkung einer Ergänzung; eben dies, daß die Qual[i]täten sich stets erneuern und mit ihren Unterschieden [i]m wechselnden Geschehen erhalten bleiben, ist selbst weder Folge und hat seinen Grund. Dieses Verhältnis von Grund und Folge aber trägt einen wesentlich anderen Charakter als das rein mechanische der Verursachung.
Nicht bloß das Quantum der Substanz und das Quantum der Energie erhält sich; es erhalten sich auch die Qualitäten der Dinge, und dazu reicht als Erklärung die [9/10] bloß äußerliche dingliche, räumlich-zeitliche Form der Beziehung von Grund und Folge nicht aus. Vielmehr die Qualitäten erneuern sich immer wieder vermöge innerer, in den Dingen selber liegender Kräfte und Anlagen. Dieses Verhältnis von Grund und Folge, wie es jeder bestimmten Form zugrunde liegt, die uns als bleibende in der Welt entgegentritt, und wie es uns als unsere eigene Empfindung am unmittelbarsten zum Bewußtsein kommt, bezeichnen wir als Dependenz der Form.
Unsere Empfindung, die uns die bleibenden Qualitäten der Dinge erschließt, deutet auf die weitere Erscheinung, die das ganze Weltall durchzieht, auf das allgemein verbreitete Leben. Wir selber, die Denkenden, wir leben, und wohin wir schauen, treffen wir auf fremdes Leben. Und hier wieder erhalten sich die Grundformen aller Lebendigkeit in dem ungeheuren Wechsel aller Erscheinungen mit dem Charakter der Beständigkeit, ja der Ewigkeit. Das Lebendige aber ist geschlossene Gestalt, stets sich erneuernde Einheit, die ihr Maß und ihr Gesetz in sich selber trägt. Im Lebendigen, Organischen ist jeder kleinste Teil Folge aller anderen Teile und Grund dieser Teile; das Ganze ist der Grund, aus dem die einzelnen Teile mit ihrem Aufbau, ihrer Eigentümlichkeit und Wirksamkeit sich als Folge ergeben, und zugleich besteht das Ganze durch das Zusammenwirken aller einzelnen Teile. Für diese höchst eigenartige Erscheinung bedarf es eines neuen Verhältnisses von Grund und Folge. Wir wollen es als psychische Dependenz bezeichnen.
Mit dem Leben ist aber weiter die Innerlichkeit des Bewußtseins und des Tätigseins verbunden, welches in den verschiedenen Graden von Dumpfheit bis zur Klarheit aufsteigend sich vollendet, und diese verschiedenen Grade nehmen wir in uns selber wahr, wie wir sie außer uns beobachten. Wir erheben uns zu dem tätigen Denken und zu dem denkenden Wollen, und unter dem, was wir von uns wissen, ist eben dies das erste Tatsächliche, daß wir in unserem Denken und Wollen uns durch Freiheit bestimmen. [10/11] Auch diese Freiheit aber hat ihren Grund zunächst in unserer Innerlichkeit und ergibt eine neue und eigentümliche Form des Verhältnisses von Grund und Folge. Wir nennen dieses Verhältnis die Dependenz der Freiheit, wo, die inneren Motive die Gründe, und das wirkliche Wollen, das Tätigwerden, die Folge darstellt.
Alle diese aufgezählten Arten des Verhältnisses von Grund und Folge haben das gemeinsame, daß sie Gründe eines Geschehens bezeichnen. Aber eben dieses Geschehen trägt in sich bleibende Formen mit dem Charakter der Ewigkeit, und diese Formen werden selber Gründe einer immer gleichen Reihe von Bestimmungen, die erst das Wirkliche wahrhaft begreiflich machen. Von diesen Formen sind die ersten diejenigen, die noch irgendwie auf das dingliche Dasein, auf Raum, Zeit und Bewegung als ihr Gebiet hinweisen. So erhalten wir die mathematische Dependenz: die Formen der Ausdehnung, der Vielheit, der Bewegung als die Gründe aller einzelnen Bestimmungen von ewigem Charakter, die gewissermaßen den Rahmen bilden, innerhalb dessen alle Erscheinungen der gegebenen Welt sich abspielen. Diese ewigen mathematischen Formen sind die Gründe für alle diese Unendlichkeit von Folgerungen, die die mathematische Wissenschaft vermittelst der konstruktiven Tätigkeit des Denkens aus dem anschauenden Vermögen des Geistes ableitet und zu einem System der Wissenschaft in immer weiterer Verallgemeinerung fortschreitend auszubauen trachtet.
Indessen, eben diese mathematischen Formen mit dem Charakter der Ewigkeit sind doch nur ein Reich der Schatten. Sie sind an der Wirklichkeit, nicht selber volle Wirklichkeit, ein Gebiet der Abstraktion, wobei von der inhaltlichen Seite des Wirklichen abgesehen wird. Sie verlangen zu ihrer eigenen Verwirklichung das Reich der Begriffe, der bleibenden allgemeinen Mächte, die die sinnliche und die geistige Welt gestalten und beherrschen, die, selber unveränderlich, alle Veränderung, die sie innerhalb ihrer Grenzen zulassen, nach festem Maß einschränken und innerhalb der [11/12] gedanklichen Schranken ihres eigenen Wesens zügeln und bestimmen. So gestalten sich die weltbeherrschenden Begriffe zu Ideen um, und zu dem Gebiete der begrifflichen Dependenz gesellt sich abschließend die Dependenz der Idee. Die großen geistigen Mächte, die das geistige Universum beherrschen, die Ideen, erweisen sich so als die einzelnen obersten Herrscher im Gebiete der geistigen Wirklichkeit. Die Idee des Rechts, der Sprache, der Religion, der Kunst, der Wissenschaft, um nur diese zu nennen, jede übt in ihrer Selbständigkeit und doch in enger Vereinigung mit den anderen ihre Macht der Gestaltung alles dessen, was uns als geschichtliche Entwicklung in dem Leben der Menschheit entgegentritt. Überall und zu allen Zeiten ist es die Macht der Idee, die die menschlichen Verhältnisse gestaltet und den Gang der Menschheit zum Ziele führt.
Wir haben sieben verschiedene Arten des Verhältnisses von Grund und Folge aufgezählt. Es ist durchaus nötig, sie auseinanderzuhalten; keine läßt sich ohne weiteres auf die anderen zurückführen; jede folgende bedeutet eine Steigerung der früheren auf neuer Grundlage. Aber trennen lassen sie sich nicht, sie gehören aufs engste zusammen und bilden die Stufen und Glieder einer alle umfassenden Einheit. Das allumfassende Gewebe der Wirklichkeit mit den wesentlichen Unterschieden und Stufen, die sie umschließt und zur Entfaltung bringt, wird nicht durch eine einzige Form des Verhältnisses von Grund und Folge, sondern durch das harmonische Zusammenwirken von ihnen allen beständig hergestellt und im Gang erhalten. Aber in der Tat stammen alle diese unterschiedenen Formen aus einem einheitlichen obersten Grunde, der sie alle umfaßt, sich in ihnen allen darlegt und seine innere Fülle in ihnen zur Erscheinung bringt. Dieser oberste Grund aller Gründe, der einheitliche Gedanke, der sich selber denkt und in seinem Denken schaffend die ganze Stufenfolge des geistig sinnlichen Universums setzt und beherrscht, dieser einheitliche oberste Grund lenkt und zügelt das Zusammen-[12/13]wirken aller dieser einzelnen Formen des Verhältnisses von Grund und Folge zum einheitlichen Ziele. Wir nennen diese oberste leitende gedankliche Macht, die wissend und wollend die Wirklichkeit in allen ihren Einzelheiten nicht von außen bewegt, sondern innerlich durchdringt, Vorsehung als mit dem geläufigsten und verständlichsten Ausdruck. Vorsehung ist das bezeichnendste Attribut Gottes als des absoluten Geistes, an dessen geistigem Wesen der Mensch mit Vernunft im Denken und Wollen teil hat.
Wir haben in aller Kürze diese grundlegenden Überzeugungen dargelegt mit dem selbstverständlichen Verzicht, die beweisenden Gründe, auf denen sie beruhen, auch nur anzudeuten. Wir bemerken nur das eine, daß die Erfahrung, die wir über unsern denkenden Geist und über die Art machen, wie das Denken zur Erkenntnis und zur Wahrheit gelangt, die unwiderlegliche Grundlage ist, auf der diese Überzeugungen sich aufbauen. Der Gedanke fordert eine einheitliche, von den Gedanken einer geistigen Persönlichkeit gelenkte und durchdrungene Welt. Nur unter dieser Voraussetzung ist wissenschaftliches Begreifen der weltlichen Erscheinungen und das tätige Gestalten derselben durch das vernünftige Wollen überhaupt möglich.
Was wir als Ursache und Wirkung bezeichnet haben, die mechanische äußere Form des Verhältnisses von Grund und Folge, ist demnach nicht nur die erste Stufe, sondern sie durchdringt zugleich alle anderen Stufen der Begründung und dient ihnen als ihnen untergeordnet; allerdings kommt sie als solche in strenger Reinheit niemals zur Erscheinung. In der lebendigen Bewegung dieses sinnlich geistigen Universums ist für die reine Äußerlichkeit des Mechanischen keine Stätte gelassen. Überall wirken durch das mechanische Verhältnis hindurch die höheren Stufen, jede, folgende sich über die niedere erhebend und diese im eigenen Dienste verwendend. Und so schließt sich in der obersten Einheit der Vorsehung die Welt mit allen ihren Gliedern und allen Bewegungen und Verrichtungen dieser Glieder zu einer allumfassenden ideellen Einheit zusammen. [13/14]

II.



Das Verhältnis von Grund und Folge ist eine der unveräußerlichen Formen des menschlichen Denkens, mit denen das Erkenntnisvermögen an die Gegenstände herantritt. Gründe werden nicht wahrgenommen, sie werden zu den Wahrnehmungen hinzugedacht als deren Ergänzung und Erklärung. Das ungeübte Denken geht dabei vielfach in die Irre, und aus unzulänglicher Hinzufügung von Gründen entspringt vielfach wilder und wüster Aberglaube. Erst das gereifte und geübte Denken erlangt in der Ergänzung des Wahrgenommenen durch die Gründe eine gewisse Fertigkeit. Geschärfte Aufmerksamkeit, Gewöhnung an kritische Prüfung der nächsten Annahmen, reiche Erfahrung erzeugt eine größere Sicherheit und Zulänglichkeit in der Erwägung der Gründe, und in langsamem Fortschritt bewältigt das strenge Denken im systematischen und methodischen Gange der Wissenschaft die Aufgabe, die Erscheinungen auf ihre wahren Gründe zurückzuführen.
Wir haben die in der Wissenschaft geläufigen Arten der Gründe in unserer obigen Aufstellung dem Werte nach geordnet; nur beiläufig, weil jemand doch daran Anstoß nehmen könnte, bemerken wir, daß wir dabei von dem sogenannten Erkenntnisgrunde, der causa cognoscendi, abgesehen haben. Diese gehört nicht in die Reihe der Gründe des Seins und Geschehens in der gegenständlichen Welt; sie gehört einem ganz anderen Gebiete an, dem Gebiete der Logik als der Wissenschaft von den Formen und Tätigkeiten des denkenden Geistes. In der Tat wird das, was in der gegenständlichen Welt Folge aus dem Grunde ist, als Kennzeichen oder Merkmal selber zum Grunde, aus dem man den Grund als die Folge ableitet. Das ist der Vorgang auch da, wo das Beispiel oder die Analogie als Erkenntnisgrund in Anspruch genommen wird.
Mit dem Satze vom Grunde stehen in enger Verbindung die Begriffe von Wirklichkeit, Möglichkeit und Not-[14/15]wendigkeit. Wir bewegen uns hier auf dem Gebiete, das man als dasjenige der Modalität bezeichnet. Diese modalen Bestimmungen, auf die im einzelnen einzugehen wir uns versagen müssen, gehören durchaus der eigenen Natur des Denkens an und werden nicht von außen aufgenommen, sondern durch denkende Erwägung mit dem von außen Aufgenommenen zur Aufhellung desselben in Verbindung gebracht. Es ist augenscheinlich, daß die Bedeutung dieser Begriffe der Modalität nicht eine durchaus einheitliche ist. Es gibt verschiedene Formen des Verhältnisses von Grund und Folge, und je nach der besonderen Form dieses Verhältnisses, das im gegebenen Falle in Betracht kommt, nehmen die Begriffe von Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit verschiedene Bedeutung an. Wer diese Verschiedenheit nicht klar ins Auge faßt, wird niemals imstande sein, von diesen Begriffen eine richtige Auffassung zu gewinnen, oder von ihnen den rechten Gebrauch zu machen.
Caesar hat wirklich morgens früh sich mit seinem Nachbarn über das Wetter unterhalten und er hat wirklich Gallien unterworfen. Karl der Große hat wirklich mit gutem Appetit gefrühstückt und er hat wirklich die Bekehrung der Sachsen in die Wege geleitet. Hier steht wirklich ein Denkmal, aber es ist kein wirkliches Kunstwerk. Ich bin wirklich mit meinem Nachbarn befreundet, aber mein wirklicher Freund ist der Nachbar doch nicht.
Man sieht, wirklich bat hier sehr verschiedene Bedeutungen, das gleiche gilt vom Möglichen. Der Baum kann reiche Früchte tragen und er kann vom Sturm entwurzelt werden. Der Staat kann sich in erfreulicher Weise weiterentwickeln und er kann durch feindliche Nachbarn in die größte Gefahr geraten. Der junge Mann kann in seinem Fach hohe Auszeichnung erreichen und er kann einflußreiche Förderer und Gönner gewinnen. Und nun erst die Notwendigkeit. Die einfache hohe Notwendigkeit mit dem Charakter der Ewigkeit, die außerzeitlich, überzeitlich und durch sich selbst ist was sie ist, ihr eigner Grund und ihre eigne Folge, ist kein Gegenstand der Vorstellung, aber durch [15/16] ein geübtes Denken klar erfaßbar. Die Folgerichtigkeit, mit der aus dem Prinzip, dem ersten Gliede der Reihe als dem Grunde, die Konsequenzen sich ergeben, wie es in der Mathematik der Fall ist, trägt ebenso den Charakter der Notwendigkeit. Ganz verschieden ist die bedingte Notwendigkeit als ein Zusammenhang, der von dem Eintritt eines Ereignisses abhängt, das ebensowohl auch ausbleiben kann. Das ist eine zeitliche, eine zufällige Notwendigkeit. jede menschliche Einzelpersönlichkeit muß als solche einmal sterben; aber wann, wo, wie, woran, das ist eine Frage äußerer zufälliger Umstände. Diese Vieldeutigkeit der Begriffe der Modalität je nach der besonderen Art des Verhältnisses von Grund und Folge, um die es sich jedes Mal handelt, gebietet bei der Überlegung und dem Urteil die äußerste Vorsicht.
Nach diesen Vorbereitungen dürfen wir nun ins Auge fassen, was in dem gewöhnlichen Bewußtsein der Menschen als Zufall angesehen wird. Wir gewinnen so als nächste Bestimmung das negative Merkmal: zufällig ist nicht was immer oder was regelmäßig vorkommt. Was einm[a]l und nicht wieder, was ohne Regel geschieht oder da ist als Gegenstand oder Beschaffenheit eines Gegenstandes, das ist zufällig. Also das Ungewohnte und Ungewöhnliche, die Ausnahme von der Regel, die Abweichung von dem sonst immer Beobachteten wird als Zufall bezeichnet. Es kann im Winter einmal sommerliche Wärme, im Sommer winterliche Kälte eintreten. In einem regenreichen Lande können die feuchten Niederschläge lange Zeiträume hindurch ausbleiben und umgekehrt in einem regenarmen Lande längere Zeit hindurch ungewöhnliche Mengen von Regen fallen. Und was dergleichen mehr ist.
Der Zufall macht sich so am ersten kennbar dadurch, daß er als ein Vereinzeltes, nicht als ein regelmäßig immer Wiederkehrendes auftritt. Man kann sich also auf ihn nicht verlassen; man kann nicht auf ihn rechnen, und es wäre höchst gewagt, wollte man auf ihn seine Pläne bauen. Höchstens kann man ihn als einen möglichen Fall, der den [16/17] Erfolg erleichtert oder erschwert, in die Rechnung einsetzen, und das geschieht dann auch wohl in den Betätigungen der Menschen ziemlich allgemein. Aber es gibt vom Zufall keine Wissenschaft und keine Erkenntnis; er bleibt ein Mögliches, das im gegebenen Falle wirklich werden kann, aber nicht wirklich werden muß. Das Wissen aber hat zum Gegenstande das, was immer ist, das Allgemeine, das bleibt und regelmäßig eintritt, also nicht das Zufällige. Vom Zufall gibt es eine Erfahrung, aber solche Erfahrung verbürgt nicht die Wiederkehr. Die tatsächliche Wirklichkeit beweist nicht die Sicherheit der Wiederholung. Das zufällige Ereignis kann wiederkehren in mehr oder minder gleicher oder ähnlicher Form. Es kann aber auch das andere Mal ganz anders kommen. Die Zufälligkeit bildet eine schlechthin unübersehbare Mannigfaltigkeit, die ins Unendliche verläuft. Da gibt es keinen festen Boden; jede Voraussicht schwindet, und von einem eigentlichen Wissen kann auch dann nicht die Rede sein, wenn einer auch in einem langen Leben die reichhaltigsten Erfahrungen gesammelt hat. So liegt eben auf Grund der Zufälligkeit des Geschehens in allen möglichen Unternehmungen, in aller Betätigung menschlicher Kräfte auch bei den am klügsten. ausgesonnenen Plänen ein Element der Unsicherheit, das menschliche Kraft und menschliche Einsicht zum Spielball äußerer Ereignisse macht und das niemals völlig beseitigt werden kann.
Die gegenwärtige Strömung der herrschenden Meinungen bringt es mit sich, daß man sich auf die Ansicht gefaßt machen muß, die gar nicht so selten hörbar wird, daß es überhaupt gar keinen Zufall gebe. Alles was geschieht, sagt man, geschieht nach Gesetzen und vollzieht sich mit unabänderlicher Notwendigkeit. Dabei liegt gewöhnlich die Vorstellung zu Grunde, daß das äußerliche mechanische Verhältnis von Ursache und Wirkung das einzige sei, welches überall im ganzen Weltall den Verlauf der Ereignisse beherrscht. Allerdings nimmt diese Ansicht von der äußeren Notwendigkeit alles Geschehens, von der Vorherbestimmung, [17/18] dem Verhängnis, dem Schicksal auch wohl die religiöse Form an, und der Grund, aus dem diese unerbittliche Notwendigkeit abgeleitet ist, wird in dem Willen eines allmächtigen Wesens gefunden, das keinerlei Freiheit und keinerlei Zufälligkeit in dem ganzen Zusammenhange der Welt zuläßt. Diese religiöse Anschauung müssen wir hier auf sich beruhen lassen. Wir beschränken uns auf die Bemerkung, daß die darin zum Vorschein kommende Vorstellung von Gott sich mit den ersten Tatsachen unseres Bewußtseins in offenbarem Widerspruch befindet; denn unter allen Tatsachen, die sich unserm denkenden Bewußtsein darbieten, ist die Tatsache unserer Freiheit die erste und grundlegende. Dagegen die andere Ableitung der durchgehenden Notwendigkeit alles Geschehens aus der mechanischen Kausalität erfordert noch eine kurze Klarstellung. Geben wir einmal zu, daß alles, was geschieht, nach Gesetzen geschieht, so ist doch die Überlegung geboten, daß es nicht bloß ein Gesetz gibt, sondern viele Gesetze, die im Zusammenhange miteinander den Gang der Dinge im Weltall bestimmen. Diese Gesetze bilden eine Vielheit, die für uns unübersehbar ist. Was die Menschen bisher an solchen Gesetzen festgestellt haben oder festgestellt zu haben glauben, ist doch nur ein kleiner Auszug aus all dem, was sich der weiteren Forschung als immer wachsende Vielheit von Gesetzen ergeben wird, Alle diese Gesetze wirken an einem und demselben Punkte auf einen und denselben Gegenstand, Lind sie wirken nicht in derselben, sondern in verschiedener Weise, Sie unterstützen sich nicht gegenseitig, sondern sie durchkreuzen einander. Das eine Gesetz verändert die Wirkung des andern Gesetzes oder hebt sie geradezu auf, und so ergibt sich in dem ungeheuren Spiel der Kräfte, die alle gesetzlich wirken, in dieser uns umgebenden Welt weit eher der Satz, daß nichts was geschieht gesetzlich geschieht, weil im Zusammenwirken der vielen Gesetze kein einziges Gesetz sich rein durchzusetzen vermag. Es ergibt also die Vielheit der Gesetze eben deshalb, weil alles nach Gesetzen geschieht, gerade die unübersehbare Mannig-[18/19]faltigkeit der Zufälle, die den täglichen Inhalt unserer Erfahrung ausmachen. Tatsächlich ist das Gesetz, wie es die Wissenschaft festsetzt, eine ideelle Bestimmtheit, die als solche in der Realität der Erscheinung niemals rein zum Ausdruck kommt. Das uns in der Erfahrung Begegnende weicht von der ideellen Norm, die die Wissenschaft feststellt, mehr oder minder ab. Die Bewegungen, die sich erfahrungsgemäß vollziehen, die Beschaffenheiten, mit denen sich die Gegenstände uns darbieten, die Zahlen, die Ausdehnungen, die Gewichte stimmen mit denjenigen, die wissenschaftliche Forschung als das eigentliche Wesen festgestellt hat, keineswegs überein. Und die Welt, wie sie in unserer Wahrnehmung sich uns kennbar macht, ist von der Welt, die uns die Wissenschaft zeichnet, durchweg mehr oder minder verschieden.
Wir sind es ganz gewöhnt zu sagen: obgleich, wiewohl, bei alledem, trotzdem, zwar, dennoch. Das bedeutet: der Grund war vorhanden, die Folge ist ausgeblieben ganz oder teilweise; solches Ausbleiben beruht auf der Gegenwirkung anderer Gründe. Die verschiedenen Arten des Verhältnisses von Grund und Folge wirken tatsächlich zum Teil gegeneinander, So geschieht es, daß die Form nicht rein zur Erscheinung kommt. Die Kristallform ist unvollendet; die Formen des Lebendigen, der Pflanzen, der Tiere, der Menschen sind mitunter bis zur Monstrosität abweichend. Die Äußerungen der seelischen Innerlichkeit sind unberechenbar, und je höher die Organisationsstufe ist, desto eigentümlicher und überraschender. Die Triebe, die Begierden bei den Menschen, die Absichten, Vorsätze und Zwecke gehen ihre eigentümlichen, oft sonderbaren, niemals zu erratenden Wege, und dabei werden sie oft nicht erreicht oder nur mit schweren Veränderungen verwirklicht. Die mathematischen Gestalten kommen in der Realität nur annähernd und ungefähr zur Erscheinung. Daß alles Messen, Zählen, Wägen ungenau ist, haben wir schon erwähnt. jedes Einzelwesen trägt die Eigenschaften, die für die Gattung die bezeichnenden sind, nur mit Abweichungen, untermischt [19/20] mit fremdartigen Zügen, bis zur Ausartung an sich. Die idealen Mächte selber, die einzelne Sprache, das Rechtssystem, die Kirche und die andern alle tragen neben den wesentlichen Zügen in oft grober und schwerverständlicher Eigenheit Züge an sich, die aus der Natur der Sache herauszufallen scheinen. Die zufällige Eigentümlichkeit durchbricht überall das Gesetz der Sache, das Herrschende, das Regelmäßige und bringt dafür in der begegnenden Realität das ausschweifend Zufällige als das zunächst dem Blick sich Darbietende. Die Reinheit der inneren Anschauung und des verstandesmäßigen Begreifens findet sich in der gegebenen Wirklichkeit überall verletzt und nicht selten abgestoßen. Das Reale ist in der Regel die Ausnahme und nicht die Regel.

III.



So ist denn alles unmittelbar Gegebene, alles unmittelbar Begegnende, alles Dasein, alle Erscheinung, alles Erlebnis eine bunte Reihe von Zufälligkeiten. Der denkende Geist steht davor mit der Anforderung, daß das Erscheinende seinen Grundbegriffen entsprechen, ihm verständlich sein müsse, und diese Anforderung ist nicht erfüllt. Daher stammt die Verwunderung, aus der alles wissenschaftliche Nachdenken und aller Forschungstrieb entspringt. Denn die Gewißheit kann nicht täuschen: und dennoch kann der Zufall, das unmittelbar Gegebene, nicht das wahrhaft Seiende sein; der Zufall ist zwar am Seienden, aber er ist nicht das Seiende selbst. Der Zufall wird erfahren, beobachtet, erlebt, überall und zu jeder Zeit aber es ist unmöglich, sich bei ihm zu beruhigen. Das Wahre liegt hinter ihm, jenseits; es wird uns nicht geschenkt, wir müssen es suchen, und emsigem Forschen wird das Wahre, das zunächst Geheimnis ist, nicht undurchdringlich, nicht verborgen bleiben. Dem Ernst, den keine Mühe bleichet, rauscht der Wahrheit tief verborgner Quell.
In dem allumfassenden Gewirre des Geschehens kommt das Fremdartigste zusammen, und das nimmer Zusammen-[20/21]gehörige bietet sich dar als eine Erscheinung. Wir müssen es hinnehmen; es ist nun einmal so, wir können es nicht ändern und müssen uns damit abfinden. Wir haben schon oben ausgeführt: in allen unseren Tätigkeiten stehen wir so unter der Macht einer grenzenlosen Zufälligkeit. Sie erschwert die bestausgedachten Pläne, sie vereitelt sie, sie läßt unsere schönsten Absichten scheitern. Keine noch so reiche Erfahrung, keine noch so große Geschicklichkeit schützt vor der Enttäuschung. Wir sind, wir mögen uns stellen wie wir wollen, der Spielball in der Hand äußerer Mächte, die unsere Absichten und unsere Geschicke in Wege leiten, die wir gerade nicht wollten. Am geläufigsten ist uns dabei die Erinnerung an die Launen und Eigenheiten des Wetters. Man hat seit Jahrzehnten gewisse Grundlagen einer wissenschaftlichen Meteorologie gefunden, die recht verständlich und nicht ohne Wahrscheinlichkeit sind. Aber die Zufälligkeiten der Wettergestaltung an diesem Ort, zu dieser Zeit werden dadurch nicht aufgehoben; die Vorausberechnung bleibt ausgeschlossen, und das Vorherverkünden des Wetters auch nur für die nahe Zukunft ist immer noch eine mißliche Sache. Und unter der Macht des Wetters steht doch die größte Fülle menschlicher Tätigkeiten und Unternehmungen, und der Erfolg unserer Arbeiten ist in beständiger Abhängigkeit von der Gunst oder Ungunst der Witterung. Dem entspricht nun die Zufälligkeit der inneren Welt. Es ist unmöglich, die inneren Regungen seelischer Art vom Empfinden und Auffassen bis zum Denken und Wollen bei den Menschen zu durchschauen, so daß man danach sein Handeln einrichten, darauf als auf eine feste Grundlage sich stützen könnte. Die willkürliche Abweichung der Innerlichkeit von dem Gewohnten, Geläufigen, Normalen läßt sich nicht ausschalten, und unser ganzer Lebenslauf gestaltet sich in dem Zusammenleben mit den anderen Menschen günstiger oder ungünstiger, je nach den Erfahrungen, die wir über die Wetterwendigkeit oder die Beständigkeit der uns zunächst stehenden oder fremder stehenden Menschen zu machen haben. [21/22] Auch die Vorgänge in unserem eigenen leiblichen Dasein, dazu der unabsehbare Wechsel der Stimmungen in unserem eigenen seelischen Leben, dies Aufgelegt- oder Bedrücktsein, Munterkeit und Trübsinn, Regsamkeit und Schwerfälligkeit regiert uns, und wir können es nicht regieren. Selbst die oft bewährte Geschicklichkeit läßt uns dann wieder im gegebenen Augenblick im Stich. Es kommt vor, daß ein gescheiter Mensch, wo es darauf ankommt, sich selber übertrifft; es geschieht aber auch, daß er weit hinter sich zurückbleibt.
Nun müssen wir uns weiter erinnern, daß das Notwendige nicht in jedem Sinne notwendig, das Zufällige nicht in jedem Sinne zufällig ist. Gibt es irgendwo irgendwie rein äußerliche Ursächlichkeit, so ist das von dieser Ursächlichkeit gewirkte Ergebnis gewiß ein notwendiges; betrachtet man es aber unter dem Gesichtspunkte der Absicht und des Zwecks, so ist dieses Notwendige ein rein Zufälliges. Das Gleiche gilt, wenn man es unter den Gesichtspunkt der Form oder der seelischen Innerlichkeit stellt. Ja, alles Mathematische, bei dem doch von einer mechanischen Verursachung gar nicht die Rede sein kann, trägt den Charakter eines festen Verhängnisses, einer unerbittlichen Notwendigkeit, bei der an Zweck gar nicht gedacht werden kann und die in diesem Sinne als eine zufällige Notwendigkeit erscheint. Im wirklichen Leben sind wir bei jedem Schritte von solchen Ereignissen begleitet deren äußerliche Verursachung garnicht bestritten wird und deren Notwendigkeit doch zugleich zufällig ist. Die Gestalt, die Anlage, die Begabung eines Menschen mag immerhin das notwendige Ergebnis von unendlich vielen tatsächlichen Umständen, Kräften und Bewegungen sein; in seiner Einzelheit ist dies alles gleichwohl ein zufälliges Ergebnis, das ebensogut auch ganz anders hätte ausfallen können. Wir müssen die Kinder nehmen, wie sie uns geboren werden, ebenso wie wir vieles andere im Leben uns müssen gefallen lassen, was wir uns ganz anders gewünscht hätten und ganz anders auch zu erwarten [22/23] Anlaß hatten. Aber auch die Gunst des Geschickes wird uns innerhalb der Notwendigkeit des Getriebes durch einen Zufall zuteil. Es gräbt jemand in seinem Garten eine Grube, um einen Baum zu pflanzen, und findet dabei einen seit langer Zeit vergrabenen Schatz. Grub er bei dieser Stelle und grub er tief genug, so mußte er allerdings den Schatz finden; aber der Fund lag außerhalb seiner Absicht und war in diesem Sinne ein günstiger Zufall. Nehmen wir nun etwa hinzu, daß der Finder des Schatzes sich in schwerer Verlegenheit befand und durch den Fund aus einer schwierigen Lage befreit, ja vor der Gefahr des Unterganges gerettet wurde, so haben wir ein Beispiel dafür, wie sinnvoll unter Umständen der Zufall in unserem Leben zu wirken vermag. In der Tat ist unser ganzes Leben ein Gewebe aus solchen mehr oder minder förderlichen und schädigenden Zufällen, und es kommt vor, daß bei dem einen Menschen die förderliche Macht des Zufalls sich mit einer Art von Regelmäßigkeit wiederholt, bei dem andern die schädigenden und hemmenden Zufälligkeiten mit hartnäckiger Unablässigkeit aufeinander folgen. Wir sagen dann wohl, der eine habe Glück, der andere Unglück; dem einen leuchten günstige, dem anderen ungünstige Sterne. Verdienst und Glück verketten sich nicht immer in der gewünschten Weise; auch die höchste Begabung, der tüchtigste Wille, der Adel der Gesinnung scheitern zuweilen an der nicht zu überwindenden Macht ungünstiger, zum Widerstande gleichsam verschworener Umstände.
Es findet jemand früh einen Gönner, der ihm die Wege glättet; durch die Macht dieses einflußreichen Gönners gelangt der so Begünstigte auf die Höhen des Lebens. Wir steigen in einen Wagen; eine unfreundliche Begegnung veranlaßt uns, den Wagen zu wechseln, so kommen wir mit einem Manne zusammen, mit dem uns seitdem unverbrüchliche Freundschaft das ganze Leben hindurch verbindet. Durch zufällige Begegnung gewinnen die meisten Menschen die Gattin oder den Gatten. Eine unscheinbare Schrift, die in die rechten Hände gelangt, macht den Namen [23/24] des Schriftstellers bekannt und entscheidet über den Gang seines Lebens. Indessen, es ist nicht nötig, solche Beispiele zu häufen. Jeder lebende Mensch, der einige Jahrzehnte hinter sich gelegt hat, weiß sich aus seiner Vergangenheit auf eine Reihe solcher Zufälle zu besinnen, Es sind nicht bloß die heftigen Stürme und die gewaltigen Meereswogen, die Feuersbrünste und Überschwemmungen, die kriegerischen Zusammenbrüche und die verwüstenden Seuchen, die den ruhigen Gang des Lebens stören. Das Leben der Sterblichen steht in jedem Augenblicke unter der Herrschaft unberechenbarer kleinerer Umstände, die das Leben jedes Einzelnen in ganz eigener Weise durchsetzen.
Diese Eigentümlichkeit nun in der Gestaltung des Augenblicks, des Lebensganges, des Zusammentreffens mit anderen und des Wiederauseinandergehens hat aber wieder noch die andere Seite an sich, die von hoher ideeller Bedeutung ist. Unser ganzes sittliches Leben wird fortwährend durch die Zufälligkeit neuer Ereignisse in immer neue Bewegung gesetzt, Durch die zufälligen Widerstände wird das Streben befeuert, der Ernst erhöht, die schlummernde Kraft entbunden. Wir sind im ganzen Leben in der Lage des Schiffers, der mit den Wogen zu kämpfen hat, des Landmanns, der mit äußerster Klugheit und Überlegung dem drohenden Zufall vorzubeugen, den möglichst günstigen Ertrag trotz aller Ungunst der Geschicke zu erreichen sucht. Die Not, die der Zufall in jedem Augenblicke über uns und das Unsere bringen kann, fordert den Scharfsinn heraus, ihr zu wehren, und wird die Mutter der Erfindung. Am Zufall hängt vermittelst der Kräfte, die er ins Feld ruft, zum großen Teile der Fortschritt der Gesittung.
Andererseits fordern wir den Zufall ausdrücklich heraus wie der Unternehmer, der vor dem Wagnis und der Gefahr nicht zurückschreckt. Dabei überlassen wir uns einem mutwilligen Spiele; der Zufall spielt mit uns, wir spielen mit dem Zufall. Dieses Spiel kann auch bitterer Ernst sein. Die Kühnheit, die Geschicklich-[24/25]keit, die Einsicht und Erfahrung stürzt sich in die Gefahr, auf die Gunst des Zufalls rechnend, die dem Tüchtigen und Mutigen zu Hilfe kommen wird. So macht es der Reiter im Hindernisrennen, der Krieger bei einer kühnen Unternehmung. Der begeisterte Wille, die Pflichttreue übernehmen jedes Wagnis, und nicht selten hilft das Glück dem Mutigen hindurch zum Siege. Der Forscher befährt unbekannte Meere, dringt in unbesuchte Länder, erkundet gefahrvolle Küsten und erklimmt die steilsten und gefahrdrohendsten Berggipfel. Durch solchen Heldenmut wird die Kenntnis erweitert, der Fortschritt der Naturbezwingung gefördert, der Zustand der Gesittung neuen Zielen zugeführt; wo der eine scheitert, kommt der andere zum Ziel: und oft krönt, nachdem viele erlegen sind, den durch reifere Erfahrung gekräftigten Willen mit Hilfe zufälliger Umstände ein volles Gelingen.
Aber nicht immer ist es mit der Herausforderung des Zufalls so bitterer Ernst. Wir spielen ohne wirklich zu wagen und finden eine erfreuliche Abspannung und Erholung darin, uns den Wechselfällen zufällig durcheinander wirbelnder Elemente auszusetzen, indem wir zugleich hoffen dürfen, dieses Spiel durch eine Art von Überlegung und Geschicklichkeit bis zu einem gewissen Grade meistern zu können. Wir setzen uns, meist in Verbindung mit anderen, gewisse zu erreichende Ziele, die wir mit einem gewissen Eifer, aber doch nicht mit größerer Anstrengung verfolgen. Die Erreichung des Zieles wird als ein Sieg, die Verfehlung als eine Niederlage empfunden; aber es handelt sich bei alledem nur um eine Nachahmung, nicht um wirklichen Gewinn oder wirklichen Verlust und ebenso um nachgeahmte Gefühle, wobei uns das Bewußtsein der bloß scheinbaren Nachbildung wirklichen Strebens niemals verläßt. Wir beobachten bestimmte Regeln in der Durchführung eines Vorsatzes von einem Ausgangspunkte bis zum Abschluß, aber auch diese Regeln sind Nachbildungen der Bedingungen, unter denen wir im wirklichen Leben unsere Kräfte kämpfend zu üben haben. Dem strengen, zuweilen [25/26] drohenden Ernste unseres handelnden Lebens gegenüber empfinden wir dieses Spielen mit dem Zufall, dies scheinbare Gelingen und Mißlingen wie die Bindung an diese scheinbaren Normen und Regeln, als eine Befreiung, als eine Lösung von den Banden, die uns in der Wirklichkeit fesseln, und in allem diesem Wechsel von Gewinn und Verlust bleibt vorherrschend ein Gefühl der Heiterkeit, das in der Selbständigkeit unseres Selbstbewußtseins, dem wirren Wechsel äußerer Dinge gegenüber, wurzelt. Nur diese Erheiterung war ernst gemeint. Ist das Spiel zu Ende, so werden die Karten beiseite gelegt, die Brettsteine, die Würfel, die Figuren wandern in ihren Behälter, und es ist, als ob nichts geschehen wäre. Ein ander Mal werden sie wieder vorgenommen, und das Gegenbild der ernsten Wirklichkeit erneuert in uns die gleichen Gefühle der Erhebung über die dringende und zwingende Macht der äußeren Umstände mit ihren bitteren Notwendigkeiten und den gleichen Erfolg einer Belebung unserer Kräfte für die großen Aufgaben unseres Lebens in Pflicht und Beruf.
Dabei eröffnet sich nun die Aussicht in ein Gebiet von ganz unermeßlicher Bedeutung. Die Seite alles Daseins, Lebens und Empfindens, die wir mit dem Namen des Ästhetischen benennen, steht mit der Zufälligkeit des Geschehens in allerengster Beziehung. Der Zufall spielt nicht bloß ausnahmsweise sinnvoll, und die Gebilde, die aus dem Zufall stammen, machen nicht bloß gelegentlich den Eindruck, als könnten sie ebensowohl durch ausdrückliche Absicht, Wahl und Überlegung entsprungen sein. Im Grunde gilt dies für alle äußere Gestaltung in Natur und Menschenleben. Das Ästhetische ist eine freie Zugabe zu dem, was durch das Gebot der Notwendigkeit, durch die Bedingungen des Bestehens und Sicherhaltens im Zusammensein und Kampf mit allen Naturgewalten gefordert wird. Es ist eine Gunst des Zufalls, daß der Vortrag der Naturzwecke in der äußeren Erscheinung sinnvoll und bedeutsam sich darstellt. Man begnügt sich oft, wenn man das Ästhetische zu erklären unternimmt, mit der Feststellung der Tatsache, daß dieses [26/27] Ästhetische im Innern wohlgebildeter Menschen ein Gefühl des Wohlgefallens hervorrufe; aber man verabsäumt dabei die weitere Frage, auf welchem Grunde es denn beruht, daß das Ästhetische menschliches Wohlgefallen erregt, Es ist hier nicht der Ort, in größerem Umfange auf die Sache einzugehen; aber soviel kann in aller Kürze bemerkt werden, daß dies Wohlgefallen seine Quelle hat in der eigenen Beschaffenheit des Gegenstandes, handle es sich nun um Dinge und deren Formen und Beschaffenheiten oder um ein Geschehen und ein Zusammensein und Zusammenwirken von vielen Dingen und vielen Bewegungen. Auch auf ästhetischem Gebiete kommt im Äußern in der gesamten Welt dem Geiste der Geist entgegen. Und wenn einerseits die Bedürftigkeit und die Not der Wesen ihre Anforderungen an den Bau der Dinge und der gesamten Welt stellt, so wird andererseits dies Gebot der Notwendigkeit weit überboten durch den unendlichen Reichtum der Gestaltung aller Wesen, die sinnlich wahrnehmbar sich unserem anschauenden Vermögen darbieten. Und eben dies ist nun jener Notwendigkeit gegenüber ein Werk ohne solche Notwendigkeit, nicht abhängig vom Drange der Umstände und den äußeren Gewalten, sondern wie ein Erzeugnis des Zufalls, eine auf freier Gunst beruhende Mitgift an die Fülle der Wesen mit ihren Gestalten und Erscheinungsweisen. Das Sinnliche selber erweist sich darin als vom Geiste durchdrungen und belebt, als Erscheinungsform des Geistigen, und das Geistige bietet sich uns zum Genusse dar in sinnlicher Form, alles Äußere durch innerliche gedankenvolle Gestaltung zu einer Ausdrucksform für den geistigen Gehalt der Gegenstände erhebend. Das ästhetisch Befriedigende kommt aber in der Welt vor, nicht als alleinherrschend, sondern wie durch günstigen Zufall, der äußeren Notwendigkeit die vollendete Gestalt wie im Kampfe abringend. Und daneben spielt nun in breiter und machtvoller Ausdehnung die nichtbezwungene Menge des Wüsten, Ungeformten und Mißgestalteten ihre betrübende Rolle, den unsäglichen Augenschmerz bereitend, den das Häßliche [27/28] Gestaltlose Schönheitliebenden rege macht. Aber weiterhin erweist sich auch diese Mißform, der Mißklang und das widrige Gemische unverträglicher Einzelheiten als der Ausdruck innerer Unvollendung und entspricht auch so in gewissem Sinne der geistigen Anforderung.
Nur einige Bemerkungen fügen wir noch hinzu. Das Reine, Ungetrübte, in sich Vollendete, die geschlossene Harmonie, die auf der inneren Einheit der vielen zum Ganzen sich fügenden Einzelheiten beruht, der lautere Glanz, der reine Wohlklang, der sinnvolle Wechsel, die übersichtlich einheitliche Gestalt, der sichere Umriß, die in sich vollendete Linie, alles das begegnet uns in der Wirklichkeit als ein Ausdruck und Spiegelbild der Idealwelt, als ein Abbild der Freiheit, als Erhebung über den Zwang des Bedürfnisses. Aber wir dürfen uns nicht darauf verlassen. Auch das Gegenteil tritt uns in der Wirklichkeit entgegen und bildet die Unterlage, von der sich die reinen Gestalten nur um so sicherer abheben. In diesen reinen Gestalten aber haben wir vor uns eine Welt der Freiheit, die nicht aus der finstern Macht der Bedürftigkeit stammt, sondern eine dem Geist erwiesene Gunst des Zufalls bedeutet. Darauf beruht die Heiterkeit, die die vollendete Gestalt über die Welt verbreitet und die im menschlichen Herzen wiederklingt.
Insbesondere ist es nun der Gegensatz zwischen dem menschlichen Willen und der Zufälligkeit des äußeren Geschehens, was als das Komische und Tragische die menschliche Innerlichkeit oberflächlicher oder tiefer in Bewegung versetzt. Es genügt, an das weite Gebiet von Verfehlungen, Irrtümern, Mängeln und Schwächen zu erinnern, die unter Umständen das heiterste Lachen erregen. Fehler im Sprechen, im Schreiben, Druckfehler, Verwechslungen, Irrtümer, Wortspiele, zufällige Ähnlichkeiten, die Verwirrung stiften, zufälliges Zusammentreffen, das Verlegenheiten bereitet, bilden einen unversieglichen Quell heiteren Behagens. Wir werden dabei hin und her geworfen zwischen der eigentlichen Bedeutung und dem, was mit anklingt. Die Sache scheint [28/29] zu stimmen; sie stimmt aber wieder nicht, und dann stellt sich doch die Bedeutung her, die sich hernach wieder als trügerisch erweist. Der Zusammenstoß zwischen dem menschlichen Willen und der äußeren Verwicklung der Dinge nimmt dann wohl auch die furchtbarste und erschütterndste Gestalt an. Der große Mensch, die gewaltige Willenskraft, die Hoheit und Lauterkeit des Wesens, die großen Lebensmächte, die hohen Güter der Menschheit erliegen unter der unerbittlichen Macht verderblicher Verkettungen der Umstände, und das edelste Streben wird durch den hartnäckigsten Widerstand feindlicher Kräfte in den Staub gestürzt. Das ist das Schauspiel des hohen gigantischen Schicksals, welches den Menschen erhebt, wenn es den Menschen zermalmt. Auch hier ist es der Anblick und das Miterleben einer reinen, in sich geschlossenen Handlung von harmonischer Gestaltung, was den Menschen ergreift, indem es in einheitlichem Bilde den tiefen Sinn alles Geschehens in dieser Welt der Wirklichkeiten in greifbarer und anschaulicher Gestalt dem empfänglichen Zuschauer vorführt. Geschärft und gesteigert wird der Eindruck des Tragischen durch die Betonung des Zufälligen in den Vorgängen, die die Katastrophe herbeiführen. Daß die Handlungen motiviert, die Vorgänge begründet sind, hebt die Zufälligkeit nicht auf. Es handelt sich um eine Minute, es hängt an einem dünnen Faden; da gerade fällt der vernichtende Schlag, der eine Minute später vermieden worden wäre. Ein äußeres Ding spielt eine verhängnisvolle Rolle, als ob es mit tückischem Willen an den Ereignissen beteiligt wäre. Das Furchtbare ist vorherverkündet; der Versuch, das drohende Unheil abzuwenden, führt es nur um so sicherer herbei. Solcher Mittel gesteigerter Wirkung haben sich die Tragiker zu allen Zeiten bedient. Wenn der innere Sinn und die organische Geschlossenheit des gesamten Vorganges dadurch gefördert und nicht verdeckt wird, dient auch dieses scharfe Gewürz dem inneren Werte des Kunstwerks. [29/30]
In der Wirklichkeit unseres Erlebens stellt sich die reine Form des organisch verbundenen Ganzen nur ausnahmsweise dar wie durch einen günstigen Zufall. Da tritt denn des Menschen schöpferischer Trieb ein und baut eine Welt von reinen Gestalten mit voller ästhetischer Wirkung in die gegebene Welt hinein und über sie hinaus. Die Kunst erzeugt diese Welt reiner Gestalten gewissermaßen als ein Spiegelbild des inneren Getriebes und des sinnvollen Gehaltes, der in den einzelnen Erscheinungen der gegebenen Welt verborgen, jetzt durch die Kunst in seiner Reinheit herausgestellt wird. In diesem Streben, die reine Gestalt als Kern und Wesen alles Seienden herauszuarbeiten, bemächtigt sich die Kunst auch des Zufalls, der als ein wesentlicher Bestandteil in dem Blide [Bilde] der wirklichen Welt nicht fehlen darf. Es ist der Triumph der Kunst, die zufällige Einzelheit als die erscheinende Seite des innersten Wesens der Dinge, so mit der ewigen Wahrheit, die in der Erscheinung ihr Spiegelbild findet, zu vermählen, daß nirgends ein Bruch der geschlossenen Einheit, nirgends eine Trübung der idealen Vollendung herbeigeführt wird. Die Verschiedenheit der Stilformen beruht zum Teil auf der geistigen Kraft der Anschauung, die dem Zufall größeren oder geringeren Raum gewährt und die zufällige Einzelheit für das einheitliche Bild des geistdurchdrungenen Universums mit größerer oder geringerer Kraft zu verwerten vermag.

IV.



Entschlossener Mut wagt alles; an Stelle des entschlossenen Mutes kann aber auch ein hartnäckig festgehaltenes Vorurteil solch äußerstes Wagnis sich gestatten. Man sollte es nicht für möglich halten, aber es gibt wirklich ganz ernsthafte Leute, die wie einen obersten Satz die Behauptung aufstellen: es gibt keinen Zufall; alles was geschieht, ist notwendig im Sinne der bedingten Notwendigkeit, wonach das eine erfolgen muß, wenn das andere eingetreten ist. Dagegen kommt auch die entgegengesetzte [30/31] Meinung vor: die ganze Welt ist ihrer Enstehung, ihrem Bestande, ihrem Inhalte nach durch eine ungeregelte Reihe von Zufällen hervorgebracht, und Sinn und Verstand selber kommen in der Welt mir zufällig wie etwas Fremdartiges vor. Natürlich sind dann auch diese Gedanken selber sinnlos und verstandlos. Weit verbreitet ist endlich die Meinung, diejenigen, welche Macht und Herrschaft über die Welt im ganzen und über ihre Einzelheiten idealen Mächten von geistiger Art zuschreiben, bewegten sich in offenkundigem Widerspruch zu dieser ihrer eigenen Ansicht, wenn sie in dieser von geistigen Mächten, von Ideen geleiteten Welt dem Zufall auch nur das kleinste Zugeständnis machten, oder ihn gar als einen wesentlichen Faktor in dem Gewebe wirklichen Geschehens anerkennten. Man öffne sich damit nur eine Hintertür und bereite sich eine Ausrede, um dem offenbaren Widerspruche des wirklichen Geschehens gegen die behauptete Allmacht der Idee zu entgehen.
Alledem gegenüber genügt es, sich in der wirklichen Welt ohne Voreingenommenheit durch dogmatische Annahmen umzusehen. Wäre wirklich alles durch unerbittliche Notwendigkeit bestimmt, so wäre das Leben von einer unerträglichen Trübseligkeit. Wenn das Kleinste wie das Größte ohne inneren Sinn durch äußere Regeln bestimmt würde, so stände der lebendige Mensch mit seinem Denken, Wollen, Fühlen einer sinn- und herzlosen Macht gegenüber, deren starre Pedanterie das Blut in den Adern würde erstarren lassen. Selbst wenn man den Gedanken und Willen eines absoluten Geistes als Urhebers solcher äußeren Notwendigkeit sich vorstellt, tötet solch fanatisch festgehaltener Glaube jede freie Bewegung der lebendigen Persönlichkeit. Es ist unmöglich, an dieser Stelle uns darüber weiter zu verbreiten. Nur das eine wollen wir in aller Kürze bemerken: Gesetzt, es wären äußere Dinge vorausgegeben, etwa was man so gewöhnlich Materie nennt, ein ungeheuerer formloser Dunstball, so könnte daraus nie etwas wie eine Welt entstehen, es sei denn, daß die mathematischen Formen und Gesetze für Ausdehnung, Vielheit [31/32] und Bewegung ihre Herrschaft übten, daß ferner bestimmte Gegenstände von bestimmter Art und Beschaffenheit, also nach Gattungen und Formen geordnet, in bestimmter Weise ihre Kräfte äußerten und bestimmte Wirkungen in der Art hervorbrächten, daß das eine sich mit dem andern vertragen, neben dem andern bestehen und eine allgemeine Ordnung und Harmonie sich daraus ergeben könnte. Alle diese unverbrüchlichen Voraussetzungen für das Entstehen und den Bestand einer Welt, diese mathematischen und begrifflichen Ordnungen sind gedanklicher Art und erfordern ein geistiges Subjekt, das sie gedacht hat, ehe denn der Grund der Welt gelegt wurde. Man wende sich also wie man wolle: wer sich der Sache mit klarem Denken nähert Lind sich nicht mit Redensarten oder Vorurteilen abspeisen lassen will, kommt durch die Notwendigkeit des Gedankens gezwungen zu dem Ergebnis, daß im Anfange nicht der Kohlenstoff oder der Sauerstoff oder sonst Stoffe von sinnlicher Art waren, sondern daß im Anfang der Gedanke war und durch ihn alle Dinge gebildet worden sind und in ewig lebendiger Bewegung erhalten werden. Wer aber sich auf etwas anderes stützen will als auf die Notwendigkeit des Gedankens, der gerät unabänderlich in das Gebiet, wo es mit Sinn und Verstand überhaupt zu Ende ist.
Ist aber das Prinzip der Gedanke, so muß andererseits dem Zufall sein unermeßliches Gebiet vorbehalten bleiben. Sehen wir uns doch im Leben um und weigern wir uns nicht, unser Urteil mit dem tatsächlichen Bestande in Einklang zu bringen. Alles menschliche Dasein, alle geschichtliche Entwicklung, wie das Leben des Einzelnen so die aufsteigende Bildung der Geschlechter, alles wird durch den Zufall bestimmt. Von je an, ob in vorgeschichtlicher oder geschichtlicher Zeit, ist die für das menschliche Leben entscheidende Entdeckung durch den Zufall herbeigeführt worden. Zufällig wird ein Vorgang wahrgenommen und die Aufmerksamkeit auf ihn hingelenkt. Von nun an wird er zu einem für menschliches Wohl und Wehe entscheidenden Ereignis, und menschliches Nachdenken erwirbt [32/33] die Fähigkeit, von ihm nützlichen Gebrauch zu machen. Zufällig ist der, der wahrnimmt und beobachtet, genügend vorbereitet, um die Bedeutung der Sache zu ahnen. So sind von je an die wichtigsten Erscheinungen, die bedeutsamsten Kräfte, die wirkungsreichsten Stoffe mit ihren Wirkungen einmal in die Kunde des Menschen gelangt und seiner Gewalt unterworfen worden. Allerdings müssen dazu die Menschen die nötige Vorbereitung haben und in ihrer Begriffswelt die Handhabe besitzen, um das Entdeckte zu deuten und nutzbar zu machen. Zuweilen wird durch Suchen gefunden, aber auch dann wird das Finden durch den Zufall begünstigt. Man denke nur an die gewaltigen Entdeckungen auf dem Gebiete der Naturwissenschaft in den letzten Jahrhunderten und bis auf die letzten Tage. Die Beispiele sind bekannt genug und brauchen hier nicht aufgezählt zu werden; aber so ist es zu allen Zeiten gewesen. Die Heilkräfte von Pflanzen, die Nutzbarkeit tierischer Stoffe, der Wert von Mineralien für die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse ist durch den Zufall zur Erkenntnis gelangt und hat das Leben der Menschen erleichtert, die Hemmungen vermindert. Erfindungen werden zuweilen von fachmäßigen Erfindern gemacht, aber auch dann nicht, ohne daß der Zufall zu Hilfe käme.
Für die Aufhellung geschichtlicher Ereignisse hat der Zufall ähnliche Bedeutung. Der Spaten, der zu irgend einem anderen Zwecke in den Boden eindringt, stößt auf ein Gräberfeld, auf hinterlassene Reste früherer menschlicher Geschlechter. Durch Zufall wird ein altes Denkmal, ein aufklärendes Buch, eine Handschrift, eine ganze Sammlung von Aufzeichnungen aus uralter Zeit gefunden. Ein zwiesprachiger Inschriftenstein erschließt die Kunde von einem alten Volke, seiner Sprache und Schrift, seiner Geschichte und Literatur. Der Zufall des Klimas hat den späteren nachfolgenden Geschlechtern uralte Aufzeichnungen versunkener Geschlechter erschlossen, die zur Aufhellung der ganzen Entwicklung des menschlichen Geschlechts mächtig beigetragen haben. Noch die letzten Zeiten haben [33/34] Beispiele für die begünstigende Macht des Zufalls geliefert, selbst auf dem Gebiete der Forschung der uns nächst verwandten Völker und der Vorzeit der eigenen Nation. Ganze Städte des Altertums sind uns wie reichgefüllte Schatzkammern unter der Erde aufbewahrt geblieben, um uns eine Kenntnis der Lebensformen längst vergangener Geschlechter zu ermöglichen. Und sehr oft ist es rein die Gunst zufälliger Umstände, die uns die größten Meisterwerke der Literatur mitten in der zerstörenden Gewalt der Jahrtausende erhalten und auf uns hat kommen lassen.
Werfen wir nun einen Blick auf die gewichtigsten äußeren Ereignisse der Weltgeschichte, auf die Geschicke der Völker und Staaten, Sieg und Niederlage, Aufsteigen und Versinken, so ist auch hier wieder die erste Tatsache, die wir wahrnehmen, die gewaltige Macht des Zufalls in den großen Entscheidungen der Geschichte. Die Schlachten werden durch überraschende Wendungen, zuweilen von der äußerlichsten Art gewonnen oder verloren. Die größte Flotte, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte, wird durch ungünstige Winde zerstreut und versenkt. Eine ausbrechende Seuche im Heere, ein unvorhergesehener Todesfall, zuweilen eine Reihe von solchen Wendungen, auf die niemand sich einrichten konnte, bestimmt das Geschick der Völker. Die Witterung mit ihren unendlichen Zufälligkeiten kann die edelsten Anstrengungen, die am besten ausgesonnenen Pläne zum Scheitern bringen. Wir erleben gerade in diesem Augenblick, wo es sich um Bestand oder Untergang unseres Vaterlandes handelt, die ungeheure Wirksamkeit unberechenbarer äußerer Zufälle für Gelingen und Mißlingen. So haben sich während eines Aushungerungskrieges die Witterungsverhältnisse für die Gewinnung von Lebensmitteln zur Erhaltung von Menschen und Tieren ungünstiger gestaltet als in einer langen Reihe von vorangegangenen Jahren. Alle menschliche Klugheit, alle Sorgfalt und Umsicht, alle Feinheit der Organisation und Berechnung hat an solcher Zufälligkeit den gefährlichsten Widersacher. Ein Staat erlangt neue Blüte durch zufällig gefundene [34/35] Bodenschätze und verliert seine Bedeutung durch deren Erschöpfung. In aller Kürze sei noch bemerkt, daß die ganze Gestaltung der Erdoberfläche mit Moor und Land, Berg und Tal, Tief- und Hochebene, mit Wald und Wiese und. fruchtbarem Ackerland, mit Pflanzendecke und Tierbestand ja eigentlich auch das Werk zufällig wirkender, langsam aufbauender Kräfte ist, und daß also das Geschick menschlicher Geschlechter durch die Art des von ihnen bewohnten Bodens wie durch die gesamte Lage im Verhältnis zu den übrigen Ländern aufs tiefste beeinflußt wird.
Der allerentscheidendste Gesichtspunkt aber ist der folgende: aller menschliche Fortschritt, die ganze Arbeit der Kultur auf dem geistigen Gebiete wie auf dem Gebiete der äußeren Bedingungen des Menschenlebens hängen an einzelnen hervorragenden Persönlichkeiten. Die Masse in ihren dumpfen Vorstellungen und dunklen Trieben schafft nichts als die Grundlagen, auf denen kühne, schöpferische Geister von hoher Genialität und mächtiger Willenskraft das Gebäude menschlicher Kultur errichten. Gewiß lebt in den Massen eine gemeinsame Geistesmacht, die alle Entwicklung beherrscht und in bestimmte Richtungen drängt, aber eben diese Geistesmacht fordert für ihre bestimmte Ausprägung einzelne große Menschen, die das, was in den Massen schlummert, mit Klarheit aussprechen und mit besonnenem Wollen verwirklichen. Eben diese Persönlichkeiten aber, an denen der ganze Gang menschlicher Entwicklung seine wirksamste Bedingung hat, werden den Geschlechtern durch eine Gunst des Zufalls geschenkt. Es ist nichts als Redensart, wenn man die Ansicht äußert, die Tatsache, daß solche hervorragenden Individuen im menschlichen Geschlechte zum Vorschein kommen, sei auf die Verkettung äußerer mechanisch wirkender Ursachen zurückzuführen. Zu dieser Zeit, an diesem Orte wird ein Mensch geboren mit diesen bestimmten Anlagen, diesem Charakter und dieser Gemütsart. Die Umstände gestatten ihm, seine Gaben zu entfalten. Er wird durch die Welle gehoben und gelangt an den Platz, wo er die ausgedehn-[35/36]teste Wirksamkeit mit unübersehbaren Folgen zu üben vermag, und fortan bleibt diese Gestalt im Gedächtnis der Menschen für alle Zeiten als eine ihrer wertvollsten Erinnerungen und eines ihrer heiligsten Besitztümer. Es sind Helden der Tat, Staatsmänner, Feldherren, Techniker, gewaltige Unternehmer, oder es sind Denker, Männer der Wissenschaft, Träger der Kunst, oder es sind machtvolle Propheten, Träger der religiösen Bewegung, deren unverlöschlicher Eindruck die Jahrtausende überdauert. Und nun zeigt sich weiter: diese besondere Erscheinung mit aller ihrer Macht und Herrlichkeit, wie sie in dieser Lage, zu dieser Zeit, diesem Geschlechte ist geschenkt worden, war in aller ihrer Eigenart gerade in dieser Lage und in diesem Augenblicke der Zeit gefordert und hat gerade durch diese Angemessenheit an ihre Umgebung die unvergängliche Bedeutung erlangt, die ihr den Platz in dem Gedächtnis aller kommenden Geschlechter errungen hat. Gewiß, der gemeine Verstand möchte auch dieses gewaltigste aller Mysterien in die triviale Gewöhnlichkeit äußerer Verkettung der Ursachen herabziehen. Vergebens, hier gerade bei der Erscheinung der großen Persönlichkeit rühren wir unmittelbar an das Geheimnis der weltlenkenden Geistesmacht. Es ist alles Zufall, alles Gunst äußerer Umstände, das Leben und das Sterben, das Großwerden und das Wirken, aber hier ergreifen wir den Sinn des tiefen Wortes am unmittelbarsten: Und was uns blindes Ungefähr nur dünkt, gerade das steigt aus den tiefsten Quellen. Mit pragmatischer Geschichtsklitterung ist hier gar nichts geleistet, und die sogenannten naturwissenschaftlichen oder psychologischen Methoden reichen an die hohe Idealität der Tatsachen in keiner Weise heran.
Hier, beim Blick auf das Reich der schöpferischen Geister, die die Weltgeschichte gestalten, öffnet sich die dunkle Pforte, und wir gewinnen den Durchblick in die unermeßliche Herrlichkeit des ewigen Herrn des Weltalls, der alles in der Welt, die großen wie die kleinen Geschicke leitet, indem er durch seine Sendboten und Rüstzeuge [36/37] seine göttlichen Gedanken und Willensentschließungen an die Herzen und Sinne der Menschen gelangen läßt, damit sie dort Wurzel schlagen und die ewigen Früchte hervortreiben.

V.



Die oberste Voraussetzung steht fest und bedarf keines weiteren Nachweises: das Prinzip ist der Geist, und die äußere dingliche Welt stammt aus des Geistes schöpferischer Tätigkeit. Die Dinge können nicht den Geist hervorbringen, die Vernunft kann nicht aus der Unvernunft, das Leben nicht aus dem Tode stammen. Aber der Geist ist die Macht, die alles vollbringt; der Geist ist das Prinzip, das, indem es sich selbst setzt, zugleich alles andere als sein äußeres Gegenbild zur Verwirklichung bringt. Nur der völlige Mangel an Nachdenken kann uns die unzweifelhafte Tatsache verbergen, daß das Erste, was uns im Bewußtsein gegeben ist, wir selber sind und unser Denken, und daß erst dadurch uns die Welt der äußeren Gegenstände sich erzeugt. Wenn es nun Leute gibt, wie die, von denen vorher die Rede war, die meinen, wer den Geist als Prinzip setzt und zum Herrn über alles macht, der könne unmöglich in diesem geistigen Universum dem Zufall auch nur ein geringes Plätzchen, geschweige denn einen unermeßlichen Spielraum zugestehen, so ist das die Schuld eines groben Mißverständnisses, das doch bei einigem Nachdenken überaus leicht zu durchschauen und aufzuhellen ist. Die Behauptung lautet also: der Geist ist es, der herrscht; er leitet und gestaltet alles. Was heißt das ? Wo das eine herrscht, da, muß ein anderes sein, was beherrscht wird, und wo es ein Leitendes und Gestaltendes gibt, da muß ein anderes vorhanden sein, was der Leitung und Gestaltung empfänglich ist und ihrer bedarf. Das Leitende ist der Geist, die Vernunft, die Idee; also wird dasjenige, was geleitet wird, noch nicht vernünftig sein, und die Tätigkeit der Vernunft wird die sein, dieses noch [37/38] nicht vernünftig Gestaltete, aber solcher Gestaltung Fähige mehr und mehr der Vernunft anzugleichen. Wir können ganz wohl uns der Ausdrucksweise der Alten anschließen, die dieses noch nicht Vernünftige, aber der Vernunft Fähige Materie nannten, wobei man allerdings nicht an bloße dingliche Stoffe denken darf. Diese Alten erblickten dann im Geiste das Prinzip der Form, des Begriffes, des wahrhaft Seienden, das der Materie, die immer nur wird und noch kein volles wirkliches Sein besitzt, die Form als das Gepräge der Vernunft in stetig aufsteigender Stufenreihe verleiht. Damit wird dann das ganze daseiende Universum als die Stätte der Entwicklung aus der Formlosigkeit und den niederen Formen zu immer höheren Formen begriffen, und alle Unvollkommenheit, alles Werden, aller Mangel wird als Durchgang zu dem letzten Ziele vernünftiger Gestaltung verstanden und dem Geiste angeeignet. Dieser Gedanke ist unausweichlich. Vernunft ist die Tätigkeit, sich zu verwirklichen. Gäbe es nicht Unvernünftiges oder minder Vernünftiges, so gäbe es auch keine Vernunft; denn die Vernunft hätte nichts mehr zu schaffen. Die Vernunft übt ihre Tätigkeit in dem Sinne, daß sie das Unzweckmäßige zweckmäßig macht. Unzweckmäßigkeit ist die Bedingung, ohne die von vernünftiger Tätigkeit in keiner Weise die Rede sein kann. Soll Zwecktätigkeit sein, so ist es im höchsten Grade zweckmäßig, daß es Unzweckmäßiges gibt, und soll die Zwecktätigkeit andauern, so ist die Anforderung unabweisbar, daß immer neue Unzweckmäßigkeit entsteht, die immer wieder überwunden werden muß. Für die Zweckmäßigkeit in der Welt gibt es keinen schlagenderen Beweis als das Vorhandensein und die ungeheuere Gewalt des Unzweckmäßigen. Es ist der vollkommenste Mißverstand, die vorhandenen Unzweckmäßigkeiten als Beweis gegen die Herrschaft des Zwecks und der Vernunft in der Welt zu verwenden. In der großen Weltenuhr ist es wie in jeder Turmuhr unmöglich, den Zweck zu erreichen, wenn nicht fortwährende Hemmungen den Ablauf der Gewichte verhindern. Fehlt die Hemmung, [38/39] so ist das Ergebnis das Nichts. Erst das Übel, das Leiden, ja das Böse macht die Herrschaft des Guten verständlich. All dieses Übel macht sich in furchtbarer Weise geltend, aber die Welt besteht. Das unermeßliche Heer der Dinge treibt sich durcheinander. Die Welt droht in jedem Augenblick ins Chaos zu versinken, aber das Chaos stellt sich nirgends ein; vielmehr die Ordnung besteht und stellt sich immer wieder her. „Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand, geruhig bleibt am Ende Meer und Land." Das Gleiche gilt für alles natürliche wie alles geistige Dasein. „Wieviele hab' ich schon begraben", sagt der böse Geist, „und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut." Die ewigen Gestalten erneuern sich, die Gattungen der Dinge bleiben, die Formen des Geschehens, die wir Gesetze nennen, sind ewig. In dem bacchantischen Taumel aller Dinge, in dem rastlosen Fließen, in dem Auftauchen und Verschwinden kehren immer die gleichen Bedingungen wieder für die gleichen Vorgänge. In dieser Welt, die uns umgibt, ist viel Unvernünftiges, es bedrängt uns hart; aber das Bild der Welt bleibt immer dasselbe. Die Herrschaft bleibt bei der Vernunft, und die Vernunft in der Welt draußen ist dieselbe wie die, die wir in unserem Denken und Wollen in uns tragen. Und so bleibt uns die Welt mit ihrem unveränderlichen vernünftigen Gehalte trotz alledem und alledem verständlich und vertraut. Sie gehört zu uns, wir gehören zu ihr: das All ist dennoch das gewaltige Zeugnis von dem Geiste und seiner Macht, der sich alles schließlich beugen muß.
Um diese Sätze zu erläutern, genügt es, einen Blick auf die Erscheinung der geschichtlichen Persönlichkeiten zu werfen, von der wir zuletzt gehandelt haben; sie ist besonders bezeichnend. Blicken wir auf eine längere Zeitreihe in der geschichtlichen Entwicklung zurück, und fassen wir die Gestaltungen ins Auge, die während dieser Zeit das menschliche Leben und die menschliche Betätigung angenommen haben, so finden wir, daß durch die Tätigkeit eben jener durch den Zufall hervorgebrachten Persönlichkeiten mit ihren Gaben und Eigenschaften ein innerlich vernünftiges Ergebnis in folge-[39/40]richtiger Weise sich hergestellt hat. Das Zufälligste von allem Zufälligen erscheint eben auf diesem Gebiet in dem Reiche menschlicher Persönlichkeiten, wie sie aufeinander folgen, einander ablösen, durch ihre Leistungen einander ergänzen, einer dem andern das halbvollendete Werk zu weiterer Durchführung überliefern. Und siehe da! Diese zufälligen Persönlichkeiten bieten nunmehr dem sinnigen Betrachter nicht mehr das Schauspiel der Zufälligkeit dar. Ihre Aufeinanderfolge in aller ihrer Zufälligkeit trägt den Stempel einer inneren vernunftgemäßen Notwendigkeit. Die Idee der Sache hat sich vermittelst dieser zufälligen Persönlichkeiten im äußeren Dasein eine vernunftgemäße Verwirklichung gegeben, und die Stufenfolge der einzelnen Gestalten zeigt selbst wieder eine bedeutsame, in der Sache wurzelnde Ordnung. Die Stilarten, die Darstellungsformen, die Auffassungen, die technischen Vervollkommnungen in den Künsten zeigen eine innerlich sinnvolle Entwicklung, die sich aus dem Prinzip ergibt. Das gilt für bildende Kunst, Tonkunst, poetische Literatur in ganz gleicher Weise und macht eine wirkliche Kunst- und Literaturgeschichte möglich, die zugleich die Natur der Sache und den Genius des Volkes wie das innere Geistesleben des Zeitalters aufhellt. Die hauptsächlichsten Seiten der Sache treten nacheinander an das Licht, die verschiedenen Momente, die als Teilanschauungen auf dem jedesmaligen Gebiete durch die Sache gegeben sind, schließen sich erschöpfend zu einem verständlichen Ganzen zusammen. Dieses Aufsteigen erreicht einen Höhepunkt, auf den ein allmähliches Absteigen folgt. An anderer Stelle, zu anderer Zeit wird dann die Reihe in ebenso verständlicher Weise fortgesetzt. Die Zufälligkeit wird damit natürlich nicht ausgetilgt; aber so ganz zufällig ist sie doch nicht gewesen, sie wird über sich selbst hinausgehoben und mündet in das Gebiet der Vernünftigkeit ein.
In den Entwicklungen des wissenschaftlichen Gedankens, in Philosophie, Naturwissenschaft, Weltgeschichte, - überall dasselbe Schauspiel. In der Technik erst recht wird das [40/41] Nachfolgende durch Vorangegangenes bedingt uni hervorgerufen, und die Zufälligkeit der Persönlichkeiten hat auch hier einen ausgedehnten Spielraum. Ebenso für das innere Leben von Staat und Recht ist die Natur der Sache das organische Band, das alle Zufälligkeiten der Erscheinung im einzelnen gleichmäßig umfaßt und zu einer inneren Einheit zusammenschließt. Mag in alledem noch so viel Zufälliges nebenbei mitspielen: das innere Gesetz der Sache behält die Herrschaft in sicherer Hand und weiß das Zufällige in Ereignissen und in Personen für seine Zwecke geschickt zu verwenden. Diese Einsicht ist Geradezu der größte Gewinn, den die Wissenschaft der Geschichte als Staaten- wie als Kulturgeschichte in den letzten Jahrhunderten gemacht hat. Als solche Zufälligkeiten, die für das große Ganze verwendbar mitwirken, müssen nun auch die Leistungen der minder bedeutenden, der kleineren, enger begrenzten Gestalten richtig eingeschätzt werden. Auch das Tagesinteresse verlangt seine Befriedigung. Es kann geschehen, daß das, was heute am meisten gerühmt wird, nach kurzem Zeitraum vergessen ist, und daß solches, was heute übersehen wird, sich als das dauernd Wirksame erweist. Immer aber gilt der Satz: das Echte bleibt der Nachwelt unverloren. In der gegebenen Lage reizt es viele, an dem eben vorliegenden Problem mitzuarbeiten. Die bei weitem größere Zahl verfehlt den Kern der Sache und setzt an einem falschen oder an einem nebensächlichen Punkte ein. Aber einer ist unter der Menge, der trifft eben das, was durch die Notwendigkeit der Lage gefordert ist, und er erringt den Kranz der Unsterblichkeit. Die Geringen mögen sich mit dem Troste begnügen, daß sie mitgeholfen haben, an dem Sockel zu bauen, auf dem die Gestalt des klassischen Meisters durch alle Folgezeit weiter strahlen wird.
Schließlich gilt doch auch von der äußeren Natur etwas Ähnliches. Das Zufällige tritt überall in die Erscheinung, aber die Herrschaft gebührt nicht ihm, sondern dem Gesetz. Alle Veränderung erhält sich in maßvollen Grenzen. Die Gestirne verfolgen ihre Bahnen; sie werden [41/42] abgelenkt, aber die Ablenkungen in dem einen und dem andern Sinne gleichen sich immer wieder aus. Die Erscheinungen im Luftraum, die Erschütterungen des Erdbodens, das Emporsteigen und Niederfallen des Wassers sind ein Gebiet unabsehbarer Zufälligkeit. Aber nach längerer Zeit erweist sich, daß alle diese Erscheinungen, auch die Wärmegrade, die Regenmenge, der Luftdruck, die magnetischen Ablenkungen um eine mittlere Zahl herum schwanken, die mit einer Art von Geschicklichkeit die Abweichungen in Schranken hält. Die Pflanzendecke der Erde, die Tierwelt zeigen im ganzen und großen trotz aller Veränderungen im Einzelnen, ja trotz der mächtigen Eingriffe der menschlichen List und Macht einen gleichmäßigen Bestand. Wolken und Winde haben ihre Art von Regelmäßigkeit, und die späten Geschlechter wandeln im wesentlichen auf demselben Grunde, auf dem vor Jahrtausenden die Menschengeschlechter gewandelt haben.
Und nun erst die großartige Erscheinung, die die Welt des Lebendigen bietet in ihrem Widerstande gegen das, was sie bedroht. Wie mit einmütigem Haß dringen alle Kräfte im Weltall auf das Lebendige ein. Vom niederen Organismus an bis zum höchsten ist das Lebendige gezwungen, im beständigen Kampfe sich zu behaupten; und wirklich, es behauptet sich. Die Einzelwesen vergehen, die Gattungen bleiben. Spielarten und Varietäten sterben aus, aber die beherrschenden Grundformen kehren wieder. Millionenfach stürmen die Zufälligkeiten gegen das Lebendige an, aber nicht diese Zufälligkeiten, sondern die gedankenvollen Lebensformen behalten die Oberhand. Unzweifelhaft nun bedeutet unter allem Lebendigen der Mensch die zusammengesetzteste, am reichsten gegliederte und zu den vollkommensten Wirkungen geeignete Gestalt. Damit zugleich ist der Mensch unter allen die am meisten bedrohte, die am wenigsten geschützte, die mit den größten Schwierigkeiten des Bestandes behaftete Gattung des Lebendigen. Diese Schwierigkeiten werden noch gesteigert durch die dem menschlichen Geschlechte und damit auch [42/43] dem einzelnen Menschen in der Ordnung der Dinge gestellten Aufgaben und durch die zur Lösung dieser Aufgaben erforderten Tätigkeiten. Und dennoch besteht die Menschheit weiter. In normaler Entwicklung mehrt sich die Zahl der Menschen, wächst die Lebensdauer, steigern sich leibliche Kraft und geistiges Vermögen. Die Widerstandskraft den äußeren Gefahren gegenüber erweist sich nach längeren Zeiträumen als erhöht. Alle Macht der Zufälligkeit ist auch in diesem Falle eine beschränkte. Der Zufall spielt mit; aber seine Rolle ist die eines Dienenden. Er umspielt mit vielfach gewundenen Linien die regelmäßigen und gesetzlichen Zusammenhänge; aber er vermag nicht, sie zu zerstören. Indem er das Geordnete fortwährend bedroht, fordert er die Widerstandskraft heraus und treibt dazu, höhere Grade von Vollkommenheit zu erreichen.
Die furchtbarste Macht entwickelt der Zufall in der Form menschlicher Vorstellungen, Meinungen, Triebe und Begierden. Sie sind schlechthin unberechenbar und bei der Menge der Menschen immer auf dem Sprunge, in wildes, phantastisches, wüstes Wesen und Treiben auszuarten. Diese Zufälligkeit menschlicher Antriebe und Handlungen irgendwie aufheben oder auch nur wesentlich einschränken zu wollen, wäre ein ganz aussichtsloses Unternehmen. Vielmehr, je weiter sich das Menschliche durchbildet, desto größer werden die Unterschiede zwischen den einzelnen Personen, desto weiter gehen die Erscheinungen der Innerlichkeit auseinander, desto wirrer wird das Getriebe der Zufälligkeit in den Äußerungen der Innerlichkeit. Und dennoch beobachtet man, und gerade bei den Völkern der höchsten Bildungsstufe, in den Trieben und Handlungen der Menschen, wie sie in die äußere Erscheinung treten, ein gewisses Maß von Regelmäßigkeit. Auf eine gewisse Anzahl von Menschen fällt für gleiche Zeiträume je nach der Art des Volkes und seiner Zustände und Einrichtungen eine gewisse Zahl von Erscheinungen gleicher Art: Eheschließungen, Geburten, Todesfälle, Selbstmorde, Bankbrüche, Vergehungen und Verbrechen. Die Zahlen schwanken [43/44] um eine mittlere Linie von Jahr zu Jahr. Aber wenn die Umstände sich nicht gründlicher ändern, bieten sie dem Beobachter eine gewisse regelmäßige Wiederkehr dar.
Die Tatsache ist richtig: aber die Gedankengänge, die sich daran anschließen, sind vielfach sehr sonderbar. Man macht aus dieser Regelmäßigkeit ein blindwirkendes Gesetz mechanischer Notwendigkeit, als ob die einzelnen gezwungen wären, noch schnell dieses oder jenes zu tun, damit mir die Zahl ausgefüllt werde, die erwartet wird. ja, man hat daraus einen handgreiflichen Beweis entnommen gegen die Freiheit des menschlichen Willens. Von alledem kann natürlich nicht die Rede sein. Die Erscheinung schließt sich als gleichartig den andern von uns aufgezeichneten an. Die Zufälligkeit ist nicht schrankenlos" auch in ihr erhält sich eine gewisse Gleichmäßigkeit. Die Zufälligkeit des menschlichen Beliebens, so ausgelassen und wunderlich sie sich bei den Einzelnen darstellen mag, hebt doch in keiner Weise die Kennzeichen der Gemeinsamkeit des menschlichen Wesens auf. Auch die äußerste Willkür und der befremdlichste Einfall behalten doch mit Art und Weise der anderen Menschen eine gewisse Verwandtschaft bei. Bleiben die äußeren Bedingungen, unter denen die Einzelnen ihr Leben führen, innerhalb eines Volkes im ganzen und großen dieselben, so werden auch die Ergebnisse der Zufälligkeit der Einzelnen mit ihrer Innerlichkeit und ihren Betätigungen ungefähr dieselben bleiben.

VII.



Zufall und Zufälligkeit werden durch den Gedanken erfaßt. Sie werden nicht unmittelbar empfunden wie etwa Wärme und Durst; sie werden nicht wahrgenommen wie die grüne, Farbe oder der hohe Ton, nicht angeschaut wie das neue Haus oder das schnelle Pferd. Die Vorstellung des Zufalls nähert sich dem strengen Gedanken. Sie enthält schon den Gegensatz zu dem, was nicht Zufall ist, zu Ordnung, Regel und Gesetz. Wir haben gesehen, daß [44/45] es viele Arten der Begründung des einen durch das andere gibt, daß diese Arten von der reinen Äußerlichkeit aufsteigen bis zur tiefsten Innerlichkeit des Geistes, und daß sie sich alle zu einer vollkommenen Einheit zusammenschließen, in der jede Art des Grundes den andern dient. Sicher ist, daß auch die äußerlichste Form der Begründung, die durch mechanisch wirkende Ursachen, eine gedankliche Bestimmung darstellt, daß der Gedanke lind der denkende Geist nicht ausgeschlossen werden können, wo von Grund und Folge die Rede ist. Alle diese Arten des Verhältnisses von Grund und Folge sind durch einen höchsten Gedanken festgestellt und bilden eine geistige Ordnung, die sich in der vom Geiste durchdrungenen Welt durchsetzt. In dieser von der Vernunft gestalteten Welt kann es nichts geben, was schlechthin tot, schlechthin vernunftlos wäre. Was so erscheint, ist selbst nur Durchgangspunkt; es ist von der Vernunft gesetzt und dient ihrer Verwirklichung als eine Seite an der Vernunft selber. Das Irrationelle, das Alogische, wie man es nennt, liegt nicht rein außerhalb des Kreises des Rationellen und Logischen. Auch das Unbestimmte hat seine Bestimmtheit und das Formlose seine Form. Der Gegensatz ist kein absoluter, nur ein verhältnismäßiger. Wir treten damit aus dem Reiche der Begriffe nicht heraus. Die Vernunft greift über und bezwingt das ihr Widerstrebende, Vernunftlose, das immer nur im Werden ist und niemals zu wirklichem Sein gelangt.
Der Zufall stammt aus vernünftiger Ordnung. Er erscheint an dieser als ihr relatives Gegenteil. Die Spuren dieses Ursprungs aus der Vernunft werden am Zufall irgendwie zu erkennen sein. Wenn irgendetwas ist, besteht und sich erhält, so wird dabei gleich mitgesetzt, daß das Bleibende, Begriffe, Gattungen und Gesetze, solchen Bestand und solche Selbsterhaltung ermöglichen. Am einfachsten und unmittelbarsten stellt uns die Mathematik die Gedanken des absoluten Geistes dar, der dies ganze System erdacht hat, ehe denn der Dinge Grund gelegt war, der alles [45/46] nach Zahl und Grad, nach Maß und Gewicht ordnet und so erst den Bestand einer Welt möglich macht. Inhaltlich tritt nun das Reich der Formen und Bestimmtheiten, die Elemente und ihre Zusammensetzungen als ein glanzvolles Gedankensystem von nie zu erschöpfender Herrlichkeit hinzu, um ein Reich der Natur zu begründen; und darauf als auf seiner Grundlage erhebt sich dann das Reich der Geister, in dem der absolute Geist seinen eigenen Inhalt auseinanderlegt. So erst vollendet sich in dem geschichtlichen Leben der Menschheit die Herrlichkeit des Universums.
Der Geist ist Freiheit, der absolute Geist hat die Freiheit nicht für sich vorbehalten. Der Geist ist dem Lichte gleich, das sich mitteilt und in unendlich reicher Abstufung in der Vielheit seinen Glanz offenbart. Ist eine Welt gegeben, so ist eine unerschöpfliche Menge Vieler vorhanden und diese Vielen bestehen zusammen. Sie stören einander, sie hindern einander, aber sie vertragen sich miteinander. Sie sind kompossibel und ihre Bewegungen, die irgendwie ein Abbild der ihnen verliehenen Freiheit sind, ergeben eine Harmonie, die, beständig gestört, beständig sich erneut und so eine innerlich zusammenhängende Welt ergibt. Wer eine Welt denkt, denkt notwendig auch den absoluten Geist mit, dessen Gedanken die Welt, und was in ihr ist und sich bewegt, schaffen und erhalten.
Der Zufall ist eine Abweichung von Bestimmungen, Regeln und Gesetzen, die die Welt durchdringen. Zufall gibt es nur in einer geordneten Welt. Wer den Zufall denkt, denkt die Ordnung mit, und wer die Ordnung denkt, der denkt auch den Zufall. Der Zufall verleiht der Vernunft die Möglichkeit ihrer Betätigung. Wer Form, Regel, Gesetz denkt, darf von dem Formlosen, Regellosen, Gesetzlosen nicht absehen; denn der Bestand von Form, Regel und Gesetz ist stetige Aufhebung und Wiederherstellung. Die Abweichung selber stammt aus der Vernunft, die Vernunft setzt den Zweck, und der Zweck ist eben die Erhaltung des geordneten Ganzen, das stetig in Bewegung [46/47] ist und stetig aus dem Wirrwarr der Bewegung sich neu erzeugt. In einer geordneten Welt bildet das Heer der Unvollkommenheiten, der Übel Lind des Bösen keinen fremden, sondern einen notwendig mit eingeschlossenen Bestandteil. Ist das Übel durch die Vernunft gesetzt, so wird es auch durch die Vernunft stetig überwunden. Das Übel also ist nicht ganz und gar Übel, denn es gehört mit zu der harmonisch geordneten Welt. In diesem Sinne ist der Optimismus als die Lehre von der besten Welt, wenn auch nicht gerade in dem Sinne der besten aller möglichen Welten, das sichere Ergebnis einer klaren und denkenden Überlegung, die zugleich den Geist als den Urheber alles dessen, was erscheint, und die Bedingungen für den dauernden Bestand einer Vielheit von Gestalten klar und sicher ins Auge faßt. Optimismus ist die Lehre von einer durch die Vernunft gesetzten und erhaltenen Ordnung der Welt, die sich in unausgesetztem Kampfe mit dem Heere der Hemmungen und Widerstände eben durch die Macht der Vernunft selbst immer wieder herstellt. Das, schlagendste Zeugnis für diesen Grundzug in der gesamten Welterscheinung ist der Zufall, der überall auftritt, um überall von der Ordnung der Welt überwunden zu werden.

VI.



Aus dem Geiste ist die Welt entsprungen; der Geist stellt sich in ihr dar. Der Geist ist nicht neidisch; er teilt sich dem, was er schafft, mit. Auch das Geschaffene hat seinen Teil an der Selbständigkeit und Einheit, die der Charakter des Geistes ist. Alles, was da ist, hat irgend eine Art, irgend einen Grad von Innerlichkeit, und das Bewußtsein hört nirgends völlig auf. Allem, was da, ist, sind innere Kräfte mitgegeben, nichts wird bloß von außen gedrängt und gestoßen; eine Analogie zum Lebendigen durchdringt das ganze Universum bis auf die niederste seiner Gestalten herab. Mit dieser Analogie des Lebens [47/48] ist auch ein Abglanz der Freiheit, und sei es in mattester und schwächster Spiegelung, gegeben. Noch im niedersten Tier, in der einfachsten Pflanze zittert ein Nachhall von Empfindung und Innerlichkeit, von Trieb und Begehren, und was uns als tote Materie erscheint, ist dem Nullpunkte des Lebens wohl nahegekommen, aber immer im Begriff, irgendwie in den Lebensprozeß einzutreten und als Bestandteil und Glied zum Leben mitzuwirken. Aus schlechthin totem Material ließe sich kein lebendiger Organismus aufbauen. Das Eisenteilchen, das im Blute des Denkers kreist, nimmt an der Gesamtleistung des Organismus nicht nur seinen Anteil, sondern wirkt ausdrücklich zu ihr mit.
Aber alle diese Vielheit der Wesen mit ihrer vielfach abgestuften Selbständigkeit ergibt doch kein chaotisches Durcheinander. Die vernünftige Ordnung ist allen Wesen eingeboren. Sie tritt nicht von außen an sie heran, um sie wie ein Fremdherrscher mit äußerer Gewalt zu zügeln und zu bändigen. Alle diese Wesen mit dem Anklange an Freiheit, der ihnen zukommt, sind innerlich gebunden und gehalten durch die Einheit der Welt, aus der sie stammen, und die sie durchdringt. Man wird darin den Gedanken der prästabilierten Harmonie wiederfinden und seine Begründung würdigen können. Der Begriff der Zeit als der Vorausbestimmung wird zu weichen haben der Einsicht, daß diese Harmonie von Ewigkeit her in jedem Augenblicke gleichmäßig wirksam bleibt und ihre gestaltende Macht durch alle Störungen hin behauptet. Es ist ein ganz richtiges methodisches Verfahren, von dieser Innerlichkeit zunächst zu abstrahieren und die die Welt bauenden Kräfte als rein äußere mechanische, und ihre Wirksamkeit als eine zufällige zu fassen; aber man darf diese Methode nicht zu einem Dogma von dem die Welt herstellenden Mechanismus ausbauen und damit aller Erfahrung und allen Tatsachen zum Trotze Vernunft und Zweck in der Welt leugnen.
Es liegt in der Menschen Natur eine dunkle Ahnung von der im Zufall sich behauptenden innerlichen Bedeutung [48/49] des Geschehens. Eben der Zufälligkeit des Geschehens wegen läßt sich das Kommende nicht voraussehen; aber die Menschen verzichten nicht darauf, aus allerlei äußerem Geschehen auf das Kommende zu schließen. Die Umläufe der Planeten und von Sonne und Mond müssen ihnen dazu verhelfen, kommende Schicksale vorherzusagen. Der Vogelflug und die Eingeweide der Opfertiere, zufällige Begegnungen mit Tieren und Menschen, unscheinbare Ereignisse stellen sich ihnen als bedeutungsvolle Vorzeichen dar, auch wenn der Wahn und Aberglaube, der aus solchem Deuten ein Gewerbe machte, längst überwunden ist; ein stilles dunkles Gefühl des Ahnens und Vorausschauens bleibt in der Brust des Menschen lebendig, als ob das äußere Geschehen mit den Hoffnungen und Wünschen, mit den Sorgen und Befürchtungen der Menschen in geheimnisvoller Beziehung stände.
Das Schauspiel menschlichen Lebens ist zum großen Teil erfüllt von dem Streben, den inneren Kräften nachzuhelfen, die in der äußeren Welt tätig sind, um den zufälligen Abweichungen zu wehren. Denn so wird dem menschlichen Geschlechte dauernder Wohlstand gesichert. Mag immerhin die neue Einrichtung, das neue Hilfsmittel, das dazu dienen soll, auch wieder neue gelegentliche Gefahren und Schädlichkeiten mit sich bringen: im ganzen und großen wird durch die neue Maschine, die neue Art von Landstraßen, die neuen Wege der Mitteilung der Vorrat an zugänglichen Gütern stetig vermehrt, die Bedrohung durch äußere Schädlichkeiten stetig vermindert. Die fortschreitende Gewinnung der Kräfte und Stoffe der Außenwelt geht ins Unendliche fort ohne abschließende Grenze, und dem Zufall wird sein Spielraum immerfort weiter eingeengt. Eben dahin wirkt nun auch die Wissenschaft, die die Erfahrungen sammelt, die Gründe der Erscheinungen kritisch feststellt und damit die Mittel zur Abwehr und Förderung an die Hand gibt. Krankheiten und Seuchen werden mehr und mehr zurückgedrängt. Die Schäden für Leben, Gesundheit, Stärke der Menschen werden abgewehrt. Die Lebensdauer der Menschen und ihr leibliches Wohl-[49/50]befinden wachsen mit dem zunehmenden Wohlstande und dem Reichtum an äußeren Gütern. Die Zufälligkeit selber, die die unberechenbare Innerlichkeit der Menschen im Begehren und Handeln, in Ansichten und Meinungen mit sich bringt, wird durch die aufklärende Wirkung der Wissenschaft mit steigendem Erfolge bekämpft. Erziehung und Gewöhnung, die Institutionen des Staates und Rechtes, die herrschende Sitte, die Moral, die Religion, - alles wirkt zusammen, um selbst in der zufälligen Eigentümlichkeit der Personen die Gefahr der Abweichung von Norm, Regel und Gesetz mit steigendem Erfolge zu verhüten.
Man darf das aber nicht allein auf menschliche Klugheit und Geschicklichkeit, auf Wissenschaft und Technik schieben. Der gleiche Zug geht in abgeschwächter Weise durch alle Dinge in der Welt. Gewiß stehen die einzelnen Dinge im Kampfe miteinander, wobei jedes seinen Platz und seinen Bestand den Angriffen der anderen gegenüber zu wahren bemüht ist; aber es ist kein richtiger Gedanke, in diesem Kampfe ums Dasein und ums Wohlbefinden äußere mechanische Ursachen zu sehen und nun gar die aufsteigende Reihe der Gattungen des Lebendigen als Wirkungen mechanischer Kräfte durch lange Zeiträume anzusehen. Wäre nicht ein inneres Maß in den Dingen, das schon in den ersten Elementen und immer klarer sich aussprechend in den zusammengesetzteren Gebilden sich tätig erweist, wäre nicht eine zielsetzende, oberste, leitende Kraft in allem Geschehen der äußeren Welt tätig: es könnte keine gebildete Gestalt, keine einheitliche Form weder entstehen noch sich erhalten, geschweige denn, daß die niemals genug zu preisende Herrlichkeit der Gestaltung der lebenden Wesen in ihrer unübersehbaren Fülle durch die Wirkung äußerer Kräfte sollte erklärt werden können. Die ideelle Einheit der geringsten der organischen Wesen setzt den weisen Gedanken des Baumeisters ebenso voraus, wie der edel geformte Tempel oder der Dom im Schmucke seiner zum Himmel ragenden Säulen.
Dies innere Maß in allen Dingen leugnen zu wollen, ist ganz vergeblich. Der denkende Mensch erwartet nicht [50/51] bloß, er fordert geradezu von den Dingen, daß alle zufällige Abweichung und Unregelmäßigkeit durch das innere Maß in Schranken gehalten wird. Wo wir es noch nicht erkundet haben, da. suchen wir danach und harren geduldig, bis es endlich dem Suchenden sich erkennbar darstellt. In dem launenhaftesten, willkürlichsten, unberechenbarsten Geschehen vermuten wir mindestens eine Ordnung der periodischen Wiederkehr und lassen nicht ab zu beobachten, bis sich die Vermutung bestätigt. Die furchtbarste Seuche tötet nicht alle Menschen, nicht alle sind für das Gift empfänglich; viele haben die Kraft des Widerstandes. Endlich erlischt die Seuche auch, wo menschliche Kunst sich unzulänglich erwiesen hat, wie von selber. Die furchtbarste Feuersbrunst findet ihre Begrenzung, die Überschwemmung waltet auf abgemessenem Raum in abgemessener Zeit, die verderblichste Erderschütterung übt ihre zerstörende Wirkung auf einzelnen engen Gebieten. Und nun gar die lebendigen Wesen. Sie alle bringen ihre Schutzkräfte gegen die äußeren Zufälligkeiten, ihre inneren Vermögen, das Schädliche zu meiden, das Förderliche zu suchen, ihre sogenannten Instinkte, die Antriebe, das der Erhaltung der Gattung Dienliche herzustellen und dem Naturzweck hilfreich zu sein, als einen unveräußerlichen Bestandteil ihrer Organisation mit sich. jetzt ist es Mode, daß die Wohlgesinnten einzelne auffallende Beispiele zum Erweise dafür beibringen. Im achtzehnten Jahrhundert war man gescheit genug, nicht erst solche Einzelheiten als Beweismittel aufzuhäufen; man ließ eben die Sache für sich selber zeugen, die ja nicht hie und da, sondern überall in der Welt uns entgegentritt.
Wir unterscheiden in dem ganzen Umfange der Welterscheinungen drei Reiche: das Reich der äußeren Dinge in Raum und Zeit, das Reich der seelischen Innerlichkeit und das Reich des Geistes. Dieses dritte Reich führt die Herrschaft über alles, was ist, und stellt in der scheinbaren Trennung die überwältigende Einheit her. Hier, in diesem letzten der drei Reiche waltet der Begriff mit deutlichster, unverkennbarster Macht. Der Begriff kennzeichnet sich [51/52] als Allgemeines, welches das Einzelne unter sich befaßt. Wir haben den Zufall kennen gelernt als die Einzelheit schlechthin als die Abweichung von dem Allgemeinen, von der Gattung des Seienden und dem Gesetze des Geschehenden. Was der Zufall seinem innersten Wesen nach ist und was er im Zusammenhange des vernünftigen Ganzen bedeutet, das wird uns am leichtesten erkennbar, wenn wir den Begriff als solchen ins Auge lassen und sein Verhältnis zu dem Einzelnen, das er unter sich befaßt, mit möglichster Bestimmtheit festlegen.

VIII.



Die Welt ist eine. Sie zerfällt nicht in Teile, als wäre sie mit dem Beile zerhackt. Es fehlt der Welt nicht an dem inneren Band, gleich einem Drama, das aus Episoden bestände. In der Welt bewegt sich die unendliche Vielheit; aber die Einheit greift darüber hinaus, und diese Einheit kann nur die Einheit des Gedankens sein. Denn die Dinge sind ein Außereinander, Nebeneinander, Durcheinander und bilden kein Band der Einheit, die die Vielheit umfassen könnte. Aber der Gedanke ist eine Einheit, die die Vielheit in sich trägt, und diese gedankliche Vielheit geht durch ihre eigene Bestimmtheit in die Einheit zusammen. Das Eine, was ist, ist der Geist; des Geistes Tat aber ist der Gedanke, dieser ist Einheit und setzt Einheit. Im Seienden ist keine unverbundene Zweiheit, keine Gegensätzlichkeit ohne inneres Band. Alles Gesonderte geht auf die oberste Einheit zurück; aus ihr fließen die Unterschiede und die Gegensätze; sie erhält sich in allem Getrennten. Diese Einheit ist Geist, und aus dem Geiste muß das gewaltige Schauspiel dieser Wunderwelt verstanden werden.
Der Mensch, wie er gefunden wird, ist in die Sinnlichkeit versenkt und hält die Dinge draußen für das eigentlich Seiende und Selbständige. Er weiß weder von sich, noch von seinem Denken. In seiner Vorstellung verfließt er mit der Außenwelt, als wäre er ein Ding unter Dingen. Das ist der Standpunkt, auf dem der Säugling steht, wenn [52/53] er aus der Wiege heraustritt, um sich auf seine eigenen Füße zu stellen. Wie wenige Menschen gelangen überhaupt über diesen Standpunkt hinaus! Und doch darf man von jedem, zu folgerichtigem Denken erzogenen Menschen verlangen, daß er von sich und seinem Denken wisse, die äußere Welt nicht sich als gleichartig oder gar sich als abhängig von ihr betrachte. Der vernünftige Mensch kann es wissen, daß seines Geistes Art, seines Denkens Notwendigkeit ihm auch die äußere Welt erzeugt.
Es ist dem Menschen versagt, völlig aus dem Denken herauszugeraten. Schon im dumpfen Elemente der menschlichen Innerlichkeit ist das Denken wirksam, mindestens als ein leiser Ansatz, ein der Entwicklung bedürftiger Keim. Normale Entwicklung fördert dies Denken von Stufe zu Stufe, bis der denkende Mensch sein eigenes Denken beobachtet, zergliedert und richtet. Die Form, in der das Denken sich vollzieht, wenn es zur Vollendung gelangt, ist der Begriff. Der Begriff als die Einheit, die eine Vielheit in sich umschließt und eine Vielheit aus sich erzeugt, trägt den Charakter der Allgemeinheit. Was der Mensch, wie er gefunden wird, zunächst in seinem Bewußtsein hat, das ist die Menge des Einzelnen; daß er das Allgemeine denkt, ist ihm nicht von vornherein klar. Er hält das Sinnliche, wie es sich seinem Bewußtsein darstellt, für sinnlich und weiß nicht, daß es ein Gedachtes, und zwar ein als sinnlich Gedachtes ist. In Wirklichkeit kommt der Mensch auch im Gebiete des Sinnlichen aus dem Gedanken nicht heraus, beide Gebiete, das Geistige wie das Sinnliche, sind Gebiete innerhalb des Denkens. Daß das Allgemeine durch den Gedanken erzeugt wird, wird zugegeben. Das Einzelne dagegen wird als von außen gegeben, als vorgefunden, als das Äußerliche schlechthin betrachtet; man hat dabei immer nur die äußere Welt der Dinge im Auge. Aber was der Mensch innerlich hat, ist nicht bloß Bestandteil seiner Innerlichkeit: es ist aus seiner Innerlichkeit entsprossen und trägt das Gepräge seines Denkens. Mithin liegen das Allgemeine und das Einzelne nicht außereinander wie zwei getrennte Welten; geistigen Ursprungs [53/54] ist das Einzelne ebenso wie das Allgemeine. Die Gewöhnung der Menschen ist allerdings die, daß sie das Einzelne als ein Wirkliches, das Allgemeine als ein vom Geiste Erfundenes und Hinzugedachtes ansehen, das nichts Wirkliches sei. Wenn aus dem Geiste erzeugt sein so viel bedeutet wie Unwirklichsein, dann ist das sinnlich Einzelne genau so unwirklich wie das Allgemeine. Wirklichkeit gibt es nur vermittelst des Geistes, und die sinnlichen Dinge schöpfen ihre Wirklichkeit aus derselben Quelle wie die allgemeinen Begriffe. Damit ist auch die Vorstellung abgetan, als sei das Allgemeine etwas für sich Bestehendes in einer Art äußerer Existenz. Es ist nicht wieder dingartig, nur mit dem Charakter der Ewigkeit vorgestellt. Andererseits ist das Sinnliche nicht bloß als abstrakter Gegensatz zum Geistigen zu fassen, es ist geistiges Erzeugnis und trägt geistige Natur.
Der Streit ist uralt und kehrt immer wieder. Alles in der Welt wird unverständlich, wenn man an dieser äußeren Gegensätzlichkeit zwischen Allgemeinem und Einzelnem festhält. Man muß die Vorstellungen von der sinnlichen Welt, von den Dingen mit ihrer Undurchdringlichkeit hier abtun; sie passen nicht für das Gebiet des geistigen Seins. Der Begriff ist mit seinem ganzen Inhalt in jeder seiner Unterabteilungen und wieder in jedem Einzelnen enthalten, das er unter sich befaßt. Der Begriff ist das Wirkende und Tätige. Er erzeugt sich selbst; er bringt sich in jedem Einzelnen wieder hervor. Dieses menschliche Individuum ist ganz und gar Mensch mit allen konstitutiven Bestimmungen, die den Begriff Mensch bilden, der Begriff ist bei seiner Hervorbringung des Individuellen das Maßgebende gewesen. Im Begriff ist das Einzelne mitgesetzt; im Einzelnen ist der Begriff das Wirkliche. Das Allgemeine und das Einzelne gehören untrennbar zusammen; sie sind verschieden wie die beiden untrennbaren Momente eines Gedankens. Dies ist ein Kiesel; es ist ein, aber ein Kiesel. Dies andere ist eine Linde, aber eine Linde, so auch ein Hund, ein Lehrsatz, ein Staat, eine Erbschaft. Es ist dies Eine, aber als Allgemeines, und es ist allgemein als Eine. Was [54/55] wahrgenommen wird, ist gewiß ein Einzelnes, aber wir könnten nichts wahrnehmen, wenn wir das Allgemeine nicht schon bereit haben. - Man kann nicht ein völlig Unbestimmbares wahrnehmen. Bloße Sinnlichkeit ohne Gedanken, bloße sinnliche Gegenstände von dinglicher Art, das alles ist Fabel und Märchen und ergibt eine richtige Mythologie. Jedes ist, was es ist, als Allgemeines, das sich vereinzelt hat. Wer das Allgemeine fassen will, muß es im Einzelnen fassen. Auch der Eigenname, mit dem man das Individuum belegt, wird dem Individuum beigelegt als dem Einzelnen, das allgemein ist. Die Erde ist der Planet Erde, Friedrich der König Friedrich, der Vesuv ist der Vulkan. Der Begriff Mensch ist in Sokrates ebenso vollkommen enthalten wie in Plato, aber auch in Hinz wie in Kunz. Die Begriffe: Wesen, Lebewesen, Tier, Säugetier, Einhufer, Pferd sind einstimmig miteinander und durchdringen einander vollständig in dem Rennpferd Walküre, das sie alle einstimmig zu gestalten zusammengewirkt haben. Die Einzelnen sind durch den gemeinsamen Begriff aufs engste verbunden. Aber als Einzelne sind sie voneinander unterscheidbar, weil sie verschieden sind innerhalb der Grenzen, die die Einheit des Begriffs bezeichnet. Es gibt nicht zwei Einzelne innerhalb derselben Gattung, die ununterscheidbar wären. Diese Unterschiedenheit hat ihre Grade; sie kann ein Äußerstes erreichen, sich dem Verschwinden nähern, aber sie kann nicht aufhören. Das Allgemeine, Ununterschiedene ist ideell; in aller Realität sind die Unterschiede mitgesetzt. Das Ideelle aber ist Substanz und Wesen, und als Begriff die Macht über die Realität; das Reale vergeht, aber das Ideelle bleibt. Die Einzelheit ist durch das Allgemeine abhängig und durchdrungen.
Diese Sätze gelten von allem Allgemeinen und von allem Einzelnen. Sie gelten von der äußeren Natur und von der Geisteswelt, von den Dingen und von den Vorgängen, vom Zeitlichen und vom Ewigen. Das Dreieck, das gedacht wird, ist das wahre Dreieck, das ewige Dreieck. Es trägt die begrifflichen Bestimmungen an sich, die jedes einzelne Dreieck aufzeigt, aber es trägt sie rein und un-[55/56]vermischt nach der Natur des Gedankens. Das reale Dreieck hat jedes Mal seine besonderen Bestimmungen, die unter den allgemeinen Bestimmungen des ideellen Dreiecks als Unterschiede zugelassen sind. Durch diese Unterschiede ist es einzelnes, durch die allgemeinen Bestimmungen ist es allgemeines Dreieck. Das Dreieck als solches wird natürlich in der Realität nicht gefunden, ebensowenig wie der Gedanke als äußerliche Existenz etwa unter den Dingen, neben den Dingen einen besonderen Platz einnimmt. Das hindert nicht, daß das ideelle Dreieck jedes einzelne reale Dreieck zum Dreieck macht. Ohne den Begriff hat nichts Reales einen Bestand, eine Dauer, eine Eigenheit. Der Begriff gliedert sich durch seine innere Lebendigkeit in Besonderheiten, Klassen, Arten, die wieder Arten und Einzelne unter sich befassen können, aber alle diese Unterschiede sind ein Spiel, das der Festigkeit des Begriffs nichts anhat, und wie es vom Begriff gesetzt ist, vom Begriff auch wieder aufgehoben wird. Der Begriff ist das Mächtige und das Freie, weil er in sich und aus sich heraus webt und schafft. Wir, die Menschen, sind frei, soweit wir in Gedanken die Natur des Begriffs zu unserer eigenen Natur gemacht haben; die begriffliche Freiheit ist die Quelle, aus der die Freiheit des Willens stammt im Unterschiede von aller Abhängigkeit der äußeren Welt.
Das innere Leben des Begriffs offenbart sich in der Verschiedenheit, mit der er sich in den realen Gegenständen zur Erscheinung bringt. Die Verschiedenheit geht geradezu ins Unendliche. Sie ist unerschöpflich und in dieser Unerschöpflichkeit ein nie versiegender Quell der inneren Teilnahme. Nichts ist so langweilig, nichts so erkältend und totenstarr, wie die immer sich wiederholende Gleichförmigkeit des Begriffs es sein würde, wenn sie irgend erreichbar wäre, aber schon die Annäherung an die Gleichheit des Typus ist ermüdend. Allerdings auch die bloße Abweichung, die das Typische, das Gepräge des Allgemeinen und allgemein Gültigen schlechthin abtut, mag einzelnen Querköpfen ein besonderes Vergnügen verschaffen. Das wirklich Wertvolle ist überall der inhaltliche Reich-[56/57]tum der Sache, die das Allgemeine in sich ausprägt mit Unterschieden, die der Natur des Allgemeinen möglichst nahe stehen und das innere Wesen nicht aufheben, sondern in betonter Weise ausdrücken. In Natur und Geisteswelt ist das Einzelne das Charakteristische und durch seine Eigenheit Anziehende, aber die Bedeutung dieser Eigenheit steigt schon innerhalb der Natur von einem niedersten zu höhereren Graden und nimmt in der Geisteswelt bis zu einem höchsten Grade zu. Wo der Geist ins Spiel kommt, werden die Unterschiede unermeßlich, auch die Unterschiede in den Bedingungen und Umständen, unter denen sich der Geist betätigt. Die äußere Welt, die dem Menschen als Material für die Erreichung seiner Zwecke zur Hand ist, erhält dadurch ihre Bedeutung als das Reich der Mittel, mit denen die Freiheit schalten soll. Am allerstärksten drückt sich das im sittlichen Leben aus. Das Allgemeine liegt überall zugrunde, aber zu tun haben wir es mit der realen Einzelheit. Jeder Vorgang ist ein einzelner innerhalb der Gattung von Vorgängen, die man als ein Gesetz bezeichnet. jeder Vorgang hat daher seine Eigenheit und seine Verschiedenheit. Er kommt deshalb nicht zweimal vor. In der äußeren wie in der inneren Welt ist jeder Augenblick eigentümlich. Wir sind auch bei längster, Lebensdauer nicht zweimal in derselben Lage. Die Bedingungen, unter denen wir tätig sind, wechseln in unendlich kleinen Zwischenräumen. Wie im Einzelleben, so geht es in der Geschichte zu, im Leben der Staaten und der Völker. Die großen Menschen, nach denen wir die Zeitalter, die Perioden der Geschichte benennen, die großen Denker, die Künstler, die Propheten sind alle durch und durch individualisiert. Sie selber und die Umwelt, innerhalb deren sie ihr Werk treiben, und jede Stunde ihres Daseins bietet einen Anblick, der in ihrem Leben nicht wiederkehrt und noch weniger in dem Leben der anderen.
In der Natur herrscht das Gesetz, aber es bleibt ideell. Der reale Vorgang prägt wohl das Gesetz aus, aber doch mit Unterschieden, die durch Einwirkung von allen Seiten her herbeigeführt werden in eigentümlicher Weise. Das [57/58] Gesetz herrscht und ist das Mächtige, aber jeder einzelne Fall drückt das Gesetz nur annähernd mit stärkerer oder geringerer Abweichung aus. Und was nun gar das Leben anbetrifft, so ist die Individualisierung der Lebensvorgänge jedes Zeitteilchens in dem Leben, selbst der tieferstehenden organischen Wesen, der Tiere wie der Pflanzen, unverkennbar und läßt ungeheuerliche Abweichungen, seltsame Mißgebilde, ungewöhnliche Verbindungen zu, die in der aufdringlichsten Weise die Regelmäßigkeit der Natur durchbrechen. Im Gebiete des geistigen Lebens gewinnt eben diese Abweichung und Individualisierung weiter noch ausgeprägtere Formen und erlangt eine unermeßliche Bedeutung. Wir bewegen uns überall unter der Macht des Allgemeinen, und unter der unendlichen Vielgestaltigkeit des Einzelnen.
Diese Einzelheit nun macht dasjenige aus, was wir Zufälligkeit nennen. Wenn der Forscher ein Experiment macht, so sucht er nach Möglichkeit die Zufälligkeit und Einzelheit des Vorganges auszuschließen und die Bedingungen möglichst rein herzustellen, deren Ergebnis er in vorbedachter Weise festzuhalten bemüht ist. Aber kein Versuch erreicht auch bei der größten Sorgfalt sein Ziel vollkommen; das Allgemeine bleibt ideell. Im Realen muß man sich mit dem ungefähren Entsprechen des Einzelnen gegenüber den allgemeinen Maßstäben begnügen. Die Natur selber stellt solche ideellen Bedingungen nie rein her, und wo ein Vorgang in der Natur, und sei es auch am Himmel unter den Sternen, ausdrücklich beobachtet wird, da ist immer mit der Zufälligkeit des einzelnen Falles zu rechnen, die das Gedankliche nicht rein hervortreten läßt. Die sogenannten Konstanten sind selber in der Realität nicht konstant, sondern weichen mehr oder minder ab. Das Denken erst stellt aus der realen Einzelheit, aus der Fülle der Beobachtungen durch die denkende Erfahrung auf Grund der möglichst reichhaltigen Sammlung von Exemplaren und von Wahrnehmungen das ideelle Allgemeine als die Grundform fest, um welche die realen Einzelfälle ihre Kreise ziehen. Bei alledem bleibt diesem Ideellen der Vorrang, das eigentliche Wesen des Falles [58/59] darzustellen, und dem Realen gegenüber gilt immer der Vorbehalt, daß das Zufällige an ihm ausgeschieden werden muß, damit das Gedankliche und Begriffliche, das in ihm das eigentliche Wesen ausmacht, in seiner Reinheit herausgestellt werde.


IX.



Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Gewiß; die alten Formen, die alten Begriffe, die Gattungen, die Gesetze bleiben, aber auch dieser Satz erfährt seine Einschränkung. Eigentlich ist jedes, was vorkommt, was da ist und was geschieht, doch wieder ein Neues und so noch nie Dagewesenes. jedes Einzelne ist unersetzlich und unvertretbar. Daß diese fortwährende Abwechslung und Erneuerung doch jene allgemeinen Grundlagen alles Seins nicht aufhebt, diese unzweifelhafte Tatsache, ohne die jedes Denken und Sprechen unmöglich wäre, könnte nicht vorhanden sein, wenn nicht innerlich im Zusammenhange aller Dinge, ebenso wie die Unendlichkeit des Einzelnen, die Dauerbarkeit und Beständigkeit des Allgemeinen mit enthalten wäre. Dies aber gerade ist das, was man unter Zweck versteht. Man soll nicht, wenn vom Zweck die Rede ist, immer an die Überlegungen und Absichten eines Menschen denken. Der Zweck ist ein objektives Element in allem, was ist und was geschieht. Ein so unentbehrliches Element, daß, ohne den Zweck dabei mitzudenken, überhaupt nicht gedacht werden kann. Denn wenn gedacht wird, wird immer das Allgemeine gedacht mit seinen Bestimmungen, die selbst wieder allgemein sind, und dieses Allgemeine wird als ein Bleibendes, immer wieder Hergestelltes gedacht. Das ist der Sinn des Satzes von der Identität; die Begriffe bleiben, sie gleiten nicht, wenn alles Einzelne wechselt. Eben dies, daß das Allgemeine mitten in der Unendlichkeit des Einzelnen unversehrt sich erhält und sich wieder herstellt, das ist der Grundcharakter alles dessen, was ist, und dieser Grundcharakter im Seienden ist der Zweck. Es ist also nur eine Redewendung und [59/60] nicht ein wirklicher Gedanke, wenn man es so darstellt, als wolle man vom Zweck und der Zweckmäßigkeit und Zwecktätigkeit in der Betrachtung der Dinge absehen. Wer irgend etwas denkt oder sagt, denkt ebenso notwendig die Kategorie des Zweckes mit, wie er die Kategorien der Substanz, des Wesens und des Begriffes denkt. Und wenn einer, der Notwendigkeit des Denkens folgend, nach dem Satz des Grundes den Zusammenhang aller einzelnen Wesen untereinander und die Abhängigkeit jedes Erscheinenden von anderen Erscheinenden behauptet, so kann er gar nicht umhin, unter den Arten des Grundes als den obersten Grund, aus dem alle anderen Arten des Grundes abstammen, den Zweck mitzudenken. Wenn einer vorgibt, er schließe die Betrachtung unter dem Gesichtspunkte des Zwecks von seinem Denken aus, so ist es nur ein Beweis dafür, daß er von seinem Denken, wie es sich wirklich vollzieht, gar kein Bewußtsein besitzt und über die Vorgänge in seinem Denken sich niemals Rechenschaft abgelegt hat.
Zusammenhang ist das Wesen dieser einheitlichen Welt. Es gibt keine Einzelheit, die außerhalb der allumfassenden Verbindung stände. Dieser Zusammenhang ist näher oder ferner, unmittelbarer oder vermittelter, aber nirgends bricht er ab. In diesem Zusammenhange gibt es demnach Grade des Umfangs, der Allgemeinheit, der Macht. Und wenn man einen Zusammenhang von geringerem Umfange und geringerer Macht denkt, so ergibt sich die Notwendigkeit, daß man auch den Zusammenhang vom allergrößten Umfang und von absoluter Macht setzt, um nicht in den Fortgang ins Unendliche zu geraten. Dies ist dann die oberste Einheit in allem, was da ist. Dieser Einheit entzieht sich nichts. Sie hat Macht über alles. Sie wirkt nicht als äußere Gewalt, sondern als innere Macht, die in den Dingen selber lebendig und tätig ist, und deren Walten jegliches als einen zugehörigen gliedlichen Bestandteil des einheitlichen Ganzen aufweist. Wir haben für diese oberste Macht, die alles durchdringt und alles leitet, den Allen geläufigen Ausdruck: Vorsehung. Damit wäre denn gesagt, daß schlechthin alles, was irgendwie Gegenstand des [60/61] Wahrnehmens, des Vorstellens, des Denkens sein kann, unter der waltenden Macht der Vorsehung im Dienste des einheitlichen Weltalls steht, und in dem gliedlichen Zusammenhange des Alls seine bestimmte Stellung und Bedeutung hat. Da in der Welt, in der wir leben, die allgemeinen Formen und Begriffe sich erhalten; da diese Zwecktätigkeit der Wiederherstellung des Allgemeinen mitten in dem unabsehbaren Chaos und Tumult der Einzelheit sich vollzieht, als die innere Macht, die allen Dingen innewohnt und sie zusammenhält: so ergibt sich der Gedanke der Vorsehung als der obersten Zwecktätigkeit mit unabweisbarer Notwendigkeit, und es ist ebenso unabweisbar, daß diese Zwecktätigkeit auf ein denkendes und wollendes Wesen zurückgeführt werden muß.
Weil es Begriffe gibt, Allgemeines, das bleibt und besteht, darum gibt es den Zweck, und die Zwecke in dieser realen Welt; und inmitten der äußeren realen Existenz ist der Zweck und die Zwecktätigkeit das eigentlich Wirkliche. Mit dem Begriff ist auch der Zweck gesetzt. Wer den Zweck leugnet, hebt den Begriff und das Denken und sich selber als denkendes Subjekt auf. Dagegen wer da weiß, daß er denkt, daß er in Begriffen denkt, daß die Begriffe, in denen er denkt, den Anspruch erheben, den in der Welt objektiv vorhandenen Begriffen zu entsprechen, der ist eben deshalb auch gezwungen, in folgerichtigem Denken die oberste Macht und Herrschaft einer Vorsehung mitzudenken, die durch ihr Innewohnen in allem, was ist, das Seiende zu einer einheitlichen Welt, und alles Geschehen in dieser Welt zu einem einheitlich geschlossenen Ganzen gestaltet.
Dadurch bekommt nun die Einzelheit ihren Sinn, dadurch wird ihr ihre Stellung im Zusammenhange der Dinge angewiesen. Alle Einzelheit ist als solche zufällig; aller Zufall ist Einzelheit. Wenn das Einzelne um die bleibende Mittellinie des Allgemeinen herum sein buntes und vielgestaltiges Spiel treibt, so fließt das aus dem Allgemeinen als folgerichtige Erscheinung ab. In dem Einzelnen mit aller seiner chaotischen Vielheit hört aber das Allgemeine nicht auf, wirk-[61/62]sam zu sein. Weil das Einzelne aus dem Allgemeinen fließt, so wird es durch das Allgemeine in Schranken gehalten und zum Zeugnis für die Macht des Allgemeinen erhoben.
Einzelheit und Zufälligkeit sind Grundbestandteile des Weltalls und Mittel für die Vorsehung, ihre obersten Zwecke zu erreichen. Die Einzelheit und Mannigfaltigkeit macht im Gegensatz zu der starren Einförmigkeit des Allgemeinen die Lebendigkeit der Welt aus. Das Einzelne behauptet dem Allgemeinen gegenüber, das als starres Gesetz gleichförmige Notwendigkeit zur Folge haben würde, seine verhältnismäßige Freiheit. Solche Freiheit steht im höchsten Grade dem denkenden Menschen zu. Je nach seiner Eigentümlichkeit, durch die er sich von jedem andern unterscheidet, faßt er mitten in der ihn umgebenden Welt, die für ihn wiederum in jedem Augenblicke eine Eigentümlichkeit hat, die in gleicher Weise bei keinem anderen Menschen sich vorfindet, seine Entschließungen und vollzieht seine Handlungen.
Kein lebender Mensch steht unter einem blinden Verhängnis, das mit unerbittlicher Notwendigkeit sein Inneres regierte und sein Äußeres gestaltete. Der denkende Mensch bildet sein Inneres, und wenn es zum günstigen Ergebnis kommt, gewinnt er eben durch den Gebrauch seiner Freiheit denjenigen Charakter, der über sein ganzes weiteres inneres Leben und seine äußere Betätigung entscheidet, ohne jemals in unverbrüchlicher Festigkeit zu erstarren. Es sind gerade die Vorgänge seines Denkens, die von geringerer bis zu größter Klarheit sich durchzubilden vermögen, was dem Menschen seine Freiheit verbürgt. Der denkende Mensch steht in jedem Augenblicke über der Macht der äußeren Dinge und bildet seine Motive und seine Absichten aus unaufhebbarer Beweglichkeit des Gedankens heraus mit überlegender Selbständigkeit, die sich zur eigentlichen Freiheit durchzuarbeiten vermag, indem sie den Menschen befähigt, durch denkende Vernunft seine Betätigung in voller Sicherheit zu allgemeingültiger Vernünftigkeit zu erheben. In der unendlichen Vielgestaltigkeit der menschlichen Persönlichkeiten finden sich von niederer Gebundenheit unter die Macht der sinnlichen Ein-[62/63]drücke bis zur höchsten geistigen Selbständigkeit des besonnenen Wollens alle Grade der Freiheit verwirklicht. Dem so individualisierten menschlichen Wesen steht die äußere Welt gegenüber mit dem ähnlichen Reichtum lebendiger Verschiedenheit gewissermaßen als ein äußeres Gleichnis für die zur Freiheit bestimmte Innerlichkeit des Menschen. Aber unermeßlich ist der Unterschied des Wertes zwischen den einzelnen Gestalten und den einzelnen Vorgängen in der Außenwelt einerseits und den einzelnen Persönlichkeiten und einzelnen Leistungen der Menschen andererseits. In der äußeren Natur vergeht die Einzelheit mit ihren Unterschieden, und die Umwandlung, die durch solche Einzelheit dauernd bewirkt wird, ist gering gegenüber dem festen Bestande der allgemeinen Grundlagen der äußeren Dinge. Ganz anders ist es in der Menschenwelt mit dem gewaltigen Schauspiel der Weltgeschichte. Hier ist die Einzelheit der Persönlichkeit die, wirkende Macht einer Entwicklung, die immer wieder neue Formen und Gestalten hervortreibt und einem stetigen, einem mehr oder minder klar erfaßten Zwecke einzelne Abteilungen und weiterhin das gesamte menschliche Geschlecht entgegenführt.
Einzelheit und Zufälligkeit findet sich schon in der äußeren Natur in den uns begegnenden Dingen und ihren Vorgängen. Aber - mögen immerhin Unterschiede sich auch innerhalb der Bestandteile gleichartiger Massen vorfinden: sie haben für den Bestand des Ganzen eine verhältnismäßig geringe Bedeutung. Je ausgeprägter die Form der Dinge, desto größer werden auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Exemplaren, und in dem Reiche der lebendigen Wesen steigern sich ebenso die Verschiedenheiten der Einzelwesen im Verhältnis zu der Höhe der Stufe, die das lebendige Wesen im Reiche der Organismen erreicht. Treten wir von da aus hinüber auf das Gebiet des Menschenlebens, so stellt sich uns das gewaltige Schauspiel dar vom Entstehen und Vergehen, Blühen und Herabsinken der Völker und Staaten, der Schöpfungen des Gedankens und der Gebilde des Willens, der Ereignisse und Taten, Werke und Gedankenbildungen von unvergänglicher Be-[63/64]deutung. Hier werden die großen Werte geschaffen, die gewaltigen Arbeiten zur Regelung der menschlichen Verhältnisse, zum Schaffen fester Einrichtungen, die Bildung von Rechtsordnungen, von Religionen, Sprachen vollzogen, lauter Denksteine im Gange der menschlichen Geschicke" die sich in unaufhaltsamem Zuge aneinanderschließen und durch die Jahrtausende hindurch eine zusammenhängende Reihe bilden, ein dauerndes Gedächtnis des ganzen menschlichen Geschlechts. Und alle diese Schöpfungen sind durch einzelne Menschen, durch Individuen bewirkt worden, deren jegliches in die Welt eingetreten ist, zufällig, unerwartet, und Spuren hinterlassen hat, die nicht mehr verwischt werden können. Wir haben oben gezeigt, daß es ein vollkommen fruchtloses Unternehmen wäre, aus irgend welchen äußeren Ursachen diese Persönlichkeiten abzuleiten. Die Einzelheit der Individualität ist aus einzelnen bestimmten Ursachen nicht ableitbar. In diesem Sinne ist sie zufällig. Je größer der Wert der Individualität wird, desto ergreifender wirkt der Gedanke dieser Zufälligkeit. Die großen Menschen, die mit ihren Gaben, ihren Taten, ihren Gedanken die Menschenwelt umgestaltet haben, und deren Nachwirkung bis in die fernsten Zeitalter reicht, alle Jahrtausende hindurch, - sie sind geboren an diesem Ort, in diesem Zeitpunkt, und ihr Leben hat sich unter diesen Umständen vollzogen. Sie sind mit diesen Menschen in Berührung gekommen, in freundliche oder feindliche. Sie haben aus der Vergangenheit diese Eindrücke in sich aufgenommen, diese Erlebnisse haben ihr Inneres gebildet. Die Umstände sind ihnen hinderlich oder förderlich gewesen, alles dies in ausschließlicher Einzelheit, die so niemals sonst vorgekommen ist, niemals auch nur in ähnlicher Weise wiederkehren wird. Es ist ein Gedanke von ebenso erschütternder wie erhebender Kraft, daß alle diese unabsehbare, unausdenkbare Zufälligkeit im Dienste der höchsten Zwecktätigkeit des absoluten Geistes, seines Denkens und seines Wollens ihre Erklärung findet und auf andere Weise nicht ableitbar, nicht denkbar ist. Wir erinnern an [64/65] unsere obigen Ausführungen. Bei diesen Persönlichkeiten von höchstem Werte drängt sich unabweisbar der Gedanke auf: diese Persönlichkeiten sind Rüstzeuge einer absoluten Geistesmacht gewesen, von ihr ins Leben gerufen, mit den Gaben ausgestattet, die gerade in dieser Zeit und in dieser Umgebung nötig waren, um zu erhalten, zu retten, das Kommende vorzubereiten, die Bahnen fruchtbarer Entwicklung anzudeuten und selbst vorbildlich zu wandeln. Die großen, mustergültigen Schöpfungen in der Kunst, in der Wissenschaft, in der Religion, aber auch die weltgeschichtlichen Taten auf dem Gebiete des Staatslebens, in Krieg und Frieden, die Gesetzgebung, die Organisation, die berufen ist, durch die Jahrhunderte fortzubestehen, die einzelne Tat von ausschlaggebender Bedeutung: alles das ist von einzelnen Persönlichkeiten geleistet worden, die zufällig in diese Welt hineingeboren worden sind und mitten in der Gunst und Ungunst der Umstände das Unvergängliche vollbracht haben.
Zufällig ist auch das, was diese großen Persönlichkeiten erleben und erfahren. Durch Zufall werden sie gehoben und an die rechte Stelle gebracht. Durch Zufall werden sie gestürzt, in ihrem Wirken geschädigt. Zufällige Persönlichkeiten und Begegnungen treiben sie vorwärts, nehmen sich ihrer an, treten ihnen in den Weg. Warum alles so gekommen ist, läßt sich durch keinen Verstand ermessen. Aber - daß es so kommen sollte, daß eine innere Notwendigkeit darin wirksam war, erweist sich der verständigen Überlegung mit voller Klarheit und Deutlichkeit. In den Dingen drinnen lagen die eigentlichen Gründe geistiger Art für alles dieses bedeutungsvolle Geschehen. Es ist den Dingen nicht äußerlich aufgeprägt worden, die Dinge sind nach ihrer Art ihren Gang gegangen. Aber die Zufälligkeit war doch nur scheinbar. Eine höhere Leitung, die über alle Dinge Gewalt hat und sie durchdringt, hat alles so gefügt. Der größte Held stirbt in dem Augenblicke, wo er sich anschickt, die Welt umzugestalten, abendländische und morgenländische Kultur miteinander zu verschmelzen, im kräftigsten, blühendsten Mannes-[65/66]alter. Der Genius, der bestimmt ist, unsterbliche Schöpfung der Dichtkunst zu spenden, wird in früher Jugend von tödlicher Krankheit befallen, aber er erlangt Genesung und kommt zu ungewöhnlich hohem Alter. In niederer Umgebung wächst der gewaltige Denker auf, der nachher mit flammender Begeisterung seine Nation zu Taten der Abwehr und Selbstbehauptung erweckt. Es ist nicht nötig, die Beispiele zu häufen; die Tatsachen leben in der Erinnerung der Menschen und die Heldengestalten stehen uns mit ihren Geschicken vor Augen. Unser Geist nährt sich von dem, was sie vor Jahrhunderten oder vor Jahrtausenden vollbracht haben, und die Geschichtsschreiber wissen uns den inneren Sinn und den Zusammenhang zu deuten, der zwischen den Erfordernissen der Lage und der Begabung dieser Persönlichkeiten besteht.
Aber sehen wir ab von den großen Männern von geschichtlicher Bedeutung, und fassen wir das Leben der Menschen im allgemeinen ins Auge, so erscheint uns auch hier wieder alles Menschliche als unter der Macht der Zufälligkeit stehend. Was wir erleben, was wir leiden und was uns gelingt, alle Freuden und Schmerzen, unsere Genossen und Freunde, unsere Neider und Widersacher, alles das ist Fügung von ganz besonderen Umständen, und jeder einzelne Mensch erfährt und erlebt, was kein anderer Mensch in gleicher Weise erduldet oder erzielt. Auch hier bringt der Zufall Ergebnisse hervor, die aus äußeren Ursachen nicht ableitbar sind. Es kommt auch das ganz Auffallende, Außerordentliche, was niemand erwartet, niemand sich vorgestellt hätte, zur Verwirklichung. Die Menschen sehen darin zum Teil Vorherbestimmung und bilden sich fatalistische Vorstellungen. Sie leiten aus der Willkür des allmächtigen Gottes ab, was ihnen oder was den andern begegnet. Religiöse Gesinnung findet in den Ereignissen, die einen besonders starken Eindruck machen und aus der regelmäßigen Erscheinung herausfallen, ein unmittelbares Eingreifen der göttlichen Allmacht. So geschehen der Erfahrung der Menschen nach unausgesetzt Wunder der Rettung, der [66/67] Heilung, der Erhaltung und Wiederherstellung. Der für unheilbar erklärte Kranke wird geheilt. Die Gefahr, die unentrinnbar schien, wird abgewandt, der ganz unverhoffte Glücksfall, den man für unmöglich gehalten hätte, tritt dennoch ein. Dergleichen erlebt der Gläubige als ein Wunder. In der Tat sind solche Fügungen für den, der an die sinnliche Erscheinung in seinem Denken gebunden ist, eben durch ihre Abweichung von der Regel des äußeren Geschehens wunderbar, aber in Wahrheit ist das eigentliche Wunder der Geist, und seine Wirksamkeit und nicht bloß das Auffallende und Regelwidrige, sondern alles Geschehen, sofern es von dem Walten und der Macht des Geistes Zeugnis ablegt, ist wunderbar. Wer als das eigentlich Wirksame überall die geistigen Mächte zu betrachten gelernt hat, der weiß sich überall von Wundern umgeben und aus der Herrschaft blinder Naturkräfte herausgehoben. Wenn aber jemand zu der Überzeugung gelangt ist, daß diese ganze Welt ein Reich der Zwecke ist, daß der Gedanke der sittlichen Freiheit den obersten Zweck alles Daseienden bezeichnet, daß alle Veranstaltung dazu bestimmt ist, die Befreiung der Persönlichkeit zu fördern und der sittlichen Vollendung als dem obersten Zwecke zu dienen, so hat es für ihn nichts Verwunderliches, daß der Zufall überall in der Hand der Vorsehung als das Mittel dient, ihre Zwecke zu erreichen. Die Vorsehung wirkt nicht äußerlich und gewaltsam etwa vermittelst der Aufhebung der Naturgesetze, sondern sie ist innerhalb des natürlichen Geschehens gegenwärtig als der letzte und oberste Grund, der von innen heraus alles in dieser Welt über alle Hindernisse hinweg zu seinem Ziele leitet. Alle Einzelheit geht so in die oberste Einheit dessen was ist, zurück, und in allem was geschieht, wirkt sich die Idee aus, die auf jedem Gebiete des Geschehens ihre inneren Momente und ihren gesamten Inhalt eben vermittelst der zufälligen Einzelheit zur Darstellung bringt; das ist der wirkliche Sinn alles Geschehens und der Zufall erweist sich im höchsten Sinne als der Handlanger und Mithelfer der absoluten Geistesmacht, an der alles hängt. [67/68]
Solche Überzeugung ergibt die freudige Gewißheit, daß alles was ist und was geschieht, die Welt einem höchsten seligen Ziele entgegenführt. Über alle Leiden und Schmerzen, alle Übel und Hemmungen hinweg, über Zerstörung und Untergang, jenseits des gesamten irdischen Schauspiels von Elend und Jammer, sehen wir im Geiste das Höchste Gut heranreifen, das in uns schon als das Streben nach sittlicher Freiheit angelegt ist. Auch das, was wir im gegenwärtigen Augenblicke durchleben, die furchtbaren Verwüstungen eines die ganze Welt in seinem Strudel fortreißenden Krieges, ist danach Mittel in der Hand der Vorsehung, den Gang der Menschheit dem idealen Ziele entgegenzuführen. Solche optimistische Überzeugung ist das Erbteil des deutschen Geistes. Die Erscheinungen, die uns die Welt bietet in ihrer Zufälligkeit, sind nicht das Letzte. Darüber hinaus wirkt die bauende, vorwärtstreibende Macht des die Welt lenkenden Geistes, der über alle Einzelheit hinübergreifend [.] die gedankliche Einheit der Welt unausgesetzt wiederherstellt [.] Der absolute Geist ist ebenso absolutes Allgemeines wie absolutes Individuum, und so ist er Gott. Wie Gott als Vorsehung wirkt, muß im Geiste begriffen werden, nicht durch äußerliche Vorstellungen. Gott schafft und formt als der absolute Künstler, Held und Denker, und die großen Menschen schaffen ihre Werke, Systeme und Gebilde nach dem Vorbilde des absoluten Geistes. Gottes Wirken ist nicht unverständlicher als das Schaffen eines menschlichen Künstlers. Gott wirkt, wie sich der große deutsche Kardinal Nikolaus von Kusa ausdrückt, - alle seine Werke dazu, damit die Welt ein stetig zusammenhängendes einheitliches vollendetes Ganzes sei: ut sit unum continuum perfectum universum.

Zurück zur Startseite.